Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Dienstag, 30. November 2010
Kriegstrauma
Dass Tobey “Spidey” Maguire auch anders kann, durfte er heute unter Beweis stellen.

BROTHERS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Brothers
Verleih: Koch Media (24 Bilder)
Land/Jahr: USA 2009
Regie: Jim Sheridan
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Natalie Portman, Tobey Maguire
Kinostart: 27.01.2011

Zwei Brüder wie sie verschiedener nicht sein könnten: Sam ist ein überzeugter Marine, Tommy kommt gerade aus dem Gefängnis frei. Als Sam nach einem Afghanistan-Einsatz für tot erklärt wird, kümmert sich Tommy liebevoll um dessen Ehefrau Grace und die beiden Töchter. Tommy und Grace kommen sich näher. Da taucht plötzlich Sam wieder auf. Schwer traumatisiert kehrt er nach Hause zurück... Skandinavische Filme müssen sich oft dasselbe Schicksal teilen: sie werden als amerikanische Remakes erneut ins Rennen geschickt. Dieses Mal hat es den von Susanne Bier nach einem Drehbuch von Anders Thomas Jensen inszenierten Film BROTHERS – ZWISCHEN BRÜDERN erwischt. Jim Sheridan geht in seinem Remake der Frage nach, wie ein einschneidendes Kriegserlebnis alle Beteiligten gleichermaßen betrifft. Nicht nur der von Tobey Maguire überzeugend gespielte Soldat muss ein wahres Martyrium erleiden, auch seine Angehörigen – obgleich fest von seinem Tod überzeugt – werden aus der Bahn geworfen. Grace versucht ihren Verlust durch die Annäherung an Tommy zu kompensieren, Tommy durch freiwillige Arbeiten in Graces Haus und das Umsorgen ihrer Kinder. Leider wird die Dramaturgie des Films durch die Zwischenschnitte zu Sams Kriegserlebnisse etwas gestört. Dadurch wird zwar dessen Trauma für den Zuschauer nachvollziehbar, doch ist die Entstehung dieses Traumas eigentlich nur eine Nebensächlichkeit. Wichtig dabei ist eigentlich nur, dass der Marine mit extremen seelischen Schmerzen heimkehrt. BROTHERS ist kein schlechter Film, doch macht er Lust darauf, sich mit dem Original zu beschäftigen.
Freitag, 26. November 2010
Zwei Dokus und ein Otto
Zum Wochenabschluss gab’s gleich noch ein heftiges Triple Feature...

GOOD FOOD, BAD FOOD – ANLEITUNG FÜR EINE BESSERE LANDWIRTSCHAFT (1:1.85, Dolby SR)
OT: Solutions Locales Pour Un Désordre Global
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Frankreich 2010
Regie: Coline Serreau
Kinostart: 20.01.2011

In ihrem Dokumentarfilm lässt Coline Serreau engagierte Menschen zu Wort kommen, die sich in allen Teilen der Welt für “saubere” Nahrung einsetzen. Bauern, Ernährungswissenschaftler, Agraringenieure und dergleichen aus Frankreich, Brasilien und sogar Indien berichten darüber, wie die Menschheit seit Ende des Zweiten Weltkrieges von den großen Düngemittelherstellern gegeisselt wird und in deren Kreisläufe zur Profitmaximierung eingebunden ist. Dass es auch anders geht und wesentlich gesünder dazu wird an Beispielen aus diesen Ländern belegt. Die Botschaft des Films ist glasklar: wir steuern auf eine Hungerskatastrophe zu, wenn wir nicht schleunigst ein Umdenken in Gang setzen! So alarmierend ihr Film auch ist, so eignet er sich nicht unbedingt für die große Kinoleinwand, sondern eher für eine TV-Ausstrahlung. Nicht nur, dass er dort vermutlich eine weitaus größere Reichweite erreichen wird, sondern auch Serreaus filmischer Stil mit wackeliger Handkamera und extrem vielen Großaufnahmen passt besser auf einen 16x9 Monitor. Sehens- und diskussionswert, aber kinoungeeignet.

RUSSLAND – IM REICH DER TIGER, BÄREN UND VULKANE (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Polyband (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland 2010
Regie: Jörn Röver
Kinostart: 13.01.2011

Jörn Röver präsentiert in seinem Dokumentarfilm faszinierende Landschaften und einzigartige Tieraufnahmen. Die fast vollkommen unberührte Natur in Sibirien, der Taiga oder dem Ural wird im Verlaufe eines Jahres präsentiert und mit schwermütiger Musik mit großem Orchester und Chor untermalt. Siegfried Rauch fungiert als Kommentator aus dem Off. Leider sind die vorgetragenen Texte oftmals nicht gerade kinoreif und sorgen dafür, dass sich der Film an das durchschnittliche Niveau entsprechender TV-Dokus annähert. Auch hätte man sich für die Darbietung im Kino grandioses CinemaScope gewünscht, doch die Formatangabe im Presseheft verrät die wahre Natur der Dokumentation: 1:1.78 (= 16x9)!

OTTO‘S ELEVEN (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Warner
Land/Jahr: Deutschland 2010
Regie: Sven Unterwaldt jr.
Darsteller: Otto Waalkes, Mirco Nontschew, Rick Kavanian
Kinostart: 02.12.2010

Kunstmaler Otto lebt mit seinen drei Kumpels auf der winzig kleinen Insel Spiegeleiland. Als ihm eines Tages durch einen bösen Trick sein einziger Schatz, ein Gemälde aus dem Zyklus “Die vier Jahreszeiten”, von einem aalglatten Casinobesitzer gestohlen wird, ziehen die vier Freunde los, um das Gemälde zurückzustehlen... Wer gehofft hatte, dass sich Otto Waalkes endlich zur Ruhe gesetzt hat, wird eines Besseren belehrt. In seinem neuen Kinofilm recycled der Komiker seine altbekannten Gesten, Töne und Witze auf eine Art und Weise, die den Film allenfalls noch für Kindergartenkinder konsumierbar macht. In der Tat gestaltet sich das Komödchen so extrem langweilig, dass ich mich nach kurzer Zeit nur noch darauf konzentriert habe herauszufinden, welche Filmmusiken in dem von Waalkes selbst und Karim Sebastian Elias komponierten Score Pate gestanden haben: FORREST GUMP, ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT und BASIC INSTINCT habe ich deutlich herausgehört. Das zumindest spricht für Waalkes guten Filmmusikgeschmack, entschuldigt jedoch keinesfalls 90 Minuten Langeweile.
Donnerstag, 25. November 2010
Jigsaw, Tucker & Dale und ein Freund
Drei weitere Filme auf meinem Konsumkonto. Den ersten habe ich mir gestern noch bei Nacht und Nebel in einer Preview anschauen müssen, will der Filmverleiher eine Pressevorführung für unnötig hielt.

SAW 3D – VOLLENDUNG (1:1.85, 2k Digital, 3D, PCM 5.1)
OT: Saw 3D
Verleih: Kinowelt
Land/Jahr: Kanada, USA 2010
Regie: Kevin Greutert
Darsteller: Tobin Bell, Costas Mandylor, Betsy Russell
Kinostart: 25.11.2010

Im angeblich letzten Teil des SAW-Franchise macht Serienkiller und Moralapostel “Jigsaw” Jagd auf einen Mann, der vorgibt, eines der noch lebenden Opfer von “Jigsaw” zu sein... “Wer zuletzt sägt, sägt am schlechtesten”. Mit diesem Leitspruch könnte man Teil 7 der Torture Porn Serie durchaus überschreiben. Denn Kevin Greuterts menschenverachtendes Werk legt sein Hauptaugenmerk nicht etwa auf einen genialen Spannungsaufbau oder gar logische Abläufe, sondern auf bestialische Tötungsszenarien. Dass die jedoch ohne einen psychologischen Unterbau ihre Wirkung komplett verfehlen, versteht sich von selbst. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass der Sarkasmus in jener Eröffnungssequenz, in der drei Opfer des Killers in einem Schaufenster vor großem Publikum um ihr Überleben kämpfen, unfreiwillig entstanden ist. Dass der Film in dieser Version quasi automatisch auf dem Index landen wird, sobald er auf Heimkinomedien zur Verfügung steht, dürfte so sicher sein wie die Tatsache, dass uns weitere SAW-Sequels vermutlich nicht erspart werden – auch wenn die Macher das Gegenteil behaupten. Enttäuschend am Film auch die 3D-Technik, die vermutlich im Nachhinein eingesetzt wurde. Meine Empfehlung: schauen Sie sich noch einmal den allerersten SAW-Film an. Er ist und bleibt bis heute unerreicht.

TUCKER & DALE VS. EVIL (1:2.35, DD 5.1)
OT: Tucker & Dale Vs. Evil
Verleih: Wild Bunch (Central)
Land/Jahr: Kanada 2010
Regie: Eli Craig
Darsteller: Tyler Labine, Alan Tudyk, Katrina Bowden
Kinostart: 20.01.2011

Auf den ersten Blick wirken sie wie degenerierte Hinterwäldler, denen alles zuzutrauen ist: Dale und Tucker. Doch eigentlich wollen die beiden vollkommen harmlosen Kumpels nur einen schönen Urlaub in ihrer neu erstandenen Urlaubshütte mitten im Wald verbringen. Wäre da nicht diese kleine Gruppe von Highschool Kids, die einfach schon zu viele Horrorfilme gesehen hat und den beiden schreckliche Taten unterstellt. So kommt eines zum anderen und schon gibt es die ersten unfreiwilligen Tote... Wer das Horrorgenre mag und dort ganz speziell die Backwoods-Kategorie, der wird sich hier köstlich amüsieren und darf sich ständig auf die Schenkel klatschen. TUCKER & DALE VS. EVIL war eines der komödiantischen Highlights des diesjährigen Fantasy Filmfest. Und das zu recht. Denn wie hier handelsübliche Gartenbaugeräte schwarzhumorig eingesetzt werden, versetzt die Lachmuskeln in Schwingungen. Man muss diese derbe Art von Humor natürlich mögen! Als besonderen Höhepunkt gibt sich ein monströser Häcksler die Ehre, in den - durch einen dummen Zufall bedingt - einer der Schüler springt und dem armen Tucker zu einem vollkommen ungläubigen Gesicht verhilft, während er von einer wahren Springflut aus Blut besudelt wird. ES ist als würde das TEXAS CHAINSAW MASSACRE auf MONTY PYTHON treffen! Einfach herrlich!

DER FREUND (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Film Kino Text
Land/Jahr: Schweiz 2007
Regie: Micha Lewinsky
Darsteller: Philippe Graber, Johanna Bantzer, Andrea Bürgin
Kinostart: 13.01.2011

Im winterlichen Zürich verliebt sich der extrem schüchterne Emil in die junge Sängerin Larissa. Doch er bringt es nicht übers Herz sie anzusprechen. Umso erstaunter ist er, als ihn Larissa vollkommen unvermittelt anspricht und ihn bittet, sich als ihren Freund auszugeben. Emil willigt ein. Als er danach nichts mehr von ihr hört, ruft er sie an. Am anderen Ende des Telefons sagt ihm Larissas Schwester Nora, dass Larissa tot ist. Er wird von deren Eltern eingeladen und spielt das Spiel, um welches ihn Larissa gebeten hatte... Die deprimierende Grundstimmung des Films wird nicht nur in den kühlen Bildern ausgedrückt, sondern spiegelt sich auch in den Songs von Larissa wider. Nach und nach wird im Film klar, dass sich die junge Sängerin das Leben genommen hat. Nicht nur ihre Eltern müssen damit fertig werden, auch ihre Schwester Nora, die sich plötzlich zu Emil hingezogen fühlt. Der Film arbeitet leider zu sehr mit dem Druck auf die Tränendrüse, so dass man dies als Zuschauer letztendlich als unangenehm empfindet. Immerhin sind die Darsteller gut ausgewählt und passen voll in das depressive Grundbild.
Mittwoch, 24. November 2010
Von englischen Normalos und einer Dichterin
Der neue Film von Mike Leigh und der Eröffnungsfilm der Filmschau Baden-Würrtemberg standen heute auf der Agenda.

ANOTHER YEAR (1:2.35, DD 5.1)
OT: Another Year
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Großbritannien 2010
Regie: Mike Leigh
Darsteller: David Bradley, Jim Broadbent, Karina Fernandez, Ruth Sheen, Lesley Manville
Kinostart: 27.01.2011

Geologe Tom und seine Frau, die Therapeutin Gerri, sind schon seit Jahrzehnten ein glückliches Ehepaar und stehen kurz vor der Rente. Die beiden sind Dreh- und Angelpunkt für ihre Freunde und Verwandten, die zumeist in nicht so glücklichen Lebensumständen sind... Mike Leighs in die vier Jahreszeiten untergliederter Film schildert das Paar bei vollkommen unspektakulären Begegnungen mit alten Bekannten. Da ist die Arbeitskollegin von Gerri, die nach wie vor Ausschau nach einem passenden Mann hält und immer verzweifelter wird. Oder der alte Kumpel von Tom, der zu viel trinkt und zu viel isst, weil er seine Einsamkeit und das Altern sonst nicht ertragen würde. Neben diesen tragischen Figuren sind Joe, der einzige Sohn der Eheleute, und dessen Freundin Katie das genaue Gegenteil. Sie sind die Hoffnungsträger. Neben den vielen kleinen und witzigen Dialogen spielt sich der Hauptteil des Films in den Gesichtern des handverlesenen Ensembles ab. Und Dank Dick Popes hervorragender CinemaScope-Fotografie kann man diese charakterstarken Gesichter auch wunderbar ablesen. Ein Film der leisen Töne und sehr präzise beobachtet.

POLL (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Deutschland, Österreich, Estland 2010
Regie: Chris Kraus
Darsteller: Edgar Selge, Paula Beer, Tambet Tuisk
Kinostart: 03.02.2011

Estland 1914. Die 14jährige Oda von Siering kehrt mit den Überresten ihrer Mutter zu ihrem Vater nach Poll zurück. Der arbeitet abgeschieden von der Außenwelt in seinem Laboratorium, in dem er angekaufte Leichen seziert, um deren Hirn zu erforschen. Als die künstlerisch begabte Oda eines Tages einen verwundeten estnischen Anarchisten findet, beschließt sie diesem zu helfen. Sie versteckt ihm auf dem Dachboden des Labors... Erst ganz am Ende des Films erfährt man als Zuschauer, dass es sich bei Oda von Siering um eine der bedeutendsten Dichterinnen ihrer Zeit handelte, deren Werke jedoch mittlerweile komplett verschwunden sind. Die Geschichte, die Regisseur Chris Kraus hier erzählt, wurde von tatsächlichen Ereignissen inspiriert. Das viel von dem Gezeigten leider etwas holprig und bruchstückhaft wirkt, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass der Film in seiner Rohschnittfassung etwa 200 Minuten lang war. 139 sind noch übrig geblieben. Der aufwändig inszenierte Film beeindruckt eigentlich nur in den technischen Disziplinen (hier insbesondere die Kameraarbeit von Daniela Knapp und die anspruchsvolle Filmmusik von Annette Focks).
Dienstag, 23. November 2010
Komödien, die nicht überzeugen
Die bis zum Anschlag gefüllte Pressewoche startete mit zwei Filmen, die man am besten gleich wieder abhakt...

CYRUS (1:1.85, DD 5.1)
OT: Cyrus
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Jay Duplass, Mark Duplass
Darsteller: John C. Reilly, Jonah Hill, Marisa Tomei
Kinostart: 25.11.2010

John ist schon seit sieben Jahren von seiner Frau geschieden, liebt sie aber immer noch. Sein tristes Leben bekommt eine Wendung als er die attraktive Molly kennenlernt. Doch dem Glück der beiden steht jemand im Wege: Mollys Sohn Cyrus. Der 21jährige wohnt noch immer bei seiner Mutter und treibt schon bald ein intrigantes Spiel... Wenn Sie mal wieder eine Komödie brauchen, bei der Sie so richtig schön einschlummern können, dann sei Ihnen CYRUS ans Herzen gelegt! Die ohne richtigen Pep inszenierte Komödie wirkt leider schon nach kurzer Zeit ziemlich einschläfernd, auch wenn ein großartiger John C. Reilly in der Rolle des John die Szene dominiert. Dazu mag der gewollt dokumentarisch gewählte Stil des Films ganz und gar nicht passen. Vergebene Liebesmühe.

VATER MORGANA (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Warner
Land/Jahr: Deutschland 2010
Regie: Till Endemann
Darsteller: Christian Ulmen, Michael Gwisdek, Felicitas Woll
Kinostart: 16.12.2010

Just in dem Moment als Lutz seiner angebeteten Annette den Heiratsantrag machen will, platzt sein Vater nach vielen Jahren des Verschwundenseins unversehens in die Feier und bringt alles durcheinander. Der Heiratsantrag wird auf Eis gelegt und Lutz versucht, den Vater schnellstens wieder zu entsorgen. Doch als der ausgerechnet jenen Geldtransporter überfällt, in dem Lutz als Security-Mann mitfährt, überschlagen sich die Dinge. Was Lutz noch nicht weiß: sein Vater leidet an Alzheimer... Wenn eine Klamaukkomödie anfängt zu nerven, dann ist das nicht mehr lustig. Aber genau das passiert hier. Die Pointen werden mit keinem Gespür für Timing aufgetischt, so dass sie einfach wirkungslos verpuffen. Übrig bleibt ein dümmliches Filmchen, über das man sich richtig ärgern kann. Christian Ulmen in der Rolle des Lutz spielt zum wiederholten Male einen unbeholfenen Schwächling und Michael Gwisdek als dessen Vater übertreibt es mit der Schauspielerei ein wenig. Einzig Felicitas Wolls große Augen und ihr charmantes Lächeln stimmen versöhnlich. Das jedoch ist für eine Komödie zu wenig.
Freitag, 19. November 2010
Nur Fliegen ist schöner
Ein Kurzfilm brachte die sehr magere Pressewoche zu ihrem Abschluss.

LEGENDEN DER LUFTFAHRT (1:1.85, 2k Digital, 3D, PCM 5.1)
OT: Legends Of Flight
Verleih: Fantasia Film
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Stephen Low
Kinostart: 23.12.2010

Wer angesichts des Titels LEGENDEN DER LUFTFAHRT jetzt glaubt, dass es in diesem 45minütigen Dokumentarfilm womöglich um die Geschichte der Luftfahrt geht, der wird herb enttäuscht werden. Denn schon nach kurzer Zeit entpuppt sich der von Stephen Low für das Smithsonian National Air and Space Museum in Washington im IMAX 3D Format inszenierte Film als ein Werbefilm für die Boeing 787 und den Airbus A380. Einer der an beiden Projekten involvierte Flugingenieur erzählt vom immensen Aufwand, den Risiken und auch den schönen Momenten, mit der die Entwicklung solcher Flugzeuge einhergeht. Die vielen integrierten, dreidimensionalen Computergrafiken sollen dem Zuschauer helfen, in die komplizierte Materie möglichst anschaulich einzutauchen, doch verkommen diese immer wieder zu reinem Selbstzweck. Die angewandte 3D-Technik (der Film wurde immerhin mit zwei parallel laufenden 65mm IMAX Kameras aufgenommen) funktioniert sehr gut, doch merkt man deutlich, dass der Film für die gigantische IMAX-Projektion konzipiert wurde. Dadurch ergibt sich eine vollkommen andere Kameraführung und Schnitttechnik, die auf konventionellen Bildwänden wesentlich an Wirkung verliert.
Mittwoch, 17. November 2010
Haarsträubend schön
Endlich hat mich ein Film wieder mit Haut und Haaren verschlungen! Jetzt weiß ich wieder warum ich Kino liebe!

RAPUNZEL – NEU VERFÖHNT (1:1.85, 2k Digital, 3D, PCM 5.1)
OT: Tangled
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Nathan Greno, Byron Howard
Kinostart: 09.12.2010

In der großen Tradition von DIE SCHÖNE UND DAS BIEST präsentiert sich Disney einmal mehr von seiner besten Seite. Mit RAPUNZEL liefert der Marktführer animierter Kost wirklich erstklassiges Family Entertainment ab! Witzig und spannend zugleich wird die im wahrsten Sinne des Wortes haarsträubende Geschichte von Rapunzel erzählt, die wegen ihres mit einem Zauber belegten Haares als Baby von einer bösen Frau entführt wird. Die hütet sie fortan wie einen Schatz, gibt an Rapunzels Mutter zu sein und hält sie in einem Turm gefangen. Kurz vor ihrem 18. Geburtstag jedoch tritt ein Dieb auf der Flucht in Rapunzels Leben. Die Dinge beginnen sich zu verändern... Die Computeranimation ist gelungen und haucht nicht nur den Menschen Leben ein, sondern erweckt auch noch zwei besonders amüsante Gesellen: ein Gardepferd und ein Chamäleon. Beide übertreffen sich gegenseitig mit ihrer ausdrucksstarken Mimik, mit der sie das Publikum zum Lachen bringen. Überhaupt werden in RAPUNZEL Gefühle groß geschrieben. So groß sogar, dass mir während der Vorführung ein paar Tränen hinter der 3D-Brille entwichen sind. Schuld daran ist zweifelsfrei die tolle Musik von Alan Menken, die von schönen Songs bis hin zu großem Chor und Orchester die ganze Palette eines perfekten Scores zu bieten hat. Keine Frage: da ist perfekte Unterhaltung auf hohem Niveau. Mein Tipp: unbedingt anschauen.
Dienstag, 16. November 2010
Eine Ode an die Menschlichkeit
Filme wie den heutigen gibt es immer nur aus Frankreich. Scheint fast so als ob die Franzosen mehr vom Leben verstehen als alle anderen Europäer...

DAS LABYRINTH DER WÖRTER (1:2.35, DD 5.1)
OT: La Tête En Friche
Verleih: Concorde
Land/Jahr: Frankreich 2010
Regie: Jean Becker
Darsteller: Gérard Depardieu, Gisèle Casadesus, Patrick Bouchitey
Kinostart: 06.01.2011

Germain ist ein einfacher Mann, nicht besonders intelligent, dafür aber äußerst menschlich. Mit mehreren Jobs hält er sich über Wasser. Noch immer lebt direkt neben seiner Mutter, die ihm das ganze Leben lang nichts als Verachtung entgegenbringt. Eines Tages lernt Germain die 95jährige Margueritte kennen. Die sehr gebildete und belesene alte Dame liest ihm Albert Camus vor. Germain kommt auf den Geschmack... Es passiert nicht viel in diesem sehr ruhigen und fast ohne Filmmusik auskommenden Film. Äußerlich zumindest. Doch es passiert sehr viel im Inneren des Protagonisten. Wie keinem anderen gelingt es Gérard Depardieu einmal mehr, den einfachen Mann von der Straße so überzeugend zu spielen, dass man gar nicht anders kann als Sympathie für seine Figur zu empfinden, die so viel menschliche Wärme und Herzlichkeit ausstrahlt. Und das obwohl Germain eine sehr deprimierende Kindheit hinter sich hat, wie aus den eingebauten Rückblenden zu erfahren ist. Die kommen leider manchmal etwas unvermittelt, da sie einfach übergangslos in die Handlung eingefügt sind. Diese kleine dramaturgische Unstimmigkeit jedoch vergibt man Regisseur Jean Becker sehr schnell, lässt er doch seinen Hauptdarsteller zu Höchstform auflaufen!
Sonntag, 14. November 2010
Kollektiver Suizid
Mein Beitrag zum Volkstrauertag – die Sichtung eines Films über Suizide!

SUICIDE CLUB (1:2.35, Digital, Stereo)
Verleih: Kinostar
Land/Jahr: Deutschland 2010
Regie: Olaf Saumer
Darsteller: Klaus-Dieter Bange, Hildegard Schroedter, Katja Götz
Kinostart: 25.11.2010

An einem schönen Sommertag treffen sich fünf vollkommen unterschiedliche Menschen auf dem Dach eines Hochhauses. Keiner kennt den anderen und doch verbindet die Fünfe ein gemeinsames Ziel: der Sprung in den Freitod... Auch wenn uns anstelle einer ordentlichen Pressevorführung für diesen Film nur DVD-Screener zur Verfügung gestellt wurden, deren Bild mit störenden Antipiraterie-Texten zugepflastert wurde, so war dennoch der eigentliche Star des Films, nämlich die faszinierende Kameraarbeit von Thomas Förster, spürbar. Er versteht es vortrefflich, das Optimum an CinemaScope aus dem Film herauszuholen. Ähnliches kann man leider vom Drehbuch nicht behaupten. Denn die sich ergebenden Situationen und Dialoge zwischen den Protagonisten wirken ziemlich aufgesetzt. Auch wenn es sich beim Film um eine Tragikomödie handelt, so sollten doch die handelnden Personen zumindest echt wirken. Die Dialoge werden von den Darstellern so vorgetragen, dass sie wirklich wie aus einem Drehbuch und nicht wie aus dem Leben gegriffen klingen. Wenn man im Verlaufe der Geschichte die einzelnen Charaktere besser kennenlernt und nach und nach deren Gründe für einen Selbstmord erfährt, so wird man auch hier nicht sonderlich überrascht. Es werden nur gängige Klischees verarbeitet. Immerhin gelingt es dem Film dann am Ende doch noch, eine vollkommen unerwartete Wendung zu präsentieren. Doch bis es soweit ist hat der Film seine Zuschauer vermutlich schon verloren.
Samstag, 13. November 2010
Wenn ein Ruck durchs Publikum geht
Wenn uns der Filmverleih einen bestimmten Film einfach nicht in der Pressevorführung zeihen möchte, dann heisst das für einen Enthusiasten wie mich: nachsitzen! Und genau das habe ich gestern getan – zusammen mit richtigem Publikum.

PARANORMAL ACTIVITY 2 (1:1.85, DD 5.1)
OT: Paranormal Activity 2
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Tod Williams
Darsteller: Sprague Graydon, Brian Boland, Molly Ephraim
Kinostart: 04.11.2010

Kurz nachdem eine vierköpfige Familie ihr neues Haus bezieht, gibt es Hinweise auf einen Einbruch. Daraufhin lässt Familienoberhaupt Daniel eine Videoüberwachungsanlage installieren. Doch schon bald stellt sich heraus, dass es die junge Familie nicht mit Einbrechern zu tun hat, sondern mit einem höchst unangenehmen Dämon... Teil 2 des sehr erfolgreichen Horrorfilms ist wie schon sein Vorgänger auch im pseudodokumentarischen Stil gehalten. Die Handlung spielt 60 Tage vor dem Tod von Micah, dem Ehemann aus Teil 1. Sowohl er als auch seine Frau gehören zum Cast von Teil 2. Wer jetzt glaubt, dass es vollkommen überflüssig ist, das Ganze nochmals mit denselben filmischen Mitteln aufzurollen, dem rate ich zum Besuch des zweiten Teils. Denn einen solchen Schreckmoment wie hier habe ich schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt! Das war ein richtiger Adrenalinstoß – und der ging quer durch das ganze Publikum. Positiv anzumerken wäre auch, dass die Person des Daniel bei weitem kein derartiger Nervbolzen wie Micah ist, auch wenn er sich beharrlich weigert, übernatürliche Phänomene als solche anzuerkennen. Weniger positiv allerdings gestaltet sich das Ende des Films, das ziemlich aufgesetzt wirkt und den Eindruck erweckt, dass die Filmemacher endlich zum Ende kommen wollten. PARANORMAL ACTIVITY 2 ist einer jener Horrorfilme, nach deren Konsum man ganz bestimmt nicht alleine zuhause sein möchte.
Freitag, 12. November 2010
Harry wird erwachsen
Mit einem Blockbuster endete die Pressewoche heute.

HARRY POTTER UND DIE HEILIGTÜMER DES TODES TEIL 1 (1:2.35, DD 5.1)
OT: Harry Potter And The Deathly Hallows: Part 1
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA, Großbritannien 2010
Regie: David Yates
Darsteller: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson
Kinostart: 18.11.2010

Bei Warner Brothers hat man sich aufgrund des enormen Umfangs des letzten Bandes der “Harry Potter”-Reihe dazu entschlossen, gleich zwei Filme daraus zu machen. Den ersten durften wir heute sehen, der zweite und letzte POTTER-Film ist für Sommer 2011 geplant. Immerhin: Warner hat in letzter Sekunde auf die Dreidimensionalisierung des ersten Teils verzichtet, mit dieser jedoch für Teil 2 bereits gedroht. Wie auch immer – für mich als bekennenden Nichtleser stellte sich der neue POTTER als extrem depressives Fantasy-Spektakel dar. Nichts von dem in den vergangenen Jahren liebgewonnenen Charme der ersten Filme ist erhalten geblieben! Übrig bleibt ein postapokalyptisches, einfach zu ernstes Werk. Düstere Bilder und die vorherrschende Gewalt machen den Film für Kinder höchst untauglich. Harry Potter ist eben erwachsen geworden. Die FSK hat eine Freigabe ab 12 Jahren genehmigt, doch dürfen daher auch jüngere Kinder in Begleitung eines Elternteils den Film ansehen. Ein Wagnis! Auch taugt der Film eigentlich nur für eingefleischte POTTER-Fans: es wird alles vorausgesetzt, nichts wird erklärt. Als eigenständiger Film betrachtet dürften die HEILIGTÜMER DES TODES nicht unbedingt einen Höhepunkt der Zauberlehrlings-Saga darstellen. Fragt man jedoch Menschen, die die Bücher gelesen haben, so sind die sich alle darin einig, dass es sich bei dem neuen Film um die bislang originalgetreueste Verfilmung handele. Somit könnte der Film alle Leser begeistern und die Nichtleser enttäuschen. Enttäuschend werden vermutlich aber sogar die Leser manche der Trickaufnahmen finden. Denn die machen hin und wieder den Eindruck, dass sie mit heisser Nadel gestrickt wurden. Für einen teuren Film wie diesen eigentlich ein Armutszeugnis. Dafür brilliert der Film jedoch mit einer kurzen Animationssequenz, die an alte Scherenschnittfilme erinnert: der Legende der “Heiligtümer des Todes”. Für mich klarer Höhepunkt des Films.
Mittwoch, 10. November 2010
Vom Fremdgehen und Böse sein
Zwei von nur drei Pressevorführungen in dieser Woche gab es gleich heute zu sehen. Am Freitag geht’s dann weiter.

LAST NIGHT (1:2.35, DD 5.1)
OT: Last Night
Verleih: NFP (Drei-Freunde)
Land/Jahr: USA, Frankreich 2010
Regie: Massy Tadjedin
Darsteller: Sam Worthington, Keira Knightley, Eva Mendes, Guillaume Canet
Kinostart: 30.12.2010

Am Tag vor seiner Abreise nach Philadelphia macht Joanna ihrem Ehemann Michael eine Szene. Sie verdächtigt ihn mit seiner attraktiven Kollegin Laura eine Affäre zu haben. Ausgerechnet jene Dame ist es auch, die Michael auf die Dienstreise begleiten wird. Als Michael abgereist ist, trifft Joanna zufälligerweise ihre alte Liebschaft Alex wieder. Die Versuchung ist groß... Massy Tadjedin, die nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch für diesen Film lieferte, widmet sich einem Thema, vor dem die allerwenigsten Beziehungen gefeit sind: dem Seitensprung. Es geht um die Frage, ob eine kleine Affäre erst einen Vertrauensbruch darstellt oder ob bereits das wiederkehrende Gefühl für eine verflossene Liebe bereits einen Verrat am Partner darstellt. Inszenatorisch erinnert der Film eher an ein verfilmtes Bühnenstück. Das liegt vor allem an den ganz wenigen Locations, die im Film zu sehen sind und natürlich an den vielen Dialogen. Keira Knightley überzeugt in ihrer Rolle als Ehefrau, die zwischen Treue und Versuchung hin- und hergerissen ist. Guillaume Canet als ihr Ex-Lover, der erneut sein Glück versucht, überzeugt ebenfalls. Sam Worthington allerdings, der den Ehemann mimen darf, hat leider kein Minenspiel parat, mit dem er als potentielles Verführungsopfer der attraktiven Eva Mendes punkten kann. Er ist schlicht und ergreifend die perfekte Fehlbesetzung. Fazit: interessantes Thema, das für die große Kinoleinwand nicht optimal umgesetzt wurde.

MEGAMIND (1:2.35, 2k Digital, 3D, PCM 5.1)
OT: Megamind
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Tom McGrath
Kinostart: 02.12.2010

Als er den Superhelden Metro Man besiegt, sieht sich der Oberschurke Megamind am Ziel seiner Träume. Jetzt kann er ungehindert die Herrschaft über Metro City übernehmen. Doch bald schon merkt er, dass ihm etwas fehlt: ein würdiger Gegner. So erschafft er selbst einen neuen Superhelden – Titan. Der aber hat einen starken Hang zum Bösen und will Megamind darüberhinaus auch noch die süße Journalistin Roxanne abspenstig machen. Megamind sieht nur noch eine Chance: er muss gut werden... Ein vergnüglicher und hervorragend computeranimierter Familienfilm aus dem Hause Dreamworks. Im Gegensatz zu anderen Animationsfilmen der jüngsten Zeit werden hier jedoch die Charaktere nicht so liebevoll vertieft, dass man geneigt ist, mit ihnen zu fühlen. DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT oder auch ICH – EINFACH UNVERBESSERLICH beherrschen diese Kunst wesentlich besser. Trotzdem bietet MEGAMIND actiongeladene Unterhaltung mit schönen 3D-Effekten. Für einen Familienausflug ins Kino bestens geeignet.
Freitag, 05. November 2010
Die Briten können es
Den ersten Film heute habe ich jetzt bereits zum zweiten Male nicht gesehen. Natürlich war es nicht meine Schuld, sondern die des Verleihers, der uns Journalisten zum wiederholten Male die versprochene Filmkopie vorenthielt. Übrig blieb der zweite Film.

IMMER DRAMA UM TAMARA (1:2.35, DD 5.1)
OT: Tamara Drewe
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Großbritannien 2010
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Gemma Arterton, Roger Allam, Bill Camp
Kinostart: 30.12.2010

Im idyllisch gelegenen kleinen Dorf Ewedown in England betreibt Erfolgsautor Nicholas Hardiment zusammen mit seiner Frau ein kleines Refugium für Schriftsteller. Als vollkommen unerwartet die erfolgreiche und attraktive Kolumnistin Tamara Drewe in dem Örtchen auftaucht, bringt sie das beschauliche Leben dort ziemlich durcheinander... Regisseur Stephen Frears hat eine bekannte englische Cartoon-Serie für die große Leinwand adaptiert. Gelungen ist ihm dabei ein freches, frivoles, manchmal schwarzhumoriges Komödchen mit typisch britischem Witz, der vermutlich durch die deutsche Synchronisation hinweggeputzt werden wird. Sein Darsteller-Ensemble ist köstlich und passt sich wunderbar in die liebliche englische Landschaft ein. IMMER DRAMA UM TAMARA ist “very british” und macht Spaß.
Donnerstag, 04. November 2010
Literatur und Katastrophe
Kontraste machen das Leben interessanter. Das gilt insbesondere für das heutige Double Feature, welches kontrastreicher nicht hätte sein können.

HOWL – DAS GEHEUL (1:1.85, DD 5.1)
OT: Howl
Verleih: Pandora
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Robert Epstein, Jeffrey Friedman
Darsteller: Jon Hamm, James Franco, Mary-Louise Parker
Kinostart: 06.01.2011

San Francisco 1957. Ein Gericht soll darüber urteilen, ob das von Allen Ginsberg verfasste Gedicht “Howl” als obszön einzustufen ist oder nicht. Das überraschende Urteil gilt bis heute als die Geburtsstunde der “Beat Generation”. – Der Film von Robert Epstein und Jeffrey Friedman basiert auf den Prozessprotokollen von damals sowie auf Interviews mit dem avantgardistischen Poeten Allen Ginsberg und verwebt nicht nur nachgestellte Gerichtsszenen mit ebenso nachgestellten Interviewfragmenten, sondern verbildlicht Ginsbergs bahnbrechendes Gedicht “Howl” mit Hilfe von Animationssequenzen. Letztere erinnern sehr stark an jene Animationen, die Pink Floyd für THE WALL anfertigen ließen. Für Fans des verstorbenen Künstlers Allen Ginsberg sicherlich ein sehenswerter Film, für weniger intellektuelle Kinogänger allerdings unbrauchbar.

UNSTOPPABLE – AUSSER KONTROLLE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Unstoppable
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Tony Scott
Darsteller: Denzel Washington, Chris Pine, Rosario Dawson
Kinostart: 11.11.2010

Einem dummen Missgeschick zufolge rast ein mit hochexplosiven Chemikalien beladener Güterzug ungebremst durch Pennsylvania und droht die Großstadt Stanton zu vernichten. Versuche der Rettungsmannschaft, das Unglück abzuwenden, scheitern. Die letzte Hoffnung sind zwei Eisenbahner, die mit ihrer Lokomotive den Todeszug stoppen wollen... Erinnern Sie sich an die Katastrophenfilme der siebziger Jahre, als Los Angeles von einem Erdbeben verschlungen wurde oder ein Wolkenkratzer das Opfer eines Feuers wurde? Ganz im Geiste dieser Filme versteht sich Tony Scotts actiongeladener UNSTOPPABLE. Mit einem optischen und akustischen Overkill verbindet er alle gängigen Klischees des Genres und er macht es wirklich gut. Denn wenn auch die Logik so mancher halsbrecherischer Aktion etwas angezweifelt werden darf, so gelingt Scott ein durchgängig spannend inszenierter Film, der zum Fingernägelkauen animiert. Der perfekte Film um sich eine große Tüte Popcorn zu gönnen.
Mittwoch, 03. November 2010
Gruseloper
Für mich als bekennenden Opern-Hasser gab es heute knallharte Kost. 134 Minuten lang.

DER FREISCHÜTZ (1:2.35, DD 5.1)
OT: Hunter’s Bride
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Schweiz 2010
Regie: Jens Neubert
Darsteller: Juliane Banse, Michael König, Regula Mühlemann
Kinostart: 23.12.2010

Sachsen während der napoleonischen Kriege. Jäger Max möchte die schöne Agathe heiraten. Ein alter Brauch will es, dass Max seine Eignung als Erbe und Schwiegersohn mit dem sogenannten “Probeschuss” unter Beweis stellt. Doch sein Jägerglück hat ihn verlassen und so sucht Max unter Anleitung seines Kameraden Kaspar Hilfe bei schwarzer Magie... Carl Maria von Webers bekannte Oper wurde unter Regie von Jens Neubert ohne Fördergelder als opulente Filmoper an Originalschauplätzen realisiert. Nicht nur das Ensemble ist handverlesen, auch sein Kameramann, der Däne Harald Gunnar Paalgard, entpuppt sich als Bereicherung für die Leinwand. Der Film schwelgt in bestem CinemaScope! Besonders beeindruckend ist die Tonebene des Films. Die Orchester- und Gesangsaufnahmen sind grandios und nutzen die Möglichkeiten der 5.1 Stereophonie wirklich aus. Wer Opern mag, der wird mit DER FREISCHÜTZ bestens bedient. Und wer keine Opern mag, dem sei gesagt, dass es im FREISCHÜTZ auch gruselige Momente mit Splatter-Einlagen gibt.
Dienstag, 02. November 2010
Seitensprünge
In beiden Filmen heute ging es um Affären. Solche vor und solche nach der Hochzeit.

DER AUFTRAGSLOVER (1:2.35, DD 5.1)
OT: L'Arnacoeur
Verleih: Universum (SquareOne)
Land/Jahr: Frankreich 2010
Regie: Pascal Chaumeil
Darsteller: Romain Duris, Vanessa Paradis, Julie Ferrier
Kinostart: 06.01.2011

Alex ist genau der richtige Mann für einen Seitensprung. Beruflich natürlich. Denn wann auch immer jemand nicht möchte, dass ein weibliches Wesen einem Mann ihr Ja-Wort gibt, steht Alex mit seinem 3.köpfigen Team bereit, um die bevorstehende Hochzeit zu verhindern. Als er im Auftrag ihres Vaters die Hochzeit der jungen Juliette verhindern soll, steht Alex aber bald vor großen Problemen: er verliebt sich in sein Opfer! Was dieser französischen Komödie fehlt, ist der richtige Biss. Denn die Romanze plätschert so richtig saft- und kraftlos vor sich hin. Wenn der Zuschauer bereits von Anfang an weiß, wie der Film enden wird, so ist es umso wichtiger, ihn bis dorthin perfekt zu unterhalten, womöglich sogar ein paar Überraschungen einzubauen. Fehlanzeige in Pascal Chaumeils Film. So quält man sich eher gelangweilt durch diese Romantikkomödie, die zwar gut besetzt ist, aber mehr auch nicht.

WAS WILL ICH MEHR (1:2.35, DD 5.1)
OT: Cosa Voglio Di Più
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Italien, Schweiz 2010
Regie: Silvio Soldini
Darsteller: Pierfrancesco Favino, Bindu de Stoppani, Alba Rohrwacher
Kinostart: 09.12.2010

Die junge Buchhalterin Anna lebt glücklich mit ihrem gutmütigen Partner Alessio zusammen. Gerade als sich die beiden für ein Kind entscheiden, lernt Anna den attraktiven Domenico, verheiratet und Vater zweier Kinder, kennen und beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit ihm. Schon bald gerät das Leben der Fremdgänger aus den Fugen... Kann eine Affäre ein Happy End haben? Silvio Soldinis Film möchte dieser Frage nachgehen und schildert die Affäre von Anna und Domenico sehr präzise, ja fast dokumentarisch, von Anfang bis zum Ende. Er schafft es Dank seiner guten Darsteller den Zuschauer mit den beiden mitleiden zu lassen. Allerdings ist ihm sein Film dabei nach meinem Empfinden etwas zu lang geraten. Statt der 121 Minuten hätten er sein Anliegen sicherlich auch in 90 Minuten auf den Punkt bringen können.

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