Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Dienstag, 31. Mai 2011
Das Baby im Taxi und die Führungsriege ohne Job
Das einzige Double-Feature der Woche war zwar besser als das gestrige Epos, konnte mich verwöhnten Vielseher jedoch nicht ganz überzeugen.

BELGRAD RADIO TAXI (1:1.85, DD 5.1)
OT: Zena Sa Slomljenim Nosem
Verleih: farbfilm (24 Bilder)
Land/Jahr: Serbien, Deutschland 2010
Regie: Srdjan Koljevic
Darsteller: Nebojsa Glogovac, Anica Dobra, Branka Katic
Kinostart: 21.07.2011

Auf den ersten Blick ist Gavrilo ein richtiger Stinkstiefel. Der Bosnier arbeitet in Belgrad als Taxifahrer. Mitten auf der stets unter Stau leidenden Belgradbrücke, die den neuen mit dem alten Stadtteil verbindet, steigt eine junge Frau in sein Taxi. Ihre Nase ist gebrochen und sie schleppt ein Baby mit sich herum. Eigentlich möchte sie ins Krankenhaus gefahren werden, doch ist sie genauso schnell wieder aus dem Taxi verschwunden wie sie aufgetaucht ist und springt von der Brücke! Gavrilo ist fassungslos. Erst zu spät realisiert er, dass das Baby noch immer in seinem Taxi liegt. Widerwillig nimmt er sich dem Kind an. Mehr oder weniger gleichzeitig kreuzen sich die Wege der Lehrerin Anica und der Apothekerin Biljana. Letztere flüchtet vor ihrem Zukünftigen aus dem Auto und sucht Schutz bei Anica. Beide haben einen geliebten Menschen verloren: Anica ihren kleinen Sohn, Biljana ihren Verlobten. Die beiden werden Freundinnen. Anica wiederum wird von einem ihrer Schüler bedrängt und Biljana muss sich gegen die Annäherungsversuche ihres Schwagers wehren. Und das alles passiert, während sich Gavrilo immer mehr an dem Gedanken Gefallen findet, ein unfreiwilliger Vater zu sein. Srdjan Koljevic Film ist eine Komödie mit tragischen Momenten, in der sich die Wege der Protagonisten immer wieder kreuzen. Doch die Zufälle häufen sich leider schon so oft, dass sie letztendlich schon fast unglaubwürdig erscheinen. Die Besetzung indes ist gut ausgewählt und verleiht dem Film wenigstens noch ein bisschen Authentizität.

COMPANY MEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: The Company Men
Verleih: Senator
Land/Jahr: USA 2010
Regie: John Wells
Darsteller: Ben Affleck, Thomas R. Kee, Craig Mathers, Tommy Lee Jones, Chris Cooper, Kevin Costner, Maria Bello
Kinostart: 07.07.2011

2008 ist ein schwarzes Jahr für die amerikanische Wirtschaft. Das bekommen auch einige Führungsmitglieder des GTX-Konzerns zu spüren, die aufgrund von Sparmaßnahmen über Nacht ihre hoch dotierten Jobs verlieren. Einer von ihnen ist Bobby, ein gutsituierter Manager Mitte 30, dem es an nichts fehlt: ein kleines Haus, zwei reizende Kinder, eine hübsche Frau, den Porsche vor dem Haus und Mitglied im elitären Golfclub. Seine Niederlage kann und will er sich nicht eingestehen und will sein bisheriges Leben ohne Einschränkungen weiterführen. Doch ein neuer Job lässt auf sich warten. Einzig seine Frau Maggie schätzt die Situation richtig ein und beginnt damit zu sparen. Auch Oldtimer Phil landet auf der Straße. In seiner Verzweiflung wendet er sich dem Alkohol zu. Und Gene, einer der ganz Großen bei GTX, bekommt ebenfalls eine Kündigung überreicht – von der Personalchefin persönlich, mit der er eine Affäre hat. John Wells‘ Film zeigt die unterschiedlichen Reaktionen, die die Kündigung bei den betroffenen Führungskräften auslösen. Sicherlich ein interessantes Thema, das von hervorragenden Schauspielern dargestellt wird, doch leider maximal auf Fernsehniveau. Das ist nicht weiter verwunderlich, da Autor und Regisseur John Wells viele Jahre beim Fernsehen für erfolgreiche Formate wie THE WEST WING verantwortlich zeichnet. Dass jedoch das Kino andere Ansprüche an die Ware stellt, muss Wells wohl erst noch lernen.
Montag, 30. Mai 2011
Pechrabenschwarzes Afrika
Bei genauer Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass ich heute besser im Büro geblieben wäre...

SCHLAFKRANKHEIT (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: farbfilm (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland, Frankreich. Niederlande 2011
Regie: Ulrich Köhler
Darsteller: Pierre Bokma, Jean-Christophe Folly, Jenny Schily
Kinostart: 23.06.2011

Fast zwei Jahrzehnte schon lebt der Arzt Ebbo mit seiner Frau Vera in Afrika. Die gemeinsame Tochter geht auf ein Internat in Deutschland und hat sich vom Vater bereits entfremdet. Ebbo ist voll erfüllt von seinen Aufgaben als Arzt. Doch seine Frau zieht es zurück in die Heimat. Hin- und hergerissen zwischen seiner Familie und seinem Beruf entscheidet er sich schließlich alleine in Afrika zu blieben. Drei Jahre später wird der französische Mediziner Alex Nzila nach Afrika geschickt, um ein Entwicklungshilfeprojekt zu evaluieren, das Ebbo leitet. Der aber entzieht sich seinem Gutachter... Ein interessantes (und heisses) Thema spricht Ulrich Köhler in seinem Film immerhin an: die Verschwendung von Entwicklungshilfegelder an Projekte, die schon lange keine mehr sind, da sie längst schon erfolgreich abgeschlossen wurden. Natürlich ohne dies an die Projekthilfe zu melden. Doch was Köhler daraus macht, darüber kann ich persönlich nur den Kopf schütteln. Warum wird einem solchen Film der “Silberne Bär” für die Beste Regie überreicht? Einem Film, der auch noch über weite Strecken nur unterbelichtete Bilder zu bieten hat. Zwei mögliche Erklärungen: 1. Ich habe es absolut nicht verstanden. Oder 2.: Hier wurden sinnlos Fördergelder verschleudert, was man durch eine Auszeichnung einigermaßen zu vertuschen versucht. Persönlich hoffe ich auf Option 1. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt.
Freitag, 27. Mai 2011
In den Sand gesetzt
Eine nicht sonderlich ergiebige Pressewoche endete mit zwei nicht sonderlich ergiebigen Filmen. Also: passt doch!

EIN SOMMERSANDTRAUM (1:1.85, Stereo)
OT: Der Sandmann
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Schweiz 2011
Regie: Peter Luisi
Darsteller: Fabian Krüger, Irene Brügger, Beat Schlatter
Kinostart: 21.07.2011

Benno ist ein richtiger Kotzbrocken. Der gescheiterte Musiker arbeitet jetzt in einem Briefmarkenladen und macht mit seiner Arroganz und seinem übertriebenen Ordnungssinn allen das Leben schwer. Besonders seine Nachbarin Sandra, deren Bistro Benno stets besucht, hat darunter zu leiden. Sandra träumt von einer Karriere als Sängerin und übt Abend für Abend in ihrem Bistro für ihre Ein-Frau-Kapelle. Niemand erbost sich mehr darüber als Benno. Eines Morgens jedoch stellt Benno entsetzt fest, dass er Sand verliert. Und zwar immer genau dann, wenn er lügt. Für den Nerd beginnt ein Alptraum, in den auch Sandra irgendwie verstrickt zu sein scheint... Wieder einmal wurde der Stoff für einen guten Kurzfilm als Langfilm umgesetzt. Mit der Folge, dass sich der “Gag” schon nach kurzer Zeit abgenutzt hat. Leider reiten Regisseur und Drehbuchautor trotzdem noch stundenlang auf demselben herum und beginnen ihr Publikum zu langweilen. Etwas störend auch die Kameraarbeit, die vor unfreiwilligen Unschärfen nur so zu strotzen scheint. Das können dann auch die beiden gut besetzten Hauptdarsteller nicht mehr wett machen. Es sei noch erwähnt, dass uns bei der heutigen Pressevorführung eine DVD gezeigt wurde, die ab der Mitte des Films enorme Probleme bereitete und zu einer “Stop Motion” Präsentation mutierte. Es kann nur besser werden...

HANGOVER 2 (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Hangover: Part II
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Todd Phillips
Darsteller: Bradley Cooper, Ed Helms, Zach Galifianakis, Justin Bartha
Kinostart: 02.06.2011

Es ist wieder passiert! Phil, Stu und Alan haben wieder einen Filmriss. Die4ses Mal nicht in Las Vegas, sondern im exotischen Bangkok, wo Stu heiraten möchte. Aus einem gemütlichen Junggesellenabschiedsabend ist jedoch offensichtlich nichts geworden – die drei Freunde erwachen in einem Zimmer, das sie nicht kennen. Der Bruder der Braut, der mit dabei war, ist verschwunden. Nur sein abgetrennter Finger findet sich im Zimmer! Und bald schon liegt auch noch ein Toter auf dem Boden... Nach dem enormen Erfolg von HANGOVER war es eigentlich logisch, dass eine Fortsetzung folgen wird. Leider aber haben es die Macher versäumt, neue Einfälle zu integrieren. Denn er scheint, als handele es sich hier mehr um ein Remake denn eine Fortsetzung. Viele der Gags aus dem ersten Film werden mit leichten Variationen wiederholt. Das reicht sogar bis in den Abspann des Films. Auch im zweiten Teil darf der Zuschauer alle anzüglichen Bilder sehen, die während des Junggesellenabschieds aufgenommen wurden und damit erst die ganze Geschichte erzählen. War das Original noch absolut brillant was seine Optik angeht, so gilt das nur noch bedingt für Teil 2. Der versucht sich zwar anfangs noch am visuellen Stil des ersten Teils zu orientieren, gibt sich danach aber keine große Mühe mehr, ihn aufrecht zu halten. Damit ist HANGOVER 2 einer der Filme, die man definitiv nicht gesehen haben muss.
Mittwoch, 25. Mai 2011
Keine Durchschnittsfamilie
Knappe 90 Minuten Spielzeit – lohnt sich die Anfahrt dafür eigentlich? Und ob!

EIN TICK ANDERS (1:2.35, DD 5.1 EX)
Verleih: farbfilm (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Andi Rogenhagen
Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Waldemar Kobus, Stefan Kurt
Kinostart: 07.07.2011

Evas Familie ist schon irgendwie seltsam. Die Mutter leidet an Kaufrausch, der Vater verheimlicht seinen Arbeitsplatzverlust, der Onkel ist ein erfolgloser Gitarrist und Kleinkrimineller und die Oma sprengt Staubsauger in die Luft. Und Eva selbst? Die 17jährige leidet unter dem Tourette-Syndrom. Statt zur Schule zu gehen verbringt sie unnütze Stunden bei einer grenzdebilen Psychologin, hängt mit Oma ab oder kümmert sich um die Lurche im Tümpel im Wald. Eva hat sich ihr Leben gut eingerichtet. Als jedoch ihr Vater plötzlich einen neuen Job findet, soll die ganze Familie vom Dorf in die Großstadt Berlin umziehen. Eva gefällt das ganz und gar nicht und schmiedet einen Plan... Andi Rosenhagen liefert mit seinem Film eine nette kleine und durchwegs sympathische Komödie ab, die ganz von ihrer hübschen und talentierten Hauptdarstellerin getragen wird. Jasna Fritzi Bauer glänzt als Minderjährige, die sich nicht nur mit Tourette herumschlagen, sondern auch noch den gesamten Rest der Familie auf den richtigen Weg bringen muss. Dass der Film in der zweiten Hälfte plötzlich von einer Jugendkomödie mit Anspruch in ein teilweise albernes Märchen umschlägt, macht leider in anfangs so gute Stimmung etwas zunichte. Dank der exzellenten Hauptdarstellerin und der hervorragenden Kameraarbeit von Ralf M. Mendle sowie der vielen witzigen Regieeinfälle aber dennoch sehenswert.
Dienstag, 24. Mai 2011
Gruppentherapie
Sich zweieinhalb Stunden im Kino therapieren zu lassen ist nicht nur billiger als beim Psychologen, sondern macht auch sehr viel mehr Spaß!

KLEINE WAHRE LÜGEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Les Petits Mouchoirs
Verleih: Tobis
Land/Jahr: Frankreich 2010
Regie: Guillaume Canet
Darsteller: François Cluzet, Marion Cotillard, Benoît Magimel, Jean Dujardin
Kinostart: 07.07.2011

Ihr Urlaub am Strand war schon seit langer Zeit geplant. Doch die Vorfreude darauf wird dem erfolgreichen und vermögenden Restaurantbesitzer Max und seiner Freundesclique durch ein tragisches Ereignis genommen: Lebemann Ludo liegt nach einem Motorradunfall auf der Intensivstation. Was tun? Urlaub abblasen? Nach kurzem Zögern verständigt sich die Clique darauf, den Urlaub einfach um eine Woche zu verkürzen, damit man rechtzeitig wieder bei Ludo ist, wenn es diesem wieder besser geht. Doch es ist nicht das einzige Ereignis, das den gemeinsamen Urlaub überschattet. Denn Vincent, Max‘ Chiropraktiker und Vater seines Patenkindes, gesteht ihm seine Liebe ein. Derart aus der Bahn geworfen steht der Urlaub für Max unter keinem guten Stern. Doch auch die anderen Freundinnen und Freunde der nach außen hin fröhlichen Clique haben ihre Geheimnisse, wenn es um ihre Beziehungen geht... Regisseur und Drehbuchautor Guillaume Canet macht gar keinen Hehl daraus, dass er für seinen Film ein großes Vorbild hat: Lawrence Kasdans DER GROSSE FRUST. Auch wenn der bislang noch unerreicht ist, birgt Canets Gruppentherapie einiges an Potenzial. Hier paart sich Ausgelassenheit, teils fast schon slapstickartiger Humor mit Tiefgang. Sein Film handelt von den Lügen, mit denen man sich stets einzureden versucht, dass man alles richtig macht. Fast niemand der Protagonisten wagt es, in den großen Abgrund zu blicken, der sich vor ihnen auftut – es könnte schmerzhaft sein. Da gibt es z.B. Antoine, der die Trennung von seiner Freundin noch immer nicht überwunden hat und stattdessen die ganze Clique mit seiner von Hoffnung genährten Geschichte nervt. Oder Marie, die Ex-Freundin von Ludo, die sich aus Angst vor einer Bindung immer wieder in Affären stürzt. Canet hat ein hochkarätiges Ensemble zusammengestellt, das nicht nur phantastisch zusammen spielt, sondern auch eine ganze Menge an Identifikationspotenzial für den Zuschauer liefert. Seine 154 Minuten Laufzeit merkt man dem Film nicht wirklich an, auch wenn ich persönlich die eine oder andere Szene etwas gestrafft hätte. KLEINE WAHRE LÜGEN bietet lustige und auch sehr gefühlvolle Momente und garantieren damit einen gelungen Kinoabend.
Freitag, 20. Mai 2011
Schwere Kost, leichte Kost
Zum Ende der Woche gab es mal wieder extremes Kontrastprogramm: Dramatisches aus dem Iran wurde von leichter Kost aus den USA abgelöst.

NADER UND SIMIN – EINE TRENNUNG (1:1.85, Dolby SR)
OT: Jodaeiye Nader Az Simin
Verleih: Alamode
Land/Jahr: Iran 2011
Regie: Asghar Farhadi
Darsteller: Leila Hatami, Peyman Moadi, Shahab Hosseini
Kinostart: 14.07.2011

Simin und ihr Mann Nader erscheinen vor dem Scheidungsrichter. Ihr Entschluss steht fest. Simin möchte mit ihrer 11jährigen Tochter ins Ausland, Nader möchte sich um seinen an Alzheimer leidenden Vater kümmern. Da er jedoch nicht möchte, dass Simin die gemeinsame Tochter mitnimmt, willigt er in die Scheidung nicht ein. Simin zieht zu ihrer Mutter, die Tochter bleibt bei Nader. Da er tagsüber arbeiten muss, heuert er eine Haushälterin an, die auch den Vater pflegen soll. Die junge Razieh, eine streng gläubige, schwangere Mutter, tritt die Stelle an. Als sie jedoch eines Tages Naders Vater ans Bett fesselt, um das Haus verlassen zu können, entspinnt sich ein Drama, an dessen vorläufigem Ende Razieh eine Fehlgeburt erleidet... Regisseur Asghar Farhadi entführt in eine zumindest für westliche Zuschauer extrem anmutende Welt: den Iran. Simin und Nader verkörpern die wohlhabende Mittelschicht, Razieh und ihr jähzorniger sowie arbeitsloser Ehemann eine Familie aus ärmlichen Verhältnissen. Beides Familien, die in einer unfreien Gesellschaft leben und die durch unglückliche Umstände aus dem Gleichgewicht geraten. NADER UND SIMIN ist trotz seines fast dokumentarischen Charakters mit langen Einstellungen und ohne Filmmusik dennoch extrem emotionales Kino. Das ist insbesondere dem durchweg guten Schauspielerensemble zuzuschreiben, die ihre Rollen sehr authentisch anlegen. Damit gelingt ein sehr intensiver Film, dem seine Länge von knapp über zwei Stunden nicht anzumerken ist und der mit einem Ende versehen ist, das noch lange nach dem Filmgenuss im Kopf bleiben wird. Auf der diesjährigen Berlinale wurde der Film mit dem Goldenen Bären sowie zwei Silbernen Bären ausgezeichnet.

GREGS TAGEBUCH 2: GIBT’S PROBLEME? (1:2.35, DD 5.1)
OT: Diary Of A Wimpy Kid 2 – Roderick Rules
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2011
Regie: David Bowers
Darsteller: Zachary Gordon, Devon Bostick, Rachael Harris
Kinostart: 02.06.2011

Greg schreibt wieder in sein Tagebuch. Wir erinnern uns: vor etwa einem Jahr lernten wir den kleinen Pimpf bereits kennen, als er sich auf der Junior High School gegen seine Mitschüler und auch gegen seinen großen Bruder behaupten musste. Greg hat inzwischen die siebte Klasse erreicht. Geändert hat sich aber nicht viel. Auch weiterhin werden er und sein gefräßiger Kumpel Rupert von den lieben Mitschülern gehänselt. Business as usual eben. Doch als er die hübsche Holly Hills sieht, ist es um Greg geschehen – er verliebt sich. Seinem großen Bruder Roderick gefällt das sehr, gibt es ihm doch ausreichend Gelegenheit, Greg damit aufzuziehen. Durch die ständigen Querelen zwischen Greg und Roderick sehen sich deren Eltern veranlasst, Maßnahmen zu ergreifen: die beiden müssen am Wochenende alleine das Haus hüten und lernen, sich zu vertragen. Doch damit beginnt der Spaß erst richtig – denn eine sturmfreie Bude verlangt nach einer Mega-Party... Der zweite Film nach den Büchern von Jeff Kinney präsentiert auch dieses Mal wieder viel Pennäler-Klamauk, hält sich jedoch im Bereich des Fäkalhumors weitgehend (und sehr wohltuend) zurück. Wenn Greg sich mit seiner Sonntagshose in einen warmen Schokoriegel setzt und daraufhin die Kirche betreten muss, dann ist das schon ziemlich peinlich. Wenn er dann allerdings der versammelten Gemeinde beweisen möchte, dass es sich bei den Flecken auf seinem Hinterteil nur um Schokolade handelt und dazu mit seinem Finger eine Kostprobe von der Hose abstreift und den Finger in den Mund führt, worauf die Kirchgänger vollkommen entsetzte Gesichter machen, dann darf richtig gelacht werden. Natürlich gibt es noch viele weitere kleine Episoden in diesem hübsch gestalteten Film (oft verwandeln sich Realszenen in schwarzweiße Animationen), dessen übergeordnetes Thema ein ganz familiäres ist: nämlich die Beziehung zwischen Brüdern. So meisterhaft wie dies in DER KLEINE NICK verarbeitet wurde, ist das hier zwar nicht der Fall, doch man kann sich den Film durchaus anschauen.
Donnerstag, 19. Mai 2011
Menage a Trois
Schon wieder großes Gefühlschaos – hatten wir das nicht bereits gestern?

HERZENSBRECHER (1:1.66, DD 5.1)
OT: Les Amours Imaginaires
Verleih: Kool
Land/Jahr: Kanada 2010
Regie: Xavier Dolan
Darsteller: Xavier Dolan, Monia Chokri, Niels Schneider
Kinostart: 07.07.2011

Francis und Mary sind beste Freunde. Er hoch sensibel und schwul, sie etwas ausgeflippt mit Retro-Look. Als die beiden dem jungen Nicholas begegnen, ist es um sie geschehen: Beide verlieben sich in den blonden Lockenkopf. Zunächst will es keiner sich selbst noch dem anderen eingestehen. Doch schon bald beginnen beide mit ihren ganz eigenen Balzritualen. Eifersucht treibt die einst engsten Freunde auseinander... Wenn Männer und Frauen immer wieder freimütig vor der Kamera von ihren Flops in der Liebe erzählen, dann fühlt man sich gleich wieder an den Klassiker HARRY UND SALLY erinnert. Doch so fröhlich wie dort läuft es in diesem Film nicht ab. Hier herrscht Melancholie vor. Regisseur Xavier Dolan beobachtet sehr präzise die Gewissenskonflikte, in die er seine Protagonisten stürzen lässt, strapaziert aber seinen Film gleichzeitig durch den übermäßigen Einsatz von Slow Motion. Wenn man am Ende des Films (das man sich als Zuschauer eigentlich schon viel früher gewünscht hätte) dann weiterhin Dalidas Song “Bang Bang” in den Ohren hat, dann wird deutlich, dass Dolan auch die musikalische Ebene seines Films etwas überstrapaziert hat.
Mittwoch, 18. Mai 2011
Anfänger und Suizide
Der Mittwoch gestaltete sich relativ anstrengend in Bezug auf die konsumierten beiden Filme...

BEGINNERS (1:1.85, DD 5.1)
OT: Beginners
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Mike Mills
Darsteller: Ewan McGregor, Christopher Plummer, Mélanie Laurent
Kinostart: 09.06.2011

Durch die Begegnung mit der ebenso unkonventionellen wie attraktiven Anna beginnt Oliver ein einschneidendes Erlebnis zu verarbeiten: unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter outete sich sein Vater als homosexuell – und das im Alter von 75 Jahren. Doch sein ausschweifendes Leben endet schon fünf Jahre später – Olivers Vater stirbt an Krebs. Mit interessanten Collagen von Bildern aus der jeweiligen Zeit kommentiert Mike Mills seinen autobiographischen Film. Da gibt es die fünfziger Jahre, in denen Olivers Eltern heirateten und in denen Homosexualität absolutes Tabu war. Und es gibt auch die Zeit davor, als seine Eltern noch Kinder und Jugendliche waren und in der sich Olivers Vater seiner Veranlagung bewusst wurde. Mills verarbeitet in seinem Film sowohl Allen Ginsbergs Gedicht “Howl” wie auch den Dokumentarfilm “The Life and Times of Harvey Milk” – beides Meilensteine für die Enttabuisierung Homosexueller. Mills Film bewegt sich dabei zwischen Komödie, Drama und Tragödie und führt dem Zuschauer deutlich vor Augen, dass wir alle Anfänger sind wenn es um Beziehungen geht. Im Film überzeugt insbesondere das Ensemble: Ewan McGregor als Oliver, der sich seinen Gefühlen und einer Beziehung stellen muss. Christopher Plummer, einmal als intellektueller Schwuler, ein anderes Mal bereits auf dem Sterbebett liegend – aber immer energiegeladen. Und schließlich Mélanie Laurent als Anna, die Oliver wachrüttelt. Wie immer sind ihre Auftritte von einer ganz besonderen Aura umgeben. BEGINNERS ist Kino mit Anspruch.

NAOKOS LÄCHELN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Noruwei No Mori / Norwegian Wood
Verleih: Pandora
Land/Jahr: Japan 2010
Regie: Tran Anh Hung
Darsteller: Rinko Kikuchi, Ken'ichi Matsuyama, Kiko Mizuhara
Kinostart: 30.06.2011

Japan Ende der sechziger Jahre. Kizuki und Naoko sind unzertrennlich und schon lange ein Paar. Ständig sind sie mit ihrem gemeinsamen Freund Toru Watanabe auf Achse und unternehmen viel. Doch die Harmonie wird durch den Kizukis Suizid jäh zerstört. Watanabe zieht nach Tokio um dort als Student Abstand zu gewinnen. Eines Tages trifft er Naoko wieder. Die beiden fühlen sich eng verbunden und es kommt zur Liebesnacht. Vollkommen überrascht muss Watanabe feststellen, dass Naoko nie mit Kizuki geschlafen hatte. Die Gründe erfährt er nicht, denn Naoko ist am nächsten Morgen verschwunden. Da tritt die temperamentvolle Midori in sein Leben. Doch er kann sich ihr nicht öffnen, weil er Naoko nicht vergessen kann... NAOKOS LÄCHELN ist japanisches Erotikdrama mit hohem Selbstmordfaktor. Inszeniert nach einem weltweiten Bestseller fängt der Film Seelenschmerz und Liebesglück seiner Protagonisten in einer Zeit ein, in der die Studenten weltweit gegen das Establishment aufbegehren. Der faszinierend fotografierte Film (Kamera: Mark Lee Ping Bin) verlangt jedoch dem Zuschauer Einiges ab, sind doch die Handlungsweisen der Charaktere nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen. Da ist dann die Lauflänge von 133 Minuten auch nicht besonders hilfreich.
Dienstag, 17. Mai 2011
Schwacher Panda, schwaches Geisterhaus
Dass die Filmverleiher zum Wochenbeginn nicht gleich ihr bestes Pulver verschießen, geht durchaus in Ordnung. Ich tröste mich immer damit, dass nicht jeder Film ein Meisterwerk sein kann und dass auf zwanzig mittelmäßige Filme ein guter kommt.

KUNG FU PANDA 2 (1:2.35, 3D, DD 5.1)
OT: Kung Fu Panda 2
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Jennifer Nelson
Kinostart: 16.06.2011

Als ein übermächtiger Bösewicht mit einer neuartigen Superwaffe ganz China unterjochen möchte, muss Pandabär und Drachenkrieger Po zu Hilfe eilen. Gemeinsam mit seinen treuen Freunden will er dem Tyrannen den Garaus machen. Das gestaltet sich schwieriger als erwartet. Denn unversehens wird Po mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert und muss erkennen, dass er von seinem vermeintlichen Vater nur adoptiert wurde! Je näher er dem Feind jetzt rückt, desto näher kommt er an die Wahrheit über seine Kindheit... Wenn der computeranimierte Spaß zu Ende ist, fragt man sich unweigerlich, warum das Ganze nicht einfach mit Schauspielern und als Realfilm inszeniert wurde. Denn die überwiegende Zeit des Films wird mit Martial Arts Kämpfen vergeudet. Da gibt es dann gigantische Schlachten, die zeitweise gar keinen Lacher oder auch nur einen Schmunzler zulassen. Überhaupt wurde weitgehend auf Humor in diesem Fortsetzungsfilm verzichtet. Der schleppt sich dann mehr recht als schlecht voran und beweist damit ständig, dass es besser gewesen wäre, dieses Sequel nicht zu realisieren. KUNG FU PANDA 2 ist ein Film für alle Familien, die auf Langeweile stehen.

INSIDIOUS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Insidious
Verleih: Wild Bunch (Central)
Land/Jahr: USA 2010
Regie: James Wan
Darsteller: Patrick Wilson, Rose Byrne, Barbara Hershey
Kinostart: 21.07.2011

Kaum ist die fünfköpfige Familie in ihr neues Häuschen eingezogen, ereignen sich seltsame Dinge. Da knarrt und ächzt es bei jedem Tritt, aus dem Babyphone sind gruselige Stimmen zu hören und Bücher fallen von selbst wieder aus dem Regal. Eines Tages fällt der älteste Sohn in ein mysteriöses Koma. Die Ärzte sind ratlos. Die Eltern pflegen ihn zuhause. Jetzt nehmen die seltsamen Geschehnisse sogar noch zu. Auf Drängen der Mutter zieht die Familie schließlich in ein anderes Haus. Und mit ihr die übernatürlichen Phänomene... INSIDIOUS soll nach Meinung seiner Macher der POLTERGEIST-Film der nächsten Generation werden. Das Rüstzeug für den “Haunted House”-Horror jedenfalls hat der Film. Aber vielleicht doch ein bisschen zuviel davon. Denn Regisseur James Wan und sein Drehbuchautor Leigh Wannell (der im Film selbst auftritt) lassen wirklich kein Klischee aus, das man nicht bereits zur Genüge aus anderen Filmen kennen würde. So ist z.B. das Innere des Hauses stets derart unterbelichtet, dass man sich fragt, wie die Familie darin überhaupt etwas sehen kann. Oder der Auftritt von Geisterjägern, die schon rein äußerlich der Inbegriff von “Nerds” sind. Pluspunkte allerdings gibt es für die Tonebene des Films. Hier ziehen die Sounddesigner sowie der Filmmusikkomponist alle Register, um das Publikum aus den Sitzen zu heben. Das natürlich setzt ein tontechnisch anspruchsvolles Kino voraus. Taugt die Soundanlage nichts, hat der Film von Anfang an verloren. INSIDIOUS ist jedoch bei weitem nicht der beste Gruselhausfilm, der gemacht wurde. Da spielen Klassiker wie THE HAUNTING oder THE ENTITY in einer ganz anderen Liga – indem sie Maßstäbe setzen. Das aber schaffen Wan und Wannell leider nicht, obwohl man es ihnen seit SAW durchaus zugetraut hätte. Denn mit Letzerem haben die beiden schließlich (Horror)Filmgeschichte geschrieben.
Freitag, 13. Mai 2011
Zu Gast bei Captain Jack Sparrow
Zum Wochenausklang gab es die dritte Fortsetzung der Piraten-Saga um Jack Sparrow. Und es war ein Wettlauf mit der Zeit, da der digitale Schlüssel für das DCP nur bis 15:00 Uhr wirksam war. Bei einem Film von fast 140 Minuten Länge, der erst um 12:38 Uhr begann, ein echtes Wagnis. Doch es hat geklappt!

PIRATES OF THE CARIBBEAN – FREMDE GEZEITEN (1:2.35, 3D, DD 5.1)
OT: Pirates Of The Caribbean: On Stranger Tides
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Rob Marshall
Darsteller: Johnny Depp, Penélope Cruz, Geoffrey Rush, Ian McShane
Kinostart: 19.05.2011

Nach drei enorm umsatzstarken Piraten-Abenteuern aus dem Hause Jerry Bruckheimer war es eigentlich nur konsequent, auch noch einen vierten Teil nachzuschieben. Zumindest im Hinblick auf ein profitorientiertes Geschäft. So wird sicherlich auch Teil 4 der Reihe der Kassenerfolg nicht verwehrt bleiben. Wie auch? Der Kinozuschauer wird am Startwochenende kaum eine Chance haben, einen anderen Film als diesen zu sehen! Doch lohnt der Besuch dieses Blockbusters? Die Geschichte selbst könnte fast schon einem INDIANA JONES Film entsprungen sein. Da geht es um die Suche nach einem mystischen Jungbrunnen, dessen Wasser ewige Jugend verspricht. Die temperamentvolle Angelica, die vor vielen Jahren einmal ein Techtelmechtel mit Piratenkapitän Jack Sparrow hatte, sorgt dafür, dass sich Sparrow mit auf die gefährliche Reise begibt. Unter dem strengen Regiment ihres Vaters, dem berüchtigten Blackbeard, steuert die beiden in ein großes Abenteuer. Doch sie sind nicht allein: auch Hector Barbossa, Erzrivale von Sparrow, will die Quelle finden. Was anfangs noch ganz amüsant zu werden scheint, verliert sich nach der ersten halben Stunde bereits in Einfallslosigkeit und Langeweile. Johnny Depp mimt den Pirat zwar in altbekannter Manier, doch das Drehbuch wartet kaum mit frischen Ideen oder gar ein paar richtige Überraschungen auf. Immerhin gibt es eine Konfrontation mit einem Heer verführerischer Meerjungfrauen, die relativ gut gelungen ist. Alles andere gab es in wesentlich besserer Form bereits in den ersten drei Teilen zu bestaunen. Ganz und gar nicht in den Film passen will eine Nebenhandlung, in der sich ein Missionar in eine Meerjungfrau verliebt. Das erweckt den Eindruck, als ob hier eventuell versehentlich etwas im Drehbuch hängen blieb, was eigentlich hätte gelöscht werden sollen. Sehr störend: die 3D-Technik. Nicht nur verdunkelt sie das Bild derart, dass bei dunklen Aufnahmen das Minenspiel der Darsteller nicht mehr zu erkennen ist, sie liefert darüber hinaus auch kaum räumliche Eindrücke. Letztere aber hätte der Film dringend nötig, um seinem Publikum wenigstens noch etwas Wirkungsvolles bieten zu können. Um das unausgegorene Drehbuch zusammenzuhalten, darf Komponist Hans Zimmer noch einen bombastischen Klangteppich ausrollen, der sich jedoch alsbald als recht einfallslos entpuppt. Da hat das Drehbuch wohl auch auf die Musik abgefärbt.
Donnerstag, 12. Mai 2011
Du darfst niemals aufgeben!
Heute gab es das einzige Double-Feature in dieser Woche: einen Erwachsenen-Film und einen Kinderfilm.

COUNTRY STRONG (1:2.35, DD 5.1)
OT: Country Strong
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Shana Feste
Darsteller: Gwyneth Paltrow, Tim McGraw, Garrett Hedlund, Leighton Meester
Kinostart: 09.06.2011

Ein Jahr ist es her seit Country & Western Star Kelly Canter wegen übermäßigem Alkoholkonsum bei ihrem Konzert in Dallas von der Bühne stürzte und dabei ihr ungeborenes Kind verlor. Es folgte ein Aufenthalt in einer Entziehungsklinik, bei dem sie den talentierten Song-Schreiber Beau Hutton kennen und lieben lernt – sehr zum Missfallen ihres Ehemannes James. Obwohl Kelly noch nicht ganz geheilt ist, wird sie von James, der zugleich ihr Manager ist, wieder für eine Comeback-Tournee verpflichtet, die ihr Finale in Dallas finden soll. Widerwillig engagiert James Beau Hutton für das Vorprogramm der Show. Auch die aufstrebende junge Sängerin Chiles Stanton kommt als Vorprogramm mit an Bord. Bald schon bandelt sie mit dem sanftmütigen Beau an... In COUNTRY STRONG übernimmt Gwyneth Paltrow sozusagen die Rolle, die Jeff Bridges in CRAZY HEART inne hatte. Und sie tut das sehr überzeugend. Nicht nur, dass sie alle ihre Lieder selber singt, auch die gebrochene Existenz nimmt man ihr ohne weiteres ab. Gleiches gilt auch für die anderen Mitglieder des Ensembles. Garrett Hedlund als Beau erinnert an den jungen Michael Pare und spielt seinen Part ebenfalls sehr glaubwürdig. Leighton Meester jedoch, die als Jungtalent Chiles Stanton agiert, hat mir mit der Interpretation ihrer Rolle am besten gefallen: naiv, schwärmerisch, aber auch ein bisschen geheimnisvoll und berechnend zugleich. Shana Feste, die nach ihrem eigenen Drehbuch inszeniert hat, liefert mit COUNTRY STRONG keinen spektakulären Film mit viel Glitter ab, sondern beleuchtet die Schattenseiten des Ruhms. Ein Film mit einem hervorragenden Cast und mit viel Gefühl, der es vermutlich an der (deutschen) Kinokasse schwer haben wird. Immerhin hat mir dieses Werk besser gefallen als CRAZY HEART.

MEIN FREUND KNERTEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: Knerten
Verleih: Polyband (24 Bilder)
Land/Jahr: Norwegen 2009
Regie: Åsleik Engmark
Darsteller: Adrian Grønnevik Smith, Petrus Andreas Christensen, Pernille Sørensen
Kinostart: 30.06.2011 (limitiert)

Der kleine Lillebror zieht mit seinen Eltern und dem großen Bruder von der Stadt in ein kleines Häuschen auf dem Land. Weit und breit sind keine Spielkameraden zu finden. Da fällt Lillebror ein lustiger Baumast in die Hände, der die Form eines kleinen Männlein hat. In seiner Phantasie beginnt der Ast, der sich Knerten nennt, mit ihm zu sprechen. Gemeinsam erleben sie aufregende Abenteuer. Da das kleine Häuschen jedoch mehr Renovierung benötigt als geplant, kommt die Familie bald in finanzielle Nöte. Doch Lillebror und Knerten habe eine Idee... Ein ganz liebenswürdiger Kinderfilm aus Norwegen nach den bekannten Büchern “Kleiner Freund Knorzel” von Anne-Catharina Vestly. Angesiedelt in den 1960er-Jahren kommt der Film vollkommen ohne neumodischen Technik-Schnickschnack wie Handy oder Playstation aus und nimmt sich viel Zeit, um die kindliche Phantasie anzuregen. Themen wie Freundschaft, die erste Liebe, Armut und mehr werden ohne Hektik und auch ohne erhobenen Zeigefinger präsentiert und führen letztendlich zur Kernaussage des Films: man darf nie aufgeben!
Mittwoch, 11. Mai 2011
Von Franzacken und Frittenfressern
Nach der mittleren Katastrophe von gestern (gezeigt wurde ein japanischer Dialogfilm, bei dem die deutschen Untertitel ab Rolle 3 auf mysteriöse Weise verschwanden! – keine Bange: der Verleih hat mir eine komplett untertitelte Fassung für nächste Woche in Aussicht gestellt) hat es bei der heutigen Pressevorführung wieder reibungslos geklappt – in Deutsch.

NICHTS ZU VERZOLLEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Rien à Declarer
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Dany Boon
Darsteller: Benoît Poelvoorde, Dany Boon, Julie Bernard
Kinostart: 28.07.2011

Der belgische Zollbeamte Ruben ist bekennender Rassist und lässt das seine französischen Kollegen auf Schritt und Tritt spüren. Obwohl es durch das zusammenwachsende Europa eigentlich gar keine Zollkontrollen mehr gibt, hält er eisern an den Kontrollen fest. Sein ärgster Rivale auf französischer Seite ist der gutmütige Mathias, der sich auch noch ausgerechnet in Rubens Schwester verliebt hat. Das muss natürlich streng geheimgehalten werden! Als die belgischen und französischen Vorgesetzten eines Tages beschließen, eine mobile, grenzübergreifende Zolltruppe ins Leben zu rufen, melden sich Ruben und Mathias freiwillig. Fortan müssen die beiden in einem abgewrackten Renault in der Knüste gemeinsam Dienst tun. Das bekommt den beiden allerdings nicht sehr gut... Nach WILLKOMMEN BEI DEN SCH’TIS, in dem sich Dany Boon mit innerfranzösischen Unterschieden beschäftigte, wagt er jetzt einen größeren Schritt und beleuchtet das Verhältnis zwischen Belgiern und Franzosen. Er tut das natürlich auf seine ganz eigene, stets liebevolle und immer komödiantische Art und Weise. Da klingen dann sogar Schimpfwörter wie “Franzacke” oder “Frittenfresser” wie Liebeserklärungen an das jeweilige andere Land. In der deutschen Synchronfassung des Films ist man auch stets darum bemüht, die feinen sprachlichen Unterschiede zwischen den beiden Nationen entsprechend Einzudeutschen, was auch überwiegend gelingt. Auch Situationskomik kommt nicht zu kurz in dieser netten kleinen Komödie, die leider etwas eingetrübt wird durch ein paar unpassende realistisch-brutale Einlagen. Denn es ist einfach weder komisch noch witzig, wenn Dany Boon den belgischen Zöllner mit scharfer Munition um sich schießen lässt und sogar einen Flüchtigen in den Rücken schießt. Genau an dieser Stelle tut der Film dann richtig weh, weil er sich von der Laurel & Hardy Brutalität meilenweit entfernt.
Montag, 09. Mai 2011
Anderssein
Eine nette kleine Komödie stand am Anfang der neuen Woche, die mir für jeden Tag einen Film verspricht.

EINE INSEL NAMENS UDO (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: X Verleih (Warner)
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Markus Sehr
Darsteller: Kurt Krömer, Fritzi Haberlandt, Jan Gregor Kremp
Kinostart: 16.06.2011

Niemand nimmt ihn jemals wahr – doch es gibt ihn wirklich: Udo. Der kauzige Typ mit dem vollkommen unscheinbaren Äußeren arbeitet als Kaufhausdetektiv. Hier kommt ihm sein chamäleonartiges Auftreten sehr zugute, kann er doch die Langfinger in Seelenruhe beobachten und sie dann auf frischer Tat erwischen. Ansonsten registriert jedoch niemand, wenn er einfach den Kaffee eines Kaufhausgastes vor dessen unsehenden Augen trinkt oder gar ein Stück Kuchen dem Besitzer entwendet. Doch eines Tages passiert das Unfassbare: die junge Jasmin sieht ihn! Auch sie ein etwas kauziger Charakter und noch immer auf der Suche nach dem richtigen Partner. Es scheint, als haben sich endlich zwei Seelenverwandte gefunden. Doch ganz so einfach ist das mit der Liebe nicht... Markus Sehr liefert mit EINE INSEL NAMENS UDO eine sympathische kleine Komödie ab, in der es nicht nur um das Anderssein geht, sondern auch darum, selbst dazu zu stehen. Da gibt es dann einige hübsche Episoden wie z.B. jene , in der die beiden Protagonisten bei ihrem ersten Date gemeinsam im Restaurant essen wollen und der Kellner nur Jasmin registriert, nicht aber Udo. Leider reicht die Geschichte nicht ganz für einen abendfüllenden Film und ergeht sich daher in Wiederholungen mit Variationen. Hier wäre der Regisseur gut beraten gewesen, die Story in einem Kurzfilm zu erzählen.
Freitag, 06. Mai 2011
Wenn das Fragezeichen über dem Kopf schwebt
Wochenausklang mit verstörender und leichter Kost. Aber ganz ehrlich: nach dem tollen Film von gestern konnte es heute nur schlechter werden.

BROWNIAN MOVEMENT (1:2.35, DD 5.1)
OT: Brownian Movement
Verleih: Filmlichter
Land/Jahr: Niederlande, Belgien, Deutschland 2010
Regie: Nanouk Leopold
Darsteller: Sandra Hüller, Dragan Bakema, Sabine Timoteo
Kinostart: 30.06.2011

Charlotte, gutsituiert mit Mann und Kind, führt ein Doppelleben. Wenn sie nicht als Ärztin an einer medizinischen Universität arbeitet oder mit Mann Max und Sohn Benjamin schöne Stunden verbringt, hat sie Sex mit unattraktiven Männern in einer speziell dafür angemieteten Wohnung. Als ihr Doppelleben auffliegt, muss sie sich einer Therapie unterziehen. Gleichzeitig verliert sie ihre Approbation. Der berufliche Umzug nach Indien soll dem Paar einen Neuanfang bereiten... BROWNIAN MOVEMENT ist einer jener Filme, für die ich nicht intelligent genug bin und die ich daher sehr gerne als Kunstkino deklariere. Ob ich damit richtig liege, das überlasse ich der Beurteilung meiner Kolleginnen und Kollegen. Mir jedenfalls hat sich dieses Drama nicht erschlossen. Warum der Film endlos lange Einstellungen beinhaltet oder warum sich Charlotte weigert, über ihre sexuellen Obsessionen zu sprechen, versucht die Regisseurin zwar im Presseheft zu erläutern, doch auch beim Lesen dieses Textes klingelt es bei mir leider noch immer nicht. Wenigstens nutz der Film das CinemaScope-Format richtig aus, indem es oft Personen nur am äußersten Bildrand erscheinen lässt und so eine Distanz zwischen den Personen und den sie umgebenden Raum schafft. Auch die Darsteller sind gut ausgewählt. Trotzdem bleibt es für mich persönlich vergebene Liebesmühe.

DIE RELATIVITÄTSTHEORIE DER LIEBE (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Universal
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Otto Alexander Jahrreiss
Darsteller: Katja Riemann, Olli Dittrich, Leonard Carow
Kinostart: 26.05.2011

Fünf Frauen, fünf Männer, fünf Geschichten über die Liebe. Da gibt es den Agenturchef Frieder, dessen Frau sich längst schon einem Yogi verschrieben hat und der seit langem eine Affäre mit seiner Schwägerin hat. Da ist der libanesische Gastwirt Youssef, mit dem die graue Maus Peggy von der Gesundheitsbehörde anbandelt. Dann ist da noch Fahrlehrer Paul, der seit 35 Jahren mit der feurigen Südamerikanerin Gabriela verheiratet ist und ihrer eigentlich längst überdrüssig ist. Und schließlich ist da noch TV-Star Alexa, die Tochter von Paul und Gabriela, die sich nach Schwangerschaft sehnt und mit dem Tausendsassa Stevie zusammenprallt. Alle leben im Mikrokosmos Berlins und machen ihre ganz eigenen Erfahrungen mit der Liebe. Otto Alexander Jahrreiss‘ Film ist eine nette kleine Komödie inklusive melancholischer Einlagen, die jedoch leider ohne richtige Höhepunkte zwischen den verschiedenen Geschichten hin und her pendelt. Was den Film allerdings wirklich sehenswert macht, sind die beiden Hauptdarsteller Katja Riemann und Olli Dittrich. Denn beide sind in jeweils fünf unterschiedlichen Rollen zu sehen. Dank der perfekten Arbeit der Make-Up-Künstler verwandeln sich die beiden in die unterschiedlichsten Typen. Ob die einsame graue Maus Peggy oder die temperamentvolle Gabriela – es ist kaum zu glauben, dass beide Personen von derselben Schauspielerin gemimt werden. Oder der bierbäuchige Fahrlehrer und der aalglatte Werbefachmann – unterschiedlicher könnten die Charaktere nicht sein und werden dennoch vom selben Schauspieler gespielt. Wenn jetzt nur noch das Drehbuch nur halb so gut wäre wie die Darsteller, dann hätte das einen richtig schönen Film ergeben.
Donnerstag, 05. Mai 2011
Kino mit Sogwirkung
Es gibt sie tatsächlich noch, die richtig guten Filme, die einen nicht mehr loslassen. Der erste Film heute war ein solcher und dürfte einer der besten Filme sein, die ich in diesem Jahr sehen werde!

DIE FRAU DIE SINGT (1:1.85, DD 5.1)
OT: Incendies
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Kanada 2010
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Lubna Azabal, Mélissa Désormeaux-Poulin, Maxim Gaudette
Kinostart: 23.06.2011

Bei der Verlesung des Testaments ihrer Mutter werden die Zwillinge Jeanne und Simon mit einer Überraschung konfrontiert. Sie erhalten zwei versiegelte Briefe. Einen sollen sie ihrem Vater übergeben, den sie nie kennenlernten, weil sie ihn für tot hielten. Ein weiterer ist an ihren Bruder adressiert, von dessen Existenz sie keine Ahnung hatten. Weil Simon mit der Sache nichts zu tun haben möchte, macht sich Jeanne alleine auf den Weg in die Heimat ihrer Mutter – in den Nahen Osten. Nach und nach lüftet sie das Geheimnis, das ihre Mutter fast zwanzig Jahre lang gut gehütet hatte... Denis Villeneuves für den Auslands-Oscar nominierter Film entfaltet eine ganz eigenartig hypnotische Sogwirkung, der man sich als Betrachter nicht entziehen kann. Auf zwei ineinander verschachtelten Zeitebenen erzählt er zum einen die tragische Geschichte von Nawal Marwan, die nach der Entbindung ihres unehelichen Sohnes aus ihrem Heimatdorf vertrieben wird und ihren Sohn zurücklassen muss. Zum anderen ist es die Spurensuche ihrer Kinder, deren Weg sie von Kanada in den Libanon führt und an deren Ende eine große Tragödie aufgedeckt wird – eine Tragödie über das Grauen des Krieges, der die Narben der Gewalt hinterlässt und auch über die unbezwingbare Kraft des Überlebenswillens. Der im Original INCENDIES (was soviel bedeutet wie Brandkatastrophe oder Großfeuer) betitelte Film ist emotional wuchtiges Kino, das tief unter die Haut geht. Ein exzellentes Ensemble, bemerkenswerte Kameraarbeit und sparsam platzierte Filmmusik machen den Film zu einem der Höhepunkte des Jahres und beweisen aufs Neue, dass Denis Villeneuve (POLYTECHNIQUE) einer der begabtesten kanadischen Filmemacher ist.

LIFE IN A DAY - EIN TAG AUF UNSERER ERDE (1:1.85, 5.1)
OT: Life In A Day
Verleih: Rapid Eye Movies HE
Land/Jahr: Großbritannien 2010
Regie: Kevin Macdonald
Darsteller: Cindy Baer, Matthew T. Irving, Caryn Waechter
Kinostart: 09.06.2011

Der Film, der als Experiment begann, kommt jetzt in die Kinos. Regisseur Kevin Macdonald und seine Produzenten hatten über das Internet Menschen in aller Welt dazu aufgerufen, einen Film über einen Tag in ihrem Leben zu machen und ein paar Fragen zu beantworten. Der Tag war der 24. Juli 2010. Zu ihrem Erstaunen erhielten Macdonald und sein Team Zusendungen aus 192 Ländern und mussten über 4000 Stunden an Material sichten – eine Mammutaufgabe. Unter Mcdonalds Aufsicht wurden die besten Clips herausgepickt, in einen Kontext gestellt und mit einem Score ausgestattet. Das Ergebnis ist höchst originell. Da sieht man Menschen aus aller Welt bei Alltäglichem – ob beim morgendlichen Aufstehen, beim Zähneputzen, beim Arbeiten, beim Heiraten. Und es sind Menschen aus allen Bevölkerungsschichten – arm und reich. Viele der Bilder animieren zum Nachdenken, manche zum Schmunzeln, andere zum Weinen. Zu letzteren Bildern gehören mit Sicherheit jene der tragischen Love Parade in Duisburg. Damit auch authentisch bleibt was authentisch ist, wird der Experimentalfilm im Original mit deutschen Untertiteln in die Kinos gebracht.
Mittwoch, 04. Mai 2011
Wenn Blut an der Linse klebt
Einmal mehr gab es heute etwas auf der Leinwand zu sehen, was sich so tatsächlich zugetragen hat.

THE BANG BANG CLUB (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Bang Bang Club
Verleih: Senator
Land/Jahr: Kanada, Südafrika 2010
Regie: Steven Silver
Darsteller: Malin Akerman, Ryan Phillippe, Taylor Kitsch
Kinostart: 23.06.2011

Im Jahre 1990 kommt der Fotojournalist Greg Marinovich nach Südafrika, um dort für Associated Press Bilder von den Unruhen in Soweto zu liefern. Bei seiner gefährlichen Arbeit lernt er drei weitere Fotoreporter kennen. Zusammen würden die vier bald in die Annalen des Fotojournalismus eingehen. Marinovichs Foto, das einen Unterstützer des ANC (African National Congress) dabei zeigt, wie er auf einen brennenden Mann der IFP (Inkatha Freedom Party) mit der Machete einschlägt, gewinnt den Pulitzer-Preis. Doch die vier Fotohelden sehen sich auch mit einem großen Dilemma konfrontiert: wie weit darf man gehen, um ein gutes Foto zu schießen? – “The Bang Bang Club” nannten sich die vier Unerschrockenen, deren Bilder es zu verdanken ist, dass die Welt über die Greueltaten in Südafrika informiert wurde. Südafrika war in jener Zeit gerade im Umbruch – die Apartheid endete 1994. Steven Silver zeigt in seinem Film, den er nach dem Buch zweier der überlebenden Fotografen inszenierte, welchen Konflikten die Kriegsfotografen Greg Marinovich, Kevin Carter, Ken Oosterbroek und Joao Silva ausgesetzt waren. Während Marinovich anfangs noch zögerlich mit seiner Kamera auf sterbende Menschen hielt, lässt ihn sein Pulitzer-Preis das Leid schnell vergessen und führt zu seiner Abstumpfung. Sein Freund und Kollege Carter versucht die inneren Konflikte mit Drogen zu überwinden. 1994 begeht er Selbstmord. Kurz zuvor erhält auch er den Pulitzer-Preis für ein Bild, das um die Welt ging. Es zeigt ein verhungerndes Mädchen im Sudan, hinter dem bereits ein Aasgeier Platz genommen hat. Das Bild wirft viele Fragen auf, die Carter schließlich zu seiner folgenschweren Entscheidung veranlassen. Seine Figur ist die interessanteste im ganzen Film und wird von Taylor Kitsch hervorragend gespielt. Auch wenn es nach außen hin den Anschein hat, so ist THE BANG BANG CLUB kein Mainstream-Kino, sondern durchaus diskussionswürdig.
Dienstag, 03. Mai 2011
Der Weg ist das Ziel
Zwei Filme – ein Motto. Während es im ersten Film tatsächlich noch um eine Art Pilgerreise ging, wartete der zweite Film mit einer altbekannten Story auf, bei der man als Zuschauer das Ziel kennt und auf den Weg gespannt sein sollte. In beiden Fällen aber war der Weg einfach zu lang.

DER MANN DER ÜBER AUTOS SPRANG (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Arsenal (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Deutschland 2010
Regie: Nick Baker-Monteys
Darsteller: Robert Stadlober, Jessica Schwarz, Martin Feifel
Kinostart: 02.06.2011

Julian, ein charismatischer junger Mann, macht sich eines Tages auf den Weg von Berlin ins Schwabenland – zu Fuß. Er hofft, dass durch die durch sein Gehen freigesetzte Energie der schwerkranke Vater seines besten Freundes geheilt wird. Auf seinem Weg trifft er ein paar Menschen, die von ihm fasziniert sind und die sich ihm aus unterschiedlichen Gründen anschließen. Da ist Ju, eine Ärztin, die vor lauter Arbeit ihr Herz verloren zu haben scheint. Und Ruth, die von ihrem Ehemann unterdrückt wird. Was Julians Weggefährten allerdings nicht wissen: der sensible junge Mann ist aus einer psychiatrischen Anstalt ausgebrochen. So kommt Jan ins Spiel, der Polizist, der Julian wieder finden soll. Doch Jan hat selber Ärger – im Beruf und auch im Privatleben. Bald gehört auch er der wandernden Clique an... Der Regisseur über seinen Film: “Die Menschen, die Julian trifft, glauben nicht unbedingt, dass Julian die Macht hat, einen Menschen durch die Kraft des Gehens zu heilen. Vielmehr ist es so, dass sie in ihm jemanden erkennen, der an etwas glaubt. Oder noch besser: jemand, der an die Fähigkeiten der Menschen glaubt.” So wird der Film zu einem spirituellen Roadmovie, an dessen Ende die Protagonisten wieder beginnen, an sich selber zu glauben, um so ihr festgefahrenes Leben ändern zu können. Mit einer Ausnahme sind die Charaktere der Protagonisten recht glaubhaft angelegt – die des Polizisten Jan. Sein Verhaltensmuster passt leider ganz und gar nicht zu einem Polizisten – private Probleme hin oder her. Eingefangen wird das alles in teilweise mystisch wirkenden CinemaScope-Bildern (Kamera: Eeva Fleig). Der Weg ist das Ziel – aber der Weg ist ein bisschen zu lang.

FREMD FISCHEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: Something Borrowed
Verleih: Tobis
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Luke Greenfield
Darsteller: Ginnifer Goodwin, Kate Hudson, John Krasinski
Kinostart: 16.06.2011

Man kann Regisseur Luke Greenfield nur dazu beglückwünschen, dass er einen Film von gefühlten drei Stunden Spielzeit und einer effektiven Lauflänge von gerade einmal 110 Minuten abgeliefert hat. Da bekommen seine Produzenten wirklich mehr für ihr investiertes Geld als was sie bestellt hatten! Aber Scherz beiseite: FREMD FISCHEN ist mindestens eine halbe Stunde zu lange geraten. Das liegt leider an dem total einfallslosen Drehbuch, dessen Grundstory sicherlich schon ein halbes Dutzend mal verfilmt wurde. Seit sie Kinder waren sind Rachel und ihre beste Freundin Darcy unzertrennlich. Jetzt steht Darcys Hochzeit kurz bevor. Ihr zukünftiger Gatte soll ausgerechnet der smarte Dex werden, mit dem Rachel während ihres Jurastudiums dick befreundet war. Was Dex nicht ahnt: die gute Rachel war schon immer in ihn verliebt, hat es ihm aber nie gestanden. Als sich Rachel und Dex nach Rachels wilder 30er-Geburtstagsfeier treffen, funkt es endlich zwischen den beiden. Mit unausweichlichen Folgen... Was jetzt alles passieren wird, dürfte jedem Romantik-Komödien-Fan ganz klar sein. Und das macht ja auch gar nichts. Dumm nur, dass der Film keinerlei Überraschungen zu bieten hat und die Geschichte sich wie Kaugummi hinzieht. Das können leider auch nicht die Schauspieler wieder wett machen. Den richtigen Schock gibt’s dann noch während den Endtiteln. Denn da gibt es noch eine Bonusszene, die mit dem Schriftzug “Fortsetzung folgt” endet. Da bleibt nur zu hoffen, dass das ein Scherz ist...
Montag, 02. Mai 2011
Eine walisische Erfolgsgeschichte
Es gibt Geschichten, die sind so unglaublich, dass sie eigentlich nur wahr sein können. Eine dieser Geschichten gab es heute.

MR. NICE (1:1.85, DD 5.1)
OT: Mr. Nice
Verleih: Koch Media (Neue Visionen)
Land/Jahr: Großbritannien 2010
Regie: Bernard Rose
Darsteller: Rhys Ifans, Chloë Sevigny, David Thewlis
Kinostart: 23.06.2011

Nachdem die Anfangstitel auf einen Bühnenvorhang projiziert wurden, öffnet sich dieser und gibt den Blick frei auf einen halbwegs gefüllten Saal. Ein älterer Herr betritt die Bühne und spricht zum Publikum: “ Sind hier heute zufälligerweise Polizisten in Zivil anwesend?” Bei dem Herrn, der jetzt seine Lebensgeschichte zum Besten gibt, handelt es sich um Howard Marks, dessen Autobiographie zum Bestseller geworden ist. Und das nicht ohne Grund. Der Oxford-Student aus einfachen Verhältnissen steigt zum internationalen Drogenboss auf. Dabei kam er zu den Drogen so wie die Jungfrau zum Kind. Nach ersten Berührungen mit Hasch in studentischen Kreisen in Oxford muss er für einen Kumpel, der als Drogenkurier arbeitet, einspringen. Und er findet großen Gefallen daran. Nicht nur an den Drogen selbst, sondern auch an dem Adrenalinkick, den er als Drogenkurier erfährt. “Ich hätte alles am liebsten selber geraucht – aber es gab einfach zuviel. Deshalb habe ich begonnen, es zu verkaufen!”, so Marks. Rhys Ifans spielt den charismatischen, aber auch etwas naiv wirkenden Drogendealer mit einer solch liebenswerten Lässigkeit, dass man ihn einfach mögen muss. Seine schier unglaubliche Karriere, die er mit Hilfe eines IRA-Anführers sowie als Agent des MI-6 antritt, verläuft alles andere als nach Plan. So stürzt Marks immer wieder in Katastrophen, kann sich aber dank seiner Verbindungen fast immer wie Münchhausen an seinem eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen. Ein Film, der mit englischem (oder genauer: walisischem) Witz klarmacht, wo richtig Geld verdient werden kann!

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