Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Freitag, 29. Juli 2011
Mutter mit vier Kindern ohne Vater
Den Wochenabschluss bescherte mir ein psychologisches Sozialdrama aus deutschen Landen.

ABGEBRANNT (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: missingFilms
Land/Jahr: Deutschland 2010
Regie: Verena S. Freytag
Darsteller: Maryam Zaree, Tilla Kratochwil, Lukas Steltner
Kinostart: 22.09.2011

Die Deutsch-Türkin Pelin lebt mit ihren vier Kindern in Berlin-Wedding und ist auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn sie ihre Kinder in den Kindergarten und zur Schule gebracht hat, jobbt die junge Frau als Tätowiererin. Mit ihrem Freund Edin, der sie finanziell unterstützt, unterhält sie eine lose Beziehung. Als der wieder eine Nacht bei ihr verbringt und Pelins Zweitjüngster am nächsten Morgen Edins farbige Pillen findet und schluckt, kommt es fast zur Katastrophe. Das Jugendamt schaltet sich ein. Zusätzlich verliert Pelin ihren Job. Vor Gericht kann Pelin die zuständige Richterin überzeugen, ihr noch eine Chance zu geben und sie mit ihren Kindern zu einer Mutter-Kind-Kur an die See fahren zu lassen. Ihrem unberechenbaren Freund Edin gefällt das aber gar nicht... In ihrem Film greift Verena S. Freytag ein Einzelschicksal stellvertretend für viele ähnliche Schicksale auf. Hier muss eine junge Frau um das Einzige kämpfen was sie hat: ihre Familie. Gleichzeitig muss sie selbst erst einmal richtig erwachsen werden. Pelin steht beruflich auf sehr wackeligen Beinen, hat aber in ihrer jugendlichen Euphorie schon vier Kinder geboren! Und von ihrem zwielichtigen und gewaltbereiten Freund kann sie sich nicht trennen, weil er ihr vermeintlich Schutz bietet. Die durchaus interessante Thematik des Films wird leider durch Laiendarsteller etwas getrübt, die zumeist in Nebenrollen auftauchen. Diese stehen in krassem Gegensatz zu den Darstellerleistungen der Protagonisten (insbesondere Maryam Zaree spielt hier überzeugend) und bringen den Film aus dem Gleichgewicht (Amateur- vs. Profi-Film). Kameramann Ali Olcay Gözkaya fängt atmosphärisch stimmige, nicht beschönte Bilder mit der CinemaScope-Kamera ein. Etwas unpassend allerdings die Filmmusik, die irgendwie ein Eigenleben entwickelt und sich nicht der Geschichte unterordnet.

SOUND OF NOISE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Sound Of Noise
Verleih: Tiberius Film
Land/Jahr: Schweden, Frankreich 2010
Regie: Johannes Stjärne Nilsson, Ola Simonsson
Darsteller: Bengt Nilsson, Sanna Persson, Magnus Börjeson
Kinostart: 11.08.2011

“Hände hoch – Das ist ein Gig!”. Mit diesem Spruch auf den Lippen stürmen fünf maskierte Musiker in eine Bankfiliale und beginnen, mit allem was nicht niet- und nagelfest ist, Musik zu machen. Da werden dann beispielsweise Geldscheinbündel um des Geräusches Willen geschreddert. Nach ein paar Minuten ist der ganze Spuk vorbei. Solche musikalischen Attacken rufen natürlich die Polizei aufs Parkett. Amadeus, der einzig Unmusikalische in seiner Familie, soll ermitteln. Schon bald begreift er, dass hier Musiker am Werke sind, die dabei sind, deren neuestes Werk “Music for a City and Six Drummers” in die Tat umzusetzen. Und das Werk besteht aus vier Sätzen! Je tiefer Amadeus in die Ermittlungen einsteigt, desto skurriler wird die Sache. Bald schon beginnt er bestimmte Geräusche oder Laute nicht mehr hören... Niemand ist bekannter für skurrile Filmkost als die Skandinavier. Dieser Film aus Schweden – entstanden nach einem Kurzfilm, der auf YouTube Tausende von Zugriffen generierte – beweist dies aufs Neue. Es ist schon ziemlich makaber, wenn die Musik-Terroristen den Körper eines auf eine Operation wartenden Patienten nebst sämtlichem OP-Equipment als Musikinstrument verwenden. Aber diese Sequenz ist so wohltuend neu und auch urkomisch, dass man alleine deswegen den Film anschauen sollte. Allerdings setzt diese Szene ziemlich am Anfang des Films die Messlatte für den Rest des Films sehr hoch. Mit dem Ergebnis, dass der Film nicht mehr halten kann, was er anfangs versprach. Das liegt sicherlich auch daran, dass das Konzept des vorhin erwähnten Kurzfilms nicht wirklich auf einen Langfilm übertragen werden konnte. Trotzdem kann man sich recht skurriler Charaktere erfreuen. Nicht nur die fünf ungehemmten Radikal-Musiker scheinen nicht richtig zu ticken, auch der ermittelnde Kommissar agiert sehr neurotisch. Äußerst gelungen in Johannes Stjärne Nilssons und Ola Simonssons Film ist die Tonebene, die es vorzüglich versteht, aus Geräuschen Musik werden zu lassen. Auch das Hinwegnehmen bestimmter Geräusche oder ganzer Stimmen beeindruckt, da erfrischend neu. Leider stand zur Sichtung des Films nur eine in tontechnischer Hinsicht minderwertige DVD zur Verfügung. Diese jedoch suggerierte bereits beim Betrachten, dass der Film in einem technisch hochwertigen Kino goutiert werden sollte.
Mittwoch, 27. Juli 2011
Bauernopfer
Ein historisch überliefertes Gerichtsdrama mit aktuellem Bezug stellte sich heute dem Kritikerheer.

DIE LINCOLN VERSCHWÖRUNG (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Conspirator
Verleih: Tobis
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Robert Redford
Darsteller: Robin Wright, Evan Rachel Wood, James McAvoy, Kevin Kline, Tom Wilkinson, Alexis Bledel
Kinostart: 29.09.2011

Eben erst ist der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten beendet, da wird Präsident Abraham Lincoln von dem Schauspieler John Wilkes Booth im Theater erschossen. Zur gleichen Zeit wird auch Außenminister Seward schwer verletzt und Vizepräsient Johnson entgeht nur knapp einem Attentat. Schnell ist klar, dass alle drei Attentate Teil einer großen Verschwörung gegen die Regierung waren. Die Täter werden schnell dingfest gemacht, Wilkes selbst wird erschossen. Um die labile politische Lage nicht weiter zu gefährden, entscheidet Kriegsminister Stanton, dass die Angeklagten vor ein Militärgericht gestellt werden. Unter ihnen befindet sich eine Frau, Mary Surratt, deren Sohn als Einziger noch flüchtig ist. Der junge Kriegsheld und angehende Anwalt Frederik Aiken wird mit der Verteidigung von Mary beauftragt. Seine anfängliche Aversion sowie seine Vorurteile gegen Mary weichen nach und nach einer bitteren Erkenntnis: ist Mary tatsächlich unschuldig und soll sie lediglich aus Rache angeklagt werden? - In seinem neuesten Film arbeitet Robert Redford ein fast vergessenes Stück amerikanische Geschichte auf. Und das kommt nicht von ungefähr, handelt es sich doch um ein politisch brisantes Thema, das durch die Ereignisse von 9/11 und Guantanamo aktueller denn je ist: die Verteidigung der verfassungsmäßig garantierten Freiheit jedes Einzelnen. Redford stützt sich bei seinem Film auf das intensiv recherchierte Drehbuch des Journalisten James D. Solomon, der bemüht war, die Geschehnisse nach dem Mord an Präsident Abraham Lincoln so exakt wie möglich zu schildern. Entstanden ist daraus ein spannendes Gerichts-Drama, das insbesondere durch seine guten Darsteller besticht. Robin Wright als Mary Surratt spielt ihre Rolle mit großer Zurückhaltung, James McAvoy als Junganwalt Frederik Aiken (später Herausgeber der Washington Post) agiert hitzig und sehr emotional. In einer Nebenrolle ist Kevin Kline zu sehen, der den eiskalten und berechnenden Kriegsminister Edwin Stanton mimt. Und wie immer grandios: Tom Wilkinson in der Rolle als Senator und Mentor von Frederik Aiken. Eine exquisite Ausstattung sowie die Farbgebung unterstreichen den Anspruch auf historische Korrektheit. Allerdings sei am Ende die Frage gestattet, warum nur Mary Surratt einen Verteidiger zur Seite gestellt wurde und nicht den weiteren Angeklagten. Vermutlich sollte durch die Betonung auf ein Einzelschicksal die Dramatik der Story erhöht werden. Sollte dem so sein, wäre die Operation gelungen.
Dienstag, 26. Juli 2011
Patriotisches Heldenkino
Beladen mit Vorurteilen habe ich den Kinosaal betreten und ihn am Ende dann freudestrahlend wieder verlassen.

CAPTAIN AMERICA: THE FIRST AVENGER (1:2.35, 3D, DD 5.1 und 7.1)
OT: Captain America: The First Avenger
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Joe Johnston
Darsteller: Chris Evans, Hayley Atwell, Sebastian Stan, Stanley Tucci
Kinostart: 18.08.2011

In Europa herrscht der Zweite Weltkrieg. In den USA werden Soldaten rekrutiert. Steve Rogers wäre gerne einer von ihnen. Doch er ist zu klein. Erst als ein emigrierter deutscher Wissenschaftler seine wahre Stärke, nämlich Mut und Charakter, erkennt, bekommt Steve seine Chance. Mittels eines Superserums wird in einen Supersoldaten verwandelt. Muskulös und riesengroß zieht er jetzt gegen die Nazis zu Felde. Sein erbittertster Gegner ist Johann Schmidt, der mittels übernatürlicher Kräfte selbst die Weltherrschaft übernehmen möchte...
Mit CAPTAIN AMERICA lässt Marvel seinen nächsten Comic-Helden auf die große Leinwand los. Was Superheldenblockbusterkino angeht bin ich zugegebenermaßen stets im Zweifel, ob mich so etwas noch in meinem fortgeschrittenen Alter überhaupt begeistern kann. So bin ich natürlich auch diesem Film mit sämtlichen Vorbehalten und Vorurteilen gegenübergetreten. Ich wurde eines Besseren belehrt: CAPTAIN AMERICA hat mich wunderbar unterhalten! Wenn Sie unbedingt einen Blockbuster in diesem Sommer im Kino sehen wollen, so sollte Ihre Wahl auf CAPTAIN AMERICA fallen. Aber bitte nicht den großen Eimer Popcorn vergessen! Nicht nur inhaltlich, auch visuell sucht Joe Johnstons Action-Kracher die Nähe zu INDIANA JONES. Und das gelingt ihm vorzüglich. Was die Darsteller angeht, so überzeugt insbesondere Hugo Weaving (bereits in V WIE VENDETTA unkenntlich gemacht) als böser Nazi Johann Schmidt, der im Verlaufe des Films seine Gesichtsmaske vom Kopf zieht und damit als “Red Skull” sein inneres Böses nach Außen kehrt. Dass die visuellen Effekte makellos sind, versteht sich fast von selbst. Hier gefällt besonders gut, dass es sich nicht um die üblichen überbordenden Sci-Fi-Fantasy-Effekte handelt, sondern dass sich die Effekte am Setting des Films (die vierziger Jahre) orientieren und sie sich perfekt in die nostalgische Optik integrieren. Ein Film vom Kaliber eines CAPTAIN AMERICA benötigt natürlich auch das dazu passende Sounddesign. Auch dafür gibt es Sonderpunkte. Da werden nicht nur die Surround-Lautsprecher gefordert, sondern auch das Bassfundament des Kinosaals. Also unbedingt in einem technisch ausgereiften Saal genießen! Um dem Superhelden auch die nötige Portion Patriotismus mit auf den Weg zu geben, lieferte Komponist Alan Silvestri einen pompösen Score ab, der sich vermutlich ganz bewusst an vielen Vorbildern orientiert und damit den Kern des Films genau trifft. Amerikas neues Superheldenepos schafft, was andere Genrefilme oft nicht schaffen: es unterhält. Und das trotz der Lauflänge von 124 Minuten. Aber Obacht: wie üblich haben sich die Filmemacher wieder eine Belohnung für alle Abspanngucker ausgedacht. Also sitzenbleiben.
Freitag, 22. Juli 2011
Ein Mann sieht Grün
Dass Grün nicht nur die Farbe der Hoffnung ist und leicht verdientes Geld nicht immer leicht zu verdienen ist, wurde heute anhand der letzten beiden Pressevorführungen der Woche demonstriert.

EASY MONEY (1:2.35, DD 5.1)
OT: Snabba Cash
Verleih: Senator
Land/Jahr: Schweden, Dänemark, Deutschland 2009
Regie: Daniel Espinosa
Darsteller: Joel Kinnaman, Dragomir Mrsic, Matias Padin Varela
Kinostart: 15.09.2011

Für JW, einen brillanten Studenten der Wirtschaftswissenschaften, bedeutet Geld alles. Hat man genügend davon, kann man mit Yuppies durch die angesagten Clubs von Stockholm ziehen und sich auch noch eine Freundin aus reichem Hause leisten. Doch einzig mit illegalem Taxifahren lässt sich so ein Lebensstil nicht realisieren. Um an das ganz große Geld zu kommen, lässt sich JW ziemlich blauäugig auf einen Kokaindeal seines Arbeitgebers Abdulkarim ein. Zusammen mit dem aus dem Gefängnis geflohenen und untergetauchten Jorge soll er den größten Kokainschmuggel von Deutschland nach Schweden durchziehen. Aber so einfach ist das nicht, zumal die serbische Mafia an Jorge größtes Interesse hat. Die setzt den brutalen Geldeintreiber Mrado auf seine Spur. Unmerklich rutscht JW immer tiefer in einen Schlund aus Gewalt und Koks... Den ersten Teil seines als Trilogie geplanten Thrillers eröffnet Regisseur Daniel Espinosa bereits mit einem Paukenschlag: Jorges spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis ist brillant inszeniert und gibt damit gleich den Ton an für die restlichen zwei Stunden. Mit raffiniert ineinander verschachtelten Szenenübergängen gelingt es ihm immer wieder, den Zuschauer nicht loszulassen und ihn voll für sich einzunehmen. Seine Protagonisten sind keine eindimensionalen Charaktere, sondern weisen immer zwei Seiten auf. Sie sind also nicht nur böse oder gut, sondern besitzen beide Elemente, wodurch sie sehr menschlich erscheinen. Geldeintreiber Mrado beispielsweise, der zu Beginn des Films als extrem brutale Kampfmaschine eingeführt wird, entwickelt sich im Laufe des Films auch zu einem liebevollen Vater, der sich große Sorgen um seine kleine Tochter macht. In seiner Rolle als JW erinnert der Newcomer Joel Kinnaman an den jungen Christophe Lambert. In seinen Augen ist abzulesen, dass er vollkommen naiv in eine Sache geraten ist, die ihm über den Kopf wächst und aus der es keinen Ausweg mehr gibt. Glaubhafte Charaktere, eine durchweg spannende Inszenierung, ein grandioser Showdown – das alles macht großen Appetit auf den nächsten Teil der Gangster-Saga.

GREEN LANTERN (1:2.35, 3D, DD 5.1)
OT: Green Lantern
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Martin Campbell
Darsteller: Ryan Reynolds, Blake Lively, Peter Sarsgaard
Kinostart: 28.07.2011

Grün ist die Farbe der Willenskraft. Das muss Testpilot Hal Jordan erfahren, als er zufällig von einem auf der Erde gestrandeten Außerirdischen für eine ehrenvolle Aufgabe auserwählt wird. Der nämlich gehört dem edlen Green Lantern Corps an, einer schlagkräftigen Truppe von Kriegern, die im Universum für Recht und Ordnung sorgen. Im Sterben liegend überreicht ihm der Außerirdische eine geheimnisvollen grünen Ring (mitsamt der dazugehörigen Aufladeeinheit), der dem Erdling magische Kräfte verleihen soll. Widerwillig lässt sich Hal auf die Sache ein. Als es ihm schließlich gelingt, die Magie zu aktivieren, findet er schnell Gefallen an seinen übermenschlichen Kräften, zu denen auch das Fliegen gehört. Doch der Ärger lässt nicht lange auf sich warten. Denn eine böse außerirdische Macht namens Parallax macht sich einen Wissenschaftler gefügig, um die Herrschaft über das Universum zu erlangen... Man muss schon genau hinsehen, damit man nicht versehentlich meint, man sitze in einer neuen Fortsetzung von SUPERMAN. Denn wenn der ebenso großspurige wie smarte Hal Hordan im engen Outfit durch die Lüfte fliegt, dann hat das starke Parallelen zu SUPERMAN. Nicht auch zuletzt wegen der Musik von James Newton Howard, der das bekannte SUPERMAN-Motiv von John Williams geschickt variiert. Auch wenn GREEN LANTERN zu keinem Zeitpunkt die Qualität von Richard Donners SUPERMAN erreicht, so hat er durchaus Unterhaltungspotenzial. Denn der neue Superheld nimmt sich selbst nicht ganz so ganz ernst. Wenn Hal seinem Kumpel beispielsweise seine neu erlangten magischen Kräfte demonstrieren will und anfangs immer schiefgeht, darf geschmunzelt werden. Wenn es dann plötzlich klappt und sich Hal im Bruchteil einer Sekunde vom Normalo in Green Lantern verwandelt und der Kumpel vor Schreck einen Satz auf der Couch macht, dann animiert das durchaus die Lachmuskeln. Dass die gezeigten Charaktere relativ blasse Erscheinungen sind, dürfte an der Comic-Vorlage liegen und geht in Ordnung. Viel wichtiger sind da natürlich die Schauwerte. Und davon bietet der Film reichlich. Das natürlich in Kombination mit einer entsprechende wuchtigen Tonebene. Wer sich für knappe zwei Stunden unterhalten lassen möchte ohne viel nachdenken zu müssen, für den könnte GREEN LANTERN der richtige Joint sein. Und als ob man es schon geahnt hätte: eine Fortsetzung wird während des Abspanns bereits vorbereitet.
Donnerstag, 21. Juli 2011
Wenn der Börsenspekulant mit der Putzfrau...
Zwei Komödien standen heute auf dem Programm. Die eine mit Tiefgang, die andere ohne.

MEIN STÜCK VOM KUCHEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Ma Part Du Gâteaux
Verleih: Kinowelt
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Cédric Klapisch
Darsteller: Karin Viard, Gilles Lellouche, Audrey Lamy
Kinostart: 15.09.2011

Gegensätzlicher könnten zwei Menschen nicht sein. Da ist France, alleinerziehende Mutter dreier Töchter, die eben ihren Job in einer Fabrik in Dünkirchen verloren hat und verzweifelt nach Arbeit sucht. Und dort gibt es Stephan (oder Steve), einen kaltblütigen Börsenspekulanten, der nur so in Geld schwimmt. Der Zufall will es, dass sich die beiden treffen. Rein beruflich natürlich. Denn France tritt eine Stelle als Putzfrau in Steves Pariser Nobelapartment an, um ihre Familie durchzufüttern. Als plötzlich auch noch Steves kleiner Sohn auftaucht, den seine Mutter ohne Vorwarnung im Apartment abgibt, tritt France schließlich auch noch in die Fußstapfen eines Kindermädchens – bei vorbildlicher Bezahlung versteht sich. Unweigerlich kommen sich Steve und France näher und lernen die Probleme des jeweils Anderen kennen. Als Steve France schließlich auf eine Dienstreise nach London mitnimmt, funkt es zwischen den beiden. Zu spät jedoch erfährt France, dass es Steve und dessen Geldsucht waren, denen ihr Arbeitsplatz zum Opfer gefallen ist... Wie die beiden Welten, aus denen seine Protagonisten stammen, prallen auch in Cédric Klapischs Film zwei Welten aufeinander. Sozialdrama einerseits, Komödie andererseits. Dass diese Kombination durchaus funktioniert, verdankt der Regisseur nicht zuletzt den fabelhaften Schauspielern. Karin Viard als Mutter, die jeden Cent umdrehen muss, um zu überleben und Gilles Lellouche als der im Luxus schwimmende Finanzjongleur, für den sein kleiner Sohn nur eine große Last darstellt – beide spielen ihre Rollen sehr überzeugend. Wenn es France im Verlaufe der Geschichte tatsächlich gelingt, bei Steve Interesse an seinem Sohn zu erwecken, darf man als Zuschauer ein bisschen Hoffnung schöpfen. Doch Klapisch hat ein fast tragisches, jedoch offenes Ende für seinen Film vorgesehen. Alles andere hätte auch mehr mit PRETTY WOMAN als mit der Realität zu tun.

WHAT A MAN (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Fox
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Matthias Schweighöfer
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Sibel Kekilli, Elyas M'Barek
Kinostart: 25.08.2011

Was für ein Mann! Oder eher nicht. Denn Alex ist leider alles andere als man gemeinhin unter einem “richtigen” Mann versteht. Schon seit Jahren steht er unter der Fuchtel seiner Freundin Carolin. Die ist nicht nur blond und sieht umwerfend aus, sondern legt auch noch das dazu passende zickige Gehabe an den Tag. Doch Alex, von Beruf Lehrer, kann dem nie Einhalt gebieten – er weiß einfach gar nicht wie das geht. Als er eines Tages durch Zufall erfährt, dass sich Carolin schon eine ganze Zeit lang mit dem muskulösen Fotografen aus dem oberen Stockwerk hinter seinem Rücken amüsiert, bricht für den Gutgläubigen eine Welt zusammen. Nele, Alex‘ beste Freundin aus Kindertagen, nimmt ihn bei sich auf. Während sein Kumpel Okke versucht, Alex etwas mehr Macho beizubringen, geschieht etwas Unerwartetes: Nele und Alex verlieben sich ineinander. Doch dürfen das beste Freunde überhaupt? Matthias Schweighöfer, einer der gefragtesten deutschen Schauspieler der “Next Generation”, hat in WHAT A MAN nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern schrieb auch das Drehbuch und führte selber Regie. Ganz so, als wandele er auf den Spuren von Til Schweiger. Letzteren hätte man sich auch sehr gut als den Loser Alex vorstellen können. Aber Matthias Schweighöfer gibt einen ganz passablen Weichling ab, der zum Hengst werden möchte. Zur Seite steht ihm dabei Kollegin Sibel Kekilli, die hier einmal in keiner ernsten Rolle zu sehen ist, sondern Alex‘ Jugendfreundin Nele mimt. Und sie macht das wirklich gut. Was das Drehbuch angeht, so bringt WHAT A MAN nur wieder eine Variation zu einem altbekannten Thema auf die Leinwand. Ein Thema, dessen Ende man auch ohne langjährige Kinoerfahrung bereits früh erahnen kann. Doch es geht hier vordergründig natürlich um den Spaß, den diese Komödie ihrem Publikum bescheren möchte. Ganz zu schweigen von einem Funken Romantik, der den Film als “Date-Movie” qualifiziert. Keine große Sache also, aber eine, die nicht sonderlich weh tut. Nachteilig wirkt sich allerdings die schlechte Dialogverständlichkeit aus, die von falschen Tonpegeln zeugt.
Mittwoch, 20. Juli 2011
Der Tag der Verwechslungsgeschichten
Heute gab es mal wieder zwei Filme zu begutachten. Und in beiden ging es im Kern um eine folgenschwere Verwechslung.

MEIN BESTER FEIND (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Österreich, Luxemburg 2011
Regie: Wolfgang Murnberger
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Georg Friedrich, Ursula Strauss
Kinostart: 01.09.2011

Sie sind die dicksten Freunde seit ihrer Jugend: Victor, der Sohn einer wohlhabenden jüdischen Galeristen-Familie in Wien, und Rudi, Sohn der Putzfrau der Familie. Nach langer Trennung treffen sich die beiden 1937 wieder in der österreichischen Hauptstadt, die schon bald zu Nazi-Deutschland gehören wird. Doch Rudi ist inzwischen überzeugter Nazi geworden und hat sich der SS angeschlossen. Richtig schlimm wird es für die jüdische Familie, als sich eine bislang unbekannte Zeichnung von Michelangelo in deren Besitz befindet. So wird veranlasst, dass man die Zeichnung bei den Juden beschlagnahmt. Rudi ist verantwortlich dafür, dass die Familie im KZ landet. 1943 soll die Zeichnung anlässlich eines Treffens von Hitler mit dem italienischen Führer, dem “Duce”, eben jenem überreicht werden. Doch die Zeichnung entpuppt sich als Fälschung. Um einen politischen Skandal zu verhindern, wird Rudi damit beauftragt, das Original zu finden. Er holt Victor aus dem KZ und zwingt ihn, ihm zu helfen. Doch auf dem Rückflug wird die Maschine beschossen und nur Victor und Rudi überleben. Als sich eine Chance ergibt, packt Victor diese beim Schopf: er schlüpft in Rudis SS-Uniform und gibt Rudi als den gesuchten Juden aus... Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man Wolfgang Murnbergers Film glatt als rabenschwarze Komödie durchgehen lassen. Doch Darsteller und Machart des Films lassen eine Komödie nur ansatzweise erkennen. Murnberger hat hier viel eher eine Art “Mission Impossible” während des Zweiten Weltkriegs in Szene gesetzt. Und das ist ihm auch ganz gut gelungen. Es gibt zwar ein paar Ungereimtheiten bei diesem Verwirrspiel, die Raum und Zeit etwas verzerrt erscheinen lassen, aber die sind angesichts des gelungenen Spannungsaufbaus verschmerzbar. Bis auf die Besetzung des Victor durch Moritz Bleibtreu passen die Schauspieler gut in ihre Rollen (insbesondere Georg Friedrich überzeugt als schleimiger SS-Mann Rudi). Dem Bleibtreu nimmt man den Juden, dem offensichtlich der jahrelange KZ-Aufenthalt gar nichts ausgemacht hat, einfach nicht ab.

PLÖTZLICH STAR (1:1.85, DD 5.1)
OT: Monte Carlo
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Thomas Bezucha
Darsteller: Selena Gomez, Leighton Meester, Katie Cassidy
Kinostart: 04.08.2011

Nach bestandenem Highschool-Abschluss fliegt die junge Grace zusammen mit ihrer besten Freundin Emma und ihrer ungeliebten Stiefschwester Meg nach Paris. Als die drei aus Versehen von ihrer Reisegruppe vor Ort in Paris vergessen werden, landen sie in einem anderen Hotel. Dort wird Grace mit der verzogenen High Society Göre Cordelia verwechselt. Bald schon landen die drei Mädchen mitsamt dem üppigen Gepäck von Cordelia im nobelsten Hotel von Monte Carlo. Die Schuldgefühle, die sie anfangs haben, sind angesichts des überbordenden Luxus schnell vergessen und die drei spielen ihr Doppelleben. Alsbald klopft für alle drei die Liebe an die Tür... Hach, wie romantisch! Wenn man weiblich und zwischen 8 und 12 Jahre alt ist, dann wird man vermutlich diese sehr vorhersehbare und in Klischees verfallende Verwechslungskomödie möglicherweise heiss und innig mögen. Denn welches Mädchen in dem Alter möchte nicht auch einmal vor exotischer Kulisse ihren Traumprinzen treffen? Wenn man sich allerdings bereits im Alter der Ernüchterung befindet, so wird man Thomas Bezuchas Märchen sofort als solches entlarven und den Fortgang der Geschichte von Anfang an durchschauen. Gehört man zu letzterer Gruppe von Filmkonsumenten, wird man sich wahrscheinlich einzig und allein an dem Ausschnitt aus Hitchcock’s ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA erfreuen, den die Mädchen im Hotelzimmer im Fernsehen anschauen – in französischer Sprache natürlich.
Dienstag, 19. Juli 2011
Der abgehalfterte Fernsehproduzent
Ein ganz wichtiges Element fehlte dem Film der heutigen Pressevorführung: er hat nicht unterhalten...

TOURNÉE (1:1.85, DD 5.1)
OT: Tournée
Verleih: farbfilm (24 Bilder)
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland 2010
Regie: Mathieu Amalric
Darsteller: Mathieu Amalric, Anne Benoît, Julie Ferrier
Kinostart: 08.09.2011

Einst war Joachim Zand ein gefeierter TV-Produzent in Frankreich. Doch eine Menge Ärger, dazu haushohe Schulden und Feindschaften an jeder Ecke sorgten dafür, dass er Frau und Kinder verließ und sich in die USA absetzte. Jahre später schöpft er als Produzent für eine amerikanische New Burlesque Show wieder Hoffnung und tourt mit der weiblichen Truppe durch die Hafenstädte Frankreichs. Doch das von ihm so sehr herbeigesehnte große Comeback in seinem Heimatland gestaltet sich sehr schwierig. Der fulminante Tourabschluss in Paris ist gefährdet... Was Frankreichs Top-Schauspieler Mathieu Amalric als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion hier auf die Leinwand bringt, erinnert frappierend an gängige Doku-Soap-Formate aus dem Fernsehen. Seine Darsteller sind mehrheitlich waschechte New Burlesque Tänzerinnen, also keine professionellen Darstellerinnen. Das Drehbuch – sofern man es so nenne mag – scheint auch kein richtiges Ziel zu verfolgen oder eine Dramaturgie aufbauen zu wollen. Vielmehr werden wahllos Szenen aneinandergereiht, die Joachim hinter der Bühne zeigen, bei Saufgelagen mit der Truppe in Hotelbars, am Krankenbett seiner früheren Geliebten, mit seinen Kindern in einem Fast Food Restaurant usw. Dazwischen gibt es immer wieder Ausschnitte aus der Burlesque-Show, mit der die Tänzerinnen ihre Botschaft, dass jeder Körper eine eigene Schönheit hat, egal wie alt oder nonkonformistisch er auch sein mag. Was auch immer Amalric mit seinem Film bezwecken wollte – er versprüht jede Menge Langeweile und wird vermutlich die Mehrheit der Zuschauer mit fragenden Blicken nach Hause schicken.
Montag, 18. Juli 2011
Ein bisschen Frieden...vielleicht
Eine fesselnde und sehr bewegende Dokumentation eröffnete den aktuellen Presse-Reigen.

NACH DER STILLE (1:1.85, DD 5.1)
OT: After The Silence
Verleih: Bukera (BeMovie)
Land/Jahr: Deutschland, Palästina 2011
Regie: Stephanie Bürger, Jule Ott
Kinostart: 22.09.2011

2002 stirbt der Mann von Yael im Alter von 67 Jahren bei einem Selbstmordattentat in Haifa. Dov Chernobroda war Architekt und ein überzeugter Pazifist, der sich sein ganzes Leben lang um eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt hat. Der Attentäter war gerade einmal 24 Jahre alt. Shadi, so sein Name, war Palästinenser. Weder seine Eltern noch seine Geschwister ahnten von seinen mörderischen Plänen. Acht Jahre danach macht sich die Witwe Yael auf den Weg nach Jenin, um Shadis Familie kennenzulernen. Im Vorfeld bereits kontaktiert sie die beiden Filmemacherinnen Stephanie Bürger und Jule Ott, die für sie die Geschichte ihres Mannes Dov und der bevorstehenden Annäherung der beiden Familien zu dokumentieren. Entstanden ist dabei ein ebenso bewegender wie spannender Dokumentarfilm über die Konflikte zwischen den beiden Volksgruppen, die sich seit Jahrzehnten bekriegen. Wie wird Shadis Vater den Besuch von Yael aufnehmen, wie seine Mutter? Die Regisseurinnen begleiten jeden der Protagonisten einzeln und lassen sich deren Gedanken vor laufender Kamera erzählen. Shadis Brüder kommen dabei ebenso zu Wort wie enge Vertraute des Attentäters. Sogar eine Überlebende des Anschlags berichtet über den schrecklichen Vorfall, der exemplarisch für Hunderte solcher Ereignisse steht. Yael will die Friedensarbeit ihres Mannes in seinem Geiste fortsetzen und hofft, dass eine Annäherung zwischen den Familien des Täters und des Opfers ein erster Schritt in die richtige Richtung darstellt. Wird es gelingen? NACH DER STILLE reiht sich nahtlos in die Reihe von Filmen wie DAS HERZ VON JENIN oder WALTZ WITH BASHIR ein und macht Hoffnung.
Freitag, 15. Juli 2011
Ein amerikanisches Trauma
Amerika, das Land der Doppelmoral, dürfte genauso viele Traumata haben wie Einwohner. Eines dieser Traumata war Thema der heutigen Pressevorführung: das Heiraten!

BRAUTALARM (1:2.35, DD 5.1)
OT: Bridesmaids
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Paul Feig
Darsteller: Kristen Wiig, Maya Rudolph, Rose Byrne
Kinostart: 21.07.2011

Als sie von ihrer besten Freundin Lillian zur obersten Brautjungfer auserkoren wird, ist die desillusionierte Annie ganz aus dem Häuschen. Endlich ein Lichtblick im Leben ihrer ansonsten gescheiterten Existenz. Nicht nur hat sie ihre über alles geliebte Bäckerei verloren, sondern darüber hinaus auch ihren Freund. Weil sie sich nichts anderes mehr leisten kann, wohnt sie in einer WG und ihr neuer Lover ist nur an ihrem Körper interessiert. Doch Hauptbrautjungfer zu sein ist nicht leicht. Schon gar nicht, wenn sich einem die aus reichem Hause stammende Helen, ebenfalls Brautjungfer, in den Weg stellt. Zwischen Annie und Helen kommt es zum Zickenkrieg – jede will die andere übertrumpfen. Und so kommt es wie es kommen muss: Annie überwirft sich mit der Braut. Das Chaos ist perfekt... Dass es sich hier um einen amerikanischen Film handelt, wird sofort bei der ersten Einstellung klar. Denn wenn die liebe Annie mit ihrem Partner heissen Sex im Schlafzimmer hat, dann natürlich nur ganz züchtig mit BH bekleidet. Alles andere freilich in diesem Film ist nicht züchtig. Das fängt bei Vulgärsprache an und endet auf dem Damenklo des noblen Brautmodengeschäfts, auf dem sich die Brautjungfernschar des zuvor eingeworfenen mexikanischen Essens über jede zur Verfügung stehende Körperöffnung entledigt. Witzig ist das keinesfalls, allenfalls ekelhaft und oberpeinlich. Doch derartige Entgleisungen kann man dem Film noch großzügig verzeihen, nicht aber die fast unerträgliche Langeweile, mit der er sein Publikum 124 Minuten lang quält. Hier wird sehr schnell offensichtlich, dass der Regisseur und seine Drehbuchautorinnen nicht das geringste Gespür für Timing haben. Da wird jeder noch so kleine Gag derart in die Länge gezogen, dass man sich automatisch fragt, ob die Filmemacher eventuell aus Versehen die “Deleted Scenes” mit in ihr Produkt integriert haben. Wenn sich Annie mit Zicke Helen ein Ansprachenduell liefert, dann hätte es durchaus genügt, diesen Gag zweimal zu wiederholen und nicht – so wie hier – bis zum Abwinken ausufern zu lassen. Es ist bezeichnend dass es in der weiblichen Antwort auf einen Film wie HANGOVER ausgerechnet einer der männlichen Darsteller ist, der nicht aus dem Ruder läuft. Chris O’Dowd in der Rolle des Officer Rhodes, in dessen Armen Annie am Ende schließlich die Liebe findet, überzeugt als Einziger in dem ansonsten vollkommen durchgedrehten und geschwätzigen Ensemble.
Donnerstag, 14. Juli 2011
Willkommen zurück in den Achtzigern
Mit einer netten Hommage an die Kultfilme aus meiner Sturm- und Drangzeit durfte ich den Donnerstagmorgen verbringen.

SUPER 8 (1:2.35, DD 5.1 und 7.1)
OT: Super 8
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: J.J. Abrams
Darsteller: Kyle Chandler, Elle Fanning, Joel Courtney
Kinostart: 04.08.2011

Nach dem Tod seiner Mutter lebt der 13jährige Joe bei seinem Vater, einem Polizisten. In den Sommerferien des Jahres 1979 hilft er seinem Kumpel Charles, dessen Zombiefilm in Super 8 zu realisieren. Als er erfährt, dass Charles die hübsche Alice dazu überreden konnte, im Film mitzuspielen, schwebt er im siebten Himmel. Denn Joe hat sich heimlich in das Mädchen verliebt, deren Vater von seinem eigenen Schuld am Tod der Mutter gegeben wird. Als die kleine Filmcrew bei einem Nachtdreh Zeuge eines spektakulären Eisenbahnunfalls wird (den Charles natürlich gleich gewinnbringend in seinen Film integriert), geraten die Jugendlichen in große Gefahr. Das plötzlich in der Kleinstadt auftauchende Militär hat größtes Interesse an dem Unfall und scheint Informationen zu verschweigen. Darüber hinaus ereignen sich in der Stadt seltsame Dinge. Was hatte der Güterzug geladen? Joe und seine Kumpels wollen dem Geheimnis auf die Spur kommen... Willkommen zurück in den 80er Jahren! Wer Filme wie UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART, E.T. – DER AUSSERIRDISCHE oder DIE GOONIES kennt, der wird sich in J.J. Abrams Liebeserklärung an jene Zeit vollkommen heimisch fühlen. Da gab es noch keine Handys, nur Festnetztelefone und Funkgeräte und der Walkman war brandneu auf dem Markt. Und Super 8 war das angesagte Medium bei den Amateurfilmern. Mit viel Liebe zum Detail schildert Abrams die Dreharbeiten der Jugendbande (und verarbeitet dabei möglicherweise eigene Erfahrungen?), deren Horrorschocker “The Case” während des Abspanns in voller Länge zu sehen ist. Doch bis es soweit ist gilt es noch viele Abenteuer zu bestehen. Mit seinem Tempo, seinem Musikeinsatz, den hervorragenden visuellen Effekten und der gelungenen Tonebene sowie den wunderbaren Kinderdarstellern unterhält SUPER 8 in der ersten Hälfte vortrefflich. In der zweiten Hälfte jedoch gelingt es dem Film leider nicht mehr, die Spannung zu halten. Er wird ab da einfach zu vorhersehbar und ergeht sich in altbekannten Klischees statt diesen frischen Wind zu verleihen. Nichtsdestotrotz macht SUPER 8 insgesamt einen guten Eindruck und sollte unbedingt in einem technisch gut ausgestatteten Kino konsumiert werden.
Mittwoch, 13. Juli 2011
Romantische Zeitreise
Mit seiner 42. Regiearbeit lockte mich Woody Allen heute ins Kino...

MIDNIGHT IN PARIS (1:1.85, DD Mono)
OT: Midnight In Paris
Verleih: Concorde
Land/Jahr: Spanien, USA 2011
Regie: Woody Allen
Darsteller: Owen Wilson, Rachel McAdams, Marion Cotillard
Kinostart: 18.08.2011

Gil, ein erfolgreicher Drehbuchautor aus Hollywood, möchte sich als ernsthafter Autor versuchen und packt die Chance, gemeinsam mit seiner Verlobten eine Zeit in Paris zu verbringen, beim Schopfe. Für ihn sind die “Wilden Zwanziger” in Paris jene Jahre, in denen er selbst gerne in der Stadt der Liebe gelebt hätte. Seine literarischen Ambitionen jedoch stoßen bei seiner Verlobten auf wenig Gegenliebe. Die vergnügt sich viel lieber mit ihrem pedantischen Ex-Professor in Museen und Tanzpalästen. So zieht es Gil alleine des Nachts hinaus in die Seine-Metropole, wo er sich künstlerische Inspiration erhofft. Punkt Mitternacht erscheint ihm diese auch – in Form einer alten Limousine, die ihn an einen magischen Ort zurück in der Zeit bringt. Schon bald begegnet er seinen heimlichen Helden: F. Scott Fitzgerald, Gertrude Stein, Cole Porter. Auch Hemingway, Dali und Picasso dürfen dabei nicht fehlen. Und er begegnet der wunderschönen Adriana... Der wunderbar fotografierte und mit nostalgischer Musik unterlegte Prolog zu Woody Allens 42. Film macht es von Anfang an deutlich: dies ist seine persönliche Liebeserklärung an Paris. Mit viel Witz und Charme entwickelt Allen ein modernes Märchen in einer der romantischsten Städte der Welt. Owen Wilson brilliert in der Rolle als Autor in der Krise, der auf der Suche nach seiner Muse mit allen seinen Vorbildern konfrontiert wird und ganz beiläufig Luis Bunuel die Grundidee für einen seiner Filme liefert. Wilson spielt seine Rolle so gut, dass man ihn fast schon als das Alter Ego von Woody Allen bezeichnen könnte. Aber auch die anderen Darsteller sind handverlesen. Ob Marion Cotillard als charismatische Adriana, Adrian Brody als Salvador Dali oder Lea Seydoux als die typische junge Französin – sie alle erwecken Allens wunderschönes und witziges Märchen zum Leben. Gut gemacht, Woody!
Dienstag, 12 Juli 2011
Zwei in einem Boot
Sieht von außen aus wie ein Fernsehfilm, wirkt aber wie gefühlsstarkes Kino: von der heutigen Pressevorführung ist die Rede.

WESTWIND (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Zorro
Land/Jahr: Deutschland, Ungarn 2011
Regie: Robert Thalheim
Darsteller: Friederike Becht, Luise Heyer, Franz Dinda
Kinostart: 25.08.2011

Im Sommer des Jahres 1988 dürfen die beiden 17jährigen Zwillingsschwestern Doreen und Isa als Belohnung für ihre guten sportlichen Leistungen von der DDR nach Ungarn reisen. Dort sollen sie sich unter Aufsicht ihres Trainers in einem Pionierlager auf die kommende Rudermeisterschaft vorbereiten. Auf dem Weg dorthin treffen die beiden unzertrennlichen Schwestern auf Arne und Nico, zwei Westdeutsche, die mit ihrem VW-Käfer Urlaub in Ungarn machen. Schon bald verliebt sich Doreen unsterblich in Arne. Als er ihr vorschlägt, ihr und ihrer Schwester bei der Republikflucht behilflich zu sein, stehen Doreen und Isa vor der größten Entscheidung ihres Lebens... Der nach einer wahren Begebenheit inszenierte Film hat keine politischen Ambitionen, auch wenn er zu Zeiten des DDR-Regimes spielt, dem sich die Protagonistinnen unterordnen müssen. In erster Linie geht es um die Beziehung der beiden Schwestern, deren symbiotische Beziehung durch die Begegnung mit den Westdeutschen erstmals auf eine harte Probe gestellt wird und sie die Grenzen spüren lässt, in denen sich ihr Leben bewegt. Bisher von allen immer nur als eine Einheit wahrgenommen, muss jede der Schwestern plötzlich für sich selbst entscheiden. Dass die Gewissenskonflikte, die die beiden austragen müssen, auch beim Zuschauer authentisch ankommen, dafür sorgen die beiden Jungdarstellerinnen Friedrike Becht und Luise Heyer. Sie spielen die zweieiigen Zwillinge absolut überzeugend. Deren unverbrauchte Schauspielkunst in Verbindung mit der wunderbaren Filmmusik von Christian Conrad machen aus WESTWIND einen sehr emotionalen Film, der unter die Haut geht. Bravo!
Montag, 11. Juli 2011
Ausgezaubert
Unglaublich – bereits seit einem Jahrzehnt begleitet uns nun ein kleiner Zauberlehrling durch den Filmalltag. Heute nun gab er seine letzte Vorstellung.

HARRY POTTER UND DIE HEILIGTÜMER DES TODES TEIL 2 (1:2.35, 3D, DD 5.1)
OT: Harry Potter And The Deathly Hallows: Part II
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA, Großbritannien 2011
Regie: David Yates
Darsteller: Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint
Kinostart: 14.07.2011

Harry Potter und seine tapferen Zaubergefährten erheben sich ein letztes Mal, um dem ultrabösen Lord Voldemort den Garaus zu machen. Es gilt die noch fehlenden Horkruxe aufzuspüren und zu zerstören, um so den bösen Zauberer verwundbar zu machen. Doch die Suche nach ihnen ist nicht einfach, zumal niemand weiß, wie sie aussehen. Eine Spur führt zurück nach Hogwarts... Endlich ist er da: der lang erwartete und finale Teil der “Harry Potter”-Saga. Und ganz entgegen der großen Bedenken angesichts des missglückten ersten Teils der “Heiligtümer des Todes” gelingt es den Filmemachern dieses Mal ein rasantes und sehr unterhaltsames Fantasy-Spektakel daraus zu zaubern. Allerdings sei vorgewarnt wer nicht alle “Harry Potter”-Filme gesehen und diese zudem noch frisch im Gedächtnis hat. Denn ohne entsprechende Vorkenntnisse kann man der Handlung nicht folgen. Allerdings ist wohl kaum davon auszugehen, dass sich jemand ohne Vorkenntnisse ausgerechnet in den letzten Teil der Serie verirrt. Technisch gesehen beeindruckt das Werk freilich nicht mehr so wie die ersten drei Teile der Saga. Man hat sich einfach schon an die Perfektion der visuellen Effekte gewöhnt. Neu ist dieses Mal die dritte Dimension, die uns schon bei Teil 7.1 versprochen wurde. Allerdings hätte man auf diese Dimension durchaus verzichten können – sie bringt die Dramaturgie keinesfalls weiter. Wer wissen will, wie das Ganze endet, kommt jedoch um den Besuch des Films nicht herum. Belohnt wird man mit einem einfallsreichen und actionüberzogenen Spektakel sowie dem ersten richtigen Kuss zwischen Ron und Hermine. Und keine Bange: am Ende des Films wird die “Next Generation” bereits vorbereitet.
Freitag, 08. Juli 2011
Familienidylle
Das Wochenende naht...doch zuvor galt es noch einen österreichischen Film zu ertragen...

DIE VATERLOSEN (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: ThimFilm (24 Bilder)
Land/Jahr: Österreich 2011
Regie: Marie Kreutzer
Darsteller: Andreas Kiendl, Andrea Wenzl, Emily Cox
Kinostart: 04.08.2011

Nach dem Tod des Vaters treffen sich dessen Kinder mitsamt ihren LebenspartnerInnen im elterlichen Haus, einem riesigen Gebäude in ländlicher Idylle in Österreich. Es ist dasselbe Haus, in dem die Kinder in den achtziger Jahren als Mitglieder einer Kommune aufgewachsen sind, deren Oberhaupt ihr Vater war. Zu aller Überraschung taucht auch Kyra auf, die uneheliche Tochter des Vaters, von der kaum jemand gewusst hat. Für die jungen Erwachsenen wird der Aufenthalt bis zur Beerdigung eine Reise in die Vergangenheit. Mizzy, jüngste Tochter des Vaters, ist die treibende Kraft um alte Familiengeheimnisse aufzudecken. Sie möchte wissen, warum Kyra und deren Mutter seinerzeit vom Vater aus der Kommune vertrieben wurden. Viele Wunden werden aufgebrochen... “Familie ist nicht nur das, was rechtlich und biologisch behauptet wird, sondern was wir daraus machen!” – so Regisseurin Marie Kreutzer über ihren Debütfilm, der auf der Berlinale uraufgeführt wurde. Die Suche nach der eigenen Identität, nach den eigenen Wurzeln, wurde ganz sicher in anderen Filmen bereits besser und eindringlicher geschildert. In Marie Kreutzers Film jedoch gehen einem die Charaktere schon nach kurzer Zeit auf die Nerven. Der Film wurde offensichtlich ohne Blick auf das Publikum inszeniert. Was nützen da all die schönen auf CinemaScope gestreckten Aufnahmen, wenn man sich hinterher mit keiner der Figuren identifizieren möchte?
Donnerstag, 07. Juli 2011
Zwei Mädchen machen Rabatz
Dass der Spruch “Nicht jeder Film kann ein Meisterwerk sein” zutrifft, wurde uns heute einmal mehr bewiesen.

LOLLIPOP MONSTER (1:1.85, 5.1)
Verleih: Salzgeber
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Ziska Riemann
Darsteller: Jella Haase, Sarah Horváth, Nicolette Krebitz
Kinostart: 25.08.2011

Ihre beiden Elternhäuser sind für sie kein Zuckerschlecken. Oona und Ari, wie Mädchen, die zur selben Schule gehen, sich aber bislang nicht kennen, ertragen den elenden Zustand namens Familie nicht mehr länger. Weil Oonas Mutter ihren Vater mit seinem Bruder Lukas betrügt, begeht der Vater – ein erfolgloser Künstler – Selbstmord. Schon bald darauf zieht Lukas zuhause ein. In Bildern hält Oona ihre Gewaltphantasien fest und ritzt sich. In Aris Familie herrscht das blanke Chaos. Der kleine Bruder terrorisiert die Eltern mit simulierten Krankheitsattacken. Doch die Eltern versuchen dennoch verkrampft, die Normalität aufrecht zu erhalten. Derweil entdeckt Ari ihre Sexualität, die sie mit älteren Männern auslebt. Eines Tages nähern sich Ari und Oona einander an, entdecken ihre gemeinsame Leidenschaft für die Rockband “Tier” und werden zu Freundinnen und Komplizinnen. Als sich Ari jedoch unwissend Lukas zum Sexpartner macht, droht die Freundschaft zu zerbrechen. Mit einem Wirrwarr aus verschiedenen Stilen, zu denen neben Live-Action-Film auch Animationssequenzen sowie Video-Clip-Ästhetik gehören, beweist Regisseurin Ziska Riemann, dass sie offensichtlich zur MTV-Generation gehört. Gegen einen Stilmix im Generellen ist nichts einzuwenden, doch im speziellen Fall könnte das den geneigten Zuschauer hier etwas überfordern. Nicht nur dadurch, sondern auch durch die teilweise etwas abstrusen Handlungsweisen der Protagonisten erhält der Film einen surrealen Einschlag, der durch den hypnotisch wirkenden Sprechgesang der imaginären Gruppe “Tier” verstärkt wird. Ein insgesamt unbefriedigender Film, der besser beim “kleinen Fernsehspiel” aufgehoben ist denn im großen Kinosaal.
Mittwoch, 06. Juli 2011
Kulinarisches und Melancholisches
Wie immer so auch heute wieder ein gemischtes Programm. Speziell der erste Film war dabei extrem appetitanregend!

TOAST (1:2.35, DD 5.1)
OT: Toast
Verleih: MFA (24 Bilder)
Land/Jahr: Großbritannien 2010
Regie: S.J. Clarkson
Darsteller: Helena Bonham Carter, Freddie Highmore, Oscar Kennedy, Ken Stott
Kinostart: 11.08.2011

TOAST erzählt die an wahren Ereignissen angelehnte Jugend des Spitzenkochs und Restaurantkritiker Nigel Slater, der es in seiner Heimat England zu großem Ruhm gebracht hat. In einfachsten Verhältnissen in den sechziger Jahren aufwachsend, wünscht sich der kleine Nigel nichts so sehr wie ein gut gekochtes Essen. Doch um die Kochkünste seiner Mutter ist es alles andere als gut bestellt. So gibt es außer Toast und Konserven nichts, was irgendwie gut schmeckt. Als die Mutter stirbt, nimmt sich Putzfrau Mrs. Potter des Haushalts an. Sehr zum Leidwesen von Nigel, der zwar deren Kochkünste zu schätzen weiß, sie aber nicht als Stiefmutter haben möchte. Doch die Liebe geht nun einmal durch den Magen und so ist es schon bald um Nigels Vater geschehen: die beiden heiraten. Als Teenager sieht Nigel nur noch eine Chance, seine Stiefmutter loszuwerden: er muss besser kochen als sie...Wenn man nicht nur typisch britische Idylle mag, sondern sich darüber hinaus auch noch für das Kochen begeistert, dann hat dieser Film bereits gewonnen. Auch wenn die landläufige Meinung über die englische Küche nicht sonderlich gut ist, so wird man den vielen Zitronen-Baiser-Kuchen, die Kameramann Balazs Bolygo in seinen CinemaScope-Bildern einfängt, nicht widerstehen können. Aber auch alle anderen kulinarischen Genüsse, die teilweise in flott montierten Sequenzen über die Leinwand huschen, wirken sehr appetitanregend. Das äußerst stimmige Set-Design, die nostalgisch geprägten Farben und die phantastischen Schauspieler (insbesondere Ken Stott in der Rolle des Vaters sei hier erwähnt!) runden ein weitgehend perfektes Menü ab.

WIN WIN (1:1.85, DD 5.1)
OT: Win Win
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Thomas McCarthy
Darsteller: Paul Giamatti, Amy Ryan, Bobby Cannavale
Kinostart: 21.07.2011

Mike Flaherty tut alles, um seiner kleinen Familie ein möglichst unbeschwertes Leben zu ermöglichen. Doch seine Anwaltskanzlei, in der er sich hauptsächlich um die Belange von Senioren kümmert, läuft alles andere als gut. Ein Fakt, das er gegenüber der Familie verheimlicht. Eines Tages bietet sich dem integeren Mike eine unverhoffte Chance: er übernimmt die Betreuung seines an Demenz leidenden Klienten Leo. Der nämlich hat jede Menge Geld übrig für eine intensive Betreuung. Doch Mike befördert den Alten gleich ins Heim, streicht sich aber trotzdem Monat für Monat das Betreuungsgeld ein. Wie aus dem Nichts findet sich plötzlich Leos Enkel Kyle ein. Der 16jährige ist von zuhause ausgerissen, weil seine Mutter auf Drogenentzug ist. Mike nimmt Kyle bei sich auf und schon bald hat die ganze Familie den rebellischen Teenager ins Herz geschlossen. Als sich darüber hinaus auch noch herausstellt, dass Kyle ein echtes Ringer-Talent ist, geht es mit der Mannschaft, die Mike ehrenamtlich als Trainer betreut, steil aufwärts. Mike ist plötzlich auf der Gewinnerseite – im doppelten Sinn. Da taucht Kyles Mutter auf und droht alles platzen zu lassen. Geht man, wenn es hart auf hart kommt, notfalls auch über Leichen oder bleibt man seinen Prinzipien treu? In seinem Film geht Regisseur Thomas McCarthy genau diesem Thema nach. Der hochanständige Mike, dessen Leben nicht so läuft, wie er es gerne gehabt hätte, ergreift in einem schwachen Moment eine nicht legale Chance, die er unter anderen Umständen nie ergriffen hätte. Doch wird er auch dazu stehen und um Vergebung bitten, wenn er mit illegalen Geschäften konfrontiert wird? McCarthys Ideen werden durch eine starke Schauspielertruppe in die Realität umgesetzt. Allen voran Paul Giamatti in der Rolle des Mike, den man einfach mögen muss. Newcomer Alex Shaffer macht als Leos Neffe nicht nur im Ring eine gute Figur, sondern überzeugt auch als auflehnender Jungspund. Und auch Burt Young brilliert in seiner Nebenrolle als Demenzpatient Leo. Ein stiller, ruhiger und sehr menschlicher Film.
Dienstag, 05. Juli 2011
Bhagwan und die Autos
Heute gab es mal wieder zwei Filme zu beäugen, von denen mich leider keiner richtig überzeugen konnte.

SOMMER IN ORANGE (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Majestic (Fox)
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Darsteller: Petra Schmidt-Schaller, Amber Bongard, Bela Baumann
Kinostart: 18.08.2011

1980 ist die Farbe Orange angesagt. Natürlich nicht für alle – nur für die überzeugten Anhänger des Gurus Bhagwan. Die junge Lili mitsamt ihrer Mutter Amrita und Brüderchen Fabia gehören zu den Orangeträgern. Als einer der Mitglieder ihrer Kommune einen Bauernhof im bayerischen Talbichl erbt, zieht die flippige Gemeinschaft von Berlin aufs Land. Ihr Plan: Aufbau eines Therapiezentrums im Geiste ihres Gurus. Doch die ländliche Idylle hat nicht viel übrig für solch eine Kommune, die sie schnell als Satanisten abtun. Ihre Mitschüler machen Lili das Schulleben nicht einfach und stempeln sie zur Außenseiterin ab. Insgeheim aber möchte Lili zur Dorfbevölkerung dazugehören. Heimlich meldet sie sich und ihren kleinen Bruder bei einem der Ortsvereine an. Als ihre Mutter davon erfährt und sich zudem noch ein enger Vertrauter des Bhagwan ankündigt, überschlagen sich die Ereignisse... Seit dem großen Erfolg von WER FRÜHER STIRBT IST LÄNGER TOD zieht es Filmemacher Marcus H. Rosenmüller immer wieder in seine bayerische Heimat. Die Eigenheiten der Landbewohner haben es ihm angetan. Und das ist es auch, was er am besten auf die Leinwand bringen kann. Ob der strenge Bürgermeister des Ortes oder die extrem neugierige Nachbarin (die übrigens gegen Ende des Films alle Lacher auf ihre Seite zieht!) – sie alle wirken so echt, dass man stets über sie schmunzeln kann. Allerdings gibt es im Kontrast dazu weite Passagen im Film, die ganz und gar nicht lustig wirken, auch wenn von den Filmemachern so beabsichtigt. Die Unausgewogenheit zwischen Culture Clash Komödie und echtem Drama lassen den Film mit seiner mäßigen Lauflänge von 110 Minuten als sehr viel länger erscheinen als er tatsächlich ist. Kein gutes Omen für einen Film, der unterhalten will. Die Besetzung indes ist gut gewählt und lässt die freie Liebe, wie sie in der Kommune praktiziert wird, als absurd erscheinen. Was die Freizügigkeit angeht, so hätte der Film in den USA sicherlich große Probleme mit der Zensur. Überzeugend auch die Kameraarbeit von Stefan Biebl, der mit ein paar ungewöhnlichen Perspektiven die ganze Breite der CinemaScope-Leinwand auszufüllen versteht. Etwas kürzer und weniger ernst hätte das eine richtig gute Komödie werden können.

CARS 2 (1:2.35, 3D, DD 5.1 und Dolby Surround 7.1)
OT: Cars 2
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2011
Regie: John Lasseter, Brad Lewis
Kinostart: 28.07.2011

Lightning McQueen und sein etwas tolpatschiger, aber sehr liebenswerter Kumpel Hook sind wieder zurück auf der Leinwand. Fünf Jahre nach CARS brechen die beiden Autos jetzt in CARS 2 zu neuen Abenteuern auf. Dieses Mal gilt es, den ersten World Grand Prix der Welt zu gewinnen. Paris, Rom und London sind die Austragungsorte des Rennens, bei dem McQueen gegen seinen Erzrivalen Francesco Bernoulli antreten muss. Doch das Rennen wird überschattet von kriminellen Machenschaften, deren Urheber es dingfest zu machen gilt. Mithilfe zweier Geheimagenten soll ausgerechnet Hook dem Bösen auf die Schliche kommen... Man nehme den aktuellen Öko-Gedanken und ein paar erstklassige Locations und schon hat man CARS auf Teil 2 aufgeputscht! Der ist wie sein Vorgänger bereits in technischer Hinsicht absolut brillant, kann aber leider bei der Story nicht Punkten. Denn die ist weder mitreißend noch herzerwärmend. Was bleibt ist ein an James Bond erinnerndes Action-Spektakel, das man nach dem Verlassen des Kinosaals auch gleich wieder vergessen hat. Kurzweilige Unterhaltung, bei der man – bewusst oder auch nicht – auf eine Gefühlsebene fast komplett verzichtet hat. Nicht einmal der vorangestellte Kurzfilm mit den Charakteren aus TOY STORY und dem Titel URLAUB AUF HAWAII (im Gegensatz zum Hauptfilm nur im Bildformat 1:1.85) lässt den Funken, den man von Pixar-Produktionen gewohnt ist, überspringen. Schade eigentlich.
Freitag, 01. Juli 2011
Die Hochsensiblen und der Möchte-Gern-Rapper
Schon wieder Wochenende! Aber es galt zuvor noch zwei Filme durchzusitzen...

DIE ANONYMEN ROMANTIKER (1:2.35, DD 5.1)
OT: Les Émotifs Anonymes
Verleih: Delphi
Land/Jahr: Frankreich, Belgien 2010
Regie: Jean-Pierre Améris
Darsteller: Isabelle Carré, Benoît Poelvoorde, Lorella Cravotta
Kinostart: 11.08.2011

Hochsensible Menschen haben es wahrhaftig nicht leicht. Angelique und Jean-Rene gehören beide in diese Kategorie. Sie ist begnadete Pralinendesignerin, fällt aber in Ohnmacht, wenn sie mit jemandem reden soll. Er ist Schokoladenfabrikant, lebt aber in ständiger Angst und gerät beim Umgang mit Menschen stets in Panik. Angelique schließt sich einer Selbsthilfegruppe an, Jean-Rene hat seinen eigenen Therapeuten. Als Angelique durch ein Missverständnis bedingt in Jean-Renes Fabrik als Außendienstmitarbeiterin eingestellt wird, sehen sich die beiden Hochsensiblen neuen Herausforderungen gegenüberstehen: sie verlieben sich ineinander... Regisseur Jean-Pierre Améris wählt für das Thema seines Films die Form einer charmanten Komödie - mit allem, was dazugehört. Da darf dann Hauptdarstellerin Isabelle Carré in ihrer Rolle als Angelique der großen Julie Andrews eine Hommage erweisen und sogar einen Song aus THE SOUND OF MUSIC ("I Have Confidence In Me") vortragen (leider eingedeutscht!). Und sie vermag mit ihrer schüchtern wirkenden Performance wirklich zu überzeugen - genauso wie ihr Kollege Benoît Poelvoorde. Filmmusikkomponist Pierre Adenot entfaltet mit seinem Score einen Klangteppich, der an die gute alte Zeit französischer Filmkomödien erinnert und dem Film damit einen Hauch Nostalgie verleiht. Allerdings muss sich der Film erst durch ein paar Gags mit schlechtem Timing durchmogeln, bevor man ihn als Zuschauer zu schätzen weiß. Also: nicht gleich den Kinosaal verlassen, sondern erst einmal abwarten.

I'M STILL HERE (1:1.85, DD 5.1)
OT: I'm Still Here - The Lost Year Of Joaquin Phoenix
Verleih: Koch Media (Neue Visionen)
Land/Jahr: USA 2010
Regie: Casey Affleck
Darsteller: Joaquin Phoenix, Sean "P. Diddy" Combs, Antony Langdon
Kinostart: 11.08.2011

Im Jahr 2008 beschloss der Schauspieler Joaquin Phoenix, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen und stattdessen eine Karriere als Rapper einzuschlagen. Die Medien liefen Sturm. Angesichts des großen Erfolges als Hollywood-Schauspieler schien niemand diesen Entschluss verstehen zu wollen. Phoenixs Schwager Casey Affleck dokumentierte dessen Versuch, im Musikbusiness Fuß zu fassen und verarbeitete das aufgenommene Material zu einer Art Doku-Soap für die Kinoleinwand. Zu sehen und zu hören gibt es als Ergebnis sozusagen Joaquin Phoenix "uncut" wie er leibt, liebt und lebt. Affleck blendet seine Kamera weder ab, wenn sich sein Schwager mit Call-Girls vergnügt, noch wenn er sich einen Joint reinzieht. Wutausbrüche, wüste Schimpfereien, Schlägereien, Niederlagen - alles wurde dokumentiert und dürfte vermutlich im Heimatland des Schauspielers zu keiner Jugendfreigabe des Film führen. Allerdings sei die Frage gestattet, ob es außer eingefleischten Phoenix-Fans noch jemanden gibt, der sich für dessen - um im Jargon des Films zu bleiben - "fucked up Life" interessiert. Ich persönlich wage dies stark zu bezweifeln und hoffe sehr, dass ich heute nicht die Zukunft des dokumentarischen Kinofilms gesehen habe.

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