Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Montag, 31. Oktober 2011
Achterbahnfahrt
Um sich teure Pressevorführungen zu ersparen, beschreiten Filmverleiher neue Wege. So wurden wir Journalisten zu der offiziellen Preview von PARANORMAL ACTIVITY 3 eingeladen – zusammen mit richtigem Publikum. Und das auch noch in der Halloween-Nacht. Au backe!

PARANORMAL ACTIVITY 3 (1:1.85, DD 5.1)
OT: Paranormal Activity 3
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Henry Joost, Ariel Schulman
Darsteller: Katie Featherston, Sprague Grayden, Lauren Bittner
Kinostart: 03.11.2011

Bei einem Einbruch in das kleine Häuschen einer jungen Familie wird nur jener Karton mit alten VHS-Cassetten gestohlen, den die Schwägerin im Keller deponierte. Niemand weiß allerdings, was sich auf den Cassetten befand. Schnitt. Im Bild sehen wir jetzt das gesamte Material, das dich auf den VHS-Bändern befindet. Wer sich das Material anschaut, beliebt allerdings ein Rätsel, das vermutlich erst in Teil 4 der erfolgreichen Serie gelüftet werden wird. Dokumentiert werden die Vorgänge im Hause einer vierköpfigen Familie, die sich mit paranormalen Aktivitäten konfrontiert sieht, die wiederum vom Ehemann mit einfachsten VHS-Kameras aufgenommen werden. Dabei scheint die kleinere der beiden Töchter der Familie der Schlüssel zu den immer bedrohlicher werdenden Ereignissen zu sein... Teil 3 in der PARANORMAL ACTIVITY Serie beginnt ein neues Kapitel, das – so scheint es zumindest . mit den beiden Vorgängern nichts mehr zu tun hat. Gleich geblieben hingegen ist der Stil: als Zuschauer sehen wir ausschließlich das von Überwachungskameras aufgenommene Material. Doch im Gegensatz zu den ersten beiden Teilen spielt Teil 3 in der Vergangenheit. Genauer gesagt im Jahre 1988. Jetzt kommen keine digitalen Highend-Kameras zum Einsatz, sondern das seinerzeit übliche VHS-Material. Wer jetzt allerdings glaubt, dass der technologische Rückschritt auch einem dramaturgischen Rückschritt gleichkommt, liegt vollkommen falsch. Denn Henry Joost und Ariel Schulman inszenieren ihre Antwort auf die beiden ersten Teile als eine wahre Achterbahnfahrt. Das Grauen, das erst ganz allmählich beginnt, wird im weiteren Verlauf des Films stetig ausgebaut – bis zum bitteren Ende, an dem sich alles zu überschlagen droht. In kleinen Häppchen, doch dafür äußerst raffiniert eingesetzt, servieren die Regisseure ihre Schockmomente. Und die haben es in sich! Wenn die Anzahl der Schrecksekunden, die ein Horrorfilm auslöst, die Maßeinheit für einen Horrorfilm darstellt, dann steht PARANORMAL ACTIVITY 3 eine Spitzenposition zu. Da stört dann auch nicht mehr, dass der Hausherr nach wie vor durch seine Kamera linst, wenn es schon längst um Leben und Tod geht. In der Hinsicht waren die ersten beiden Teile konsequenter inszeniert. Mein Tipp: Horror-Fans sollten diesen Film nicht missen!
Samstag, 29. Oktober 2011
Indiana Tim und Struppi Jones
Da sich der Sony-Filmverleih aus nicht näher benannten Gründen weigerte, Steven Spielbergs Film der Stuttgarter Presse vorab zu zeigen, habe ich mir den Film gestern in einer regulären Vorstellung angeschaut. Ich war platt: im Kinosaal waren weit weniger Zuschauer als in einer Pressevorführung!

DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI: DAS GEHEIMNIS DER EINHORN (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1)
OT: The Adventures Of Tintin: Secret Of The Unicorn
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Steven Spielberg
Kinostart: 27.10.2011

Als Zeitungsreporter Tim auf einem Flohmarkt das Modell eines alten Dreimasters erwirbt, schwebt er plötzlich in Lebensgefahr. Jemand versucht ihm die “Einhorn” zu stehlen und bald schon gibt es den ersten Toten vor seiner Tür. Mit großem Eifer geht er der Sache auf den Grund und findet ein geheimes Dokument, das im Schiff versteckt war. Damit beginnt ein großes Abenteuer für Tim und seinen kleinen Freund Struppi. Es ist unglaublich wie virtuos inszeniert ein in Motion-Capture-Technik realisierter Film sein kann! Steven Spielberg, seit jeher großer Fan der Comic-Bücher von Hervé, hat dieses Tim und Struppi Abenteuer in starker Anlehnung an seine “Indiana Jones”-Filme inszeniert. Nicht nur die Kameraperspektiven, auch das atemberaubende Tempo machen daraus so etwas wie “Indiana Tim und Struppi Jones”. Es gibt so viel zu entdecken auf der CinemaScope-Leinwand, dass es nicht möglich ist, alles bereits beim ersten Mal zu sehen. Spielbergs neuer Film macht wirklich Laune. Leider bleibt jedoch der Score seines Hauskomponisten John Williams unter den Erwartungen. Seine Musik illustriert einfach nur die Bilder und schafft keine zusätzliche Ebene im Film. Um ein angenehm helles Bild zu haben, entschloss ich mich bewusst für die 2D-Version des Films. Und die hat meinem Vergnügen keinen Abbruch getan.
Freitag, 28. Oktober 2011
Tiefgründig und durchgeknallt
Die letzten beiden Pressevorführungen dieser Woche boten einmal mehr hartes Kontrastprogramm dar.

WANDLUNGEN – RICHARD WILHELM UND DAS I GING (1:1.85, Stereo)
Verleih: Film Kino Text
Land/Jahr: Schweiz 2011
Regie: Bettina Wilhelm
Kinostart: 17.11.2011

1899 geht der in Stuttgart aufgewachsene Richard Wilhelm im Alter von 26 Jahren als Missionar nach China. Doch er tauft dort keinen einzigen Chinesen, sondern widmet sich dem Aufbau einer Schule für Jungen und einer Schule für Mädchen, bevor er sich mit den großen altertümlichen Schriften des Konfuzius und des Laotse sowie Texten des Daoismus und dem I Ging, dem Buch der Wandlungen, auseinandersetzte und sie übersetzte. Mit seinem Wirken schlug er eine Brücke von der klassischen chinesischen Kultur zur Kultur Europas und dem Rest der Welt. Bettina Wilhelm, eine Enkelin des Gelehrten, reist in ihrem Film nach China und wandelt auf den Pfaden ihres Großvaters, der lange vor ihrer Geburt verstorben ist. In ihrem Film zeigt sie die Orte, an denen Wilhelm tätig war und lässt aus dem Off aus Büchern ihres Großvaters zitieren. Auf wunderbare Weise gelingt es ihr, für die zitierten Texte immer passende Bilder zu finden. Auch lässt sie andere Kenner der von Wilhelm übersetzten Bücher vor der Kamera zu Wort kommen. Durch sie wird dem Zuschauer begreifbar gemacht, welche Leistung Wilhelms Übersetzungsarbeit darstellt. Wilhelm hat die Texte nicht einfach nur übersetzt, sondern sich mit ihnen intensiv auseinandergesetzt. Nur so ist zu verstehen, dass seine Übersetzungen den Wesenskern dieser Werke und insbesondere des “I Ging” (vergleichbar mit der Bibel) getroffen haben. Eine gut abgestimmte, für den Film komponierte Musik sowie handverlesene zusätzliche Musikstücke lassen die Dokumentation zu einem ganz besonderen Filmerlebnis werden.

HAPPY RUTSCH (1:2.35, DD 5.1)
OT: Yolki
Verleih: GV World
Land/Jahr: Russland 2010
Regie: Timur Bekmambetow, Yaroslaw Chewazhewskiy, Ignas Jonynas, Dmitriy Kiselev, Aleksandr Voytinskiy
Darsteller: Ivan Urgant, Sergey Svetlakov, Nikita Presnyakov
Kinostart: 15.12.2011

Russland ist ein sehr großes Land. So groß, dass es in ganze sechs Zeitzonen eingeteilt ist. Wenn also im östlichsten Teil Russlands Silvester gefeiert wird, dann dauert es genau sechs Stunden, bis auch im westlichsten Teil des Landes gefeiert wird. Dies ist die Ausgangssituation der russischen Komödie, deren Spielorte sich über das ganze Land während einer einzigen Silvesternacht erstrecken. Und alles beginnt mit der Behauptung eines kleinen Mädchens in einem Kinderheim, die behauptet, dass ihr Vater der Präsident des Landes sei. Um das zu beweisen, soll sie dafür sorgen, dass der Präsident während seiner Silvesteransprache einen ganz bestimmten Satz spricht. Ihr kleiner Freund möchte ihr aus der Patsche helfen und erklärt ihr das System der sechs Handschläge: er kennt einen, der wiederum einen kennt, der wiederum einen kennt usw. bis schließlich der “Handschlag” den Präsidenten erreicht. Mit einem Telefonat setzt der clevere Kleine die Kette in Gang... Die Grundidee für den Film ist wirklich nett. Auch wenn uns Filme wie beispielsweise TATSÄCHLICH LIEBE das Prinzip des Episodenfilms, bei dem sich am Ende alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt, schon vortrefflich präsentiert haben, so umspannen die Episoden jetzt ein riesiges Land und sind nicht mehr wie im Fall von TATSÄCHLICH LIEBE auf eine einzige Stadt beschränkt. Allerdings lässt die Inszenierung zu wünschen übrig und erinnert in gewissem Maße an die teilweise überbordenden Bollywood-Filme. Hier wie dort sind die Charaktere etwas überzeichnet und der ganze Film mit zuviel Musik zugekleistert. Nichtsdestotrotz gelingt es dem Episodenfilm Sympathien für seine Personen zu entwickeln und könnte durchaus brauchbare Unterhaltung für einen langen Silvesterabend sein.
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Good Vibrations
Die Erfindung eines Freudenspenders und die Reise zu den Wurzeln des Yoga standen heute auf dem Programm.

IN GUTEN HÄNDEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Hysteria
Verleih: Senator
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Tanya Wexler
Darsteller: Hugh Dancy, Maggie Gyllenhaal, Jonathan Pryce
Kinostart: 22.12.2011

Mortimer Granville ist Arzt in London um 1880. Vergeblich versucht er seine Vorgesetzten im Krankenhaus davon zu überzeugen, dass Keime für viele der Infektionen verantwortlich sind und Hygiene essentiell wichtig ist. Doch sein Bestehen auf der modernen Erkenntnis kostet ihn den Job. Nach vielen Anläufen wird er schließlich von dem auf die angebliche Frauenkrankheit Hysterie spezialisierten Arzt Dr. Dalrymple eingestellt. Der verschafft seinen Patientinnen durch seine Fingerfertigkeit am intimen Ort Erleichterung. Bald schon ist auch Granville Spezialist für diese “Heilmethode” und bandelt sogar mit Dalrymples liebreizender Tochter an. Die ist das genaue Gegenteil der anderen Tochter, die sich sehr zum Missfallen des Vaters für Frauenrechte einsetzt und ein Armenhaus leitet. Aufgrund der enormen Nachfrage werden Granvilles Finger jedoch überbeansprucht. Da will es der Zufall, dass sein Freund und Wissenschaftler Edmund St. John-Smythe eine geniale Erfindung macht, die Granvilles Finger zukünftig schonen wird... Das Einzige, was in dieser amüsanten Komödie vibriert, sind die elektrischen Apparate, die schon bald ihren Siegeszug in die Schlafzimmer frustrierter Frauen beginnen werden. Dabei hat der Film durchaus seine Momente, in denen er die seinerzeit herrschende Prüderie auf der englischen Insel süffisant beleuchtet. Doch er lässt sich einfach zuviel Zeit, um auf sein eigentliches Thema zuzusteuern: der Erfindung des Vibrators, der es am Ende sogar bis in den Buckingham-Palast schafft. Aber auch eine andere Erfindung wird aufs Korn genommen: das Telefon. Und wie könnte es da passender sein, als auch gleich noch den Telefonsex dazuzuerfinden. Die Darsteller sind großartig. Hugh Dancy als der passionierte Arzt, der immer nur den Menschen helfen möchte. Jonathan Pryce als Dr. Dalrymple, der seine Fingermassagen als rein medizinische Angelegenheit betrachtet. Maggie Gyllenhaal als emanzipierte Frauenrechtlerin, die ihrer Zeit weit voraus ist. Und schließlich Felicity Jones als Emily, die Lieblingstochter des Arztes, immer sittsam und freundlich. Mit einem besseren Timing hätte daraus ein richtig guter Film werden können, der es durchaus mit Alan Parkers WILLKOMMEN IN WELLVILLE hätte aufnehmen können.

DER ATMENDE GOTT – REISE ZUM URSPRUNG DES MODERNEN YOGA (1:1.85, Dolby SR)
OT: Arsana Travelogue
Verleih: MFA (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Jan Schmidt-Garre
Kinostart: 05.01.2012

Heutzutage ist Yoga überall präsent. Es gibt Tausende von Yoga-Schulen und vermutlich noch weit mehr Yoga-Lehrer. Doch woher kommt dieses Yoga eigentlich? Jan Schmidt-Garre macht sich in seinem Dokumentarfilm auf nach Indien, um nach den Quellen zu suchen. Die führen ihn direkt zum längst verstorbenen Urvater des Yoga, Krishnamacharya. Er holt dessen Kinder, die teilweise auch wieder Yoga-Lehrer wurden und heute hochbetagt sind, vor die Kamera und befragt sie zu ihrem Vater, dessen Lehrmethoden, den Ritualen, die sie als seine Kinder durchlaufen mussten. Auch ehemalige Meisterschüler des Ober-Guru kommen zu Wort. Ergänzt wird der Film durch immer wieder eingeschnittenes historisches Filmmaterial, das Krishnamacharya bei seinen Yoga-Übungen zeigt. Es ist schon erstaunlich, dessen Körperbeherrschung anzuschauen. Das allerdings kann für den Betrachter auch recht schmerzhaft sein, sobald man sich gedanklich in die gezeigten Körperverrenkungen hineindenkt. Leider lässt die Dokumentation den Sinn und Zweck der Yoga-Kunst etwas in den Hintergrund treten und setzt ihr Hauptgewicht auf diese grandiose Körperbeherrschung. Damit eignet sich der Film allenfalls für Menschen, die sich schon lange mit Yoga beschäftigen, jedoch nicht für solche, die sich zum ersten Mal damit auseinandersetzen. Unter filmischen Gesichtspunkten betrachtet gibt die Doku nicht viel her. Viel zu oft wird als Überleitung zwischen zwei Szenenblöcken immer dieselbe Aufnahme von Baumwipfeln verwendet. Auch der Einsatz von chilliger Klaviermusik wird etwas überstrapaziert. Der Film eignet sich höchstens für eine Ausstrahlung im Fernsehen, nicht aber für die Präsentation im Kino.
Mittwoch, 26. Oktober 2011
Der Tag der Aushilfen
Nicht nur afroamerikanische Dienstmädchen standen heute auf dem Filmfahrplan, sondern auch patzende Aushilfskriminelle.

THE HELP (1:1.85, DD 5.1)
OT: The Help
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Tate Taylor
Darsteller: Emma Stone, Viola Davis, Bryce Dallas Howard
Kinostart: 08.12.2011

Jackson, Mississippi, Anfang der sechziger Jahre. Nach ihrem Studium kehrt die junge Skeeter wieder in ihren Heimatort zurück und hat große Pläne. Sie möchte als Journalistin arbeiten und sich vielleicht sogar als Schriftstellerin versuchen. Doch vorerst reicht es gerade einmal als Kolumnistin für die Putzkolumne in der örtlichen Zeitung. Weil vollkommen unerfahren in Putzdingen, wendet sie sich an das farbige Hausmädchen ihrer Freundin aus Kindheitstagen. Während einem Gespräch mit Aibileen kommt ihr die Idee, ein Buch aus der Sicht der afroamerikanischen Bediensteten zu schreiben, ihre Geschichten zu erzählen. Immerhin sind sie es, die die Kinder der weißen Oberschicht erziehen. Mit ihrer Idee bewegt sich Skeeter jedoch auf sehr dünnem Eis. Denn die erlassenen Rassentrennungsgesetze verbieten jedweden Kontakt mit den Farbigen. Schließlich kann sie Aibileen für ihr Projekt gewinnen. Als auch noch die resolute Minny dazustößt, kommt der Ball erst richtig ins Rollen... Nach dem Bestsellerroman “Gute Geister” von Kathryn Stockett erzählt Regisseur Tate Taylor ein unrühmliches Stück amerikanischer Geschichte. Farbige wurden fast wie Haussklaven behandelt, durften nicht einmal die Toiletten der Arbeitgeber benutzen. Da ihnen auch die Aufsicht über die Kinder aufgetragen wurde, wurden sie zu deren Ersatzmüttern. Taylors Film zeigt sehr unterschiedliche Frauen, sowohl auf der weißen wie auch der schwarzen Seite. Es gelingt ihm mit Hilfe einer ausgezeichneten Schauspielerriege und einem stimmigen Produktionsdesign, diese vergangene Zeit außerordentlich präsent erscheinen zu lassen. Viele der angesprochenen Themen sind auch in der heutigen Gesellschaft nach wie vor vorhanden, wenn auch nicht mehr so offensichtlich wie damals. Viola Davis als Aibileen und Octavia Spencer als Minny spielen ihre Rollen so authentisch, dass sie sicherlich auf Oscars hoffen dürfen. Dem sehr gefühlvollen Film verleiht Chefkameramann Stephen Goldblatt einen nostalgischen Touch, ohne in den Kitsch abzudriften. Thomas Newmans sparsam eingesetzter Score sorgt im passenden Moment wie immer für die perfekte Stimmung. Wenn etwas an diesem Film negativ ins Gewicht fällt, dann ist es die Spielzeit von fast zweieinhalb Stunden. Eine halbe Stunde weniger hätte es auch getan. Nichtsdestotrotz ein sehenswerter Film.

AUSHILFSGANGSTER (1:2.35, DD 5.1)
OT: Tower Heist
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Brett Ratner
Darsteller: Ben Stiller, Eddie Murphy, Matthew Broderick
Kinostart: 03.11.2011

Josh Kovacs arbeitet schon seit vielen Jahren als Sicherheitschef in einer der luxuriösesten Wohnanlagen New Yorks. Mit seinem Stab von Angestellten lässt er es den Bewohnern an nichts mangeln. Eines Tages jedoch wird der reichste und prominenteste Bewohner, der Investmentmanager Arthur Shaw, wegen milliardenschweren Betruges verhaftet. Zu allem Unglück hatte Josh zuvor die Rentenansprüche seiner Angestellten in Shaws Obhut gegeben in der Absicht; diese gut anzulegen. Pech gehabt! Als sich der Portier, der eigentlich demnächst in Rente gehen wollte, umbringen will, fasst Josh einen Entschluss: er will das seinen Angestellten zustehende Geld wieder zurückholen. Gemeinsam mit drei seiner Kollegen macht er sich daran, einen Plan auszutüfteln, um das in Shaws Wohnung vermutete Geld zu stehlen. Der Kleinkriminelle Slide soll ihnen dabei helfen... Das kann schon richtig lustig sein, wenn ein paar Kerle losziehen, um einen Einbruch zu begehen und davon nicht den blassesten Dunst haben. Doch in Brett Ratners Action-Komödie kommt der Humor einfach zu kurz. Und wenn er dann mal durch die Szenen durchblinzelt, bringt er ein falsches Timing mit sich. Als Zuschauer muss man dann schon nicht mehr lachen, weil man genau eine Minute zuvor schon wusste, was passieren wird. Was also kann den Film noch retten wenn nicht sein Humor? Die Action! Denn was sich da im obersten Stockwerk des Hochhauses abspielt während unten auf der Straße eine Thanksgivingparade im Gange ist, ist im wahrsten Sinne des Wortes schwindelerregend. Das allerdings ist dann doch etwas dürftig für einen Film, in dem Eddie Murphy (als Kleinkrimineller Slide) zur Schau stellt, dass er als Schauspieler wahrhaftig schon bessere Zeiten erlebt hat.
Dienstag, 25. Oktober 2011
Komödie oder Tragödie?
Diese Frage konnte leider durch das heutige Presse-Screening nicht gänzlich geklärt werden.

HOTEL LUX (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Leander Haußmann
Darsteller: Michael Bully Herbig, Jürgen Vogel, Thekla Reuten
Kinostart: 27.10.2011

Berlin 1938. Der Stalin-Parodist Hans Zeisig ist den Nazis ein Dorn im Auge. Denn Witze über ihren Führer mögen sie gar nicht. Zeisig muss fliehen. Doch sein gefälschter Pass verschafft ihm nur Unterschlupf im Moskauer Hotel Lux, einer Herberge für kommunistische Funktionäre aus aller Welt. Dummerweise hält ihn der sowjetische Geheimdienst ausgerechnet für Hitlers Leibastrologen... Mit viel Aufwand und großer orchestraler Filmmusik versucht sich Leander Haußmann an einer politischen Komödie. Oder soll es gar ein Drama sein? Hier ist das Dilemma: der Regisseur will sich nicht festlegen. Für eine Komödie gibt es zu viele Tote, für ein Drama ist zuviel Slapstick integriert. Der Zuschauer wird dadurch hin- und hergerissen, eiß gar nicht wie ihm geschieht. Immerhin gibt es in dem großen Werk auch ein paar kleine lichte Momente. Wenn beispielsweise Walter Ulbricht (ebenfalls im Lux untergetaucht) schon mal anfängt, aus Zuckerstückchen eine Mauer zu bauen. Die Schauspieler spielen alle etwas “over the top”, was für eine Komödie sprechen würde. Doch das Thema des Films ist einfach ein viel zu ernstes, um es mal eben durch den Kakao zu ziehen. Wer sich auf den Trailer verlässt, der die komödiantische Seite überbetont, könnte nach dem Film enttäuscht den Kinosaal verlassen.
Montag, 24. Oktober 2011
Unter Schülern
Christian Ulmen als 18jähriger Bengel inmitten waschechter Schüler – geht das?

JONAS (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Delphi
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Robert Wilde
Darsteller: Christian Ulmen
Kinostart: 05.01.2012

Der Schüler Jonas ist ein Dauersitzenbleiber. Jetzt bekommt er an einer Brandenburger Schule nochmals eine Chance, die mittlere Reife zu absolvieren. Ein Kamerateam begleitet den 18jährigen während seiner Probezeit an der Gesamtschule. Das zumindest ist die Ausgangssituation in diesem Film. Doch es gibt ein kleines, aber feines Detail, das nicht unerwähnt bleiben sollte. Bei dem Schüler handelt es sich um keinen Geringeren als den Schauspieler Christian Ulmen, der sich dank perfekter Maske vollkommen harmonisch in das Schulbild einfügt. In der Rolle des Jonas macht er alles durch, was Schüler seines Alters an einer Schule wie dieser tagein und tagaus durchmachen müssen. Das geht vom sich weltfremd anfühlenden Ethikunterricht über Chemieunterricht bis hin zu den Logarithmen des Mathematikunterrichts. Mit Letzterem steht Ulmen alias Jonas auf Kriegsfuß. Dafür punktet er aber in Musik und verliebt sich spontan in seine Musiklehrerin, der zu Ehren er sogar mit Schulkameraden zusammen eine eigene Band gründet. Das ist alles schön und gut – nur: was möchten uns die Filmemacher mit ihrem filmischen Experiment beweisen? Dass man Reality-Shows auch im Kino vorführen kann? Denn nichts anderes ist das Projekt: eine dilettantische Reality-Show. Oder glauben die Schöpfer tatsächlich, dass man als Zuschauer gewillt ist, das alles für bare Münze zu nehmen? Mit mindestens zwei Kameras in ständigem Einsatz kann niemand der beteiligten Statisten ernsthaft sagen, man hätte nichts gewusst. Das geht sogar so weit, dass der Schulleiter im Zwiegespräch mit Jonas ab und zu statt des handelsüblichen “Du” hin und wieder das “Sie” anwendet und sich damit eigentlich selbst verrät. Somit dürfte das Projekt, das den heutigen Schulalltag dokumentieren soll, alles andere als authentisch sein. Denn niemand agiert vor laufender Kamera authentisch. Was also soll dieser Film? Entweder man macht einen Spielfilm im Sinne der FEUERZANGENBOWLE, oder man dokumentiert mit einem richtigen Schüler und unter realen Bedingungen (also mit unsichtbarer Kamera). Ich persönlich empfand den Film als eine grenzenlose Peinlichkeit, bei der ich vergebens um ein paar Lacher bemüht war. Die aber wollten einfach nicht aus mir heraus.
Freitag, 21. Oktober 2011
Britischer Klassiker trifft auf spanische Clowns
Ein Schicksal aus dem alten England und blutiges Gemetzel aus Spanien vollendeten meine wöchentliche Presseschau.

JANE EYRE (1:1.85, DD 5.1)
OT: Jane Eyre
Verleih: Tobis
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Cary Fukunaga
Darsteller: Mia Wasikowska, Michael Fassbender, Dame Judi Dench
Kinostart: 01.12.2011

England im 18. Jahrhundert. Als Kind wird die Waise Jane Eyre von ihrer lieblosen Tante in ein strenges Internat verfrachtet. Als junge Frau verlässt sie den düsteren Ort und tritt eine Stelle als Gouvernante auf dem Landsitz Thornfield Hall an, der dem seltsamen und geheimnisvollen Edward Rochester gehört. Dort soll sie die Pflegetochter des Hausherrn unterrichten. Im Laufe der Zeit kommen sich Jane und Edward näher. Doch ein dunkles Geheimnis umgibt den Landsitz: Schreie in der Nacht, seltsame Geräusche und plötzlich auflodernde Feuer... Cary Fukunagas Verfilmung des bekannten Romans von Charlotte Bronte ist bei weitem nicht die erste und vermutlich auch nicht die letzte. Schon viele Filmemacher haben sich an dem klassischen Stoff versucht. Leider ist die neue Interpretation nicht die beste. Fukunagas Film ist zwar in Teilen sehr schön fotografiert, erinnert aber einfach zu sehr an einen Fernsehfilm. Angesichts der Landschaftsaufnahmen und der auch sonst bezaubernden Kulissen wäre das CinemaScope-Format sicherlich von Vorteil gewesen. Kameramann Adriano Goldmann fängt in seinen Bildern nichtsdestotrotz die zumeist depressive Grundstimmung ein, die sich besonders in der Farbgebung niederschlägt. Mia Wasikowska überzeugt als Jane Eyre wesentlich mehr als Michael Fassbender in der Rolle des Edward Rochester. Ihn hätte man sich gerne etwas grimmiger und mysteriöser vorgestellt. Am überzeugendsten ist Judi Dench als Haushälterin, die mehr weiß als sie zugeben möchte. Wer diese Version von JANE EYRE im Kino verpassen sollte, der darf getrost auf die nächste warten.

MAD CIRCUS – EINE BALLADE VON LIEBE UND TOD (1:2.35, DD 5.1)
OT: Balada Triste De Trompeta
Verleih: Koch Media (Cine Global)
Land/Jahr: Spanien, Frankreich 2010
Regie: Álex de la Iglesia
Darsteller: Carlos Areces, Antonio de la Torre, Carolina Bang
Kinostart: 08.12.2011

1973 steigt Javier in die Fußstapfen seines Vaters, den er im spanischen Bürgerkrieg verloren hat, und wird Clown bei einem Wanderzirkus. Allerdings kein Clown, der die Kinder zum Lachen bringt, sondern ein “Trauriger Clown”. Den “Lustigen Clown” hat der Zirkus bereits in Gestalt des Chefs Sergio. Seine Untergebenen haben allerdings nichts zu Lachen: Sergio ist ein brutaler Mensch, der ganz speziell mit der Liebe zu der Artistin Natalia seine sadistische Ader auslebt. Zum großen Unverständnis Javiers genießt die attraktive Natalia Sergios Gewalttätigkeiten ihr gegenüber. Javier, inzwischen selbst Hals über Kopf in die Schöne verliebt, möchte Natalia von Sergio erretten und beginnt damit eine extrem brutale Rivalität mit seinem Boss... Was oberflächlich nach einem bizarren, grotesken und skurrilen Film aussieht, hat eine zweite Dimension. Denn Álex de la Iglesias Film versteht sich als eine Metapher auf sein Heimatland Spanien. Der böse Clown repräsentiert die Diktatur Francos, der traurige den Widerstand gegen das Regime. All jene denen sich diese Metapher nicht erschließt, versorgt Álex de la Iglesia – wie könnte es bei diesem Regisseur auch anders sein – mit einer ganzen Menge an Splatterszenen. So trifft sich dann Anspruch mit Sensationslust. Allerdings hätte man sich das Ende dann doch etwas früher gewünscht, da die recht einfache Geschichte nicht über die ganzen 108 Minuten Spielzeit in Bann halten kann.
Donnerstag, 20. Oktober 2011
Kleiner Mann ganz groß
Zugegeben: als Nicht-Kenner der Jazz-Szene sagte mir der Name Michael Petrucciani überhaupt nichts. Die heutige Pressevorführung hat das für alle Zeiten geändert.

MICHEL PETRUCCIANI – LEBEN GEGEN DIE ZEIT (1:1.85, DD 5.1)
OT: Michel Petrucciani - Body & Soul
Verleih: Polyband (24 Bilder)
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland, Italien 2011
Regie: Michael Radford
Darsteller: Michel Petrucciani
Kinostart: 08.12.2011

Wie ein Gespenst erscheint immer wieder eine Uhr auf der Leinwand. Mahnend verkündet sie, dass die Zeit immer knapper wird – ganz besonders für Michel Petrucciani. 1962 in Frankreich geboren und 1999 in New York gestorben gilt er als einer der größten Jazz-Pianisten aller Zeiten. Und das bei einer Körpergröße von knapp unter einem Meter! Petrucciani wurde mit der sogenannten Glasknochenkrankheit geboren, jener Krankheit also, die die Knochen extrem zerbrechlich macht, für geringen Körperwuchs sorgt und einen Menschen frühzeitig altern lässt. Unter Zuhilfenahme vieler privater Film- und Fotoarchive sowie mit Interviews vieler seiner Wegbegleiter zeichnet Regisseur Michael Radford das Porträt eines Mannes, der sich von seiner Krankheit niemals unterkriegen ließ. Ganz im Gegenteil: Petrucciani war ein waschechter Lebemann. Er genoss das Leben in vollen Zügen und lebte ständig auf der Überholspur. Sein körperlicher Nachteil war kein Hindernis. Nicht weniger als vier Frauen teilten das Leben an seiner Seite. Schon im Kindesalter begann er Klavier zu spielen. “Die Musik musste einfach raus aus mir, sonst wäre ich krank geworden!” sagt er in einem Interview. Mit allen Größen des Jazz hat er gemeinsam vor ausverkauften Häusern musiziert. Einige von ihnen hat Radford vor die Kamera geholt. Seine grenzenlose Energie, sein Humor, seine Fingerfertigkeit loben sie nach wie vor. Doch Radford lässt auch kritische Stimmen zu. So war es nicht einfach, in Petruccianis Nähe zu sein. Denn kaum jemand der absolut Gesunden konnte mit ihm Schritt halten. Und das, obgleich der kleine Jazz-Pianist nicht laufen konnte, sondern getragen werden musste. Radford kommentiert seinen Film nicht, sondern lässt die sprechen, die Petrucciani persönlich kannten. Ein paar der Geschichten, die sich um ihn ranken, hören sich wie Legenden an, werden dann jedoch ein paar Szenen später von wieder anderen Personen vor der Kamera dementiert. Auch hier hält sich der Regisseur mit einer Kommentierung zurück, überlässt es so dem Zuschauer selbst zu entscheiden, wem er denn Glauben schenken soll. Radfords Dokumentation ist nicht nur Pflicht für Jazz-Fans, sondern auch für alle diejenigen, die auf hohem Niveau jammern und meinen, es würde ihnen schlecht gehen.
Mittwoch, 19. Oktober 2011
Bauerntheater
Den Komödienstadel gibt es nicht nur im Fernsehen, jetzt soll er auch noch die Leinwand erobern...

SOMMER DER GAUKLER (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Movienet
Land/Jahr: Deutschland, Österreich 2011
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Darsteller: Max von Thun, Lisa Maria Potthoff, Nicholas Ofczarek
Kinostart: 22.12.2011

Im Sommer 1780 zieht eine Schauspielertruppe unter Leitung von Emanuel Schikaneder gen Salzburg, um dort unter Anwesenheit von Wolfgang Amadeus Mozart ein Theaterstück aufzuführen. Doch Schikaneder erhält von den Behörden keine Genehmigung und so bleibt die Truppe in einem kleinen Bergdorf nahe der österreichischen Grenze erst einmal hängen. Unversehens wird Schikaneder dort mit der aufkeimenden Rebellion von Bergleuten konfrontiert, deren Anführer ein gewisser Georg Vester zu sein scheint. Die Situation inspiriert Schikaneder zu einem neuen Theaterstück... Nach SOMMER IN ORANGE nun als SOMMER DER GAUKLER – Regisseur Marcus H. Rosenmüller ist einer der eifrigsten in deutschen Landen. Und er bleibt seinem Genre treu. Auch SOMMER DER GAUKLER spielt in seiner Heimat Bayern und wartet mit unnachahmlichem Dialekt auf – für nordische Ohren möglicherweise ohne Untertitel nicht zu verstehen. Seinen neuen Film hat er an eine historisch verbürgte Figur angelegt. Emanuel Schikaneder hat es wirklich gegeben. Der Schauspieler und Autor hat unter anderem das Libretto zu Mozarts “Zauberflöte” verfasst. Ob die im Film gezeigten Situationen sich auch tatsächlich zugetragen haben, sei allerdings dahingestellt. Rosenmüller inszeniert seinen Stoff in Form eines Bauerntheaters. Da techtel-mechtelt Schikaneders Frau mit einem der Schauspieler, die Tochter des Bergwerksbesitzers ist mit dem Rebell Vester verbandelt und der Richter des Bergdorfs macht ihr vergebens den Hof. Und dann taucht da auch noch der Mozart auf – fast so, als wäre er gerade frisch aus Milos Formans AMADEUS entsprungen. Damit aber noch nicht genug. Als gelte es zu zeigen, dass das ganze Leben ein Theater, eine Bühne ist, gibt es auch noch spontane Musicaleinlagen. Da rappt dann der Bergrebell mit seinen Kumpels was das Zeig hält. Das ist dann doch alles ein bisschen zuviel in diesem speziell zu Beginn sehr verwirrend inszenierten Werk, bei dem das Komödienhafte dann doch etwas auf der Strecke bleibt.
Dienstag, 18. Oktober 2011
Volleyball-Turnier im Vatikan
Das heutige Presse-Doppel gab sich sehr komödiantisch.

RUBBELDIEKATZ (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Universal
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Detlev Buck
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Alexandra Maria Lara, Detlev Buck
Kinostart: 15.12.2011

Was tut ein Schauspieler nicht alles um in einem Hollywood-Film mitzuwirken. Auf Anraten seines Bruders und Managers schlüpft der nicht gerade erfolgreiche Bühnenschauspieler Alex sogar in Frauenkleider, um als Alexandra in einem in Berlin unter amerikanischer Regie entstehenden Nazi-Film aufzutreten. Niemand merkt, dass es sich bei Alexandra um einen Mann handelt. Nicht einmal Super-Star und Hauptdarstellerin Sarah Voss, mit der Alex noch am Vorabend des Castings unwissentlich eine heisse Nacht verbracht hatte, bei der sich beide heimlich ineinander verliebt haben. Alex‘ Versuch, sich aus dem Film zu verabschieden, enden damit, dass seine Rolle sogar noch ausgebaut wird. Mehr noch: die Rolle sieht vor, dass sich das Mädchen in die von Sarah Voss dargestellte Frau verliebt. Der arme Alex weiß gar nicht mehr wie ihm geschieht... RUBBELDIEKATZ ist Detlev Bucks Antwort auf den Klassiker TOOTSIE. Leider dauert die ganze Angelegenheit gefühlte viereinhalb Stunden! Buck lässt leider viele Gelegenheiten aus, seinen Film zu einem Abschluss zu bringen – und es gibt viele solcher Gelegenheiten. Zu dem verfehlten Timing gesellen sich auch noch einige Sequenzen, die im Film eigentlich gar nichts zu suchen haben und den Verdacht aufkommen lassen, dass der Regisseur hier nur mal etwas ausprobieren wollte. So beispielsweise die mit “Strangers in the Night” unterlegte Liebesszene zwischen Alex und Sarah. Buck beweist damit zwar, dass er auch in der Lage ist, mittels vieler Detailaufnahmen so etwas wie Erotik zu inszenieren, doch die Sequenz passt einfach nicht zum Rest des Films. Ebenso die Slow-Motion-Einlagen, in denen er Alex und seine Brüder auf die Kamera zugehen lässt. Hier will uns der Regisseur vermutlich demonstrieren, dass nicht nur Amerikaner in Filmen wie HANGOVER derartige Slo-Mos realisieren können. Aber nicht nur diese inszenatorischen Details stören. Auch das Drehbuch überzeugt leider nicht. Der Film läuft nach bekanntem Schema ab und hält keine großen Überraschungen parat. Zu allem Überfluss wird der Film auch noch mit einem überzogenen, nicht enden wollenden filmmusikalischen Klangteppich (eingespielt von den Prager Philharmonikern) ausgestattet. Das ist einfach zuviel des Guten. Weniger wäre hier mehr gewesen.


HABEMUS PAPAM (1:1.85, DD 5.1)
OT: Habemus Papam
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Italien, Frankreich 2011
Regie: Nanni Moretti
Darsteller: Michel Piccoli, Nanni Moretti, Renato Scarpa
Kinostart: 08.12.2011

Im Vatikan wird ein neuer Papst gewählt – ein nicht enden wollender Prozess. Auf dem Petersplatz warten Tausende von Gläubigen auf den erlösenden weißen Rauch. In der Konklave ringen sich die Kardinäle nach vielen Wahlgängen durch, ihre Stimme dem vollkommen unbekannten Melville zu geben. Der weiß gar nicht wie ihm geschieht, als er plötzlich im Papstgewand steckt und alle darauf warten, dass er die wartende Menge vom Balkon aus begrüßt. Doch noch bevor sein Name verkündet wird, erleidet Melville einen Nervenzusammenbruch. Die Zeremonie wird frühzeitig beendet, Melville wird in seine Privaträume gebracht. Offensichtlich ist er der großen Aufgabe nicht gewachsen. Heimlich still und leise wird ein Psychologe in den Vatikan eingeschleust, der Melville helfen soll. Doch so schnell lässt sich Melvilles Problem nicht therapieren. Als Melville unter strengen Sicherheitsmaßnahmen heimlich zu einer Psychologin außerhalb der Vatikanmauern gebracht wird, ergreift er die Gelegenheit und büxt aus. Von dieser Peinlichkeit darf natürlich niemand wissen – nicht einmal die Kardinäle... Nanni Morettis Film ist eine Kreuzung aus Komödie und Tragödie und macht für den Zuschauer begreifbar, was es für einen Menschen bedeutet Papst zu werden. Als Gegenpol zu der schweren Depression die Melville durchläuft gibt es viele witzige und groteske Elemente, über die gelacht und auch geschmunzelt werden darf. Da organisiert der im Vatikan wartende Psychologe ein Volleyball-Turnier für die Kardinäle oder erläutert ihnen die verschiedenen auf dem Markt befindlichen Schlaf- und Beruhigungsmittel bis hin zu den bereits als Drogen einzustufenden Präparate. Oder der Pressesprecher, der, um das Verschwinden des Papstes zu vertuschen, einen Schweizer Gardisten dazu anheuert, in den Privatgemächern des Papstes die Gardinen zu bewegen. Michel Piccoli brilliert in der Rolle des alten Mannes, der wider Willen zum Papst gekrönt werden soll. An seiner Seite steht ein ganzes Heer von wunderbar stimmig besetzten Darstellern, insbesondere Jerzy Stuhr in der Rolle des Pressesprechers. HABEMUS PAPAM bleibt aber trotz der ironischen Einlagen stets respektvoll gegenüber der katholischen Kirche, macht diese nicht lächerlich, sondern zeigt vielmehr, das es sich auch bei den Oberen in der Kirchenhierarchie um ganz normale Menschen mitsamt ihren Schwächen handelt.
Montag, 17. Oktober 2011
Katastrophenkino für Anspruchsvolle
Dass ein Katastrophenfilm nicht immer unglaublicher visueller Effekte bedarf, um Spannung aufzubauen, hat uns heute Steven Soderbergh bewiesen.

CONTAGION (1:1.85, DD 5.1)
OT: Contagion
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Marion Cotillard, Matt Damon, Laurence Fishburne, Kate Winslet, Gwyneth Paltrow, Jude Law
Kinostart: 20.10.2011

Eine winzige Berührung reicht bereits aus, um die Seuche zu verbreiten. Beth Emhoff ist ihr erstes Opfer. Auf der Heimreise und ausgerechnet nach vollzogenem Ehebruch wird ihr plötzlich übel, sie muss husten und bekommt Fieber. Binnen kürzester Zeit ist sie tot. Ihr Mann kann es nicht fassen. Doch es kommt noch schlimmer. Auch ihr kleiner Sohn erliegt dem Virus. Schon bald ist klar: die Welt hat ein Problem. Fieberhaft versuchen Wissenschaftler, den Auslöser für die Seuche zu finden und einen Impfstoff herzustellen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt... Anders als in amerikanischen Blockbustern ist Regisseur Steven Soderbergh sichtlich darum bemüht, die Epidemie möglichst realistisch darzustellen. Und er zeigt uns, dass man nicht viel braucht, um auf der Leinwand eine Panik darzustellen. Mit kurzen Einstellungen, die uns immerzu zeigen, wann eine menschliche Hand Kontakt mit einem Gegenstand hat, schüren die Angst unterschwellig. Zu einer authentischen Darstellung gehört aber auch der Mut, bekannte Schauspieler schon kurz nach deren Auftreten sterben zu lassen. Gwyneth Paltrow beispielsweise, die in der Rolle der Beth Emhoff zu sehen ist, stirbt innerhalb den ersten zehn Minuten des Films und taucht nur noch in Überwachungsvideos auf. Ein ähnliches Schicksal widerfährt Kate Winslet, ihres Zeichens Seuchenexpertin. Soderbergh reisst viele Themen an. Sei es nun eine Verschwörungstheorie (die Seuche könnte ein Anschlag sein), profitorientierte Pharmakonzerne, das Zerbrechen gesellschaftlicher Strukturen. Dann gibt es bei ihm auch noch den jungen Reporter, der glaubt, den ganzen Schwindel aufdecken zu können, selbst aber irgendwann durch die Aussicht auf großes Geld korrupt wird. Nur ab und zu gelingt es auch Soderbergh nicht ganz, Hollywood hinter sich zu lassen. Diese kleinen Ausrutscher aber kann man ihm verzeihen, hat er doch einen anspruchsvollen und nicht minder packenden Bio-Thriller abgeliefert, der von einem nervösen wie aufpeitschenden Score von Cliff Martinez untermalt wird. Katastrophenkino für Anspruchsvolle.
Freitag, 14. Oktober 2011
Bürgerliche Fassade ade!
Die erste Pressevorführung um 10:00 Uhr, die zweite um 15:00 Uhr. Jede Menge Zeit also dazwischen, um zu arbeiten. Was ich auch getan habe.

DER GOTT DES GEMETZELS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Carnage
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland, Polen, Spanien 2011
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Kate Winslet, Jodie Foster, Christoph Waltz, John C. Reilly
Kinostart: 24.11.2011

Mit dem Schlag eines Stocks in das Gesicht eines Mitschülers nimmt das Drama seinen Lauf. Denn dem 11jährigen Sohn von Penelope und Michael werden dabei zwei Schneidezähne ausgeschlagen. Jetzt müssen Nancy und Alan, die Eltern des ebenfalls 11jährigen Missetäters, bei den Eltern des Opfers vorsprechen. Man ist sich einig darin, die ganze Sache wie zivilisierte Menschen zu regeln. Doch je länger die vier Erwachsenen über den Vorfall debattieren, desto mehr bröckelt ihre bürgerliche Fassade und führt direkt ins Chaos... Dem erfolgreichen Theaterstück “Der Gott des Gemetzels” von Yasmina Reza hat sich Erfolgsregisseur Roman Polanski in seinem neuesten Film angenommen. Mit einem handverlesenen Ensemble entfaltet er eine bitterböse Gesellschaftskomödie vor den Augen der Zuschauer. Mit Ausnahme des Intros und des Outros, die als Außenaufnahmen in New York realisiert wurden, spielt sich der gesamte Film in der Wohnung von Nancy und Alan ab. In diesem Mikrokosmos steigert sich der vernünftige Dialog der Erwachsenen fast unmerklich zu einem handfesten Krieg. Christoph Waltz mimt den Anwalt eines großen Pharmakonzerns, der ihn unermüdlich auf dem Handy anruft. Anrufe, die ihm sehr willkommen sind, kann er sich doch dadurch der Erziehungsdebatte entziehen – sehr zum Ungemach seiner Gattin, gespielt von Kate Winslet. Die ist sehr bemüht um das Aufrechterhalten ihrer Fassade, die jedoch schon bald über Bord geworfen wird. Spätestens dann, wenn sich die Gute im eleganten Wohnzimmer der Opfer-Eltern ungehemmt übergeben muss. Jodie Foster gibt eine kleinbürgerliche Penelope ab, die sich gerne um das Schicksal afrikanischer Kinder kümmert, um sich besser zu fühlen. Ihr Mann, wie immer brillant gespielt von John C. Reilly, ist ein grobschlächtiger Eisenwaren-Vertreter, der Kleintiere nicht ausstehen kann und schon mal den Familien-Hamster ohne Nachzudenken aussetzt. Auch wenn der Film den Eindruck eines Theaterstücks nicht los wird, macht es Spaß, die sich in nur 79 Minuten (in Echtzeit) offenbarenden menschlichen Abgründe zu beobachten. Das macht gerade deshalb so viel Spaß, weil man den ein oder anderen Charakterzug oder die ein oder andere Verhaltensweise von sich selber kennt. Somit ist Polanskis neuer Film auch gleichzeitig ein Blick in den Spiegel.

DER KÖNIG DER LÖWEN – SPECIAL EDITION IN 3D (1:1.85, 3D, 5.1 + 7.1)
OT: The Lion King 3D
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 1994
Regie: Roger Allers, Rob Minkoff
Kinostart: 10.11.2011

Disney bringt mal wieder einen ihrer neueren Klassiker zurück auf die große Leinwand. Das hat Disney eigentlich schon immer so gehandhabt – zumindest in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren. Danach ließ man diese Tradition einfach sterben. Nachfolgende Generationen kennen somit diese Filme nur von DVD und neuzeitlich auch von Blu-ray. Also jenem Format, das für den Konsum zuhause gedacht ist und mit dem inzwischen das richtig große Geld verdient wird. Warum also beschert uns Disney nun plötzlich ein Revival von DER KÖNIG DER LÖWEN? Ganz einfach: es handelt sich um eine groß angelegte Werbekampagne für die am Starttag des Films in allen Kaufhäusern, Tankstellen und Lebensmitteldiscountern zum Schnäppchenpreis zu erwerbende Blu-ray Disc! Und da man bei Disney offensichtlich der Meinung ist, dass man einen “alten” Film nur dann wieder erneut vermarkten kann, wenn man einen Mehrwert bietet, hat das Studio keine Kosten und Mühen gescheut, den 2D-Film in 3D umwandeln zu lassen. Man kann sich jetzt natürlich darüber streiten, ob ein extrem dunkles Bild und eine schwere Brille auf der Nase tatsächlich einen Mehrwert darstellt oder nicht. Fakt ist, dass der enorme Erfolg in den USA Disney in ihrem Vorgehen beflügelt hat und das Studio angedroht hat, weitere Klassiker mit einer dritten Dimension zu vergewaltigen. Mit persönlich hat weder der dreidimensionale KÖNIG DER LÖWEN gefallen noch kann ich mich damit anfreunden, dass Disney seine Originale dadurch entstellt. Leider ist Disney mit dieser Vermarktungsstrategie nicht alleine. Denn sowohl George Lucas als auch James Cameron packen ihre alten Filme nochmals an und verbiegen diese bis zur Unkenntlichkeit. Im Fall von KÖNIG DER LÖWEN kommt ein weiterer Aspekt dazu, der mich gestört hat. Denn mit der dritten Dimension hat man dem Film auch gleich noch eine neue Tonmischung verpasst. Damit ertönt der Film jetzt in ausgewählten Kinos mit 7.1-Sound. Und damit auch alle im Kinosaal hören, das da etwas zu hören ist, wurde der Surround-Bereich etwas überfrachtet mit Ton. Das Ganze scheint damit aus der Balance zu geraten. Ob dasselbe auch für die englische Originalfassung gilt, vermag ich nicht zu sagen, da der Filmverleih uns leider nur die deutsche Fassung gezeigt hat. Wer den Film in guter Erinnerung behalten möchte, dem rate ich vom Besuch der 3D-Fassung ab.
Donnerstag, 13. Oktober 2011
Liebe im KZ und ein abgestürzter Nikolaus
Glück im Unglück hatte ich heute. Denn nachdem die Filmkopie für die Matinee zu spät geliefert wurde und damit der Film mit einer Stunde Verspätung startete, war ich dankbar, dass es den zweiten Film erst am späten Nachmittag gab.

DIE VERLORENE ZEIT (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Movienet (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Anna Justice
Darsteller: Alice Dwyer, Dagmar Manzel, Mateusz Damiecki
Kinostart: 24.11.2011

Ein Konzentrationslager in Polen im Jahre 1944. Eine große Liebe verbindet die Jüdin Hannah Silberstein mit dem ebenfalls inhaftierten Polen Tomasz. Gemeinsam planen die beiden ihre Flucht aus dem KZ, die tatsächlich gelingt. Doch in den Kriegswirren verlieren sich die Liebenden aus den Augen. Dreißig Jahre später. Hannah ist glücklich verheiratet, hat eine Tochter und lebt in New York. Zufällig sieht sie eine Talk-Show im Fernsehen und glaubt, den tot geglaubten Tomasz zu erkennen. Ihre Vergangenheit holt sie wieder ein und sie beginnt wieder Nachforschungen anzustellen... Wieder einmal ist es eine wahre Geschichte, von der sich die Drehbuchautorin und Regisseurin für ihren Film haben inspirieren lassen. Laut der Regisseurin Anna Justice sind allerdings auch Versatzstücke anderer Biographien in die Charaktere eingeflossen. So ergreifend die wahre Geschichte auch sein mag, sie wirkt in dieser Kinoinszenierung einfach nicht nachhaltig genug. Da stört schon die extrem wackelige Kameraarbeit, die zu regelrechtem Schwindelgefühl führt und die immer in jenen Szenen vorherrscht, die in der Vergangenheit im KZ angesiedelt sind. Dann gibt es zu allem Überfluss auch gleich noch zwei Szenen, die kurze Zeit später in etwas veränderter Form wiederholt werden. Vermutlich soll dadurch Spannung oder gar ein “Aha”-Erlebnis aufgebaut werden, was leider gründlich schiefgeht. Wenn auch der Film insgesamt eher unter den Erwartungen bleibt, so stimmt zumindest sein Ende versöhnlich. Positiv ist zu erwähnen, dass der Film zusätzlich zu einer rein deutschen Synchronfassung auch in seiner dreisprachigen Originalversion (Deutsch, Englisch, Polnisch) in die Kinos gebracht wird. Letztere ist die zu bevorzugende Fassung.

ALS DER WEIHNACHTSMANN VOM HIMMEL FIEL (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland, Österreich 2011
Regie: Oliver Dieckmann
Darsteller: Alexander Scheer, Noah Kraus, Charly Hübner
Kinostart: 24.11.2011

Auf der Flucht vor dem an reinem Kommerz interessierten Waldemar Wichteltod und seiner Nussknacker-Armee flieht der letzte echte Weihnachtsmann Niklas Julebukk aus dem Weihnachtsland in die Welt der Menschen. Mit seinen beiden winzigen Engeln und zwei Kobolden landet er ausgerechnet in jenem Kaff, in dem der kleine Ben mit seiner Familie lebt. Dessen Vater ist arbeitslos und seine Mutter versucht, ihr eben eröffnetes Schokoladengeschäft zum Erfolg zu führen. Nichts wünscht sich der in der Schule gemobbte Ben so sehr wie einen richtigen Freund zu haben und ein schönes Weihnachtsfest zu feiern. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein – bis er zufälligerweise Niklas Julebukk begegnet... Nach einem Bestseller von Cornelia Funke inszenierte Oliver Dieckmann einen Weihnachtsfilm für die ganz kleinen Zuschauer. Begleitende Erwachsene allerdings werden dieses Werk vermutlich als schier unerträglich abstempeln und den Ausspruch von Julebukk “Ich komme wieder!” als Drohung für einen Fortsetzungsfilm auffassen. Die vielen visuellen Effekte wirken in dieser deutschen Produktion teilweise recht holprig (insbesondere die beiden Kobolde) und lassen nur erahnen, mit welcher Magie dieser Stoff von einem amerikanischen Studio ausgestattet worden wäre. Wer es also nicht aus Liebe zu seinen Kindern schauen muss, sollte einen alternativen Kinogang planen.
Mittwoch, 12. Oktober 2011
Das Ende ist nah
Obgleich wir bei der heutigen Pressevorführung aufgrund der Schludrigkeit des Filmvorführers mittendrin eine ungewollte Pause von 40 Minuten einlegen mussten, bin ich am Ball geblieben.

HERZ DES HIMMELS, HERZ DER ERDE (1:1.85, DD 5.1)
OT: Ends Of The Earth
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Frauke Sandig, Eric Black
Kinostart: 01.12.2011

Dass sie plötzlich im Rampenlicht stehen, haben die Nachfahren der legendären Mayas eigentlich nur ihrem ewigen Kalender zu verdanken. Und das auch nur, weil eben jener für das Jahr 2012 einen Weltuntergang prophezeit. Doch die Welt schließt ganz offensichtlich die Augen vor den tatsächlichen Problemen der Indios. Frauke Sandig und Eric Black lassen in ihrem Dokumentarfilm einige zeitgenössische Vertreter der vielen Maya-Stämme zu Wort kommen. So erfährt man von der systematischen Vertreibung der Urvölker aus ihrem Land durch Militärs. Viele fanden dabei den Tod, noch mehr werden vermisst. Eine Indio-Frau mutmaßt, dass diese Aktion im Auftrag von multinationalen Konzernen geschah. Diese Konzerne sind auf das Maya-Land so erpicht, weil dort immense Goldvorkommen vermutet werden. Dieser Raubbau an der Natur steht im krassen Gegensatz zur Lebensweise der Mayas, die sich in die Natur integrieren und sie sich nicht Untertan machen. Jeder ist Teil von allem. Wenn die Natur zerstört wird, so wird auch Leben zerstört. Die Haupteinnahmequelle der Maya-Nachfahren ist der Anbau von Mais. Doch seit die Regierung, die nicht am Schicksal dieser Minderheit interessiert zu sein scheint, ein Gesetz erlassen hat, das ausländischen Konzernen den Anbau von genmanipuliertem Mais erlaubt, ist der Absatz des Naturmais extrem rückläufig. Die Maya-Erben kämpfen um ihr Überleben. Erst ganz allmählich schließen sich die unterschiedlichen Volksgruppen zusammen, um gegen das radikale Vorgehen der Regierenden Sturm zu laufen. Glaubt man dem ewigen Kalender der Mayas, so ist dies vielleicht bereits zu spät. Denn die Erde hat schon damit begonnen, sich zu reinigen – in Form von Stürmen und Flutkatastrophen. Der eindringliche Dokumentarfilm bleibt unkommentiert, so dass der Betrachter sich mithilfe der Aussagen der Indios ein eigenes Bild über die nahende Katastrophe erstellen kann. Von den filmischen Mitteln her betrachtet wirkt die Dokumentation eher wie eine TV-Doku. Doch nachdem in den Fernsehanstalten lieber über Finanzkrisen oder Kindesmissbrauch berichtet wird, ist es lobenswert, dass sich überhaupt jemand mit dem Schicksal der südamerikanischen Indios auseinandersetzt. Und das dann gleich auf der großen Leinwand.
Dienstag, 11. Oktober 2011
Shakespeare oder nicht Shakespeare – das ist hier die Frage
Mit einem gewissen Grad an Erschöpfung, verursacht durch das 70mm-Todd-AO-Festival, habe ich mich heute wieder in eine Pressevorführung geschleppt und mich über das kleine Bild gewundert...

ANONYMUS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Anonymous
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: Großbritannien, Deutschland 2011
Regie: Roland Emmerich
Darsteller: Rhys Ifans, Vanessa Redgrave, Joely Richardson
Kinostart: 10.11.2011

Im England unter Königin Elizabeth I werden die Theaterstücke eines gewissen William Shakespeare extrem populär, da sie nicht nur die menschliche Natur, sondern auch die politische Situation im Land widerspiegeln. Doch niemand ahnt, dass nicht Shakespeare der Autor ist, sondern der Earl of Oxford, ein Edelmann, dessen gesellschaftliche Stellung ihm das Schreiben verbietet. Weil er aber seine Stücke aufgeführt sehen möchte, wendet er sich an einen Mittelsmann, der sich als Urheber der Werke ausgeben soll. So beginnt ein gefährliches Spiel um Macht und Thronfolge... Hat tatsächlich William Shakespeare jene Stücke geschrieben, die ihm seit Jahrhunderten zugeschrieben werden? Dieser Frage, die seit Jahrzehnten viele Wissenschaftler und Literaten beschäftigt, geht Roland Emmerich in seinem neuesten Film nach. Das ist umso ungewöhnlicher, als man den schwäbischen Spielberg eigentlich nur noch mit katastrophalen Katastrophenfilmen in Verbindung bringt. Doch mit ANONYMUS beweist der in Sindelfingen aufgewachsene gebürtige Stuttgarter, dass er endlich erwachsen geworden ist. Nicht nur, dass er endlich mit guten Schauspielern arbeitet, auch das Drehbuch ist ungewöhnlich. Vielleicht liegt es ja einfach daran, dass es nicht aus der Feder des Regisseurs stammt (obgleich man seit Shakespeare natürlich jetzt immer zweifeln darf!). Aufwändig in Szene gesetzt und hier und da mit beeindruckenden und nicht zum reinen Selbstzweck verkommenden visuellen Effekten ausgestattet, die das elizabethanische London auferstehen lassen. Der auf drei Zeitebenen erzählte Film ist dabei durchaus etwas verwirrend. Doch das unterstützt umso mehr die verwirrenden Theorien, die sich um die Person Shakespeares bzw. dessen Ghostwriter ranken. ANONYMUS hat alles, was auch schon bei Shakespeare nachzulesen ist - Verrat, Sex, Mord und Inzest – und ist dazu noch beeindruckend inszeniert. Die Kameraarbeit von Anna J. Foerster und der Score von Thomas Wander und Harald Kloser fallen ebenso positiv auf wie Ausstattung und Kostüme. Ich fühlte mich gut unterhalten.
Donnerstag, 06. Oktober 2011
Frauenrollen und Männerrollen
Gleich zwei Filme, in denen es im Grunde genommen um einen Kampf der Geschlechter geht, wurden heute der Presse gezeigt.

DER GANZ NORMALE WAHNSINN – WORKING MUM (1:1.85, DD 5.1)
OT: I Don’t Know How She Does It
Verleih: Wild Bunch (Central)
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Douglas McGrath
Darsteller: Sarah Jessica Parker, Pierce Brosnan, Greg Kinnear
Kinostart: 17.11.2011

Kinder und Karriere – geht das? Zumindest für die smarte und erfolgreiche Finanzmanagerin Kate sind das keine Ausschlusskriterien! Mit geübter Hand und mit einem exakt geplanten Stundenplan schafft sie das, wovon sogenannte Nur-Hausfrauen träumen. Als die Karrierefrau jedoch plötzlich den Zuschlag zum Abschluss eines großen Geschäfts erhält, kommt ihr mühsam erarbeiteter Time Table gehörig ins Schleudern. Nicht nur, dass sie jetzt ständig auf Geschäftsreisen gehen muss, auch ihr Geschäftspartner Jack Abelhammer (mit dem sie plötzlich mehr Zeit verbringt als mit ihren beiden Kindern und dem Ehemann) findet großen Gefallen an ihr... Mit netten Regieeinfällen lockert Douglas McGrath seine Komödie über ein aktuelles Thema vortrefflich auf. Da erscheinen beispielsweise Kates imaginäre Listen, die sie Nacht für Nacht gedanklich ausarbeitet, um Familie und Business zu organisieren, sichtbar an der Decke des Schlafzimmers. Oder es treten einfach einzelne Darsteller aus der Szene heraus und sprechen mit dem Publikum während der Hintergrund einfach kurz einfriert. In anderen Szenen sprechen die Darsteller mit einem imaginären Interviewer und äußern ihre Meinung zum Themenkomplex Karriere und Familie – gerade so, als ob sie Teil einer Reality-Show wären. Was die Besetzung angeht, so glänzen speziell die Nebenrollen. Olivia Munn als Kates Junior-Partnerin Momo, die extrem antiseptisch wirkt und auf keinen Fall Kinder haben möchte. Oder Seth Meyers als der intrigierende und stets schleimende Kollege Chris Bunce. Pierce Brosnans Rolle als Kates Geschäftspartner ist leider allzu sehr klischeehaft angelegt: der gutaussehende, ledige, gute Umgangsformen pflegende und seine Kollegin schätzende Jack Abelhammer ist etwas “overdone”. Positiv zu verzeichnen ist bei dieser netten, kleinen Komödie, dass sie ausschließlich aus der Sicht der Frauen erzählt wird. Da können dann Männer sogar noch etwas dazulernen.

ROMEOS (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Pro-Fun
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Sabine Bernardi
Darsteller: Rick Okon, Maximilian Befort, Liv Lisa Fries
Kinostart: 08.12.2011

Als Lukas seinen Zivildienst in Köln antritt, landet er im Schwesternhaus des Zivi-Wohnheims. Nur seine beste Freundin Ine weiß warum: Lukas ist auf dem Weg, sich von einer Frau in einen Mann umwandeln zu lassen. Da die Eierstöcke noch nicht entfernt wurden, wird er in Dokumenten immer noch als Frau geführt. Ine, eine Lesbe auf der Suche nach einer treuen Freundin, weiht Lukas in die angesagten schwul-lesbischen Clubs von Köln ein. Als er den schwulen Macho Fabio kennenlernt, ist es um ihn geschehen: Lukas verliebt sich. Doch Lukas kann sich noch nicht ihm gegenüber outen, weil er Angst hat, dass sich Fabio aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Geschlechtsumwandlung von ihm abwendet. Konflikte sind vorprogrammiert... Sabine Bernardi führt mit ihrem Coming-Out-Drama in eine Welt ein, die vielen Menschen vollkommen unbekannt ist. Eine Welt, in der Geschlechter nicht mehr eindeutig festgelegt sind. So lässt sich Lukas nur deshalb von einer Frau in einen Mann umwandeln, damit er schwul sein kann. Auch wenn der Film bemüht ist, Verständnis für die Probleme dieser Art der Liebe zu wecken, zieht er sich durch das viele Hin- und Her zwischen den Protagonisten leider ein bisschen zu lange hin, so dass man als Zuschauer zunehmend das Interesse verliert. Der Film eignet sich daher nur für eine sehr eingeschränkte Zielgruppe. Positiv fällt allerdings der sehr dynamische Techno-Score auf, mit dem der Film unterlegt ist.
Dienstag, 04. Oktober 2011
Peinlich
Der heute gezeigte Film ist eines jener Beispiele, bei denen man sich wundert, dass so etwas überhaupt produziert wird.

ATEMLOS – GEFÄHRLICHE WAHRHEIT (1:2.35, DD 5.1)
OT: Abduction
Verleih: StudioCanal
Land/Jahr: USA 2011
Regie: John Singleton
Darsteller: Taylor Lautner, Lily Collins, Alfred Molina
Kinostart: 13.10.2011

Nathan Harper ist ein typischer Teenager wie viele andere auch. Vom Stress der Highschool erholt er sich bei ausschweifenden Partys oder jagt mit möglichst vielen PS zusammen mit seinen Kumpels die Straßen entlang. Im Elternhaus hat er nicht viel zu lachen, denn sein Vater trainiert ich eisern in Selbstverteidigung. Und wegen der mysteriösen Träume, die er ständig hat, ist er bei der Analytikerin Dr. Bennett in Therapie. Für ein Schulprojekt soll er zusammen mit seiner hübschen Nachbarin Karen, mit der er einmal etwas hatte, Websites recherchieren. Dabei stoßen die beiden zufällig auf eine Website, auf der vermisste Kinder verzeichnet sind. Eines dieser Kinder sieht ihm beängstigend gleich. Sind sein Vater und seine Mutter möglicherweise gar nicht seine Eltern? Wurde er entführt? Gerade als er seine vermeintliche Mutter zur Rede stellt, dringen zwei finstere Gestalten in das Haus ein und töten die Eltern. Zusammen mit Karen gelingt Nathan die Flucht. Die beiden sehen sich plötzlich inmitten eines Geflechts aus Spionage, Betrug und Mord... Ein Anruf von einem öffentlichen Fernsprecher in dem Krankenhaus, in das Nathan seine Karen bringt, nachdem sie knapp dem Tode entronnen sind, setzt das gesamte Räderwerk in diesem Film in Gang. Denn statt der gewählten Notrufnummer meldet sich plötzlich die CIA. Regisseur John Singleton und sein Drehbuchautor Shawn Christensen scheint hier die Realität vollkommen abhanden gekommen zu sein! Die sich jetzt entspinnende Geschichte entbehrt leider jeder Glaubwürdigkeit und verfolgt einzig und allein den Zweck, TWILIGHT-Star Taylor Lautner als neuen Actionhelden zu pushen. Dieses Projekt ist jedoch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn Lautner gelingt es nicht einmal ansatzweise, den Actionhelden zu mimen. Dazu bedarf es einfach mehr als nur ein muskelbepackter nackter Oberkörper und Martial Arts Verrenkungen. Selbst der Versuch einer Liebesszene zwischen ihm und seiner Kollegin Lily Collins entartet zu einer Oberpeinlichkeit. Bei dem ganzen hanebüchenen Handlungskonstrukt wundert man sich, dass hochkarätige Chargen wie Alfred Molina, Maria Bello und Michael Nyqvist für diesen Film verpflichtet werden konnten. Aber das Leben steckt eben voller Überraschungen.

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