Freitag, 27. Januar 2012
Krimis aus Norwegen und Indien
Den Abschluss meiner Pressewoche bildeten zwei Action-Krimis. Welchem der beiden gebe ich wohl die höhere
Wertung? Lesen Sie selbst.
HEADHUNTERS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Hodejegerne
Verleih: NFP (Drei-Freunde)
Land/Jahr: Norwegen, Dänemark, Deutschland 2011
Regie: Morten Tyldum
Darsteller: Aksel Hennie, Nikolaj Coster-Waldau, Synnøve Macody Lund
Kinostart: 15.03.2012
Er ist zwar nur 168cm groß, lebt dafür aber auf sehr großem Fuß: der extrem erfolgreiche Headhunter Roger hat alles,
was man(n) braucht. Ein Designer-Haus, ein tolles Auto und eine dazu passende Frau. Die versucht sich gerade als
Galeristin. Um seiner Frau den gewohnten Lebensstil finanzieren zu können, beschreitet Roger allerdings weniger legale
Wege. Denn mit seinem Gehalt als Headhunter lässt sich der Luxus keinesfalls halten. So führt er ein Doppelleben als
Kunstdieb. Mit Hilfe seines Komplizen, der bei einer Sicherheitsfirma arbeitet, gelangt er problemlos in jedes Haus und
kann die wertvollsten Gemälde von den Wänden klauen – zumeist bei jenen Personen, die bei ihm als Headhunter
vorstellig werden. Sein gut eingerichtetes Leben gerät jedoch aus den Fugen, als er beim Einbruch das Handy seiner
Frau im Bett seines Klienten findet. Betrügt sie ihn? Als kurz darauf auch plötzlich noch sein Komplize scheinbar tot in
Rogers Auto liegt, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Morten Tyldum präsentiert in seinem Film
norwegische Krimikost nach dem Roman von Jo Nesbø. Wer da anfangs glaubt, dass es dabei nur gemächlich und mit
einer gehörigen Portion Sarkasmus zugeht, der hat sich geirrt. Denn binnen der ersten halben Stunde des Films vollführt
selbiger einige überraschende Saltos. Der smarte Roger sieht sich plötzlich einer Verschwörung ausgesetzt, der zu
entfliehen ihm schier unmöglich gemacht wird. Mit handfesten Splattereinlagen und schwarzem Humor legt der Film
jetzt ein Tempo zu, das man gar nicht für möglich gehalten hätte. HEADHUNTERS ist spannendes, witziges und
intelligentes Thriller-Vergnügen nicht nur für Genre-Fans. Unbedingt anschauen!
DON – THE KING IS BACK (1:2.35, DD 5.1 EX + 7.1)
OT: Don 2
Verleih: Rapid Eye Movies HE
Land/Jahr: Indien 2011
Regie: Farhan Akhtar
Darsteller: Shah Rukh Khan, Priyanka Chopra, Lara Dutta
Kinostart: 16.02.2012
Durch die Intrige eines Drogenkartells landet Supergangster Don ausgerechnet in dem Gefängnis, in dem auch sein
Erzrivale einsitzt. Als es zur Konfrontation kommt, gibt ihm Don zu verstehen, dass dies alles zu seinem neuen Plan
gehört: Don möchte die Druckplatten für Euro-Scheine aus der Zentralbank in Berlin stehlen... Die Vorfreude nach
langer Zeit endlich einmal wieder einen Bollywood-Film auf der großen Leinwand sehen zu dürfen, war leider schnell
vorbei. Denn die gewohnt gute Bild- und Tonqualität aus dem Filmland Indien war in DON 2 nicht zu finden. Man
möchte fast behaupten, dass die Tonspur bei diesem Film suboptimal eingesetzt wird. Das ist umso erstaunlicher, da
DON 2 einer der ersten Bollywood-Filme mit Dolby Surround 7.1 Tonmischung ist. Auch die Bildqualität enttäuschte
bei der gesichteten 35mm-Kopie und lässt auf ein Duplikatnegativ schließen. Abgesehen von der nicht überzeugenden
Technik enttäuscht auch der Film selbst. Fans der berühmten “Song & Dance”-Einlagen werden hier nicht auf ihre
Kosten kommen. Dafür gibt es umso mehr Action-Szenen, in denen sich SRK prügeln darf. Dass der Film hauptsächlich
in Berlin spielt, wirkt irgendwie seltsam und fühlt sich fast schon wie ein Fremdkörper an. Dass die mit Blaulicht durch
die Berliner Straßen rasenden Polizei- und Feuerwehrautos kein “Tatü-Tata” von sich geben, sondern mit
amerikanischen Sirenen ausgestattet sind, verstärkt das Fremdkörpergefühl immens. Wenn sich das Bollywood-Kino mit
solchen Produktionen an westliche Standards annähern möchte, dann kann man das nicht gut heissen. Bollywood kann
auch anders – und viel besser!
|
Donnerstag, 26. Januar 2012
Hausarrest und Fussballsammelkarten
Eine Liebesgeschichte vor politischem Hintergrund und ein Kinderfilm über Ängste standen heute auf der
Tagesordnung.
THE LADY – EIN GETEILTES HERZ (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Lady
Verleih: Universum (Walt Disney)
Land/Jahr: Frankreich, Großbritannien 2011
Regie: Luc Besson
Darsteller: David Thewlis, Michelle Yeoh, William Hope
Kinostart: 05.04.2012
Aung Sang Suu Kyi – ihr Schicksal ging um die ganze Welt. Als sie noch ein Kind war, wurde ihr Vater, der oberste
General von Burma, bei einem Militärputsch getötet. Im Exil in England heiratete sie viele Jahre später den
Oxford-Professor Michael Aris, mit dem sie schließlich zwei Söhne hat. Ende der Achtziger Jahre führt sie der
Schlaganfall ihrer Mutter zurück in die Heimat, wo sie sehr schnell zur Hoffnungsträgerin der unterdrückten
Bevölkerung avanciert. Doch das Militärregime ist nicht geneigt, seine Macht abzugeben und stellt sie unter Hausarrest.
Ein Arrest, der viele Jahre dauern wird... Mit THE LADY meldet sich Frankreichs Kultfilmer Luc Besson wieder
zurück in den Regiestuhl. Doch politische Themen scheinen leider nicht seine Stärke zu sein. So gerät der Film sehr
schnell zu einem Film über die Liebe zwischen der Volksheldin und ihrem Oxford-Professor, die im Laufe der vielen
Jahr auf harte Proben gestellt wird. Bessons Film plätschert ohne richtige Höhepunkte dahin und kommt erst gar nicht in
Versuchung, sich mit den politischen Hintergründen auseinanderzusetzen. Das aber wäre sicherlich die wesentlich
interessante Geschichte, zumal Suu Kyis Entlassung aus dem Hausarrest erst vor wenigen Monaten erneut um die Welt
ging und ihre Geschichte bei den meisten Zuschauern äußerst präsent sein dürfte. Der Film endet interessanterweise mit
dem Tod von Michael Aris, der Ende der Neunziger Jahre an Krebs starb. Warum die zuvor freigelassene Suu Kyi
danach für weitere acht Jahre unter Hausarrest gestellt wurde, beantwortet Bessons Film nicht, sondern geht direkt zu
den Endtiteln über. In technischer Hinsicht gibt es bei Besson jedoch nichts zu mäkeln. Auch seine beiden
Hauptdarsteller überzeugen – David Thewlis sogar mehr noch als Michelle Yeoh. Fazit: viel zu seicht.
THE LIVERPOOL GOALIE ODER: WIE MAN DIE SCHULZEIT ÜBERLEBT! (1:1.85, DD 5.1)
OT: Keeper’n Til Liverpool
Verleih: Drei-Freunde (Kinostar)
Land/Jahr: Norwegen 2010
Regie: Arild Andresen
Darsteller: Ask von der Hagen, Susanne Boucher, Andrine Saether
Kinostart: 15.03.2012
Das Einzige, was ihm von seinem Vater noch geblieben ist, sind die beiden Handmuskeltrainer. “Wenn Du richtig
zupacken kannst, dann gelingt Dir alles” war sein Spruch. Und man muss immer aufpassen. Ausgerechnet unter der
Dusche ist er dann ausgerutscht und war sofort tot. Seither lebt der kleine Jo zusammen mit seiner übervorsichtigen
Mutter im kleinen Häuschen. In der Schule ist er zwar Klassenprimus, wird dafür aber von dem Muskelpaket Tom-Erik
drangsaliert und muss für ihn die Hausaufgaben machen. Seine große Leidenschaft und auch die seiner Kameraden ist
das Sammeln von Fussballbildern. Das Bild vom Torwart der Mannschaft von Liverpool ist dabei das große Objekt der
Begierde. Niemand hat es bisher bekommen. Aus Fussball selbst macht sich Jo nichts, da dieser Sport viel zu gefährlich
sei. Als jedoch die hübsche Mari Lien in die Klasse kommt, ist es um Jo geschehen: er verliebt sich. Und alles wird sich
ändern. Mit THE LIVERPOOL GOALIE liefert Regisseur Arild Andresen den erneuten Beweis, dass richtig gute
Kinderfilme fast ausschließlich aus nördlichen Ländern kommen. Sein Film macht einfach Spaß – nicht nur Kindern,
sondern gleichermaßen auch Erwachsenen. Mit tollen Regieeinfällen gestaltet sich Andresens Film extrem kurzweilig.
Da lässt er uns direkt teilhaben an Jos Gedankenspielen. Denn wann immer Jo vor einer Entscheidung steht, sehen wir
immer den “Worst Case” als Fallstudie im Zeitraffer vor unseren Augen ablaufen. Mal wird aus ihm ein Junkie, mal ein
Fall für die Klapsmühle, mal wird er erschossen, mal landet er als Fischfutter im Fluss. Die Szenarien sind einfallsreich
schwarz-humorig, jedoch nach wie vor kindgerecht umgesetzt. Und die Botschaft des Films wird unaufdringlich
vorgetragen: man muss im Leben auch einmal etwas wagen. So endet denn der Film auch mit einer wunderbaren
Einstellung: Jo steht als Torwart im Fussballtor. Als der gegnerische Stürmer unaufhaltsam mit dem Ball auf das Tor
zukommt, wagt Jo den entscheidenden Schritt vorwärts aus dem Tor heraus. Ob er den Ball hält oder nicht wird man nie
erfahren. Aber das ist in diesem Moment vollkommen unwesentlich. THE LIVERPOOL GOALIE ist ein kleines
Filmjuwel.
|
Mittwoch, 25. Januar 2012
Verlustängste
Heute gab es zwar nur eine einzige Pressevorführung, dafür aber einen sehr ungewöhnlichen Film.
TAKE SHELTER – EIN STURM ZIEHT AUF (1:2.35, DD 5.1)
OT: Take Shelter
Verleih: Ascot Elite (24 Bilder)
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Jeff Nichols
Darsteller: Michael Shannon, Jessica Chastain, Shea Whigham
Kinostart: 22.03.2012
Curtis ist ein fürsorglicher und liebevoller Familienvater. Mit Ehefrau Samantha und der gemeinsamen taubstummen
Tochter Hannah lebt der Bauarbeiter in einem kleinen Häuschen irgendwo in den USA. Alles ist in Ordnung, wären da
nicht die üblen Alpträume, die Curtis seit ein paar Tagen quälen. Darin sieht er sich und seine Familie einem brachialen
Sturm ausgesetzt. Als er plötzlich auch noch alptraumhafte Halluzinationen hat, in der es ebenfalls um einen Sturm geht,
beschließt er zu handeln: er erweitert den Schutzbunker auf seinem Grundstück. Gleichzeitig begibt er sich in
psychiatrische Behandlung, da bei seiner Mutter im selben Alter paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde. Ist
Curtis verrückt oder hat er Vorahnungen? An dieser Frage droht bald seine Ehe zu scheitern... Da baut Curtis also seine
Version der Arche Noah – von allen verspottet und sehr zum Missfallen seiner Frau. Denn das dafür investierte Geld
könnte sehr viel sinnvoller in eine notwendige Operation für die kleine Tochter gesteckt werden. Doch Curtis ist
beharrlich. Michael Shannon mimt diese Beharrlichkeit, die irgendwo zwischen Besessenheit und Wahnsinn pendelt,
sehr überzeugend. Auch Jessica Chastain als seine Frau Samantha überzeugt in ihrer Rolle. Mit den Bild- und
Tonmitteln des Horrorfilms führt uns Regisseur Jeff Nichols die Alpträume seines Protagonisten ebenso plastisch vor
Augen wie die subtile Bedrohung, die Curtis den ganzen Tag zu spüren scheint. David Wingos Filmmusik passt
hervorragend zu den Bildern und sorgt für die richtige Stimmung. TAKE SHELTER ist ein ungewöhnlicher Film,
der sich packend mit der Angst vor einem Verlust auseinandersetzt.
|
Dienstag, 24. Januar 2012
Ein deutsches Doppel
Ob sich der erste Film mit Ruhm bekleckern wird und man im zweiten Film ein bisschen Türkisch lernen kann – diese
schwerwiegenden Fragen sollte das heutige Doppelprogramm beantworten.
RUHM (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: NFP (Warner)
Land/Jahr: Deutschland, Österreich, Schweiz 2012
Regie: Isabel Kleefeld
Darsteller: Gennadi Vengerov, Senta Berger, Heino Ferch
Kinostart: 22.03.2012
Aufgrund einer Sperrfristvereinbarung gibt es die Kurzkritik zu diesem Film erst ab 12.03.2012 an dieser Stelle
TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER – DER FILM (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Bora Dagtekin
Darsteller: Josefine Preuß, Elyas M'Barek, Anna Stieblich
Kinostart: 15.03.2012
Als der Ferienflieger notwassern muss, sieht sich die hübsche Lena dem Supergau ausgesetzt. Denn ausgerechnet mit
dem Deutschtürken Cem, dessen Schwester Yagmur und dem stotternden Griechen Costa sitzt sie jetzt auf einer
einsamen Insel mitten im Indischen Ozean fest, während ihre durchgeknallte Mutter im Nobelhotel etwas mit Cems
Vater beginnt... Basierend auf der gleichnamigen TV-Serie kommt nun also die XXL-Version in breitem CinemaScope
in die Kinos. Nach Sichtung der uns vom Filmverleih leider nur als unfertige Fassung vorgeführten Filmversion stelle
ich mit Entsetzen fest, dass man nicht einmal im Kino mehr sicher vor derlei seichter Vorabendkost ist! Hier geht es nur
um möglichst frauenfeindliche Sprüche und peinliches Machogehabe. Das präsentiert Elyas M'Barek wie immer gekonnt
gut, zeigt aber auch deutlich, dass sich Herr M’Barek immer nur auf dieselbe Rolle casten lässt. Schade eigentlich. Wer
beim Besuch dieses Films trotzdem noch lachen kann, dem gebührt ein Ehren-Oscar.
|
Freitag, 20. Januar 2012
Eine Erwachsene wird erwachsen
Eine Komödie mit ernsten Momenten bescherte mir die letzte Pressevorführung dieser Woche.
YOUNG ADULT (1:1.85, DD 5.1)
OT: Young Adult
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Jason Reitman
Darsteller: Charlize Theron, Patton Oswalt, Patrick Wilson
Kinostart: 23.02.2012
Mit 37 Jahren hat Mavis Gary bereits ihre besten Jahre hinter sich. Einst war sie begehrte Autorin einer Romanreihe für
Jugendliche, doch die Schreibkunst hat sie verlassen und die Serie soll eingestellt werden. Auch eine Ehe hat sie bereits
hinter sich. Als sie in ihrem elektronischen Postfach eine Rundmail findet, in der ihr inzwischen verheirateter Ex-Freund
Buddy stolz die Geburt seines Kindes mitteilt, fasst sie einen Entschluss: sie will Buddy mit allen Mitteln
zurückgewinnen. Das Ziel vor Augen fährt sie von Minneapolis zurück in das Nest, aus dem sie stammt... Dass Mavis
auch mit 37 noch längst nicht erwachsen ist, beweist sie mit jedem ihrer Schritte, die sie tut. Nur weiß sie es nicht.
Zumindest noch nicht. Denn die Heldin der Geschichte wird im Laufe des Films eine Entwicklung durchleben – von der
nicht nur von Teenager-Erinnerungen trunkenen, flippigen Frau hin zur selbstbestimmten Erwachsenen. Charlize Theron
spielt Mavis. Und sie tut das sehr authentisch. Unter den Fittichen von Regisseur Jason Reitman demonstriert sie, wie
man in den Kampf zieht, um einen Mann zu erobern. Viel Make-Up, Maniküre, Petiküre – ja sogar falsche Brüste sind
die Tools, mit denen Mavis ihren Körper einsatzbereit macht. Das ganze Procedere wird von Jason Reitman mit
genialen Montagen wie schon in UP IN THE AIR satirisch ins rechte Bild gerückt. Wie in fast allen seinen Filmen
vermischt Reitman auch dieses Mal wieder komische und ernste Momente und schafft damit einen unterhaltsamen, aber
auch nachdenklichen kleinen Film jenseits amerikanischer Mainstream-Ware.
|
Donnerstag, 19. Januar 2012
Moskauer Nächte und gute Menschen in Marseille
Das einzige Double Feature in dieser Woche servierte deutsche und französische Film-Kost.
DIE VIERTE MACHT (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Universal
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Dennis Gansel
Darsteller: Rade Serbedzija, Moritz Bleibtreu, Kasia Smutniak
Kinostart: 08.03.2012
Der Deutsche Paul Jensen heuert durch die Vermittlung eines einflussreichen Freundes seines tödlich verunglückten
Vaters bei einer Illustrierten in Moskau an. Er soll dem Blatt neuen Schwung verleihen und zusammen mit seinem
Fotografen die Moskauer Club-Szene ins Visier nehmen. Da wird er zufällig Zeuge des Mordes an einem
Polit-Journalisten. Auf Bitte seiner attraktiven Kollegin Katja lässt er einen Nachruf auf den Toten abdrucken – sehr
zum Missfallen des Chefredakteurs. Als er wenig später auch noch in unmittelbarer Nähe eines Bombenattentats auf die
Moskauer U-Bahn gesehen wird, gerät er in die Hände der russischen Polizei und wird als Terrorverdächtiger in ein
Gefängnis verschleppt. Für Paul beginnt eine harte Zeit auf Leben und Tod... Deutschlands große Nachwuchshoffnung
Dennis Gansel, der mit DIE WELLE sein beachtliches Debüt gab und sich mit WIR SIND DIE NACHT sogar an
einen deutschen Vampirfilm wagte, tat nicht gut daran, DIE VIERTE MACHT zu inszenieren. Nicht nur, dass der Film
unter mittelmäßigen Darstellern leidet, er ist auch in jeder Hinsicht konventionell geskriptet und inszeniert. Alles kalter
Kaffee möchte man sagen. Und man wird es sagen. Hinzu kommen unfreiwillig komische Einlagen wie jene, in der Paul
und Katja in der vom Geheimdienst vollkommen durchwühlten Zimmer dann doch zufällig jene Informationen finden,
wonach die Eindringlinge gesucht haben. Oder als die beiden mit Taschenlampen das Zeitungsarchiv durchsuchen und
erst dann die Tischlampe einschalten, als sie gefunden haben, was sie suchten. Solche Patzer rücken den Film sehr
schnell in die Kategorie “C-Film”. Bleibt zu hoffen, dass Dennis Gansel bei der Wahl seines nächsten Drehbuchs ein
glücklicheres Händchen beweist. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
DER SCHNEE AM KILIMANDSCHARO (1:1.66, DD 5.1)
OT: Les Neiges Du Kilimandjaro
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Robert Guédiguian
Darsteller: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan
Kinostart: 16.02.2012
Die Zeiten sind hart. Das bekommen auch Michel und Marie-Claire zu spüren, die seit fast 20 Jahren glücklich
verheiratet sind. Gewerkschaftler Michel obliegt es, mittels Los die Namen von 20 Kollegen auszuwählen, die ihren Job
als Hafenarbeiter in Marseille verlieren werden. Selbst seinen eigenen Namen fügt er der Loskiste aus Solidarität hinzu
– und wird tatsächlich gezogen. Jetzt kann er sich als Frühpensionär um die lange versprochene Pergola bei seinem
Schwiegersohn kümmern, mit den Enkelkindern am Strand spielen und sich ums Kochen kümmern, während seine Frau sich Tag für Tag um eine betagte Dame kümmert. Zu ihrem 20. Hochzeitstag bekommen Michel und Marie-Claire von
den Kindern, Freunden und Kollegen eine Reise nach Afrika zum Kilimandscharo geschenkt. Doch noch bevor sie die
Reise antreten können, geschieht etwas, das ihr Leben von Grund auf verändern wird: beim Kartenspiel mit Freunden
werden sie brutal überfallen und um ihre gesamten Ersparnisse gebracht – einschließlich der Reise. Der brutale
Raubüberfall bricht über den Kinozuschauer genauso gewaltig herein wie über die Protagonisten selbst. Bis dahin
verläuft alles ruhig und beschaulich. Man arrangiert sich mit Michels Jobverlust und versucht, das Beste daraus zu
machen. Doch von einem Augenblick zum anderen gerät das Leben der beiden aus den Fugen. Das plötzlich abhanden
gekommene Geld reisst ein tiefes Loch in das finanzielle Polster. Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden. Genau
an dieser Stelle jedoch erweitert der Film den Blick auf die Dinge, indem er plötzlich die Täter zeigt. Einer der beiden
ist ein junger Mann, den Michel entlassen musste und der sich um seine beiden wesentlich jüngeren Brüder kümmern
muss. Einen Vater gibt es nicht und die Mutter ist nicht an ihren Kindern interessiert. Der Überfall war eine
Verzweiflungstat. Was danach im Film passiert, trägt zwar märchenhafte Züge, wäre jedoch durchaus möglich. Die
großartigen Schauspieler sorgen jedenfalls dafür, dass die Wendung hin zum Guten sehr überzeugend beim Zuschauer
ankommt. Regisseur Robert Guédiguian erteilt uns allen mit seinem sehr gefühlvollen Film eine moralische Lektion,
über die Nachzudenken sich lohnt.
|
Mittwoch, 18. Januar 2012
Die vielen Gesichter der Trauer
Heute gab es leider keine Pressevorführung. Macht aber nichts – es gibt ja noch den Stapel von Screenern, die
angeschaut werden möchten.
TAGE, DIE BLEIBEN (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: alpha medienkontor
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Pia Strietmann
Darsteller: Götz Schubert, Max Riemelt, Mathilde Bundschuh
Kinostart: 26.01.2012
Ein tragisches Unglück bricht über Familie Dewenter ein: Mutter Andrea verunglückt tödlich bei einem Autounfall. Von
einer Minute auf die andere verändert sich das Leben von Ehemann Christian, Sohn Lars und Tochter Elaine. Dass der
Vater eine Affäre mit einer anderen Frau hat und auch die Mutter kein unbeschriebenes Blatt war, sind nur zwei von
vielen Problemen, mit denen die drei Familienmitglieder während den Vorbereitungen zur Bestattung fertig werden
müssen... In ihrem Debütfilm beschreibt Drehbuchautorin und Regisseurin den Prozess der Trauerbewältigung, der sich
erst ganz allmählich in Bewegung setzt und dafür sorgt, dass die auseinandergelebte Familie wieder zusammenfindet.
Jedes der Familienmitglieder geht dabei mit dem Schmerz anders um. Während die 15jährige Elaine mit ihrer Freundin
Jungs provoziert und sich ein Tattoo stechen lässt, geht der Vater zu seiner Geliebten und will mit ihr nach Amsterdam
verschwinden. Lars hingegen, nach langer Zeit erstmals wieder im Heimatdorf, legt sich mit allen an und versucht seine
Flucht mit der spießigen Umgebung zu rechtfertigen. Der Debütfilm zeugt insbesondere bei der souveränen
Kameraarbeit von Stephan Vorbrugg und der gut platzierten Filmmusik von Martin Stock von großem handwerklichen
Können. Pia Strietmann versteht sich aber auch gut darauf, aus ihrem Darstellerensemble das Maximale herauszuholen.
Ihren Figuren haften zwar noch ein paar Klischees an, die deutlich machen, dass wir es mit einem Spielfilm zu tun
haben, doch sind dieses kleinen Mankos durchaus tolerierbar. TAGE, DIE BLEIBEN ist ein gutes Beispiel dafür, dass
ein Film die Hürde vom Fernseh- zum Kinofilm überwinden kann.
|
Dienstag, 17. Januar 2012
Musiktherapie
Wieder nur ein einziger Film in der Presse heute...ich bekomme Entzugserscheinungen.
THE MUSIC NEVER STOPPED (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Music Never Stopped
Verleih: Senator
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Jim Kohlberg
Darsteller: J.K. Simmons, Lou Taylor Pucci, Cara Seymour, Julia Ormand
Kinostart: 29.03.2012
1986: Die Nachricht bricht wie ein Schock über sie herein. Die Eltern von Gabriel sind fassungslos. Nachdem sie viele
Jahre lang nichts mehr von ihm gehört haben, liegt ihr Sohn im städtischen Krankenhaus. Die Diagnose: Hirntumor. Die
Operation ist zwar erfolgreich, bleibt aber nicht ohne Nebenwirkungen. Gabriel hat kein Kurzzeitgedächtnis mehr.
Obgleich die Ärzte jede Hoffnung auf Besserung bereits aufgegeben haben, lässt der Vater nicht locker. Mit Hilfe einer
Musiktherapeutin will er seinem Sohn helfen. Bald schon stellen sich die ersten Erfolge ein... Basierend auf einer
wahren Geschichte erzählt Jim Kohlbergs berührendes Drama von der therapeutischen Wirkung von Musik. J.K.
Simmons brilliert in der Rolle des Vaters – eines Vaters, der vor langer Zeit seinen Sohn im Streit verloren hat und der
sich nichts sehnlicher wünscht als die Aussöhnung mit ihm. Im Laufe der Therapie muss er auch über seinen eigenen
Schatten springen und lernen, dass es nicht nur “seine” Musik (die der fünfziger Jahre) gibt, sondern auch die Musik, die
sein Sohn mit ganz bestimmten Erlebnissen verknüpft. Es ist die Musik der sechziger und siebziger Jahre, zu der
Musiker wie Bob Dylan oder The Grateful Dead gehören. Musik, die die gesamte Hippie-Zeit geprägt und damit
auch das politische Verständnis von Gabriel geformt hat. Jim Kohlbergs Film ist in gewisser Weise auch eine Zeitreise
durch eine große und wichtige Epoche der Rock- und Pop-Musik, was sich in der Tonspur des Film widerspiegelt. THE
MUSIC NEVER STOPPED ist Kino der leisen Töne, das bewegt und Hoffnung schöpfen lässt.
|
Montag, 16. Januar 2012
Hemmungslos
Wenn uns am Wochenbeginn bereits heisse Sexszenen gezeigt werden, kann man auf den Fortgang der Woche gespannt
sein...
SHAME (1:2.35, DD 5.1)
OT: Shame
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Steve McQueen
Darsteller: Michael Fassbender, Lucy Walters, Mari-Ange Ramirez
Kinostart: 01.03.2012
Der schnelle Sex mit einer Unbekannten unter der Autobahnbrücke. Masturbation auf der Herrentoilette im Büro.
Heisser Sex mit einer jungen Nutte zuhause. Grenzenlos erotisches Vergnügen per Klick im Internet. Brandon, Mitte 30,
gut aussehend und smart, ist sexsüchtig. Gefühlen erteilt er eine Absage und denkt nur von einer Nummer zur nächsten.
Als sich jedoch seine jüngere Schwester überraschend bei ihm einnistet, bekommt sein mühsam aufgebauter Gefühlswall
die ersten Risse. Auch das Date mit seiner dunkelhäutigen Kollegin, die echte Gefühle für ihn hegt, geht plötzlich
mächtig schief: es kommt nicht zum Sex. Erst am nächsten Tag landen die beiden in einem Hotelbett. Und Brandon
versagt die Manneskraft. Michael Fassbender liefert mit seiner Darstellung des Brandon das eindringliche Porträt eines
Mannes ab, der seine Einsamkeit mit einem ausschweifenden Sexleben im wahrsten Sinne des Wortes “wegvögelt”. Das
aber gelingt ihm nur solange er freie Bahn hat. Der Einzug seiner Hilfe suchenden Schwester (sehr überzeugend
dargestellt von Carey Mulligan) in sein karg eingerichtetes Apartment hindert ihn ebenso daran, seinem Trieb
ungehemmt nachzugehen wie das Konfiszieren seines PCs am Arbeitsplatz, dessen Festplatte mit übelster Pornographie
vollgepackt ist. Die kalten Bilder (Kamera: Sean Bobbitt) reflektieren hervorragend den inneren Zustand des
Protagonisten, ebenso die tragisch angehauchte Filmmusik. Ein Manko des Films ist jene Szene, in der Brandon seine
Kollegin in ein feines Restaurant ausführt, ist etwas zu lange geraten.
|
Sonntag, 15. Januar 2012
Lisbeth ist zurück
Weil der deutsche Filmverleiher sich aus nicht weiter benannten Gründen weigerte, den Stuttgarter Pressevertretern
David Finchers Remake von VERBLENDUNG zu zeigen, habe ich den Film in meinem Lieblingskino in einer
regulären Vorführung "nachgesessen".
VERBLENDUNG (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Girl With The Dragon Tattoo
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2011
Regie: David Fincher
Darsteller: Daniel Craig, Rooney Mara, Christopher Plummer
Kinostart: 12.01.2012
Der erste Teil von Stieg Larssons “Millennium”-Trilogie jetzt nicht mehr “Made in Sweden”-Produkt, sondern als
amerikanisches Remake. Kein Geringere als David Fincher hat sich des Thriller-Stoffes um Lisbeth Salander und
Mikael Blomkvist angenommen. Erfreulicherweise wurde die Geschichte nicht in die USA verlegt, sondern bleibt in
Schweden. Das erste, was beim Remake auffällt: es ist wesentlich freizügiger als das Original. Und das will für einen
amerikanischen Film schon etwas heissen. Und auch bei der Brutalität legt Fincher gegenüber der Schwedenversion
einen Gang zu. Waren die beiden Vergewaltigungsszenen in der schwedischen Fassung schon sehr brutal, dann bereiten
die Neuauflagen wirklich Schmerzen! Fincher sagte über seinen Film, dass es darin um Gewalt gegen Frauen geht und er
nichts beschönigen wollte. Das ist ihm hervorragend gelungen. Überhaupt hat Fincher – wie von einem Regisseur seines
Kalibers auch nicht anders zu erwarten war – den Film auch optisch in eine ganz andere Liga katapultiert als das
Original. War das trotz CinemaScope-Format visuell vergleichsweise eher noch an sonntagabendlicher TV-Kost
orientiert, so kreiert Fincher zusammen mit Kameramann Jeff Cronenweth einen ganz eigenen, faszinierenden Look,
dessen Kraft man sich nicht entziehen kann. Zu beglückwünschen sind jene Zuschauer, die in den Genuss einer digitalen
4K-Präsentation des Films kommen und damit das Optimum an Bildqualität erleben dürfen. Was die Besetzung angeht,
so gibt es bei Fincher nichts zu mäkeln. Rooney Mara mimt das hochintelligente, bisexuelle Goth-Girl Lisbeth Salander
mit Bravour. Waren bei Noomi Rapace in derselben Rolle äußerlich noch liebenswerte Züge zu erkennen, so gibt es
diese bei Mara nicht mehr. Auch Daniel Craig als Chefredakteur und außerordentlicher Ermittler Mikael Blomkvist füllt
seine Rolle überzeugend aus. Der “Bond” haftet ihm nicht an. Die Handlung des Films wurde an vielen Stellen
gegenüber der schwedischen Erstversion einiges geändert. So wurde u.a. das Liebesverhältnis zwischen Lisbeth und
Mikael mehr in den Fokus gerückt und wir erfahren auch erstmals, dass Mikael eine Tochter hat. Und die ist es sogar,
die ihm den entscheidenden Hinweis liefert. Fazit: wer die “Millennium”-Trilogie mag, der sollte sich Finchers visuelles
Upgrade auf die Geschichte nicht entgehen lassen.
|
Freitag, 13. Januar 2012
Exorzisten und ein Superproll
Ein aktueller Kassenknüller aus den USA und eine französische Komödie rundeten meine Pressewoche am heutigen
Freitag ab.
DEVIL INSIDE (1:1.85, DD 5.1)
OT: The Devil Inside
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: William Brent Bell
Darsteller: Fernanda Andrade, Simon Quarterman, Evan Helmuth
Kinostart: 01.03.2012
Vor genau 20 Jahren wurde Isabellas Mutter in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, nachdem sie sich selbst bezichtigte,
drei Menschen aus ihrem kirchlichen Umfeld brutal ermordet zu haben. Für Isabella ist es nach wie vor kaum
vorstellbar, dass ihre Mutter eine solche Tat begangen haben könnte. Und mehr noch: angeblich sollen diese Morde
während eines Exorzismus, der an Isabella Mutter ausgeführt wurde, geschehen sein. Die Tatsache, dass die Mutter
ausgerechnet in eine Nervenheilanstalt nach Rom überstellt wurde, bringt Isabella ins Grübeln. Zusammen mit einem
Dokumentarfilmer macht sie sich auf den Weg dorthin. Ihre erste Anlaufstelle ist die Exorzistenschule des Vatikan... Die
Idee die hinter diesem Film steckt ist inzwischen leider schon relativ abgedroschen: man tarnt die Fiktion als
Dokumentation. Dieser Filmstil wurde für THE BLAIR WITCH PROJECT entwickelt und bei vielen weiteren
Horrorfilmen der letzten Jahre erfolgreich angewendet. Hierzu zählen PARANORMAL ACTIVITY, [REC] und DER
LETZTE EXORZISMUS. Auch William Brent Bell versteht es in seiner fiktiven Dokumentation hervorragend, den
Reality-Stil zu adaptieren. Dazu gehören Artefakte im Bild genauso wie Störungen auf der Tonspur sowie unbearbeitete
Videofragmente. Bell gelingt es auch, seinem Film dadurch eine gewisse Spannung einzuhauchen, die nicht zuletzt Dank
seiner guten Darsteller auch weitgehend am Leben erhalten wird. Sogar ein paar wenige Schreckmomente – ausgelöst
durch entsprechenden Toneinsatz – kann Bell auf sein Habenkonto buchen. Wer jedoch die zuvor erwähnten Filme
kennt, dem wird schnell etwas langweilig werden. Denn Überraschungen oder wohltuende Variationen des etablierten
Doku-Stils hat Bell leider nicht auf Lager. So dürfte DEVIL INSIDE wohl nur Neueinsteigern das erhoffte
Gruselgefühl bescheren.
MEIN LIEBSTER ALPTRAUM (1:1.85, DD 5.1)
OT: Mon Pire Cauchemar
Verleih: Concorde
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Anne Fontaine
Darsteller: Isabelle Huppert, Benoît Poelvoorde, André Dussollier
Kinostart: 19.01.2012
Galeriebesitzerin Agathe ist eine Frau mit Biss und Haaren auf den Zähnen. Eine Frau, der man besser nicht
widerspricht. Ausgerechnet sie stößt mit dem vulgären Patrick zusammen, einem Superproll, dem das Jugendamt
schnellstmöglich seinen Sohn wegnehmen möchte. Ausgerechnet der ist der beste Schulkamerad von Agathes Sohn.
Dass es zwischen Agathe und Patrick läuft wie zwischen Hund und Katz hindert Agathes Ehemann jedoch nicht daran,
Patrick mit den Renovierungsarbeiten in ihrer noblen Wohnung zu betrauen. Und schon bald wohnt Patrick im
Dienstmädchenzimmer. Doch Agathes anfängliches Naserümpfen über den Proll verwandelt sich allmählich in so etwas
wie Zuneigung... Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Kein Wunder also, dass es zwischen Isabelle Huppert und
Benoit Poelvoorde Funken muss! Bis es allerdings soweit ist, müssen noch eine ganze Menge Dosenbier und Schnäpse
die Kehle hinuntergespült werden. Benoit Poelvoorde alias Patrick spielt seine Rolle unglaublich gut und feuert ein
wahres Feuerwerk an Unterschichtensprüchen ab. Es darf herzhaft gelacht werden! Und Frau Huppert gibt sich als die
kühle, unnahbare, rothaarige Galeristin, an der selbst ihr Gatte (prominent besetzt mit André Dussollier) schon lange
kein erotisches Interesse mehr hat. Eine typisch französische Komödie, in der Gesellschaftskritik und Liebesgeflüster
Hand in Hand gehen und für einen vergnüglichen Kinoabend sorgen werden.
|
Donnerstag, 12. Januar 2012
Vom Driften in die Obdachlosigkeit und Versinken in parallele Welten
Ein deutsches Doppel war heute angesagt. Richtig überzeugen konnte mich aber keiner der beiden Filme.
DIE SUMME MEINER EINZELNEN TEILE (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Wild Bunch
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Hans Weingartner, Cüneyt Kaya
Darsteller: Peter Schneider, Henrike von Kuick, Timur Massold
Kinostart: 02.02.2012
Einst war Martin ein hochbegabter Mathematiker mit guter Anstellung in einer großen Firma. Doch der immer stärker
werdende Druck am Arbeitsplatz hat ihn in die Isolation geführt. Ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt war die
Folge. Selbst nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus muss er noch jede Menge Pillen schlucken, um festen Boden
unter den Füßen zu finden. Doch es kommt schlimmer. Seine ihm zuvor in Aussicht gestellte alte Arbeitsstelle will man
ihm nicht mehr geben. Martin verfällt in Depression, lässt die Pillen weg. Es folgt die Zwangsräumung. Martin wird
obdachlos. In seinem Unterschlupf trifft er auf einen obdachlosen ukrainischen Jungen, der sich mit dem Sammeln von
Pfandflaschen über Wasser hält. Die beiden schließen sich zusammen... Was sich nach dem ersten Blick in die
Pressemitteilung las wie ein Film über das Phänomen des “Burn Out”, entpuppt sich letztendlich als ein Film
über das Abgleiten in die Obdachlosigkeit und der Suche nach einer alternativen Lebensweise. Zu sehr beschäftigen sich
die Regisseure mit der detaillierten Schilderung des Überlebens in verlassenen Häusern und in Wäldern. Dass der
Protagonist große Probleme hat, erkennt man unschwer an seiner Zwangsneurose, ständig Zahlen aufsagen zu müssen.
Wie es dazu kam, erfährt man leider nicht. Das aber gerade wäre das wirklich Interessante an dieser Geschichte
gewesen. Dass zu allem Überfluss am Ende des Films auch noch ein Story-Twist über den Zuschauer hereinbricht,
macht eigentlich alles nur noch unglaubwürdiger. Genauso unglaubwürdig wie die junge Lena, die sich von Penner
Martin anbaggern lässt. Spätestens jetzt erkennen wir: es ist nur ein Film!
SCHILF – ALLES, WAS DENKBAR IST, EXISTIERT (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: X Verleih (Warner)
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Claudia Lehmann
Darsteller: Mark Waschke, Stipe Erceg, Bernadette Heerwagen
Kinostart: 08.03.2012
Sebastian und Oskar sind beste Freunde schon seit Urzeiten. Während Sebastian Physik an der Jenaer Universität
unterrichtet und über Paralleluniversen philosophiert, arbeitet Oskar am CERN in Genf. Oskars Besuch bei
Sebastian und seiner Familie endet mit einem Streit der beiden über Sebastians Theorien – und das vor laufender
Fernsehkamera. Als Sebastian am nächsten Tag seinen Sohn ins Ferienlager bringt, verschwindet der spurlos an einem
Rastplatz. Da erhält Sebastian einen anonymen Anruf: um seinen Sohn wieder zu sehen, soll er einen Mord begehen...
Parallele Welten und Zeitreisen sind faszinierende Aspekte der modernen Physik und liefern immer wieder Vorlagen für
Mystery-Thriller. Auch in Claudia Lehmanns Verfilmung des Bestsellerromans von Juli Zeh spielen die bisher noch
nicht bewiesenen Möglichkeiten paralleler Existenzen eine bedeutende Rolle und sorgen dafür, dass man als Zuschauer
mehr als nur einmal verwirrt wird. Doch der in Bild und Ton handwerklich gut gestaltete Film vermag letztendlich keine
befriedigende Lösung für den ablaufenden Plot anzubieten. Zumindest keine, die man selbst als nicht sonderlich agiler
Kinogänger bereits frühzeitig geahnt hätte. Wenigstens ist der Film mit Mark Waschke als akribischem und
selbstzweifelndem Sebastian sowie Stipe Erceg als zwielichtigem und eifersüchtigem Oskar gut besetzt.
|
Mittwoch, 11. Januar 2012
Ein Meisterregisseur verbeugt sich vor der Filmgeschichte
Nach THE ARTIST, der Hommage auf die Glanzzeit des Stummfilms, kommt mit HUGO jetzt eine weitere
Liebeserklärung an das Kino – und was für eine!
HUGO CABRET (1:1.85, 3D, DD 5.1 & 7.1)
OT: Hugo
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Sir Ben Kingsley, Sacha Baron Cohen, Asa Butterfield
Kinostart: 09.02.2012
Paris in den Dreißiger Jahren. Der 12jährige Waise Hugo lebt versteckt im Inneren des riesigen Räderwerkes der großen
Uhr des Pariser Bahnhofs. Seit ihn sein trunksüchtiger, verschwundener Onkel dort aufgenommen hat, kümmert er sich um
sämtliche Bahnhofsuhren. Seine große Leidenschaft gilt dem Reparieren mechanischer Dinge. Dazu gehört auch ein
Roboter, dem ihm sein verstorbener Vater überlassen hat. Ersatzteile besorgt er sich heimlich beim Spielwarenhändler.
Der aber ertappt ihn auf frischer Tat und entwendet ihm sein über alles geliebtes Notizbuch, ohne das er den Roboter
nicht reparieren kann. Die Enkelin des Spielwarenhändlers will Hugo helfen, das Büchlein wieder zu bekommen. Damit
beginnt ein großes Abenteuer für die beiden Kinder... Aus seiner großen Leidenschaft für Filme und die hohe Kunst des
Filmemachens hat Regisseur Martin Scorsese noch nie einen Hehl gemacht. Da wundert es nicht, dass er mit HUGO
jetzt seine ganz persönliche Liebeserklärung an das Kino geschaffen hat. Sein äußerst phantasievoller Film nimmt den
Zuschauer mit einer oftmals frei durch den Raum schwebenden Kamera mit auf eine Reise zu den Anfängen der
Kinematographie und verbeugt sich im Besonderen vor der schöpferischen Kraft des Georges Melies, der wie kein
anderer zuvor das Filmemachen zur Kunst erhob und es damit revolutionierte. Seine Innovationen beeindrucken auch
heute noch. Diesem Geiste verbunden realisierte Scorsese seinen geheimnisvollen Abenteuerfilm in innovativem 3D.
Billige “Alles-fliegt-Dir-um-die-Ohren”-Effekte weichen hier einer intelligenten Nutzung der räumlichen Tiefe und
lassen den Zuschauer sprichwörtlich in die Geschichte eintauchen. Das wunderbare Production Design mit Hunderten
von Zahnrädern und sonstigen mechanischen Gimmicks sowie die gigantische Bahnhofskulisse tun ein Übriges, um die
visuelle Kraft zu unterstreichen. Unglaublich gut auch die Tonmischung, die speziell in mit Dolby Surround 7.1
ausgestatteten Kinos ein nahezu holographisches Klangbild erzeugen dürfte. Bei all der überzeugenden Technik und den
vielen Verbeugungen vor der Filmgeschichte bildet leider das Drehbuch den Wermutstropfen. Die Geschichte ist sperrig
und überlang inszeniert, was Filmfreunde nicht wirklich stören wird, dem normalen Publikum den Zugang zu diesem
Film jedoch nicht besonders leicht macht.
|
Dienstag, 10. Januar 2012
Sexuelle Nötigung, das FBI und Alpträume
Heute gab es mal wieder ein Triple-Feature in der Presse zu bestaunen!
KAIRO 678 (1:1.85, DD 5.1)
OT: 678
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Ägypten 2010
Regie: Mohamed Diab
Darsteller: Boshra, Nelly Karim, Nahed El Sebaï
Kinostart: 08.03.2012
Drei Frauen im modernen Kairo teilen sich ein ähnliches Schicksal. Fayza, verheiratet und Mutter zweier Kinder, wird
bei ihrer Fahrt im vollbesetzten Bus ständig von fremden Männer begrapscht. Die Demütigungen führen sogar dazu,
dass sie sich ihrem Mann verweigert. Die in einem Call-Center arbeitende Nelly wird auf offener Straße aus einem
fahrenden Auto heraus sexuell genötigt und erstattet Anzeige. Es ist die erste dieser Art in Ägypten. Und Galeristin
Seba, einst bei einem Fußballspiel sexuell belästigt, will mit einer Selbsthilfegruppe gegen sexuelle Übergriffe mobil
machen. Alle drei Frauen lernen sich zufällig kennen, doch ist es nur Fayza, die als Erste zum Gegenschlag ausholt. Mit
einem Messer bewaffnet besteigt sie den Bus... Die Zahl im Filmtitel deutet auf die Buslinie hin, in der sich Fayzas
Schicksal von der Gejagten zur Jägerin ändern wird. Mohamed Diabs Film zeigt ein Gesicht Ägyptens, das wohl kaum
jemand in der westlichen Hemisphäre kennt. Frauen wurden bis in die Gegenwart hinein wie Freiwild behandelt.
Niemand wagte Anzeige zu erstatten. Der auf wahren Ereignissen basierende Film lässt jene Zeit Revue passieren, in der
erstmals Frauen in Ägypten öffentlich Front gegen sexuelle Nötigung machten. Der durch die verschachtelte Darstellung
der drei Vorgeschichten der Protagonistinnen interessant gestaltete Film überzeugt vor allem durch seine glänzenden
Darsteller. Die sind hierzulande zwar vollkommen unbekannt, doch gibt dies dem Film seinen besonderen Reiz.
J. EDGAR (1:2.35, DD 5.1)
OT: J. Edgar
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Naomi Watts, Dame Judi Dench
Kinostart: 19.01.2012
Amerika in den Zwanziger Jahren. Angesichts von Terroranschlägen gegen rechtschaffene Politiker setzt sich der
aufstrebende Beamte und Idealist J. Edgar Hoover für die Schaffung einer besonderen Abteilung zum Schutz der
amerikanischen Bürger ein. Schließlich wird er vom Bundesstaatsanwalt mit der Aufgabe betraut, tatsächlich eine solche
Behörde aufzubauen: das FBI. Mit handverlesenen Mitarbeitern sowie Wissenschaftlern erschafft Hoover eine
vollkommen neue Vorgehensweise bei der Aufdeckung von Verbrechen. Doch Hoover hat nicht nur Vorzeigeseiten.
Insgeheim ist er machtbesessen und neurotisch, will alles und jeden kontrollieren. Für die Durchsetzung seiner Ziele
überschreitet er nicht nur seine Befugnisse, sondern greift auch zu illegalen Methoden... J. Edgar Hoover, jene oftmals
in schillernden Farben gezeichnete Ikone der amerikanischen Führungsriege, war schon von jeher eine sehr umstrittene
Persönlichkeit. Clint Eastwood konzentriert sich in seinem Film insbesondere auf Hoovers dunkle Seite. Während
Hoover im gesetzten Alter seine Memoiren diktiert, zeigt Eastwood in ständigen Flashbacks seinen ganzen Werdegang,
wie er zu dem wurde, was er ist. Ein wichtiger Aspekt dabei ist Hoovers Homosexualität, die er seiner dominanten
Mutter zuliebe verheimlicht und mit seinem Kollegen Clyde nur platonisch auslebt. Leonardo DiCaprio brilliert in seiner
Rolle als Hoover und dürfte ein sicherer Oscar-Kandidat sein. Ob den jungen oder den alten J. Edgar – DiCaprio
meistert dank exzellenter Maske jede Lebensphase des FBI-Gurus. Auch bei Naomi Watts als Hoovers Sekretärin ist der
Alterungsprozess hervorragend gelungen. Nur bei Armie Hammer als Clyde scheint die Maske etwas zu versagen. Tom
Sterns fast schwarz-weisse CinemasCope-Fotografie taucht den Film stets optisch perfekt in das jeweilige Jahrzehnt ein.
Anspruchsvolles US-Kino.
INTRUDERS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Intruders
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA, Großbritannien, Spanien 2011
Regie: Juan Carlos Fresnadillo
Darsteller: Clive Owen, Carice van Houten, Daniel Brühl
Kinostart: 19.01.2012
Auf den ersten Blick stehen die beiden Geschichten in keinem Zusammenhang. Der kleine Juan wird in seinen Träumen
nachts immer wieder von einem gesichtslosen in Schwarz gehüllten Eindringling heimgesucht. Doch die Alpträume
nehmen zunehmend realistische Züge an. Die 12jährige Mia schreibt gerne Geistergeschichten. Auch sie wird plötzlich
von einem unbekannten Eindringling heimgesucht. Niemand will ihr zunächst Glauben schenken. Doch eines nachts
macht Mias Vater eine schreckliche Entdeckung... Wie und ob die beiden Geschichten tatsächlich zusammenhängen,
erfahren wir erst am Ende des Films. Bis dahin ist es jedoch ein langer, weiter Weg. Denn Juan Carlos Fresnadillos
Geisterfilm verspielt viel von seinem Potenzial, indem er Bild- und Tonebene zu “ungruselig” gestaltet. Freilich –
Kameraarbeit, Geräuschkulisse, die Sets und die Filmmusik sind sehr gut, aber einfach zu wenig. Schließlich möchte
man in einem Horrorfilm auch ein kleines bisschen erschrecken dürfen. Fresnadillo tut leider alles dafür, das genau
dieses nicht passiert. Erschreckend indes jedoch die Besetzung mit Clive Owen. Ihm nimmt man den liebenden
Familienvater, der tagsüber in schwindelerregenden Höhen auf Baustellen arbeitet, ganz und gar nicht ab. Fazit: für
eingefleischte Horrorfans vollkommen unbrauchbar, für Neulinge zu wenig.
|
Montag, 09. Januar 2012
Flacher Geisterritt und klingende Knabenkehlen
Auftakt der ersten Pressewoche im neuen Jahr bildeten eine Comic-Verfilmung und ein Dokumentarfilm.
GHOST RIDER: SPIRIT OF VENGEANCE (1:2.35, 3D, DD 5.1)
OT: Ghost Rider: Spirit Of Vengeance
Verleih: Universum (Walt Disney)
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Mark Neveldine, Brian Taylor
Darsteller: Nicolas Cage, Idris Elba, Ciarán Hinds
Kinostart: 23.02.2012
Als der Teufel durch seine Helfershelfer den zehnjährigen Danny entführen lässt, weil dieser über geheimnisvolle Kräfte
verfügt, rekrutiert Kriegsmönch Moreau den inzwischen zurückgezogen lebenden Johnny Blaze. Blaze, ein ehemaliger
Stuntman, schloss vor Jahren einen Pakt mit dem Teufel und brauste seither als feuriges Skelett auf seinem Motorrad
durch die Lande auf der Suche nach Seelen. Moreau stellt ihm als Belohnung für seine Hilfe die Befreiung von Blazes
Dämon in Aussicht. Ein Angebot, das Blaze nicht ausschlagen kann... Was von diesem Film am Ende positiv in
Erinnerung bleiben wird ist das Beschleunigen und Entschleunigen des Bildablaufes innerhalb einer Szene. Alles andere
darf man getrost vergessen. Weder die schauspielerischen Fähigkeiten eines Nicolas Cage (der dieses Sequel vermutlich
nur des Geldes wegen gemacht hat) noch das Drehbuch überzeugen. Cage spielt seinen Part so, als würde er unter
Drogen stehen und man merkt ihm die Langeweile förmlich an. Die vielen Action-Szenen sind zwar rasant geschnitten,
dafür aber mit viel zu viel Wackelkamera eingefangen. Das ohnehin öde Drehbuch lässt sich dadurch leider nicht
aufwerten. Vollkommen fehl am Platz ist die 3D-Technik. Der von 2D auf 3D umgewandelte Film beinhaltet nicht eine
einzige Szene, die Tiefenwirkung aufkommen lässt. Wer hier zusätzlich zum regulären Kinoticket auch noch den
Aufschlag für 3D zahlen muss sollte dies als Mogelpackung monieren. Fazit: ein Film zum Wegbleiben.
DIE THOMANER - HERZ UND MUND UND TAT UND LEBEN (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: NFP (Filmwelt)
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Paul Smaczny, Günter Atteln
Kinostart: 16.02.2012
Im März 2012 ist es soweit: der berühmte Thomaner-Chor aus Leipzig feiert sein 800jähriges Bestehen. Grund genug
für Paul Smaczny und Günter Atteln einmal einen Blick vor und hinter die Kulissen dieses traditionsreichen
Knabeninternats zu werfen. Dabei ist es den Regisseuren gelungen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn
DIE THOMANER fungiert nicht nur hervorragend als Image-Film für das Internat, sondern zeigt zumindest
ansatzweise auch die Schattenseiten des Thomanerlebens. Zu Wort kommen Thomaner im Alter von 9 bis 18 Jahren.
Allesamt begabte Sänger, die sich der Obhut des Internats gerne anvertrauen, da sie nur dort in der Gemeinschaft ihrer
Passion zum Singen ungehindert nachgehen können. Viel Freizeit gibt es da zwischen Frühstück, Schule, Mittagessen
und endlosen Proben nicht. “Ich frage mich, was Nicht-Thomaner mit ihrer ganzen Freizeit anfangen” hört man einen
der Internatsschüler sagen. Denn nach einer schwierigen Eingewöhnungszeit fühlen sich die meisten Schüler im Internat
extrem gut aufgehoben. Ältere Schüler kümmern sich um die jüngeren, für die sie auch Vorbildfunktion ausüben. Einmal
im Jahr darf der größte Teil der Thomaner auf Konzertreise gehen. Im Film werden die Jungen bei ihrer Tour durch
Südamerika begleitet. “Für uns ist heute Zahltag!” erklärt einer der Schüler begeistert. Denn der Applaus im großen
Konzerthaus von Sao Paulo ist Belohnung genug für die Sängerknaben. Aber die Kamera bleibt nicht nur bei den
Weltenbummlern, sondern zeigt auch jene, die aus den ein oder anderen Gründen nicht mitgenommen wurden. Nicht
alles ist hier nur Friede, Freude, Eierkuchen. Doch was wäre ein Film über Leipzigs Traditionschor ohne Musik. So
räumen die Filmemacher speziell der geistlichen Musik von Johann Sebastian Bach, dargeboten von den Thomanern
und erstklassigen Orchestern, einen breiten Rahmen ein. Für Musikfreunde wie auch an Hintergrundinformationen
interessierte Zuschauer sehr zu empfehlen.
|
Freitag, 06. Januar 2012
Roadtrip durch das Fegefeuer
Mein persönlicher Filmjahresauftakt begann ganz bescheiden mit einer Independent-Produktion aus deutschen
Landen.
THE BIG BLACK (1:2.35, Stereo)
Verleih: ohne
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Oliver Kyr
Darsteller: Heiko Akrap, Paul Barrett, Delphine Chanéac, Constantin von Jascheroff, Gerhard Polacek
Kinostart: ohne
Ein junger Mann erwacht in einer Gefängniszelle und kommt in die Freiheit. Alles wirkt wie ausgestorben. Wie kommt
er hierher? Was war passiert? Lebt er noch oder ist er schon tot? Erst allmählich wird ihm klar, dass er sich in einer
Zwischenwelt befindet, in der entschieden wird, ob er in der Hölle landet oder ob er seinen Frieden finden wird. Mit
einem geklauten Leichenwagen mitsamt Leiche macht er sich auf einen bizarren Roadtrip, auf dem ihm ein paar
Menschen begegnen. Begleitet vom ehrfürchtigen Kommentar einer Stimme aus dem Off macht sich der Held der
Geschichte im Niemandsland auf die Suche nach seiner Vergangenheit. Und damit auch jeder versteht, worum es in
Oliver Kyrs Film geht, scheint der unsichtbare Kommentator eigentlich mehr ein Filmerzähler zu sein, erklärt er dem
Publikum doch fast jeden Schritt des Protagonisten. Das ist umso ärgerlicher, als der Film durchaus ein großes Potenzial
erkennen lässt. Dieses manifestiert sich in der ungewöhnlichen Bild- und Tongestaltung. Mit reduzierten Farben und
gelegentlichen Farbtupfern nimmt uns Kameramann Martin Schlecht mit auf die Reise, das düstere Geheimnis des
Protagonisten zu ergründen. Mit ungewöhnlichen Perspektiven holt er stets das Optimum aus den Drehorten (stillgelegte
Fabriken etc.) heraus und sorgt dafür, dass der Film optisch immer ansprechend bleibt. Ob der Film mit einer
5.1-Mischung ausgestattet wird, ließ sich dem Screener leider nicht entnehmen. Der hatte lediglich Stereo-Ton, ließ sein
tatsächliches Potenzial nur erahnen. Dazu gehört auch die gelungene Filmmusik. Insgesamt wirkte der Film etwas zu
langatmig, was zum größten Teil darin begründet sein dürfte, dass die Story eigentlich nur für einen Kurzfilm ausreicht.
Eingefleischten Genre-Fans könnte es hier schnell langweilig werden, weniger Vertrauten dürfte die “Twilight Zone”
gefallen. Immerhin handelt es sich um Genre-Kost aus deutschen Landen – ein seltenes Gut.
|
© 2009-2023 Wolfram Hannemann
Datenschutzerklärung
All displayed Logos and Product Names may be ©, TM
or ® by their respective rights holding companies. No infringement intended.
|
|