Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Mittwoch, 29. Februar 2012
The Virginian
Ein großes Special-Effects-Feuerwerk aus dem Hause Disney stand heute auf der Tagesordnung.

JOHN CARTER – ZWISCHEN ZWEI WELTEN (1:2.35, 3D, DD 5.1 +7.1)
OT: John Carter
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Andrew Stanton
Darsteller: Taylor Kitsch, Lynn Collins, Samantha Morton, Willem Dafoe
Kinostart: 08.03.2012

Amerika in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der junge Edgar Rice Burroughs kommt zu spät: sein Onkel John Carter ist bereits verstorben. Er hinterlässt seinem Enkel insbesondere sein persönliches Tagebuch, das niemand außer ihm lesen darf. Darin erfährt Edgar, dass sein Onkel John bei der Flucht vor Soldaten durch einen mystischen Zauber aus seiner Heimat Virginia direkt auf den Mars katapultiert wurde. Dort besitzt er durch die andere Gravitation bedingt Superkräfte und gerät prompt zwischen die Fronten eines tobenden Krieges. Die verschiedenen Stämme kämpfen jeweils um die Vorherrschaft auf dem roten Planeten, den sie “Barsoom” nennen. Um dem kriegerischen Treiben ein Ende zu setzten, soll die schöne Dejah Toris gegen ihren Willen mit dem Feind verheiratet werden. Allerdings verlieben sich John Carter und Dejah Toris ineinander... Der größte Kampf bei diesem Film war der gegen meinen Schlaf. Die Story war so abgedroschen, dass mir die 133 Minuten Spielzeit wie fünf Stunden vorkamen. Ganz nach dem Motto “Star Wars trifft auf Avatar und den Herrn der Ringe” vereint Andrew Stanton bei seiner Burroughs-Adaptation alle gängigen Fantasy-Filme. Es hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich Prinzessin Leia zusammen mit R2D2 und C3PO durchs Bild gelaufen wären. Die visuellen Effekte sind natürlich erhaben – aber das ist ja heutzutage wahrhaftig nichts Ungewöhnliches mehr. Die voll orchestrale Musik von Michael Giacchino ist zuviel des Guten. Der brachiale Klangteppich lässt einem fast keine Zeit zum Durchatmen. Ganz nebenbei klingt sein Liebesthema so, als stamme es aus der Feder von John Barry. Da es sich bei Burroughs “John Carter”-Romanen um eine ganze Reihe von Büchern handelt, ist zu befürchten, dass wir in den kommenden Jahren noch öfters damit gelangweilt werden.
Dienstag, 28. Februar 2012
Wo Kakerlaken Tango tanzen
Europäisches Kino war heute angesagt. Und das sogar im Doppelpack.

BABYCALL (1:2.35, DD 5.1)
OT: Babycall
Verleih: NFP (Filmwelt)
Land/Jahr: Norwegen, Deutschland, Schweden 2011
Regie: Pål Sletaune
Darsteller: Noomi Rapace, Kristoffer Joner, Vetle Qvenild Werring
Kinostart: 12.07.2012

Verängstigt betritt Anna zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn Anders die steril wirkende Mietskaserne. In der neuen Wohnung zieht sie erst einmal alle Vorhänge zu. Anna musste fliehen – vor ihrem gewalttätigen Mann, der nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihres Kindes bedrohte. Vom Jugendamt überwacht, lebt sie jetzt in ständiger Angst davor, dass ihr Mann sie aufspüren könnte. Es kostet sie große Überwindung, Anders ganz alleine in der Schule zurückzulassen. Um wenigstens in der Nacht besser schlafen zu können, besorgt sie ein Babyphon, damit sie den kleinen Anders in seinem eigenen Zimmer schlafen lassen kann. Eines Nachts gibt das Babyphon plötzlich Laute von sich, die sich wie Hilfeschreie anhören. Aufgelöst rennt sie in Anders‘ Zimmer. Der aber schläft wie ein Murmeltier. Offensichtlich hat das Babyphon eine benachbarte Frequenz aufgegriffen. Anna beginnt in der Wohnanlage zu schnüffeln... Die von hellen, kalten Farben dominierten Bilder von Kameramann John Andreas Andersen reflektieren den psychischen Zustand der Protagonistin perfekt. Hier herrscht keine Freude, nur Angst und Schrecken. Noomi Rapace versteht sich hervorragend darauf, alleine durch ihre Körpersprache die Ängstlichkeit der Anna nach außen zu transportieren. Erst im weiteren Verlauf des Films kommen einem als Zuschauer Zweifel an der zerbrechlichen Anna, der man eigentlich gerne helfen möchte. Dem Verkäufer, mit dem sie eine zarte Freundschaft schließt, gesteht sie, dass sie oft nicht mehr weiß, wie sie zu einem bestimmten Ort hingekommen ist. Die Erkenntnis, dass nicht alles so ist wie es scheint, gibt Pål Sletaunes Psychothriller eine überraschende Wendung, die dazu führt, dass man auch den Bildern nicht mehr trauen kann. Wenn auch dieser Drehbuchkniff nicht mehr ganz neu ist, so funktioniert er trotzdem nach wie vor und gibt dem Film dadurch seinen Spannungsbogen. Brauchbare Unterhaltung für Thriller-Fans.

SUPERCLASSICO...MEINE FRAU WILL HEIRATEN! (1:2.35, DD 5.1)
OT: Superclásico
Verleih: X Verleih (Warner)
Land/Jahr: Dänemark 2011
Regie: Ole Christian Madsen
Darsteller: Anders W. Berthelsen, Paprika Steen, Adriana Mascialino
Kinostart: 03.05.2012

Christian steht kurz vor dem Ruin. Nicht nur privat, sondern auch geschäftlich. Sein kleiner Weinladen steht vor dem Bankrott und seine Frau hat ihn wegen eines Latino-Lovers verlassen. Jetzt lebt sie als erfolgreiche Fußballmanagerin in Buenos Aires und schickt Christian die Scheidungspapiere nach Kopenhagen. Christian beschließt zu handeln. Zusammen mit seinem 16jährigen Sohn Oscar reist er nach Buenos Aires, um seine Frau zurückzuerobern. Das aber ist leichter gesagt als getan. Während er in den eigenartigen Rhythmus der argentinischen Metropole abtaucht, entdeckt sein Sohn die große Liebe... Der skurril anmutende Film von Ole Christian Madsen beschäftigt sich vornehmlich mit den lustigen Seiten einer Scheidung. Dazu gehört das temperamentvolle, aber in die Jahre gekommene Dienstmädchen von Christians Frau, der ständig nackt umherhüpfende Latino-Lover, ein paar extrem freundliche Straßenräuber, Tango tanzende Kakerlaken und auch ein weinseliger Winzer. Wäre da nicht die ständige Stimme aus dem Off, die auch dann noch die Szene erklärt, wenn man sie schon lange alleine durchs Zuschauen verstanden hat, dann hätte diese dänische Komödie durchaus etwas Charme. Doch die Belehrungen aus dem Off verderben die Geschichte leider und beweisen, dass man alles totreden kann – sogar einen Film.
Montag, 27. Februar 2012
Eine Königin geht fremd und Dwayne Johnson singt
Nach einer harten Oscar-Nacht ging es für mich gleich weiter in zwei Pressevorführungen – Sekundenschlaf inklusive.

DIE KÖNIGIN UND DER LEIBARZT (1:2.35, DD 5.1)
OT: En Kongelig Affære
Verleih: MFA (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Dänemark, Tschechien, Schweden, Deutschland 2012
Regie: Nikolaj Arcel
Darsteller: Mads Mikkelsen, Mikkel Følsgaard, Alicia Vikander
Kinostart: 19.04.2012

Dänemark im späten 17. Jahrhundert. Ohne sich je vorher gesehen zu haben, heiraten Caroline Mathilde, die Schwester des Prinzen von Wales, und Christian VII. von Dänemark. Es ist eine arrangierte Hochzeit, wie sie zu jener Zeit beim Adel üblich war. Doch Carolines Enttäuschung ist groß, als sie ihrem Gemahl gegenübersteht. Denn der ist geistig fast noch ein Kind. Manche halten ihn gar für verrückt. Und im Schlafzimmer ist er alles andere als zärtlich. Nichtsdestotrotz bringt Caroline einen Sohn zur Welt. Doch eine erfüllte Liebe bleibt ihr verwehrt. Die aber findet sie bei Johann Struensee, einem Deutschen, den Leibarzt ihres Gatten. Zwischen Caroline und Johann beginnt eine große, heimliche Liebe. Als sie plötzlich schwanger wird, wird es für die beiden jedoch äußerst brenzlig... In opulenten CinemaScope-Bildern (Kamera: Rasmus Videbaek) schildert Nikolaj Arcel in seinem auf Tatsachen beruhenden Historienstück die Umstände, wie Dänemark einst durch den Einfluss des Aufklärers Struensee zu einem vorbildlichen Land wurde. Ihm war es zu verdanken, dass z.B. die Folter abgeschafft wurde. Doch Missgunst brachte die Affäre mit der Königin ans Tageslicht und stürzte Dänemark in seiner Entwicklung wieder um Lichtjahre zurück. Die geschichtlichen Hintergründe – allesamt Unterrichtsstoff an dänischen Schulen – sind hierzulande kaum bekannt. Umso interessanter wird der Stoff dadurch natürlich für den Kinozuschauer. In den Hauptrollen gut besetzt bietet der Film großes Potenzial für Fans historischer Stoffe. Wer allerdings actionreiche Kost erwartet, der sollte lieber auf diesen Film verzichten.

DIE REISE ZUR GEHEIMNISVOLLEN INSEL (1:1.85, 3D, DD 5.1)
OT: Journey 2: The Mysterious Island
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Brad Peyton
Darsteller: Dwayne Johnson, Sir Michael Caine, Josh Hutcherson
Kinostart: 01.03.2012

Nachdem er eine verschlüsselte Botschaft geknackt hat, macht sich der 17jährige Sean zusammen mit seinem Stiefvater auf die Reise, um Jules Vernes “Geheimnisvolle Insel” zu suchen. Ein Hubschrauberpiloten und dessen hübsche Tochter helfen ihnen dabei und sie werden tatsächlich fündig. Doch ein plötzlich aufkommender Sturm bringt den Hubschrauber zum Absturz. Der kleine Trupp findet sich wieder inmitten einer phantastischen Welt... Hatten wir nicht alle schon immer den Verdacht, dass die Fantasy-Bücher von Jules Verne und Jonathan Swift auf wahren Begebenheiten beruhen? Aber Spaß beiseite. Angesichts der abenteuerlichen Mixtur aus díversen Verne-Romanen (von “Die geheimnisvolle Insel” bis hin zu “20.000 Meilen unter dem Meer”) sowie Swifts “Gullivers Reisen” werden vermutlich Fans der literarischen Vorlagen beim Betrachten des Films die Nackenhaare zu Berge stehen. Von Lilliput-Elefanten bis hin zu Kapitän Nemos Nautilus ist wirklich alles vertreten, was für die Drehbuchautoren greifbar war. Das Ganze ist so absurd, dass aber genau jene Romanleser die unfreiwillige Komik dieses Machwerks als willkommene Einladung zum lautstarken Lachen begrüßen werden. Wie auch immer – kleine Kinozuschauer werden ganz sicher ungebremsten Abenteuerspaß damit haben. Bemerkenswert an dem Film ist der Auftritt von Michael Caine, dem man neidlos anerkennen muss, dass er sich für keine Rolle zu schade ist. Sein Part ist zweifelsfrei eine Variation des Wissenschaftlers, den Richard Attenborough in JURASSIC PARK mimt. Als grandios trashiges Highlight fungiert eine Sequenz, in der Muskelpaket Dwayne Johnson seine Version von “What a wonderful World” zu Gehör bringt. Da darf man nur hoffen, dass die Soundtrack-CD des Films neben dem groß angelegten orchestralen Score auch dieses Stück enthalten wird. In technischer Hinsicht ist der Film erstklassig. Nicht nur ist hier 3D wirklich dreidimensional, auch die visuellen Effekte (unter Mitwirkung der Stuttgarter Pixomondo) überzeugen. Fazit: ein rasanter Abenteuerfilm, in den Kinder gerne ihren Papa mitnehmen dürfen.
Freitag, 24. Februar 2012
Lieber Arm ab als arm dran
Eine rabenschwarze Komödie aus Bayern und eine Tragikomödie aus dem Libanon rundeten heute die Pressewoche ab.

WAS WEG IS, IS WEG (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Senator
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Christian Lerch
Darsteller: Florian Brückner, Mathias Kellner, Maximilian Brückner
Kinostart: 22.03.2012

1968 auf einem Bauernhof in der bayerischen Provinz. Beim Versuch eine Bio-Strom-Erzeugungsmaschine in Ganz zu setzten, werden die Brüder Paul, Lukas und Hansi Zeugen, wie ihr Onkel durch einen Stromschlag ins Koma fällt. 18 Jahre später liegt der Onkel zwar noch immer im Koma, aber die drei Brüder haben sich prächtig weiterentwickelt. Lukas ist auf dem Sprung ein Greenpeace-Aktivist zu werden, Hansi ist zu einem durchtriebenen Versicherungsagent mutiert und der übergewichtige Paul ist debil geworden und lebt in seiner ganz eigenen Welt. Ausgerechnet am Tag von Lukas‘ Abreise nach Neuseeland ereignet sich etwas, das das Leben aller Beteiligten grundlegend verändern wird: der vom Bankrott bedrohte Metzger Much – angeregt durch den von Hansi vorgeschlagenen Versicherungsbetrug zur Sanierung des Betriebes – schneidet sich versehentlich den Arm ab. Mit riesigen Nebenwirkungen... Christian Lerch, der das Drehbuch zum Bayern-Hit WER FRÜHER STIRBT, IST LÄNGER TOT verfasste, gibt mit dieser tiefschwarzen Komödie in bayerischer Mundart sein Regiedebüt. Und es ist genau dieser Dialekt und die schrulligen Personen, die ihn sprechen, die WAS WEG IS, IS WEG das gewisse Etwas verleihen. Frei nach dem Motto “Lieber Arm ab als arm dran” schickt er seine Protagonisten von einer Absurdität in die nächste. Es darf hierbei herzhaft gelacht werden – zumindest wenn man kein Problem mit dem Freistaats-Dialekt hat.

WER WEISS, WOHIN?(1:2.35, DD 5.1)
OT: Et Maintenant, On Va Où?
Verleih: Tobis
Land/Jahr: Frankreich, Libanon, Italien, Ägypten 2011
Regie: Nadine Labaki
Darsteller: Claude Msawbaa, Leyla Fouad, Nadine Labaki
Kinostart: 22.03.2012

Ein winzig kleines Bergdorf irgendwo im Nahen Osten. Schon seit vielen Jahren haben sich hier Moslems und Christen zusammengerauft, um in Frieden zu leben. Ganz nach dem Motto: “Was geht uns der weltliche Krieg an?”. Moschee und Kirche stehen nur einen Steinwurf auseinander entfernt, der Friedhof ist zweigeteilt. Doch ab und an flammt plötzlich der Streit zwischen den Religionen wieder auf. Niemand weiß eigentlich warum. Hauptsächlich sind es die Männer des Dorfes, die sich zoffen. Doch die Frauen des Dorfes wollen sich das nicht mehr länger mit ansehen müssen, hat ihnen der Krieg doch schon genügend Opfer abverlangt. Mit weiblicher List wollen sie jetzt dafür sorgen, dass es zu keinen Auseinandersetzungen zwischen ihren Männern kommt. Dazu gehören nicht nur der einzige Fernseher im Dorf, sondern auch eine ukrainische Stripperinnentruppe sowie mit Hasch angereicherte Kekse... Die libanesische Filmemacherin Nadine Labaki, mit ihrem Film CARAMEL international zu Ehren gekommen, vermeidet es bewusst, dass im Film nicht mit einer Silbe das Land, in der Film spielt, erwähnt wird. Auch wenn ganz klar ist, dass es sich um den Libanon handelt, so gilt das hier aufgegriffene Thema für viele andere Länder ebenso, in denen religionsbedingte Kriege toben. WER WEISS, WOHIN? ist eine gelungene Mischung aus Humor und Tragik und trifft mit seiner Aussage voll ins Schwarze ohne jemals kitschig zu werden. Labakis Darstellerensemble ist dabei eine interessante Mixtur aus Profi- und Laienschauspielern, die dem Film sein ganz besonderes Flair gibt. Angereichert wird der märchenhafte Film durch ein paar äußerst gefällige “Song & Dance”-Nummern, wie man sie eigentlich nur aus Bollywood-Filmen kennt. Schon die hervorragend fotografierte Eröffnungsszene des Films (Kamera: Christophe Offenstein), in der man die in Schwarz gekleideten Frauen bei ihrem Tanz auf dem Weg zum Friedhof sieht, bringt den Betrachter zum Staunen und setzt gleichzeitig die richtige Stimmung für den Film. Nadine Labaki macht es sich mit ihrem Film nicht einfach. Sie weiß zu gut, dass es für die darin gezeigten Probleme keine Lösung gibt. Umso mehr regt ihr Film zum Nachdenken an – zum Nachdenken über die im Filmtitel formulierte Frage.
Donnerstag, 23. Februar 2012
Totalitäre Regime
Der gemeinsame Nenner der beiden heute gezeigten Filme sind totalitäre Regime: die DDR-Diktatur zum Einen, eine Gefängnisinsel zum Anderen.

BARBARA (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Jasna Fritzi Bauer
Kinostart: 08.03.2012

Die DDR in den 1980er Jahren. Die Ärztin Barbara ist vor dem Regime in Ungnade gefallen. Ihr Antrag auf Ausreise in den Westen ist schuld daran, dass sie jetzt nicht mehr in der Charité in Berlin arbeiten darf, sondern aufs Land strafversetzt wurde und jetzt als Ärztin in der Kinderabteilung eines Krankenhauses Dienst schieben muss. Auch dort ist sie nach wie vor den Zugriffen und den Demütigungen durch die Stasi ausgesetzt. Nichtsdestotrotz plant sie die Flucht in den Westen. Ihr Geliebter hat dafür bereits alles in die Wege geleitet. Den Kontakt zu den Kollegen im Krankenhaus meidet sie so gut es geht, versteht sich dafür aber umso besser mit den Patienten. Eine von ihnen ist die junge Stella, die schon mehrmals aus einem Heim entflohen ist und ebenfalls in den Westen möchte. Doch je näher der Tag von Barbaras Flucht rückt, desto näher kommt sie auch Andre, ihrem Chef im Krankenhaus. Barbara steht vor einer schweren Entscheidung... In seinem Film BARBARA versteht es Christian Petzold hervorragend, die Stimmung in den Hochzeiten des DDR-Regimes wiederzugeben. Barbara weiß nicht, wer Freund und wer Feind ist. Kann sie ihrem Chef Andre trauen, einem Mann, der sich schon längst mit dem Regime arrangiert hat und der auch Stasi-Leute behandelt? Eindrucksvoll wird die Protagonistin von Nina Hoss verkörpert. Abweisend zu den Kollegen, freundschaftlich und zärtlich zu den Patienten. Und stets auf der Hut. Denn bei jedem Motorengeräusch draußen vor dem Haus könnte es sich um die anrückende Stasi handeln. Ronald Zehrfeld mimt Andre, jenen Mann, der äußerst sympathisch wirkt, aber Barbara auch genauso viel Angst macht. Jasna Fritzi Bauer, der Sonnenschein aus EIN TICK ANDERS, muss sich in Petzolds Film leider nur mit der Nebenrolle der Ausreisserin Stella begnügen, die sie zwar sehr gut ausfüllt, damit aber weit unter ihrem Potenzial spielen darf. Insgesamt ist BARBARA zwar unspektakuläres Kino, hat dafür aber Tiefgang und ein unvorhersehbares Ende.

KING OF DEVIL’S ISLAND (1:2.35, DD 5.1)
OT: Kongen Av Bastøy
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Norwegen, Polen, Frankreich, Schweden 2010
Regie: Marius Holst
Darsteller: Stellan Skarsgård, Kristoffer Joner, Benjamin Helstad
Kinostart: 29.03.2012

Anfang des 20. Jahrhunderts dient die Insel Bastøy im eisigen Norden Norwegens als Internat für schwer erziehbare Jungen. Mit eiserner Hand herrscht Direktor Bestyreren über seine Zöglinge. Die Ankunft von Erling, einem Seemann, der angeblich jemanden umgebracht haben soll, bringt frischen Wind in die Gemeinschaft. Schon nach kurzer Zeit hat er sich bei seinen Mitgefangenen Respekt verdient. Erling lässt sich die inhumanen Bedingungen, unter denen die Jugendlichen dort leben, nicht ohne weiteres gefallen und stachelt seine Mitschüler gegen die Obrigkeit auf. In Olav, der schon bald entlassen werden soll, findet Erling einen Freund. Ermutigt durch Erling macht Olav gegen Tor Brathen Front, der einen der schwächeren Mitschüler missbraucht. Doch das harte Regime deckt Brathen. Eine Meuterei steht kurz bevor... In stark farbreduzierten Bildern schildert Marius Holst das karge, brutale und von Sadismus geprägte Dasein, das den Internatsschülern zuteil wird. Und er zeigt in seinem auf wahren Ereignissen beruhenden Film auch ganz deutlich, dass Gewalt immer wieder nur zu Gewalt führen kann. Dank einer guten Besetzung vermag der Film über seine Spiellänge von fast zwei Stunden zu packen, wird aber vermutlich kein Publikum finden. Denn ähnliche Stoffe wurden in anderen Filmen schon zur Genüge durchexerziert.
Mittwoch, 22. Februar 2012
Das Seniorenhotel
Fast scheint es so, als habe man in der Filmindustrie plötzlich die Best Ager+ entdeckt. Gab es gestern einen Film über eine Alten-WG, war es heute einer über ein Seniorenhotel. Aufgrund mangelhafter Digitaltechnik musste der zweite für heute angesetzte Film leider entfallen.

BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Best Exotic Marigold Hotel
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2011
Regie: John Madden
Darsteller: Dame Judi Dench, Bill Nighy, Penelope Wilton, Tom Wilkinson, Maggie Smith
Kinostart: 15.03.2012

Da macht sich ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Briten im Rentenalter auf die Reise ins ferne Indien, um dort in der im Internet über die Maßen beworbenen Seniorenresidenz “The Best Exotic Marigold Hotel” ihre alten Tage zu verbringen. Dabei sind die Beweggründe der Reisenden sehr unterschiedlicher Natur. Da gibt es den eben erst pensionierten schwulen Richter Graham Dashwood, der vor über 40 Jahren in Jaipur aufgewachsen ist und jetzt nach seinem damaligen Lover sucht. Dann sind da die Ainslies, die zwar schon seit Jahrzehnten miteinander verheiratet sind, aber überhaupt nicht zueinander passen. Weil sie ihr ganzes Geld in die Start-Up-Firma ihrer Tochter gesteckt haben, können sie sich in England keinen Luxus mehr leisten. Evelyn Greenslade hat erst kürzlich ihren Mann verloren. Um der Zwangseinsiedlung in der Familie ihres Sohnes zu entgehen, zieht sie Jaipur vor und hofft, dort zu neuen Ufern zu finden. Muriel Donnelly hingegen hasst alle Ausländer. Doch um nicht länger auf ihre Hüftoperation warten zu müssen, entschließt sie sich, nach Indien zu reisen, da dort noch Operationskapazitäten frei sind. Madge Hardcastle fühlt sich noch viel zu jung als dass sie schon zum alten Eisen gehören würde und hofft im exklusiven Club in Jaipur einen reichen Mann zu treffen. Und schließlich gehört auch noch Frauenheld Norman zu der illustren Gruppe. Auch er hofft auf ein spätes Liebesglück. Anpassungsschwierigkeiten, das Springen über den eigenen Schatten und das Bewältigen vergangener Probleme geben sich jetzt im Hotel die Klinke in die Hand... Mit einem exquisiten Darstellerensemble und angereichert mit dem typisch mystischen Flair Indiens entfaltet Regisseur John Madden seinen Reigen von nachdenklichen, witzigen und berührenden Momenten, deren Dreh- und Angelpunkt ein heruntergekommenes Hotel bildet. Dev Patel (SLUMDOG MILLIONÄR) als dessen gewiefter Manager mit Liebeskummer verleiht dieser Seniorenresidenz allerdings mehr Charakter als jedem anderen Hotel. “Am Ende wird alles gut” predigt er stets seinen Gästen “und wenn es nicht gut ist, dann kann das noch nicht das Ende sein!”. Schon alleine dieser Spruch macht Lust darauf, den Film ein zweites Mal anzuschauen und einmal mehr zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das Alter nichts Schlimmes ist. Man muss es nur verstehen, das Beste daraus zu machen.
Dienstag, 21. Februar 2012
Immigranten und Alten-WG
Passen zum Faschingsdienstag gab es heute zwei Komödien auf dem Pressefahrplan.

RUSSENDISKO (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Paramount
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Oliver Ziegenbalg
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Friedrich Mücke, Christian Friedel, Susanne Bormann
Kinostart: 29.03.2012

1990, als die Wende in vollem Gange ist, machen sich drei junge Russen auf nach Ost-Berlin, um dort ihr Glück zu versuchen. Wladimir, der Spaßvogel, Mischa, der Musiker und Andrej, der Geschäftstüchtige, allesamt Freunde seit Kindesbeinen, finden ein Plätzchen im Asylantenwohnheim in Marzahn. Tagsüber versuchen sie ihr Glück mit dem Verkauf von Bierdosen, abends hängen sie in Kneipen ab. Da begegnet Wladimir der Frau seiner Träume: Olga, eine Tänzerin. Als Mischas Visum abläuft, schlägt Wladimir ihm vor, Olgas Freundin zu heiraten, um in Deutschland bleiben zu dürfen. Derweil plagen Andrej ganz andere Probleme. Denn die typisch russische Schwermut nagt an ihm sehr viel mehr als an seinen Freunden... Um einen witzigen Film zu machen, bedarf es mehr als nur Matthias Schweighöfer zu casten. Der spielt den Clown so wie er ihn schon in diversen anderen Filmen gemimt hat. Dieses Mal allerdings ohne dabei wirklich lustig zu sein. Der nach einem Kultroman von Wladimir Kaminer entstandene Film entpuppt sich schon relativ früh als ziemlich substanzlos. Hier geht es eigentlich einzig und alleine darum, das Lebensgefühl der russischen Immigranten während der Wende und der Perestroika darzustellen. Das mag für einen Roman ausreichen, ist aber zu wenig Stoff für einen abendfüllenden Spielfilm. Neben Schweighöfer (abgesehen von dessen wie immer etwas übertriebenen Komik) bilden Friedrich Mücke und Christian Friedel ein gutes Gespann, das insbesondere mit den hübschen Mädchen (Susanne Bormann, Peri Baumeister) gut harmoniert. So hat der Film dann doch noch einen kleinen Trumpf im Ärmel.

UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN? (1:1.85, DD 5.1)
OT: Et Si On Vivait Tous Ensemble?
Verleih: Pandora
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland 2011
Regie: Stéphane Robelin
Darsteller: Jane Fonda, Daniel Brühl, Pierre Richard, Geraldine Chaplin, Claude Rich, Guy Bedos
Kinostart: 05.04.2012

Fünf Freunde im gesetzten Alter: Claude, ein eingefleischter Single mit großer Leidenschaft für junge Prostituierte; Jeanne und Albert, verheiratet, er mit beginnender Demenz, sie mit unheilbarer Krankheit, die sie ihm verschweigt; Annie und Jean, ebenfalls verheiratet – er politischer Aktivist, sie Hausfrau mit Sehnsucht, ihre Enkel zu sehen. Bei einem gemeinsamen Essen wird plötzlich die Idee geboren, dass alle zusammenziehen sollten, um so gemeinsam den Herbst des Lebens besser bewältigen zu können. Die Idee stößt zwar zunächst bei den meisten auf Ablehnung, doch als Claude nach einem Herzanfall in einem Krankenhaus zu versauern droht, wird die Idee in die Tat umgesetzt. Mit unabsehbaren Folgen... Das Einzige, was in diesem Film als Störfaktor in Erscheinung tritt, ist Daniel Brühl. In der Rolle eines Enthnologie-Studenten nistet er sich in der Gemeinschaft der Alten ein, um diese als Forschungsobjekt für seine Studienarbeit zu nutzen. Seine Rolle ist leider dramaturgisch in keiner Art und Weise begründet und ist vermutlich nur deshalb eingebaut worden, um auch jüngere Zuschauer in den Film zu locken. Abgesehen von diesem Makel ist Stéphane Robelin ein wunderschöner Film über das Älterwerden gelungen. In der Wohngemeinschaft finden die Alten nicht nur Schutz vor dem Zugriff ihrer Kinder, die sie in ein Heim stecken wollen, sondern auch Hilfe bei den alltäglichen Problemen, die das Alter so mit sich bringt. “Gemeinsam sind wir stark!” wird hier vorgelebt. Doch die Gemeinschaft fördert unabsichtlich auch ein paar Geheimnisse ans Tageslicht. Da ist Claudes Affäre mit Jeanne vor über 40 Jahren nur der Anfang. Warmherzigkeit, Humor und ein handverlesenes Ensemble lassen diesen Film zu einem besonderen Erlebnis werden. Und letztendlich gibt er dem Zuschauer ein paar Denkanstöße für den Umgang mit dem Alter mit auf den Weg.
Donnerstag, 16. Februar 2012
Gruselkrimi für Kinder
Auch wenn uns der heutige Film einmal mehr in einer unfertigen Version gezeigt wurde, konnte man schon recht gut erahnen, wie das Endergebnis aussehen wird.

DAS HAUS DER KROKODILE (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Cyrill Boss, Philipp Stennert
Darsteller: Kristo Ferkic, Joana Ferkic, Vijessna Ferkic
Kinostart: 22.03.2012

Kurz nachdem die ganze Familie in das riesige, uralte Haus ihres Onkels eingezogen ist, lassen die Eltern die drei Kinder aufgrund einer Geschäftsreise zum ersten Mal alleine zuhause. Beim Herumstöbern findet der 11jährige Viktor das alte Tagebuch der ebenfalls 11jährigen Cäcilie Laroche, die vor 40 Jahren auf mysteriöse Weise bei einem Unfall ums Leben kam. Auch ein Einbrecher hat es offensichtlich auf Cäcilies Tagebuch abgesehen. Zumindest meint das Viktor, der eine vermummte Gestalt in der Wohnung beobachtet . Doch niemand glaubt ihm. Je mehr er sich jetzt mit dem Tagebuch befasst, desto klarer wird ihm, dass Cäcilie ihm damit ein Rätsel aufgeben wollte, das zu lösen es gilt... Die Ausstattung in diesem Gruselkrimi für Kinder ist gelungen: das riesige Treppenhaus mit dem runden Treppenaufgang macht echt was her. Auch die mit vielen Utensilien vollgestopften Zimmer des Onkels eignen sich vortrefflich für die Geisterstunde. Das ist dann mitunter aber so gruselig, dass kleinere Kinder Angst bekommen könnten. Die Personen sind gut ausgesucht – von Viktor und seinen beiden älteren Schwestern bis hin zur dubiosen Nachbarin, deren Sohn und dem seltsamen Einzelgänger, der ganz oben wohnt. Für die stets richtige Stimmung sorgt die ausgezeichnete Filmmusik von Helmut Zerlett und Christoph Zirngibl, die sich nicht mit quälenden Synthesizer-Klängen abgibt, sondern ein Orchester spielen lässt. Insgesamt ein gelungener Kinderfilm mit spannenden Momenten.
Dienstag, 14. Februar 2012
Trauerbewältigung
An der Anzahl der in dieser Woche stattfindenden Pressevorführungen merkt man deutlich, dass die Berlinale in vollem Gange ist: es sind genau zwei.

EXTREM LAUT UND UNGLAUBLICH NAH (1:2.35, DD 5.1)
OT: Extremely Loud And Incredibly Close
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Stephen Daldry
Darsteller: Tom Hanks, Sandra Bullock, Thomas Horn, Max von Sydow
Kinostart: 16.02.2012

Alles was ihm von seinem Vater bleibt sind die gespeicherten Anrufe auf dem Anrufbeantworter, die er am 11. September kurz vors seinem Tod vom World Trade Center abgesetzt hat. Aber der 11jährige Oskar Schell hütet sie wie ein Geheimnis. Nicht einmal seiner Mutter erzählt er von den Anrufen. Ein Jahr ist vergangen seit jenem schlimmsten Tag. Erst jetzt wagt sich Oskar, der zu einem gewissen Grade authistisch ist, in das Zimmer seines Vaters. Dort findet er einen versteckten Schlüssel in einem Kuvert, das die Aufschrift “Black” trägt. In der Annahme, dass es sich um eine Botschaft seines Vaters handelt, beschließt Oskar, alle Menschen namens Black in New York aufzusuchen um herauszufinden, in welches Schloss der Schlüssel passt. Seine Suche führt ihn zu den unterschiedlichsten Menschen... Trauerbewältigung ist eines der immer wiederkehrenden Themen in Filmen, da es stets aktuell ist und sehr viele Menschen berührt. So inszenierte Stephen Daldry die Trauerbewältigung seines kleinen Protagonisten nach einem Roman von Jonathan Safran Foer als ein sehr gefühlvolles Stück Kino, das zwar immer wieder dicht in den Kitsch absinkt, sich aber immer wieder daraus retten kann. Beeindruckend ist die schauspielerische Leistung von Thomas Horn in der Rolle des Oskar, der den Authisten perfekt mimt. Ihm zur Seite steht Max von Sydow, der zwar nur als Nebenfigur auftritt, aber dennoch die Leinwand zu füllen versteht. Und das ohne ein einziges Wort zu sprechen. Etwas misslungen ist das Ende des Films, das leider künstlich hinausgezögert wird.
Donnerstag, 09. Februar 2012
(Be)Sinnlich
Eine französische Komödie mit Tiefgang rundete meine Pressewoche bereits heute ab.

DIE KUNST ZU LIEBEN (1:1.66, DD 5.1)
OT: L’Art D’Aimer
Verleih: Camino (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Emmanuel Mouret
Darsteller: François Cluzet, Frédérique Bel, Julie Dépardieu
Kinostart: 17.05.2012

Zwei Freundinnen – die eine Single, die andere mit festem Freund – verabreden, dass die Single-Dame eine Nacht mit dem Freund der anderen verbringen darf. Ein Mitvierziger versucht, die neue Nachbarin zu verführen. Bei einem älteren Paar kündigt die Frau an, ihren Trieb mit anderen Männern ausleben zu wollen. Ein Buchhändler verliebt sich in seine beste Freundin, die jedoch schon vergeben ist. Das sind die Grundkonstellationen einiger der Kurzgeschichten, die in Summe DIE KUNST ZU LIEBEN ergeben. Eines muss man den Franzosen lassen: wenn es um die Liebe geht, sind sie Weltmeister. So wundert auch nicht, dass DIE KUNST ZU LIEBEN aus Frankreich stammt. Emmanuel Mouret hat diesen vergnüglich-sinnlichen Episodenfilm geschrieben und auch inszeniert. Und wie bereits in seinem Film KÜSS MICH! beweist er auch dieses Mal wieder, dass man nicht nur Liebe machen, sondern auch darüber reden kann. Mit einem phantastischen Ensemble präsentiert er uns einen ganzen Reigen von kleinen Geschichten, in denen es um die Liebe, um Eifersucht, um das Begehren geht. Dürfen aus Freunden Liebende werden? Wo genau verläuft die Grenze? Darf in einer festen Beziehung ohne Skrupel Fremdgegangen werden? Seine Episoden verbindet Mouret mit Ratschlägen und Statements zur Liebe, die wie Kapitel in Form von Schrifttafeln eingeblendet werden. “Keine Liebe existiert ohne Musik” heisst es da zu Beginn, wenn von einem Komponisten auf der Suche nach der wahren Liebe erzählt wird. Kurz vor seinem Tode vernimmt er diese Musik. Wir werden jedoch nie erfahren, in wen er sich verliebt hat. Die Liebe hat also auch melancholische Züge, wenngleich die restlichen Episoden weitaus amüsanter, jedoch nie oberflächlich sind. Bemerkenswert am Film ist die Besetzung, von der sich niemand in den Vordergrund spielt. Hier ist alles harmonisch und wirkt dadurch authentisch. Und Mouret führt seinen Zuschauern noch etwas deutlich vor Augen: weniger ist meistens mehr wenn es um Erotik geht. So gibt es in seinem Film keinen einzigen blanken Busen, dafür aber umso mehr Dessous, die nur das Allernötigste verhüllen und dem Film dadurch seinen sinnlichen Charakter geben.
Mittwoch, 08. Februar 2012
Es wird geballert in Südafrika
Dass man einen Maulwurf nicht nur heimlich, still und leise entsorgen kann (so wie in DAME, KÖNIG, AS, SPION demonstriert), sondern auch mit lautem Getöse, bewies die heutige Pressevorführung.

SAFE HOUSE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Safe House
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Daniel Espinosa
Darsteller: Denzel Washington, Ryan Reynolds, Vera Farmiga
Kinostart: 23.02.2012

Südafrika: ein mit hochbrisanten Daten handelnder Top-Spion wird vom CIA dingfest gemacht und soll in einem sogenannten “Safe House”, einer zum Hochsicherheitstrakt umgebauten Wohnung, verhört werden. Doch eine Gruppe unbekannter Killer dringt in das Gebäude ein und schaltet die CIA-Truppe aus. Bis auf den Hausherrn. Der kann in letzter Sekunde mit dem Spion zusammen fliehen. Doch die Häscher haften sich an ihre Fersen. Das Ziel: ein weiteres “Safe House”... Einmal mehr geht es in diesem Action-Thriller um einen Maulwurf. Dieses Mal sitzt er in der CIA. Bis es zu dessen Enttarnung kommt fliegen freilich noch Dutzende von Kugeln durch die Lüfte und werden etliche Autos zu Schrott gefahren. Actionverwöhntes Publikum wird hier ganz bestimmt auf seine Kosten kommen. Regisseur Daniel Espinosa hat das richtige Gespür für perfektes Timing. Mitunter wird vielleicht etwas zu heftig geschnitten und zu wackelig fotografiert, was sich bei zu kurzem Abstand zur CinemaScope-Bildwand negativ auswirken könnte. Tipp: nicht zu nah an die Bildwand gehen.
Dienstag, 07. Februar 2012
Völkerverständigung im Kleinen
Wenn es draußen so richtig kalt ist, dann freut man sich doch auf ein kuschelig warmes Kino!

KADDISCH FÜR EINEN FREUND (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: farbfilm (Barnsteiner)
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Leo Khasin
Darsteller: Ryszard Ronczewski, Neil Belakhdar, Neil Malik Abdullah
Kinostart: 15.03.2012

Für den 14jährigen Ali und seine Familie ist die kleine Wohnung in einem Wohnsilo in Berlin-Kreuzberg eine wahrhafte Offenbarung. Lange hat es gebraucht, bis sie aus einem palästinensischen Flüchtlingslager über den Libanon nach Deutschland kommen durften. Dass der Nachbar über ihnen ausgerechnet ein Jude ist, passt ihnen ganz und gar nicht. Insbesondere Ali, der den Judenhass sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen hat. Von ein paar anderen halbstarken Migranten lässt er sich dazu überreden, die Wohnung des alten Juden zu demolieren. Doch er wird dabei erwischt. Als Wiedergutmachung soll er dem Alten helfen, die Wohnung zu sanieren. Aus der anfänglichen Feindschaft wird ganz allmählich Freundschaft... Dass Toleranz und Völkerverständigung vor allem im Kleinen beginnt, zeigt Leo Khasin in seiner Dramödie klar und deutlich. Vor allem der Spielfreude seiner vorzüglichen Hauptdarsteller ist es zu verdanken, dass sich die Beziehung zwischen dem Teenager Ali und dem russisch-jüdischen Kriegsveteranen Alexander nicht verkünstelt, sondern auf ganz natürliche Art und Weise entwickelt. Die anfänglichen Kontrahenten machen es sich dabei nicht leicht. Ihr Miteinander ist geprägt von Aufs und Abs. Mag sein, dass die Story sich zum Ende hin etwas zu melodramatisch zuspitzt. Aber angesichts dieser schönen Parabel ist man gerne bereit, diese Überspitzung zu verzeihen.
Montag, 06. Februar 2012
Krieg im Krieg
Franzosenkino sollte meine recht überschaubare Pressewoche heute einläuten...

KRIEG DER KNÖPFE (1:2.35, DD 5.1)
OT: La Nouvelle Guerre Des Boutons
Verleih: DCM
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Christophe Barratier
Darsteller: Laetitia Casta, Guillaume Canet, Kad Merad
Kinostart: 12.04.2012

Die südfranzösische Provinz im Jahre 1944. Die Jungen zweier Nachbardörfer liefern sich aus nichtigen Gründen einen Kampf bis aufs Messer. Letzteres wird allerdings nur dazu genutzt, dem Feind nach dem Sieg stets sämtliche Knöpfe vom Hemd abzuschneiden. Als sich Lebrac, der Führer der einen Gruppe, in das neu hinzugezogene Mädchen Violette verliebt, wird die ganze Sache hoch brisant. Denn Violette ist in Wirklichkeit eine Jüdin, die vor den französischen Kollaborateuren versteckt werden soll. Um sie zu schützen, müssten alle an einem Strang ziehen... Mit KRIEG DER KNÖPFE präsentiert Regisseur Christophe Barratier bereits die vierte Verfilmung des Erfolgsromans von Louis Pergaud aus dem Jahre 1912, in dem der Autor die letzten Tages einer Kindheit und den Beginn des Erwachsenwerdens schildert. Die bekannteste der Verfilmungen ist jene von Yves Robert aus dem Jahre 1962, in der die Geschichte in die fünfziger Jahre verlegt wurde. Barratiers Verfilmung verlagert die Story in das Jahr 1944 und ergänzt sie um zwei wesentliche Aspekte: die Deportation der Juden durch französische Kollaborateure und die französische Resistance. Wesentlich für eine politische Auseinandersetzung der Franzosen mit ihrer nicht immer ruhmreichen Vergangenheit, nicht aber für die ursprüngliche Geschichte. Die hätte auch prima ohne den politischen Anspruch funktioniert. Jetzt lastet eine schwermütige, depressive Stimmung auf der Geschichte, in der es eigentlich um Freunde und Feinde, das Siegen und das Verlieren sowie die erste große Liebe und den Übergang zum Erwachsensein geht. Die Rivalität zwischen den beiden Jugendbanden gerät viel zu ernst. Da kann dann auch das Lächeln des kleinen Knirpses Gibus nichts mehr ausrichten. Kad Merad ist in der Rolle von Lebracs Vater komplett unterfordert und kann sein Potenzial ganz und gar nicht einbringen. Musikalisch zwar höchst beeindruckend, in ihrer Wirkung jedoch übertrieben ist der Score von Philippe Rombi. Die perfekt komponierten CinemaScope-Bilder von Kameramann Jean Poisson suggerieren stets, dass man hier zwar ganz Großes im Auge hatte, es aber einfach nicht funktionieren will. Wer dem Filmplakat traut, das einen Film im Stil von DER KLEINE NICK nahelegt, wird vom KRIEG DER KNÖPFE vermutlich herb enttäuscht werden.
Freitag, 03. Februar 2012
Stangenware
Hollywood-Sternchen Katherine Heigl hatte ich es zu verdanken, dass uns die heutige Pressevorführung spendiert wurde. Die Dame war nämlich zu Besuch im Schwabenland.

EINMAL IST KEINMAL (1:2.35, DD 5.1)
OT: One For The Money
Verleih: Concorde
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Julie Anne Robinson
Darsteller: Katherine Heigl, Jason O'Mara, Daniel Sunjata
Kinostart: 19.04.2012

Stephanie Plum ist nicht nur ihren Job los, sondern auch ihre Ehe. Beides hat nicht funktioniert. Als jetzt auch noch das Geld knapp wird und ihr kleiner roter Sportflitzer gepfändet wird, nimmt sie einen neuen Job in der Firma ihres Cousins an – einem Kautionsbüro. Ausgerechnet ihre einstige Jugendliebe wird ihr erster Auftrag. Sie soll den untergetauchten Cop Joe Morelli auftreiben, der unter Anklage steht... Wer auf Hollywood-Sternchen Katherine Heigl steht, wird diesen Film ganz sicher entgegen besseren Ratschlägen sowieso konsumieren. Zugegeben: Heigl macht eine recht ordentliche Figur als Gelegenheitsdetektivin und darf sich sogar unbekleidet unter die Dusche stellen. Doch das reicht einfach nicht für einen netten Kinoabend. Die Story ist öde, die Gags zünden nicht. Da bleibt nichts anderes zu tun, als sich irgendwie durch den Film zu mogeln und das Beste daraus zu machen. Kleiner Tipp: heisses Date mit ins Kino nehmen, dann nervt der Film nicht so.
Donnerstag, 02. Februar 2012
Beeindruckend
Heute sind mal wieder alle Natur- und Tierfreunde auf ihre Kosten gekommen.

UNSER LEBEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: One Life
Verleih: Paramount
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Martha Holmes, Mike Gunton
Kinostart: 15.03.2012

Mit UNSER LEBEN kommt eine atemberaubende Tierdokumentation in die Kinos, in der es im Grunde genommen um das Fressen und das Gefressen werden geht. Alles Leben beginnt mit der Geburt. So widmet sich der Film in seiner ersten Phase dem Nachwuchs und insbesondere den Tiereltern, die dafür Sorge tragen müssen, dass ihr Nachwuchs überlebt. Ob Gorillas in Afrika oder Seehunde in der Arktis. Ob Elefanten oder winzige Frösche. Sie alle haben Überlebensstrategien entwickelt, um in der wilden Natur gegen die natürlichen Feinde zu bestehen. Mit phantastischen Bildern (teilweise in extremen Makroaufnahmen) werden diese Strategien eindrucksvoll präsentiert, zurückhaltend aus dem Off kommentiert von Daniel Craig (in der deutschen Fassung gesprochen von Dietmar Wunder). Der zweite Teil des weltumspannenden Films handelt vom tagtäglichen Überlebenskampf, dem Finden von Nahrung. Hier präsentieren die Filmemacher ein paar wirklich originelle Spezies, die wahre Meister in der Futterbeschaffung geworden sind und denen man eigentlich nur neiden kann. Untermalt ist der Dokumentarfilm mit einer imposanten Musik aus der Feder von George Fenton.


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