Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Freitag, 30. März 2012
Mafia und Marley
Zum Abschluss der Pressewoche gab es wieder einmal echtes Kontrastprogramm: ein Thriller-Drama und eine Musik-Doku.

EIN RUHIGES LEBEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Una Vita Tranquilla
Verleih: farbfilm
Land/Jahr: Italien, Deutschland, Frankreich 2010
Regie: Claudio Cupellini
Darsteller: Toni Servillo, Marco D'Amore, Francesco Di Leva
Kinostart: 24.05.2012

Der Italiener Rosario Russo hat es geschafft. Er ist Besitzer eines gut laufenden deutschen Restaurants, hat eine deutsche Ehefrau und einen kleinen Sohn. Alles scheint in perfekter Harmonie zu sein. Doch dann treffen zwei junge Italiener im Restaurant ein: Diego und Edoardo. Was niemand weiß: Diego ist Rosarios Sohn aus erster Ehe. Und er ist ein Auftragskiller. Nach und nach muss sich Rosario seiner geheim gehaltenen dunklen Vergangenheit stellen... Claudio Cupellinis Film thematisiert die Tatsache, dass man seiner Vergangenheit nicht entfliehen kann, in Form eines Thrillers. Das funktioniert anfangs auch noch recht gut, doch stürzt der Film dann unsäglich ab. Da werden dann plötzlich Sub-Plots eingebaut, die im Film nichts zu suchen haben. So gibt es beispielsweise eine sehr oberflächliche Liebesgeschichte zwischen Edoardo und Doris, einer der Angestellten Rosarios. Diese wurde vermutlich nur in der Absicht, eine heisse Bettszene zu präsentieren, in den Film eingebaut. Ferner schleichen sich ärgerliche Drehbuchfehler in die Geschichte ein, so dass der ganze Film nicht mehr richtig ernst genommen werden kann. Die deutsche Synchronisation, die das italienisch-deutsche Original komplett eindeutscht, gibt dem Film den Rest. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die in der heutigen Pressevorführung erlebte miserable Bild- und Tonqualität auf die eingesetzte Blu-ray Disc zurückzuführen ist und dem zahlenden Publikum erspart bleibt.

MARLEY (1:1.85, DD 5.1)
OT: Marley
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Kevin Macdonald
Darsteller: Bob Marley
Kinostart: 17.05.2012

Auch wenn man kein großer Musikkenner ist, kennt man ihn trotzdem: Bob Marley ist die Ikone der Reggae-Musik. Zumindest kennt man seine Musik und sein Konterfei. Doch wer kennt den Menschen, der hinter der weltberühmten Fassade steckt? Vor über 30 Jahren ist Bob Marley einem Krebsleiden erlegen. Jetzt erst wagte sich Regisseur Kevin Macdonald (DER LETZTE KÖNIG VON SCHOTTLAND) an den Versuch, das Phänomen Bob Marley aufzuarbeiten. Für seine faszinierende Dokumentation ist es ihm gelungen, sowohl Familienmitglieder wie auch Wegbegleiter Marleys vor die Kamera zu holen und ihnen viele Geschichten zu entlocken, die bisher noch niemand kannte. Auch bislang unveröffentlichtes Bild- und Tonmaterial hat seinen Weg in Macdonalds Dokumentarfilm gefunden. Entstanden ist ein sehr persönliches und emotionales Porträt des Jamaikaners Marley, das insbesondere jenen die Augen öffnen wird, die sich noch nie mit seiner Person beschäftigt haben. Macdonalds Film ist dabei leider etwas zu lange geraten (er dauert 144 Minuten) und hätte gerne mehr von Marleys Performances in ganzer Länge vertragen. So werden immer nur kurze Ausschnitte aus seinen Konzerten zwischen die Interviews geschnitten. Dennoch wird der Film ganz sicher als der ultimative Film über Marley in die Filmgeschichte eingehen.
Donnerstag, 29. März 2012
Lachen ist die beste Medizin
Der erste Film lehrt uns diese alte Weisheit, die beim zweiten Film allerdings schon nicht mehr gilt.

50/50 – FREUNDE FÜRS (ÜBER)LEBEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: 50/50
Verleih: Universum (SquareOne)
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Jonathan Levine
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Seth Rogen, Anna Kendrick
Kinostart: 03.05.2012

Adam traut seinen Ohren kaum, als ihm der Arzt den Befund mitteilt: er hat einen Tumor an der Wirbelsäule. Bevor man operieren kann, muss sich Adam einer Chemotherapie unterziehen, um den Tumor zu verkleinern. Nicht nur für Adam, auch für die Menschen in seinem Umfeld beginnt eine harte Zeit. Freundin Rachael wendet sich von ihm ab und betrügt ihn sogar. Nur sein Kumpel Kyle, den er seit seinen Kindertagen kennt, hält fest zu ihm und versucht, Adam Mut zu machen. Dazu gehört natürlich auch, dass er versucht, ihn mit Mädchen zu verkuppeln. Und da wirkt nichts so zielsicher wie ein Krebs im Körper – meint Kyle zumindest... Kann man über Krebs lachen? Und wenn – darf man es? Jonathan Levine beantwortet beide Fragen in seiner Dramödie mit einem deutlichen “Ja!”. Entstanden ist sein Film nach dem Drehbuch von Will Reiser, der damit seine eigene Geschichte aufarbeitete. Denn auch er war an Krebs erkrankt, konnte ihn jedoch besiegen. Dass der Film funktioniert, liegt vor allem an seinen grandiosen Darstellern. Joseph Gordon-Levitt spielt den Erkrankten sehr überzeugend. Verzweiflung, Wut, Hilflosigkeit – er präsentiert die gesamte Palette der Emotionen. Seth Rogan mimt seinen Kumpel Kyle, der zwar versucht, die Krankheit seines besten Freundes mit allerlei Albernheiten zu ignorieren, aber tief in seinem Inneren eigentlich noch verzweifelter ist als der Todeskandidat selbst. Als Adams Therapeutin brilliert einmal mehr Anna Kendrick – unsicher und unerfahren, aber sehr gefühlvoll. Auch die Nebenrollen (z.B. Angelica Huston als Adams Mutter) sind treffend besetzt. So vermittelt 50/50 eine ganz neue Sichtweise auf die Todeskrankheit Nummer 1, die in der Erkenntnis mündet, dass Lachen die beste Medizin ist.

DAS HOCHZEITSVIDEO (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Lisa Bitter, Marian Kindermann, Michael Abendroth
Kinostart: 10.05.2012

Daniel wurde damit beauftragt, die Hochzeitsvorbereitungen sowie die Hochzeit selbst seines besten Freundes Sebastian für die Nachwelt auf Video festzuhalten. Ausgestattet mit einer Digitalkamera filmt er fortan nicht nur die schönen Momente, sondern insbesondere auch die peinlichen. Durch seine Kamera nimmt man als Zuschauer teil an dem sich langsam entfesselnden Chaos, das speziell durch die geheime Vergangenheit der Braut ausgelöst wird. Denn ihre ausschweifende Beziehung zu dem Pornofilmdarsteller Carlos hat Pia ihrem Sebastian verschwiegen. Dumm nur, dass Carlos plötzlich vor der Tür steht... Wenn schon die Amerikaner die deutschen Kinos mit Filmen wie HANGOVER oder BRAUTALARM sehr erfolgreich in Beschlag nehmen können, dann muss das doch auch mit heimischen Produkten funktionieren. Gesagt – getan. Und so liefert Sönke Wortman mit seinem HOCHZEITSVIDEO die passende Antwort zu den amerikanischen Vorbildern. Was derbe Witze und Fäkalhumor angeht, steht sein Film den US-Blockbustern in nichts nach – leider. Sein Film wird eigentlich nur ganz selten wirklich witzig. Beispielsweise wenn der Pfarrer beim Proben mit dem Hochzeitspaar die Nerven verliert und zu fluchen beginnt. Alles andere in diesem Werk läuft nach Schema F. Im Verlaufe der dokumentierten Tage eskaliert die Situation natürlich extrem. Da wird nicht nur die Hochzeit mehrfach abgesagt, dann wieder angesetzt, verschwinden die Ringe, werden durch andere ersetzt, gibt es Missverständnisse am laufenden Band. Seinen dokumentarischen Stil bricht Wortmann im Verlaufe des Films mehrfach, indem er plötzlich Blickwinkel einführt, die von keiner der im Bild sichtbaren Kameras eingefangen werden oder indem er einfach schneidet. Mit ein paar Gläschen Sekt intus wird man den Film bestimmt ganz amüsant finden. Stocknüchtern lässt er sich manchmal nur schwer ertragen.
Mittwoch, 28. März 2012
“Don’t Talk to Strangers – Shoot `Em!”
Ein Science-Fiction-Action-Spektakel lockte mich in die heutige Pressevorführung.

LOCKOUT (1:2.35, DD 5.1)
OT: Lockout
Verleih: Universum (Walt Disney)
Land/Jahr: Frankreich 2012
Regie: James Mather, Stephen St. Leger
Darsteller: Guy Pearce, Maggie Grace, Vincent Regan
Kinostart: 10.05.2012

Man schreibt das Jahr 2079. 50 Meilen über der Erde schwebt das M.S. One, ein riesiges Hochsicherheitsgefängnis, dessen Insassen in einen Hyperschlaf versetzt wurden. Als sich die Tochter des amerikanischen Präsidenten als Teil einer humanitären Mission dort oben vor Ort umschaut, will es der Zufall, dass sie in die Hände der Bösewichter gelangt. Nur ein Mann kann sie jetzt noch retten: Undercover-Agent Snow. Und der hat auch immer den passenden Rat zur rechten Zeit: “Don’t talk to Strangers – Shoot Èm”. Gleich mit seiner Eröffnungssequenz macht der Film vom Regie-Gespann James Mather und Stephen St. Leger klar, worauf es ihm ankommt: Action satt. Auch wenn die Motorradverfolgung zu Beginn tricktechnisch etwas enttäuscht (und das Gefährt selbst doch sehr an jene aus TRON erinnert), so gibt sie ein Höchstmaß an Tempo vor. Doch die Mischung aus Sci-Fi und Action bleibt nicht über die ganze Zeit derart fulminant. Dazwischen gönnt sich der Film ein paar Auszeiten, in denen sich die beiden Hauptdarsteller näher kommen dürfen. Arg viel Neues hat das Spektakel jedoch nicht zu bieten, sondern fährt gängige Klischees auf. Bereits die Grundidee des Films erinnert doch sehr an Peter Hyams‘ OUTLAND. Ähnlich wie einst Peter Hyams, der zuletzt bei seinen Filmen nicht nur Regie führte, sondern diese auch skriptete und fotografierte, vereint Co-Regisseur James Mather noch zwei weitere Funktionen in seiner Person: er ist bei LOCKOUT Co-Autor und Kameramann. Wenn Sie keine Lust haben, über einen Film nachdenken zu müssen und überdies auch gerne die härtere Gangart zu schätzen wissen, dann könnte dieses Werk aus Luc Bessons “Digital Factory” genau das Richtige für Sie sein.
Dienstag, 27. März 2012
Perseus in der Unterwelt...
...oder “Die Götter müssen verrückt sein” hätte man den zweiten Film heute auch betiteln können. Aber egal wie auch immer sein Titel ist – da musste ich heute durch!

JANOSCH - KOMM, WIR FINDEN EINEN SCHATZ! (1:1.66, 2D und 3D, DD 5.1)
Verleih: MFA (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Irina Probost
Kinostart: 24.05.2012

Als Tiger und Bär eine Schatzkarte finden, sind die beiden Freunde nicht mehr zu bremsen. Gemeinsam wollen sie nach dem Schatz suchen. Doch sie sind nicht alleine. Denn auch der listige Katzendetektiv Gokatz und der knurrende Hund Kurt haben Interesse an dem Schatz. Und dann ist da noch Hase Jochen Gummibär, der eigentlich auf der Suche nach Freunden ist und ganz zufällig auf Tiger und Bär trifft. Das Abenteuer kann beginnen... Gezeichnet ganz im Stil von Janoschs Kinderbüchern wird eine Geschichte über Freundschaft erzählt, die wertvoller ist als alles Geld auf der Welt zusammen. Damit richtet sich der Animationsfilm an Kinder im Kindergartenalter, denen solche wichtigen Werte ganz subtil und kindgerecht vermittelt werden. Auch wenn der Film zumeist zum Lachen animiert, so ist er an wenigen Stellen doch recht gruselig geworden (z.B. wenn die drei Freunde im trüben Sumpf auf gefräßige Krokodile stoßen), so dass eine Begleitung durch Erwachsene ratsam wäre. Beeindruckend ist die Filmmusik von Marius Ruhland, die mit großem Orchester und Chorstimmen wahrhaftig aus dem Vollen schöpft und aus dem Film ein richtiges Abenteuer werden lässt.

ZORN DER TITANEN (1:1.85, 3D, DD 5.1)
OT: Wrath Of The Titans
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA, Spanien 2012
Regie: Jonathan Liebesman
Darsteller: Sam Worthington, Ralph Fiennes, Liam Neeson
Kinostart: 29.03.2012

Um zu verhindern, dass Titanen-Anführer Kronos zu großer Macht kommt und den Göttern damit gleichzeitig ihre Macht nimmt, versucht sich Obergott Zeus mit seinen Brüdern zu verbünden. Nichtsahnend, dass sich Hades gemeinsam mit Zeus‘ göttlichem Sohn Ares bereits gegen ihn verschworen haben, begibt er sich in die Unterwelt und wird prompt festgesetzt. Sein Bruder Poseidon gar erleidet eine grausamen Tod. Nun ist es an Zeus‘ Mensch gewordenem Sohn Perseus, die Familienfehde wieder gerade zu rücken... Verärgert sagt Poseidons Sohn, der Halbgott Argenor, dem bittenden Perseus ins Gesicht: “Fahr‘ doch zur Hölle!”. Worauf der erwidert: “Genau da wollte ich auch hin!” – Das ist einer der ganz wenigen lichten Momente im Fortsetzungsfilm zu KAMPF DER TITANEN. Abgesehen von dem gut in Szene gesetzten Labyrinth, in das Perseus und seine Gefährten gelangen, und dessen Gänge und Wände sich ständig so verändern, als wäre es das Hogwarts der griechischen Antike sowie dem zuvor zitierten Dialog hat der ZORN DER TITANEN eigentlich nur Langeweile zu bieten. Aufgrund des schlecht gewählten Bildformates (CinemaScope hätte einem Film wie diesem besser zu Gesicht gestanden) und der vielen Close-Ups erinnert das Ganze fatal an einen Fernsehfilm, dessen Kurzfassung uns im Kino gezeigt wird. Mag sein, dass die 3D-Technik nicht mehr derart unterirdisch schlecht ist wie im Vorgängerfilm, aber ins Gewicht fallen tut sie sowieso nicht. Die handelnden Personen sind viel zu oberflächlich angelegt, so dass es einem schon gar nichts mehr ausmacht, ob Held A oder Held B stirbt. Man hat schon längst die Lust an dem Stoff verloren, der an seinem Ende sogar noch mit einer weiteren Fortsetzung droht. Au weia!
Mittwoch, 21. März 2012
Wie die Mutter so die Tochter
Ein Musical aus Frankreich? Ist etwa Jacques Demy wieder unter uns? Die heutige Vorführung hat mich dann aber ernüchtert.

DIE LIEBENDEN - VON DER LAST, GLÜCKLICH ZU SEIN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Les Bien-aimés
Verleih: Senator
Land/Jahr: Frankreich, Großbritannien, Tschechien 2011
Regie: Christophe Honoré
Darsteller: Catherine Deneuve, Ludivine Sagnier, Milos Forman, Chiara Mastroianni
Kinostart: 03.05.2012

Mitte der sechziger Jahre beginnt die Schuhverkäuferin Madeleine ihre Karriere als Hure in Paris. Einer ihrer Kunden ist der Tscheche Jaromil, der sich Hals über Kopf in sie verliebt und sie mit nach Prag nimmt. Die beiden heiraten und bekommen ein Kind: Vera. Doch Madeleine lässt sich scheiden und geht mit Vera nach Paris zurück. Dort heiratet die Mutter wieder und beginnt eine Affäre mit Jaromil. Als Erwachsene verliebt sich ihre Tochter Vera in einen Musiker, der sich jedoch als schwul outet. Doch Vera kann ihn nicht vergessen. So pendeln Mutter und Tochter gleichermaßen zwischen einer bodenständigen festen Beziehung und dem jeweiligen Traummann... In seiner sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Geschichte erzählt Regisseur Christophe Honoré von der Liebe. Kein Wunder – er ist ja Franzose! Für die simple Erkenntnis, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt oder anders ausgedrückt: die Tochter wie die Mutter ist, hätte es keiner 135 Minuten Spielzeit bedurft. Sowohl die Mutter (als alte Frau gespielt von der Grande Dame des französischen Films, Catherine Deneuve, als junge Frau dargestellt von Ludivine Sagnier) als auch die Tochter (dargestellt von Deneuves Tochter Chiara Mastroianni) erleben eine unerfüllte Liebe. Beide lässt der Regisseur ein Lied singen, in dem es heisst “Ich kann ohne Dich leben, aber ich kann nicht leben ohne Dich zu lieben”. Richtig gelesen: Honoré lässt seine Darsteller singen. Der bekennende Jacques Demy Fan (DIE REGENSCHIRME VON CHERBOURG) hat aus DIE LIEBENDEN ganz im Stil eines Demy ein Musical gemacht. Eines allerdings, in dem nicht getanzt wird. In seine Liebesgeschichte mixt Honoré ein bisschen Prager Frühling, etwas 9/11 und dann noch eine gute Portion AIDS. Das alles erscheint irgendwie halbherzig und plakativ und hat mit der eigentlichen Liebesgeschichte nur ganz rudimentär zu tun. DIE LIEBENDEN befriedigt als Film leider nicht. Schade, denn ein schönes Musical gab es schon länger nicht mehr.
Sonntag, 18. März 2012
Fantasy Filmfest Nights 2012 Tag 2
Der zweite und letzte Tag des “Nights” stand ganz im Zeichen von Kevin. Und der ist nicht mehr allein zuhaus.

THE PRODIGIES (1:1.85, 3D, DD 5.1)
OT: La Nuit Des Enfants Rois
Verleih: Capelight
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Antoine Charreyron
Kinostart: Fantasy Filmfest Nights 2012

Nach einer von Gewalt geprägten Kindheit landet der hochbegabte Jimbo in einer Anstalt. Dort nimmt sich der millionschwere Unternehmer Killian seiner an und adoptiert ihn. Mithilfe eines Online-Games soll Jimbo nach weiteren Jugendlichen suchen, die genauso begabt sind wie er. Und er findet tatsächlich fünf weitere Jugendliche. Was führt Killian im Schilde? Die Amis würden sagen: “It is Style over Substance!”. Denn Antoine Charreyrons in Motion Capture Technik gedrehter Animationsfilm ist leider recht substanzlos. Dagegen hat jedes “Spiderman”-Comic mehr an Inhalt zu bieten. Da bleibt dann nichts weiter übrig, als die Animationskunst zu betrachten, die in großen Teilen des Films überzeugend gelungen ist. Wenn einer der Protagonisten beispielsweise in eine große Tiefe stürzt und die Kamera ihm mit derselben Geschwindigkeit folgt, produziert das echtes Schwindelgefühl. Zumindest mein Magen hat da ganz schön gekribbelt! Die 3D-Technik geht in Ordnung, da sie die räumliche Tiefe der Szenen gut vermitteln kann. Auch wenn es nur eine Animation ist, so ist THE PRODIGIES nicht weniger brutal. Eine Freigabe ab 18 Jahren sollte hier Pflicht sein – so denn das Werk überhaupt in Deutschland vermarktet wird. Auffallend ist übrigens die gewissen Ähnlichkeit der Handlung zum gestern gesehenen Film CHRONICLES. Hier wie dort haben wir Jugendliche mit telekinetischen Kräften, die sie missbrauchen, um ihre Ziele zu erreichen.

WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN (1:2.35, DD 5.1)
OT: We Need To Talk About Kevin
Verleih: Fugu
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Lynne Ramsay
Darsteller: Tilda Swinton, John C. Reilly, Ezra Miller
Kinostart: 16.08.2012

Seit jenem verhängnisvollen Tag, an dem ihr 16jähriger Sohn Kevin ein Massaker angerichtet hat, wird seine Mutter im Ort wie eine Aussätzige behandelt. Niemand hat Verständnis für ihre Lage. Wie kann die Mutter eines Amokläufers ihren Sohn trotzdem noch lieben? Jetzt ist der triste Alltag Evas geprägt von Erinnerungen, die ihr wie Geisterbilder durch den Kopf schwirren. Schon als Baby war Kevin sehr böse. Eva konnte nie eine wirkliche Verbindung zu ihm aufbauen. Ganz anders die Beziehung zu seinem Vater – mit ihm war Kevin ein Herz und eine Seele. Je älter Kevin wurde, desto fieser wurde sein Benehmen. Als seinen Vater ihm Pfeil und Bogen schenkte, besiegelte er damit unwissentlich Kevins Schicksal... Mit seinem konsequent durchgehaltenen Farbschema bereitet uns der Film auf das unausweichliche Grauen vor, das Kevin am Ende anrichten wird: die Farbe Rot beherrscht die breiten CinemaScope-Bilder. Ob es der Ball ist, den der kleine Kevin aus Trotz nicht zu seiner Mutter zurückrollt, ob es die schiere Menge an Erdbeermarmelade ist, mit der der größere Kevin sein Sandwich bestreicht oder ob es die Farbe ist, mit der Unbekannte Haus und Auto von Kevins Mutter beschmiert haben. Alle diese Variationen von Rot verheissen nichts Gutes. Im Laufe des Films entwickelt man als Zuschauer ein sicheres Gespür dafür, was wohl geschehen war, warum Kevins Mutter von vielen Menschen gemieden und sogar geschlagen wird. Doch trotz dieses ungefähren Wissens bleibt der Film von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend. Zu verdanken ist dies seiner virtuosen Erzählstruktur, die verschiedene Zeitebenen miteinander verwebt, ohne damit den Zuschauer zu überfordern. Nicht minder großen Anteil an der Eindringlichkeit der Geschichte hat Kameramann Seamus McGarvey, dessen klare und extrem gut komponierten Bilder alleine schon wahre Bände sprechen. Doch all diese technischen Raffinessen, zu denen letztendlich auch ein atemberaubendes 5.1-Sounddesign gehört, würden nur halb so gut funktionieren, wäre da nicht Tilda Swinton in der Rolle von Kevins Mutter. Sie spielt die von Selbstzweifeln geplagte Mutter so überzeugend, dass ihre Performance noch lange nach Verlassen des Kinosaals im Gedächtnis bleiben wird. Was übrigens grundsätzlich für den gesamten Film gilt. Ein absolutes Highlight. Und das Highlight der Fantasy Filmfest Nights 2012 – mit Abstand.
Samstag, 17. März 2012
Fantasy Filmfest Nights 2012 Tag 1
Ich habe mir von den fünf angebotenen Filmen nur vier gegönnt. Den fünften – JUAN OF THE DEAD - kannte ich bereits

ROSEWOOD LANE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Rosewood Lane
Verleih: Wild Bunch Germany / Planet Media
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Victor Salva
Darsteller: Rose McGowan, Lauren Vélez, Ray Wise
Kinostart: Fantasy Filmfest Nights 2012

Nach dem Unfalltod ihres Vaters zieht eine Psychologin in das Haus ihres Vaters. Von Stund an wird sie von einem Zeitungsjungen drangsaliert, der nicht nur in ihren Keller eindringt, sondern zudem noch die Fähigkeit besitzt, in verschiedenen Inkarnationen präsent zu sein. Auf welch verwirrten Pfaden ausgerechnet dieser Film seinen Weg ins Programm der “Fantasy Filmfest Nights” gefunden hat bleibt äußerst rätselhaft. Denn bereits nach ein paar Minuten war klar, dass es sich hier um einen Thriller unterster Kategorie handelt. Nicht nur kann man darin den Schauspielern deutlich im Gesicht ablesen, dass sie versucht haben, das Projekt so schnell wie möglich abzudrehen. Allen voran Ray Wise in der Rolle des ermittelnden Kriminalbeamten. Ihn kennt man aus vielen anderen Genre-Filmen und er ist immer in guter Erinnerung geblieben. Doch in ROSEWOOD LANE mutierte er zur unfreiwilligen Lachnummer. Wie auch vieles andere in diesem Film von Victor Salva, der Jahre zuvor mit JEEPERS CREEPERS ein echtes Horror-Highlight geschaffen hatte. Dabei hätte sein Film echtes Trash-Potenzial gehabt. Doch Trash hatten die Macher damit ganz offensichtlich nicht im Sinn. Entgegen den Ankündigungen in den Programmen wurde der Film nicht im englischen Original präsentiert, sondern in einer deutschen Synchronfassung. Und die gab dem Film noch den Rest.

CHILDISH GAMES (1:1.85, DD 5.1)
OT: Dictado
Verleih: Filmax
Land/Jahr: Spanien 2012
Regie: Antonio Chavarrías
Darsteller: Juan Diego Botto, Barbara Lennie, Mágica Pérez
Kinostart: Fantasy Filmfest Nights 2012

Nichts wünschen sich Daniel und Laura so sehr wie ein Kind. Doch der Wunsch bleibt dem Paar verwehrt. Als Daniels einstiger Jugendfreund Mario Selbstmord begeht, entschließt sich Laura, dessen kleine Tochter Julia bei sich aufzunehmen. Doch Julias Anwesenheit macht Daniel nervös und weckt schon lange verdrängte Erinnerungen in ihm wach. Ist Julia die Reinkarnation eines kleinen Mädchen, für dessen Tod er und Mario die Verantwortung tragen? Auch wenn Antonio Chavarrias‘ Film relativ leicht vorhersehbar ist, liefert er mit CHILDISH GAMES einen brauchbaren Thriller ab. Seine Stärke ist Subtilität: er verzichtet weitgehend auf krasse Effekte und wenn doch, dann nur als Bestandteil eines Alptraums. Die Rückschau auf das prägende Ereignis in der Jugendzeit des Protagonisten wird häppchenweise präsentiert, indem die Handlung der Gegenwart ständig dadurch unterbrochen wird. Dieser Erzählstil langweilt zum Ende hin leider etwas. Insgesamt kommt der Film nicht über TV-Niveau hinaus.

SLEEP TIGHT (1:2.35, DD 5.1 EX)
OT: Mientras Duermes
Verleih: Senator
Land/Jahr: Spanien 2011
Regie: Jaume Balagueró
Darsteller: Luis Tosar, Marta Etura, Alberto San Juan
Kinostart: 05.07.2012

Cesar ist Concierge in einem großen, alten Mietshaus in einer spanischen Großstadt. Eigentlich ist er bei allen beliebt aufgrund seiner Freundlichkeit. Doch Cesar ist vollkommen unglücklich. Insgeheim hasst er alle Mieter abgrundtief. Bis auf eine: in die schöne Clara hat er sich verliebt und wird zum Stalker. Nichtsahnend dringt er mit seinem Generalschlüssel jede Nacht in ihr Apartment ein, versteckt sich unter dem Bett und wartet, bis sie eingeschlafen ist. Dann kommt sein großer Auftritt: er betäubt die Schöne und treibt Dinge mit ihr... Mit Luis Tosar hat Regisseur Jaume Balagueró die Idealbesetzung für seinen Hausmeister gefunden. Tosar bringt den Spagat souverän fertig, im einen Augenblick der netteste Mensch auf Erden sein, im anderen Augenblick aber auch der fieseste. Vom anfänglich sehr subtilen Stil des Thrillers sollte man sich nicht täuschen lassen – es wird Blut fließen. Viel Blut. Es ist einer jener Thriller, den man als Zuschauer aus der Sicht des Bösen anschauen darf. So liegen wir mit Cesar unter dem Bett seiner Angebeteten, sind dabei, wenn er absichtlich das ihm in Obhut gegebene Hündchen mit schlechtem Essen versorgt oder sich gegen eine kleine Erpresserin zur Wehr setzt. Während man also sozusagen mit ihm mitfiebert, bekommt man auch gleichzeitig Angst vor dem Mann mit dem Generalschlüssel. SLEEP TIGHT ist gutes Genre-Kino.

CHRONICLE – WOZU BIST DU FÄHIG? (1:1.85, DD 5.1)
OT: Chronicle
Verleih: Fox
Land/Jahr: Großbritannien, USA 2012
Regie: Joshua Trank
Darsteller: Dane DeHaan, Alex Russell, Michael B. Jordan
Kinostart: 19.04.2012

Andrew beschließt sein gesamtes verpfuschtes Leben mit der Kamera zu dokumentieren. An der Highschool wird er gemobbt, Freunde hat er keine. Nur Cousin Matt kümmert sich ein wenig um ihn. Zuhause ist seine Mutter mit schwerer Krankheit ans Bett gefesselt, sein alkoholsüchtiger Vater prügelt ihn. Alles ändert sich, als er zusammen mit Matt und dessen Kumpel Steve ein geheimnisvolles Erdloch entdeckt, das den drei Jungs telekinetische Kräfte verleiht. Und zu ihrem Erstaunen wachsen diese Kräfte stetig an. Die Drei beschließen, ihre Kräfte geheimzuhalten. Doch schon bald entwickelt sich aus dem spielerischen Umgang mit den Superkräften eine Situation, die die Kumpels gegeneinander aufzubringen droht... Es ist schon echt verblüffend zu sehen, mit welcher Leichtigkeit und mit welcher Souveränität sich ganz unmerklich die visuellen Effekte in die Geschichte einschleichen. Ähnlich wie in GLOVERFIELD wirkt hier alles ganz echt und natürlich. Im Gegensatz zu den vielen anderen Mockumentarys der letzten Jahre ist hier nicht nur der Blickwinkel einer einzigen Kamera im Einsatz, sondern gleich mehrerer. Der Film gestaltet sich dadurch etwas abwechslungsreicher, obgleich der Stil inzwischen schon recht abgedroschen ist. Die zumeist jungen Darsteller sind gut ausgesucht und liefern glaubwürdige Performances ab. CHRONICLE wartet dazu noch mit einer ausgezeichneten Tonspur auf, die in Sachen Dynamik und Stereophonie keine Wünsche offen lässt. Etwas zuviel des Guten gibt es dann allerdings beim Showdown, der insgesamt viel zu lange geraten ist. Da wäre weniger mehr gewesen.
Freitag, 16. März 2012
Allein im Weltraum
Bevor morgen die Fantasy Filmfest Nights über mich hereinbrechen, habe ich noch einen weiteren Film aus dem Filmfest-Programm vorgeschaut.

LOVE (1:1.85, Stereo)
OT: Love
Verleih: Splendid
Land/Jahr: USA 2011
Regie: William Eubank
Darsteller: Gunner Wright, Corey Richardson, Bradley Horne
Kinostart: Fantasy Filmfest Nights 2012

Seit langer Zeit schon schiebt Astronaut Lee Miller seinen einsamen Dienst auf der ISS Raumstation, die frei im Orbit zwischen Erde und Mond schwebt. Seine einzige Verbindung zur Erde sind die Funksprüche aus dem Kontrollzentrum. Doch dann reißen die plötzlich ab. Lee hat keine Verbindung mehr zur Außenwelt! Je länger er jetzt ganz auf sich gestellt ist, desto mehr hat er jetzt mit Problem zu kämpfen, nicht verrückt zu werden. Zufällig entdeckt er ein an Bord verstecktes Tagebuch eines Soldaten, der im amerikanischen Bürgerkrieg gedient hat... Eines gleich vorweg: die Handlung des Films ist nicht gerade das was man im Allgemeinen als geradlinig versteht. Und so wird sich der Film sicherlich auch nicht sofort dem Betrachter erschließen. Aber das tat Stanley Kubricks 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM seinerzeit auch nicht. In seiner Schlusssequenz outet sich Regisseur William Eubank als Fan von Kubricks Weltraumabenteuer – die Parallelen sind unverkennbar. Dennoch gelingt es ihm, durch die grandiose Kameraarbeit (der Regisseur ist gleichzeitig Kameramann!) und das ausgefeilte Sounddesign, dem Film eine ungeheure Sogwirkung zu geben. Man bleibt unweigerlich dran an der Geschichte, in der es um Klaustrophobie, Einsamkeit, den Krieg und das Verrücktwerden geht. Eubank beweist mit seinem Film auch auf grandiose Weise, dass man auch mit einem Minimalbudget (der Film soll schlappe 500.000 US Dollar gekostet haben) eine Maximalwirkung erzielen kann. Die Sets brauchen sich nicht hinter denen von Kubrick zu verstecken und seine Kameraperspektiven sind ebenso einfallsreich wie die des großen Meisters. Die Bilder von LOVE, kombiniert mit dem teilweise pulsierenden Score von Angels & Airwaves, werden auch nach Ende des Films noch fest im Kopf des Betrachters verankert sein.
Donnerstag, 15. März 2012
Spione und Nutten
Erst jugendfreie Ware, danach dann Arthaus-Erotik – so sah mein heutiger Tag aus.

SPY KIDS 4D (1:1.85, 3D, DD 5.1)
OT: Spy Kids: All The Time In The World In 4D
Verleih: Senator
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Robert Rodriguez
Darsteller: Jessica Alba, Joel McHale, Rowan Blanchard
Kinostart: 03.05.2012

Oberschurke Tick Tock ruft “Spy Mom” Marissa auf den Plan. Denn der arbeitet mit dem ganz bösen Timekeeper zusammen. Gemeinsam will das Duo der ganzen Welt die Zeit stehlen. Und mit ihrem Armageddon Device scheint das sogar zu gelingen. Plötzlich drehen sich alle Uhren schneller – Minuten werden zu Sekunden, Tage zu Stunden, Jahre zu Tagen. Einzig ein edler Saphir könnte die Maschine anhalten. Ausgerechnet ihrer Stieftochter Rebecca hat Marissa diesen Saphir gegeben. Rebecca sieht sich und ihren Bruder plötzlich bösen Häschern ausgesetzt, nichtsahnend, dass ihre Stiefmutter eine Top-Spionin ist... Ganz im Geiste der “Spy Kids”, die im Film mit allerlei Gadgets ausgestattet werden, hat Allroundtalent Robert Rodriguez den inzwischen vierten Teil der familientauglichen Agenten-Persiflage ebenfalls mit Gadgets ausgestattet. So kommt der neue Film nicht nur wie bereits Teil 3 plastisch, sondern auch noch duftend in die Kinos. Wie einst bei John Waters‘ POLYESTER erhält man zusammen mit dem Kinoticket eine Rubbelkarte, mit nummerierten Punkten. Wird während des Films eine Zahl eingeblendet, rubbelt man einfach kurz auf dem korrespondierenden Rubbelfeld, wodurch der zur Szene passende Geruch freigesetzt wird. Doch das ist natürlich nur eine Randerscheinung in diesem vor Ideen überbordenden Film, in dem es eigentlich um ein allerseits bekanntes Problem unserer Zeit geht: Eltern haben einfach keine Zeit mehr, sich um ihre Kinder zu kümmern. Und Robert Rodriguez weiß, wovon er erzählt, ist er doch selbst stolzer Vater von fünf Kindern. Das Thema “Zeit” bekommt in Rodriguez‘ Film eine globale Bedeutung: sie ist das wertvollste Gut, das wir haben. Also müssen wir sie für die Dinge einsetzen, die wir lieben. Rodriguez weiß natürlich ganz genau, dass man die Metaebene eines Films nicht per Holzhammermethode verkaufen kann – und schon gar nicht an Kinder. Letztere sind die Zielgruppe seines Films. Die Kleinen werden hier garantiert ihren Spaß haben. Dafür sorgt alleine schon der sprechende Roboterhund, der im englischen Original mit herrlich britischem Akzent von Ricky Gervais gesprochen wird und über faszinierende “Features” verfügt. Jessica Alba macht als “Spy Mom” eine gute Figur – sogar wenn sie hochschwanger noch ein paar böse Buben zur Strecke bringt. Auch die Stiefkinder an ihrer Seite haben offensichtlich Freude am Spiel, die ganz bestimmt auf die jungen Zuschauer überschwappen wird.

DAS BESSERE LEBEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Elles
Verleih: Zorro
Land/Jahr: Deutschland, Frankreich, Polen 2011
Regie: Malgorzata Szumowska
Darsteller: Juliette Binoche, Anaïs Demoustier, Joanna Kulig
Kinostart: 29.03.2012

Für einen Artikel über Studentinnen, die sich ihr Geld als Prostituierte verdienen, interviewt die Pariser Journalistin Anna zwei junge Frauen. Je intensiver sie sich mit deren Leben auseinandersetzt, desto klarer wird ihr das eigene Leben vor Augen geführt, das im Grunde genommen nicht viel besser als das der Prostituierten zu sein scheint... Eine Ehe, die nicht mehr funktioniert und Kinder, die sich nichts mehr sagen lassen – kein Wunder also, dass sich Anna fasziniert für die Welt der jungen Studentinnen interessiert. Auf die Frage, warum sich Männer ihrer Dienste bedienen, sagt man ihr: “Weil Ehefrauen solche Dinge nicht tun.”. Malgorzata Szumowska wirft in ihrem Film Szenen aus dem Leben der Prostituierten, Interviews zwischen Anna und denselben sowie Szenen aus Annas Alltag bunt gemischt durcheinander. Bis auf einige wenige Ausnahmen vermittelt der Film den Eindruck, dass die jungen Prostituierten eigentlich einem Traumjob nachgehen. Dass es ein knallharter Job ist, der mit vielen Demütigungen und auch Gewalt einher geht, wird nicht deutlich zum Ausdruck gebracht. Wer tatsächlich das sogenannte bessere Leben führt – ob Anna in ihrem großen Apartment über den Dächern von Paris oder die Studentinnen in ihren kleinen Zimmern – oder ob es ein besseres Leben gar nicht gibt, das lässt der Film letztendlich offen.
Mittwoch, 14. März 2012
Ohne Geschmacksverstärker
Heute abend hieß es für mich mal wieder Nachsitzen. Nachdem der deutsche Filmverleiher keine Lust hatte, Steven Soderberghs neuen Film für die Presse zu zeigen, zog es mich in eine ganz reguläre Vorstellung.

HAYWIRE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Haywire
Verleih: Concorde
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Gina Carano, Ewan McGregor, Michael Fassbender, Michael Douglas, Antonio Banderas
Kinostart: 08.03.2012

Die attraktive Mallory Kane ist eine ganz schön toughe Lady. Für eine private Firma, die für die Regierung arbeitet, reist sie um die ganze Welt, um Undercover-Einsätze zu leiten. Das Befreien von Geiseln gehört ebenso dazu wie auf Kommando zu Töten. Doch jetzt sitzt sie tief in der Patsche: Ihr Auftraggeber hat sie offenbar verschaukelt und in einen Mord verwickelt. Jetzt hat sie nicht nur die Polizei an ihren Fersen kleben, sondern auch ihre Kollegen. Doch Mallory weiß sich zu wehren... Wie einst Uma Thurman in KILL BILL kämpft sich hier Neuentdeckung Gina Carano durch einen höchst unkonventionellen Action-Film. Schaut man sich den Regisseur an, so wird schnell klar, warum hier gegen den Strich gebürstet wird: Steven Soderbergh hat mit Filmen wie SEX, LIES AND VIDEOTAPE, TRAFFIC oder OCEAN’S ELEVEN so ziemlich jedes Filmgenre bedient. Jetzt also harte Action-Ware. Doch wo konventionelles Kino auf visuelle Effekte setzt, lässt Soderbergh lieber die Muskeln sprechen und inszeniert harte Fights über lange Strecken vollkommen ohne Schnitte. Dank seiner Hauptdarstellerin, einer ausgebildeten Martial-Arts-Kämpferin, gelingt ihm das sehr überzeugend. Gegen den Strom auch sein Sounddesign. Wo sonst Kinnhaken fast wie Kanonenschüsse den Kinosaal zum Wackeln bringen, sind diese jetzt akustisch kaum wahrnehmbar und verleihen den Kampfszenen einen hohen Grad an Authentizität. Sogar der Music Score des Films ist alles andere als Mainstream und sorgt damit für ungewohnte Filmkost. Das ist fast so, als würde man bei den Nahrungsmitteln auf die künstlichen Geschmacksverstärker verzichten – ein tolles Erlebnis! Dass bei all den “Gegen-den-Strom”-Anstrengungen die Handlung zur Nebensache gerät und etwas wirr erscheint (der Filmtitel weißt bereits darauf hin!), nimmt man dafür gerne in Kauf. Also: anschauen!
Dienstag, 13. März 2012
Brot und Spiele
Die heutige Vorführung konfrontierte uns mit dem ersten Teil einer – na, schon erraten? – richtig: einer Trilogie!

DIE TRIBUTE VON PANEM – THE HUNGER GAMES (1:2.35, DD 5.1 +7.1)
OT: The Hunger Games
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Gary Ross
Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Woody Harrelson, Stanley Tucci, Donald Sutherland
Kinostart: 22.03.2012

Panem ist da, wo früher einmal Nordamerika war. Durch viele Kriege und Aufstände ist das Land jetzt in 12 Distrikte eingeteilt und wird vom “Capitol” regiert – mit eiserner Hand: die Bewohner der 12 Distrikte wurden von den Mächtigen versklavt. Als Zeichen ihrer diktatorischen Macht und damit alles so bleibt wie es ist, wurden die “Hunger Games” von der herrschenden Schicht ins Leben gerufen. Einmal im Jahr muss jeder Distrikt einen Jungen und ein Mädchen auswählen, die für ihren Distrikt daran teilnehmen. Der Haken dabei: es wird nur einen Überlebenden geben. Um ihre jüngere Schwester zu schützen, meldet sich die 16jährige Katniss freiwillig, um für ihren Distrikt anzutreten. Für das Mädchen beginnt damit ein Abenteuer auf Leben und Tod, bei dem sie auch die erste Liebe findet... Ich war sehr skeptisch, als ich von der Laufzeit des Films erfuhr: 142 Minuten. Kann das gut gehen? Wir hatten doch inzwischen so viele Bestseller-Verfilmungen mit grandioser Überlänge, denen man ihre Länge auch wirklich anmerkte. Umso erstaunter war ich als mich die Endtitel überraschten! Ich hätte nicht gedacht, dass 142 Minuten so unterhaltsam sein können. Als bekennender Nicht-Leser war ich nicht darauf vorbereite, was mich in diesem nach einem Millionen-Bestseller inszenierten Film erwarten würde. Allerbeste Voraussetzungen also. Extrem positiv fällt die Tatsache auf, dass trotz der Mixtur aus Science-Fiction und Action auch ruhigeren, gefühlsbetonten Sequenzen breiter Raum gelassen wird, in dem sich die Hauptakteure entwickeln können. Wie schon in WINTER’S BONE mimt auch hier Jennifer Lawrence eine starke junge Frau, die sich gegen alle Widrigkeiten behauptet und sich nicht unterkriegen lässt. Mit Pfeil und Bogen bewaffnet ist sie der definitiv bessere Robin Hood! In einer Nebenrolle brilliert einmal mehr Stanley Tucci. Als TV-Moderator der großen “Hunger Games” Show darf er sein gesamtes Können unter Beweis stellen. Die von Kameramann Tom Stern fotografierten Bilder faszinieren insbesondere in der düsteren Outdoor-Kulisse der Rocky Mountains und werden mit gelungenen visuellen Effekten aufgepeppt. Letztere integrieren sich nahtlos in den Film und sind nicht wie so oft reiner Selbstzweck. Großen Anteil am Gelingen des Films hat auch das atemberaubende Sounddesign: wuchtige Bässe und glasklare Höhen machen den Film zu einem akustischen Erlebnis. Wer spannende und emotional aufwühlende Geschichten mag, der sollte im Kino an den “Hunger Games” teilnehmen. Einziges Manko: wer die Romanvorlage nicht kennt, dem werden die kurzen Einführungstitel nicht genügen, um sich gleich von Anfang an im Film zurechtzufinden.
Montag, 12. März 2012
Auf dem Weg zum Burn-Out
Ein hochaktueller Dokumentarfilm stand am Beginn einer recht übersichtlichen Pressewoche.

WORK HARD – PLAY HARD (1:2.35, 5.1)
Verleih: Film Kino Text
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Carmen Losmann
Kinostart: 12.04.2012

Schöne neue Arbeitswelt? Da entwerfen große Architekten die Büros von morgen. Streng nach den Vorgaben ihres Auftraggebers (im Film: Unilever) sollen sie eine Büroumgebung kreieren, die nicht nach Büro aussieht, sondern viel mehr wie ein modernes Wohnzimmer wirkt. Denn im Hinblick auf Profitmaximierung sollen sich die Angestellten nicht wie Angestellte fühlen, sondern ihre Arbeitsumgebung als angenehm und heimelig empfinden. Mit entsprechend offenem Design, Kommunikationspunkten und einer ausgeklügelten Farbgebung soll der Mitarbeiter eigentlich gar nicht mehr nach Hause wollen. Carmen Losmann rückt in ihrem unkommentierten Dokumentarfilm allerdings in sehr klaren, extrem ruhigen Bildern die totale Seelenlosigkeit solcher verglasten Bürobunker in den Fokus. Nicht etwa absichtlich. Es ergibt sich einfach. Die ungewöhnlichen Blickwinkel die Dirk Lütters CinemaScope-Fotografie aus den modernen Gebäuden herauskitzelt, werden meistens mit elektronischen Geräuschen ganz subtil unterlegt und untermauern damit die Unpersönlichkeit derartiger Arbeitstempel. Da die Mitarbeiter keine festen Büros mehr haben, sondern diese sich nach Bedarf reservieren müssen, finden sich auch keine persönlichen Gegenstände an den Wänden oder auf den Tischen. In diese architektonische Betrachtung montiert die Regisseurin immer wieder Ausschnitte aus Interviews, mit denen sich karriereorientierte Workaholics im Hinblick auf ein Weiterkommen in der Hierarchie beurteilen lassen. Geprägt werden solche Interviews von einem Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch. Sich anpassen an die Firma ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Wir werden auch Zeugen eines sogenannten Outdoor-Trainings für Führungskräfte, in denen deren Teamfähigkeit und andere Attribute bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getestet werden. Freizeit ist nicht mehr. Der mobile Arbeitnehmer unserer Zeit kennt nur eins: die Interessen der Firma. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. So nüchtern Carmen Losmann ihre Bestandsaufnahme auch gestaltet, sie weckt beim Betrachter damit heftige Reaktionen. Die moderne Arbeitswelt degradiert den Menschen zur (wertvollsten) Ressource. Der Weg in das Burn-Out ist geradezu vorprogrammiert. Wohl dem, der das beim Anschauen dieses Films noch merkt. Für die Anderen ist es möglicherweise schon zu spät.
Sonntag, 11. März 2012
Atmosphäre trifft auf Splatter
Der heutige Sonntag stand wieder im Zeichen der Vorbereitung auf die “Fantasy Filmfest Nights”.

LIVID (1:2.35, DD 5.1)
OT: Livide
Verleih: Tiberius Film
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Alexandre Bustillo, Julien Maury
Darsteller: Chloé Coulloud, Félix Moati, Jérémy Kapone
Kinostart: Fantasy Filmfest Nights 2012

Die junge Lucie arbeitet als Trainee bei der Altenpflegerin Wilson, die sich in einer kleinen Küstenstadt irgendwo in Frankreich mit Hausbesuchen ihr Geld verdient. Eine ihrer Patientinnen liegt schon seit Jahren im Koma ganz alleine in ihrem riesigen, abseits gelegenen Haus. Laut Wilson hütet sie irgendwo im Haus einen Schatz. Lucie, die ebenso wie ihr Freund William das Fischerdorf so schnell wie möglich verlassen möchte, lässt sich von William dazu überreden, in das Haus einzusteigen und den Schatz zu suchen. Gemeinsam mit ihrem Kumpel Ben bricht das Duo in der Halloween-Nacht bei der alten Dame ein. Doch das hätten die drei lieber nicht tun sollen... Mit einem Film wie INSIDE im Portfolio weckt das Regie-Gespann Alexandre Bustillo und Julien Maury ganz klar Begehrlichkeiten bei den hartgesottenen Horrorfreunden. Doch deren Vorfreude könnte recht schnell getrübt werden. Denn das neueste Werk der beiden Franzosen kippt in der Mitte und mutiert vom klassischen Gothik-Horror zu pubertärem Splatter. Dabei beginnt der Film mit seinen gut komponierten Bildern so vorzüglich, dass man sich als Fan der atmosphärisch dichten Frühwerke eines Dario Argento erinnert fühlt. Da sieht man direkt im Anschluss an den düsteren Titelvorspann eine Bushaltestelle, beklebt mit Steckbriefen vermisster Jugendlicher, bevor schließlich die hübsche Chloé Coulloud mit den wunderbaren Augen auf der Wartebank sitzend gezeigt wird. Hier wird bereits durch die Detaileinstellungen und Montage eine Atmosphäre der Bedrohung eingeläutet, die auch in den kommenden 30 Minuten aufrecht erhalten wird. Dann allerdings erliegen die Filmemacher, die auch das Drehbuch geschrieben haben, den klischeehaften Fehlern, die schon so viele Filme dieses Genres oft ins Lächerliche gezogen haben. So wird man das Verhalten der drei Freunde, die in das düstere Haus einbrechen, oft nur mit einem Kopfschütteln kommentieren. Positiv hingegen fallen die sogenannten “Production Values” auf: toll gestaltetes Set, gut fotografierte CinemaScope-Bilder von Laurent Barès und ein eindringlicher Elektronik-Score von Raphael Gesqua
Samstag, 10. März 2012
Kommunistische Zombies
Es kommt schon fast einem Wunder gleich, wenn einer der bei den “Fantasy Filmfest Nights” gezeigten Filme auch ganz regulär ins Kino kommt. Ich habe mir das Werk einmal angeschaut.

JUAN OF THE DEAD (1:1.85, DD 5.1)
OT: Juan De Los Muertos
Verleih: Pandastorm Pictures (Kinostar)
Land/Jahr: Kuba 2011
Regie: Alejandro Brugues
Darsteller: Alexis Diaz de Villegas, Jorge Molina, Eliecer Ramírez, Jazz Vilá, Andros Perugorría
Kinostart: 12.04.2012

Juan und sein Kumpel Lazaro sind echte Taugenichtse. Wenn sie nicht gerade mit ihrem selbst gebastelten Boot vor der Küste Havannas schippern, um nach Schätzen zu tauchen, verbringen sie ihre Zeit mit Faulenzen, Saufen und Herumhuren. Das Leben könnte endlos so weitergehen, wäre da nicht die große Zombie-Plage, die über Nacht über die Großstadt hereinbricht und Juan zu einer exquisiten Geschäftsidee animiert. Gemeinsam mit seinen Kumpels entsorgt er gegen Bares zu Zombies gewordene Verwandte, Bekannte, Geliebte. Nicht sauber und schnell, dafür aber blutig und genussvoll... JUAN OF THE DEAD ist das, was man bei den “Fantasy Filmfest Nights” einen Absacker nennen würde. Also genau der richtige Film zum Abschluss eines prall gefüllten Filmtages, bei dem man endlich das Hirn ausschalten darf und trotzdem noch ein bisschen Spaß haben kann. Alejandro Brugues‘ Film gehört in die “Splatter Fun”-Kategorie und ist möglicherweise der erste Beitrag in diesem Genre, das aus Kuba stammt. Neben den üblichen Zombie-Gemetzel-Szenen, die wie immer mit einem Augenzwinkern präsentiert werden, hat der Regisseur aber auch ein paar satirische Anmerkungen in Richtung der Politik seines Landes eingebaut. Damit bedient Brugues also nicht nur die Splatter-Gemeinde, sondern auch gleichzeitig noch diejenigen, denen es schwerfällt, den Verstand an der Kinokasse abzugeben. JUAN OF THE DEAD ist aber dennoch kein Überflieger, hat man derlei fröhliches Gemetzel schon zur Genüge in anderen Filmen gesehen. Richtig gute Gags sind leider rar gestreut. So wird am Ende nicht viel übrig bleiben vom neuen kubanischen Helden Juan. Immerhin ein Punkt mehr im Filmkalender.
Freitag, 09. März 2012
Therapiezentrum Klassenzimmer
Zum Abschluss der Filmwoche bescherte man uns Kanadas Beitrag zum Auslands-Oscar.

MONSIEUR LAZHAR (1:2.35, DD 5.1)
OT: Monsieur Lazhar
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Kanada 2011
Regie: Philippe Falardeau
Darsteller: Fellag, Sophie Nélisse, Émilien Néron
Kinostart: 12.04.2012

Die Schüler und Lehrer einer Grundschule in Montreal werden durch ein schreckliches Ereignis aus der Bahn geworfen. Die allseits beliebte Klassenlehrerin Martine erhängt sich im Klassenzimmer. Während die Schulleiterin noch dabei ist, die psychologische Betreuung der Schüler zu organisieren, steht Bachir Lazhar bereits in der Tür und bietet seine Hilfe an: der aus Algerien stammende Mann möchte den Platz von Martine einnehmen und deren Klasse unterrichten. Er bekommt den Job. Doch die Aklimatisierung in der neuen Umgebung fällt nicht leicht. Im Besonderen nicht seinen Schülern. Erst nach und nach beginnen sie sich ihm zu öffnen. Was jedoch niemand weiß: auch Lazhar hat einen schweren Schicksalsschlag zu verarbeiten... Das von Philippe Falardeau inszenierte Drama war als “Bester ausländischer Film” für den Oscar nominiert und wandelt irgendwo zwischen CLUB DER TOTEN DICHTER und anderen Lehrer-Schüler-Filmen. Es ist ein Drama der leisen Töne, in dem das enge Klassenzimmer zum Therapiezentrum nicht nur für die traumatisierten Kinder, sondern auch für ihren Lehrer wird. Getragen wird das Drama von dem charismatischen Algerier Fellag, der in seinem Land ein bekannter Komiker und Autor ist. Unterstützt wird er im Film durch die grandiosen Kinderdarsteller, die im Alter von 11 bis 13 Jahren sind. Insbesondere die kleine Sophie Nélisse in der Rolle der Alice, die aufgrund ihrer geistigen Reife zu Lazhars Lieblingsschülerin wird, beeindruckt durch ihr Spiel. Chefkameramann Ronald Plante versteht sich meisterhaft darauf, trotz der engen Räumlichkeiten der Schule das CinemaScope-Format optimal einzusetzen. MONSIEUR LAZHAR ist kleines großes Kino mit viel Gefühl, aber ohne Kitsch und Pathos.
Donnerstag, 08. März 2012
Von Neuanfängen
Ob eben aus dem Knast entlassen oder nach tiefer Trauer wieder frisch verliebt: die Protagonisten des heutigen Double Features hatten alle einen Neuanfang vor sich.

OUR IDIOT BROTHER (1:1.85, DD 5.1)
OT: Our Idiot Brother
Verleih: Senator
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Jesse Peretz
Darsteller: Paul Rudd, Elizabeth Banks, Zooey Deschanel
Kinostart: 17.05.2012

Ned ist ein liebenswerter Naivling, der keiner Fliege je etwas zuleide tun würde. Trotzdem landet er im Gefängnis - weil der arglose Biobauer einem bettelnden Polizisten Gras verkauft hat und prompt in die Falle getappt ist. Nach seiner Entlassung muss er feststellen, dass sich seine Freundin bereits Ersatz für ihn gesucht hat und auch seinen über alles geliebten Hund “Willie Nelson” nicht herausrückt. Um nicht auf der Straße zu schlafen und weil er obendrein vollkommen blank ist, quartiert er sich nacheinander bei seinen drei Schwestern ein, deren Leben er mit seiner ungewollten Offenheit gehörig durcheinanderbringt... Auch wenn er trottelig wirkt, so ist Ned (grandios gespielt von Paul Rudd) im Familienkreis der Einzige, der weiß, was eigentlich gespielt wird. So macht er seiner Schwester Liz nicht nur klar, dass sie von ihrem Mann, einem Dokumentarfilmer, hintergangen wird, sondern dass ihr Sohn viel zu überbehütet aufwächst. Seine Schwester Natalie, die in einer lesbischen Beziehung lebt, vertraut ihm ihre Schwangerschaft an, von der ihre Lebensgefährtin noch nichts ahnt. Seiner dritten Schwester Miranda, einer ehrgeizigen, aber unbeholfenen Journalistin, zeigt er, wie man vollkommen locker an intime Geständnisse von Promis kommt. Jesse Peretzs Film erinnert an die tiefgründigen Komödien von Jason Reitman und steht diesen in nichts nach. Der Film macht Laune und überzeugt durch sein gutes Darstellerensemble.

NATHALIE KÜSST (1:1.85, DD 5.1)
OT: La Délicatesse
Verleih: Concorde
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Stéphane Foenkinos, David Foenkinos
Darsteller: Audrey Tautou, François Damiens, Bruno Todeschini
Kinostart: 12.04.2012

Es ist Liebe auf den ersten Blick: Nathalie und Francois sind ein Traumpaar. Im Freundeskreis sind sie ebenso beliebt wie bei der Verwandtschaft. Doch dann geschieht ein Unglück: Francois stirbt bei einem Unfall. Um ihre tiefe Trauer zu überwinden, stürzt sich Nathalie in ihre Arbeit, den Annäherungsversuch ihres Chefs lehnt sie ab. Ihr Arbeitseifer bringt ihr dennoch eine Beförderung. Als Abteilungsleiterin hat sie eine Handvoll Mitarbeiter zu betreuen. Als eines Tages der unscheinbare Markus in ihr Büro kommt, geht sie schnurstracks auf ihn zu und küsst ihn aus einem Impuls heraus. Der Arme weiß gar nicht wie ihm geschieht. Und schon gar nicht, als seine Chefin am nächsten Tag von diesem Kuss gar nichts mehr zu wissen scheint. Doch das Unausweichliche ist bereits passiert: Markus hat sich verliebt. Und auch Nathalies Bauch beginnt zu kribbeln... Stéphane und David Foenkinos‘ Film ist ein Film über einen Neuanfang, sympathisch verpackt als romantische Dramödie. Dass sich Nathalie ausgerechnet in einen in sämtlichen Variationen von Beige gekleideten Mitarbeiter verliebt, stößt in ihrer Umgebung auf absolutes Missverständnis. Wie kann eine junge Frau, die einst den smarten, gutaussehenden Francois ehelichte, sich mit einem Niemand wie dem Schweden Markus zusammentun? Ist es sein Humor? Weder die Kollegen, noch die Freunde stehen der Beziehung wohlwollend gegenüber. Und schon gar nicht Nathalies Boss, der seinen Rivalen bei einem Gespräch unter Männern unter die Lupe nimmt. “Bei ihr bin ich ein besseres Selbst von mir” erwidert Markus auf die Frage, was ihm an Nathalie gefällt. Audrey Tautou als Nathalie und François Damiens als Markus bringen ihre Figuren extrem sympathisch auf die Leinwand und bieten viel Identifikationspotenzial für den Zuschauer. Die Sängerin Emilie Simon steuerte nicht nur die Filmmusik bei, sondern auch gleich ein paar schöne Songs, die dem Film seine teils melancholische Note verleihen. NATHALIE KÜSST ist Kino zum Träumen und Weinen, das insbesondere Zuschauer mit ähnlichem Schicksal bewegen wird.
Mittwoch, 07. März 2012
Marilyn Reborn
Filme über das Filmemachen haben Hochkonjunktur...

MY WEEK WITH MARILYN (1:2.35, DD 5.1)
OT: My Week With Marilyn
Verleih: Ascot Elite (24 Bilder)
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Simon Curtis
Darsteller: Michelle Williams, Eddie Redmayne, Kenneth Branagh
Kinostart: 19.04.2012

Für den jungen Oxford-Absolventen Colin Clark ist es das Größte: der leidenschaftliche Filmfan möchte selbst Teil der Filmindustrie werden. Also macht der 23jährige sich im Sommer des Jahres 1956 auf nach London, um in Laurence Olivers Produktionsfirma einen Job zu ergattern. Seine Beharrlichkeit zahlt sich aus: er wird 3. Regieassistent am Set von THE PRINCE AND THE SHOWGIRL DER (PRINZ UND DIE TÄNZERIN), für den Filmikone Marilyn Monroe erstmals ihren Fuß auf britischen Boden setzt. Colin ist von Anfang an mit dabei, als zwei Welten kollidieren, als Regisseur und Co-Star Laurence Olivier und die Monroe aufeinandertreffen. Doch das ist noch längst nicht alles. Denn Colin wird in Marilyns Privatleben wesentlich stärker hineingezogen, als ihm anfangs lieb ist... Basierend auf den Tagebüchern des Regieassistenten Colin Clark erzählt Simon Curtis in seinem Film von jener Zeit, in der Marilyn Monroe bereits auf dem Zenith ihres Wirkens stand. Jeder kannte ihre perfekte Fassade, doch nur Wenige kannten ihr wahres, sehr zerbrechliches Wesen. Die Begegnung mit Oliviers alter Schauspielschule und Monroes “Method Acting” sorgte während der Dreharbeiten für große Probleme. Michelle Williams brilliert in ihrer Rolle als Marilyn, für die sie zu Recht für den Oscar nominiert war. Nicht nur sieht sie aus wie Marilyn, sie bewegt sich auch wie das große Vorbild und singt ihre Songs sogar selbst. Kenneth Branagh mimt Laurence Olivier, oft ungehalten und verärgert über Marilyns Starallüren. Zwar sieht er Olivier nicht gleich, versteht sich aber hervorragend darauf, dessen Art zu Reden authentisch wiederzugeben. Viel Liebe zum Detail floß in die Produktion. Das beginnt beim Arbeitstitel des Films (THE SLEEPING PRINCE) über die große Technicolor-Kamera bis hin zu Pfeife und Mütze, die Kameramann Jack Cardiff beim Dreh trug. Wer sich für den Menschen hinter der Monroe-Fassade interessiert und Filme liebt, sollte MY WEEK WITH MARILYN zum Pflichtbesuch machen.
Dienstag, 06. März 2012
Der mit dem Wolf heult
Eisiges Alaska und sommerliches Norwegen waren die Schauplätze der heutigen Presevorführungen.

THE GREY – UNTER WÖLFEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Grey
Verleih: Universum (Walt Disney)
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Joe Carnahan
Darsteller: Liam Neeson, Dallas Roberts, Frank Grillo
Kinostart: 12.04.2012

Es herrscht klirrende Kälte in Alaska. Als Jäger bei einer Ölfirma angestellt, muss Ottway die Bohrarbeiter vor wilden Tieren schützen. Genau der richtige Job für einen Mann, der sich mit Selbstmordgedanken trägt und von Bildern seiner Vergangenheit gequält wird. Doch es kommt alles noch schlimmer. Denn das Flugzeug, das Ottway und seine Kollegen in die Heimat zurückbringen soll, gerät in einen Schneesturm und stürzt ab. Ottway und ein paar andere Männer überleben das Unglück. Jetzt beginnt ein Überlebenskampf. Denn nicht nur die eisige Kälte im Niemandsland ist tödlich, auch ein Wolfsrudel hat es auf die gute Portion Menschenfleisch abgesehen... Es sei einmal dahingestellt, inwiefern das Verhalten der im Film gezeigten Wölfe mit der Realität im Einklang steht. Da wird beispielsweise gesagt, dass Wölfe die einzigen Tiere sind, die auf Rache sinnen. Doch ganz abgesehen von solchen animalischen Details muss man dem Film schon gewissen Respekt zollen, versteht er es doch perfekt, Actionszenen grandios in Szene zu setzen. Langeweile weicht hier dem süchtig machenden Adrenalin. Regisseur Joe Carnahan gelingt es vorzüglich, die Wolfsattacken bei Nacht mit Stilmitteln des Horrorfilms zu inszenieren. Großen Anteil daran hat das Sounddesign, das das Knurren und Heulen der Wölfe bedrohlich nah in den Kinosaal schickt. Wenn sich der kleine Trupp Überlebender dann irgendwann mit einem selbst zusammengeschnürten Seil über eine sehr tiefe Schlucht hievt, sollte man besser schwindelfrei sein. Kameramann Masanobu Takayagani versteht sich darauf, diese Sequenz extrem überzeugend zu bebildern. Schwachpunkt im Film sind die vielen Dialoge, die die Männer am Lagerfeuer führen. Da weicht Substanz dem Klischee. Ebenfalls klischeehaft ist das Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip, mit dem die Männer einer nach dem anderen dezimiert werden. Da jedoch der Spannungsbogen stets aufrecht erhalten wird, fällt das nicht allzu sehr ins Gewicht.

KNERTEN TRAUT SICH (1:2.35, DD 5.1)
OT: Knerten Gifter Seg
Verleih: Polyband (24 Bilder)
Land/Jahr: Norwegen 2010
Regie: Martin Lund
Darsteller: Adrian Grønnevik Smith, Pernille Sørensen, Jan Gunnar Røise
Kinostart: 12.04.2012

Im vergangenen Jahr durften Kinozuschauer bereits Bekanntschaft machen mit dem kleinen und sehr phantasievollen Lillebror und seinem Holzstöckchen Knerten, mit dem er sich in seiner Phantasie ständig unterhält. Jetzt gibt es ein neues Abenteuer mit den beiden. Ausgerechnet als Lillebrors Vater auf Geschäftsreise ist, erleidet seine Mutter einen Unfall mit dem Fahrrad. Lillebror und sein großer Bruder Phillip bringen sie ins Krankenhaus. An der Unfallstelle findet Lillebror die Überbleibsel des Blinklichts eines Autos. Ihm und Knerten ist sofort klar: es war kein Unfall. Die Mutter wurde von einem Auto angefahren. Gemeinsam mit Freundin Vesla macht sich Lillebror daran, das “böse” Auto zu suchen... Das erste Kribbeln im Bauch, die Erkenntnis, dass nicht alle Mädchen doof sind und vorschnelle Urteile sind die Themen in diesem hübschen Kinderfilm aus Norwegen. Hier lernt nicht nur Lillebror ein Mädchen kennen – auch Knerten bekommt ein weibliches Pendant namens Karoline. Wie schon im ersten Teil so sind auch dieses Mal die animierten Holzmännchen und –mädchen wieder überzeugend realisiert. Ansehnlich fotografiert in CinemaScope und mit einer schönen Filmmusik unterlegt macht KNERTEN TRAUT SICH bestimmt nicht nur Kindern, sondern auch deren Eltern Spaß.
Montag, 05. März 2012
Nazis from Outer Space
Mit einem Triple startete ich heute in die neue Pressewoche.

IRON SKY (1:2.35, DD 5.1)
OT: Iron Sky
Verleih: Polyband (24 Bilder)
Land/Jahr: Finnland, Deutschland, Australien 2011
Regie: Timo Vuorensola
Darsteller: Julia Dietze, Götz Otto, Udo Kier
Kinostart: 05.04.2012

Die Welt in der nahen Zukunft. Um weiterhin amerikanische Präsidentin bleiben zu dürfen, schickt die First Lady aus Publicity-Gründen mal wieder ein paar Männer auf den Mond. Die Landung erfolgt dieses Mal auf der dunklen Seite des Mondes. Doch der farbige Astronaut James Washington traut seinen Augen nicht: plötzlich ist er von Alt-Nazis umzingelt und wird festgenommen. Kaum zu glauben, doch das Nazi-Gesindel machte sich im Jahre 1945 auf und davon und fand auf dem Mond Unterschlupf. Mit ihrer veralteten Technik wollen die Bösewichter jetzt wieder die Weltherrschaft übernehmen... Nazis im Weltall? Daraus hätte man durchaus einen richtig trashigen Film voller Witz machen können! Doch passiert ist das leider nicht. Witze sind wahrhaftig rar gestreut. Stattdessen versteift sich der Film auf gepflegte Nazi-Kultur und beschwört mit seiner Spezialeffektorgie Erinnerungen an die alten STAR WARS Filme herauf. War Darth Vader nicht auch ein Überbleibsel aus jener düsteren Zeit? Udo Kier mimt den Ober-Nazi und man merkt ihm dabei richtig an, dass er keine Lust hatte, diesen Film zu machen. Mit einem fast entstellten Gesicht (zuviel Botox?) und ein paar wenigen Sätzen sowie einem leichten Gehüstel ist er nur eine Randerscheinung – eines der vielen nicht genutzten Potenziale. Klares Fazit: der Trailer zum Film suggeriert weit mehr. Der Hauptfilm eröffnet eine gähnende Leere.

SOHNEMÄNNER (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: Aries Images
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Ingo Haeb
Darsteller: Renate Delfs, Peter Franke, Bernhard Schütz
Kinostart: 19.04.2012

Als der alte Edgar seine Mutter im Heim in Hamburg besuchen will, muss er entsetzt feststellen, dass sie verschwunden ist. Ein paar Telefonate später erfährt er, dass sein Sohn Uwe die Oma abgeholt hat und mit zu sich in den Schwarzwald mitgenommen hat. Widerwillig reist ihm Edgar hinterher. Das Verhältnis zu seinem Sohn ist alles andere als gut. Denn nach dem Unfalltod der Mutter überließ Edgar seinen Sohn der Oma. Dass Uwe sich als schwul geoutet hat und jetzt mit einem älteren Mann zusammen ist, macht die Beziehung Edgars zu einem Sohn nicht gerade einfacher... Es dauert sehr lange, bis die beiden Dickköpfe Edgar und Uwe lernen, über ihren eigenen Schatten zu springen. Denn beide sind in ihren Ansichten verbohrt, keiner möchte nachgeben. Uwe kämpft um die Anerkennung durch seinen Vater, der möchte die Vergangenheit am liebsten auf sich beruhen lassen. Mit seiner Spielzeit von 103 Minuten ist Ingo Haebs Film leider um Einiges zu lange geraten. Es gibt hin und wieder Szenen, die für die Dramaturgie des Films keine Bedeutung haben (z.B. wenn Edgars Ziehsohn Luis mit der Sägemaschine hantiert oder die Sexszene zwischen Uwe und seinem Lebensgefährten) und auf die man hätte locker verzichten können. Dafür beweist der Regisseur aber ein gutes Gespür bei der Wahl seiner Darsteller, die allesamt sehr überzeugend spielen.

SAMS IM GLÜCK (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Universum (Walt Disney)
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Peter Gersina
Darsteller: Ulrich Noethen, ChrisTine Urspruch, Aglaia Szyszkowitz
Kinostart: 29.03.2012

Große Aufregung bei Familie Taschenbier: Papa Taschenbier hat beschlossen, sich selbständig zu machen. Mit seiner selbst konstruierten Regenschirmfabrikationsmaschine kann eigentlich nichts schiefgehen. Wäre da nicht das Sams, das jetzt genau 10 Jahre, 10 Monate, 10 Stunden und 10 Minuten bei den Taschenbiers wohnt. Denn gemäß Sams-Regel Nr. 418 werden dann die Eltern ebenfalls zu Samsen. Papa Taschenbier bekommt das als Erster zu spüren. Immer häufiger verwandelt er sich für kurze Zeit in ein Sams und stellt unglaublichen Blödsinn an. Und das derart, dass er alsbald im Gefängnis landet... Wer die kleinen, dickbäuchigen Samse mit ihren Schweinenasen sowie ihrem unstillbaren Appetit auf Knackwürste mag, wird sich bei diesem Kinderfilm sicherlich gut aufgehoben fühlen. SAMS IM GLÜCK ist Blödel-Kino mit nur einem einzigen Anspruch: möglichst alle kleinen Zuschauer zum Lachen zu bringen. Bei den Erwachsenen darf sich der glücklich schätzen, der sich sein kindliches Gemüt nach wie vor bewahrt hat und sich dem Lachen der jungen Zuschauer anschließen kann.
Samstag, 03. März 2012
Wie aus Verlierern Gewinner werden
Am Samstag hieß es mal wieder “Nachsitzen” für mich. Da sich der Sony-Filmverleih nicht traute, seinen Film in Stuttgart der Presse zu zeigen, habe ich die Gelegenheit gerne wahrgenommen, MONEYBALL in einer regulären Vorstellung in meinem Lieblingskino zu goutieren und das in exklusiver 4k-Digitaltechnik.

DIE KUNST ZU GEWINNEN – MONEYBALL (1:1.85, DD 5.1)
OT: Moneyball
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Bennett Miller
Darsteller: Brad Pitt, Jonah Hill, Ken Medlock, Philip Seymour Hoffman
Kinostart: 02.02.2012

Als die Oakland A’s auf dem Abstiegsplatz stehen und fast alle guten Spieler von anderen Vereinen abgekauft werden, muss sich Teammanager Billy Beane eine neue Strategie überlegen. Da kommt ihm der Wirtschaftsanalyst Peter Brand zu Hilfe – ein absoluter Neuling zwar, aber einer mit Sachverstand. Gemeinsam beginnen die beiden, nicht um Spieler zu feilschen, sondern sich um Siege zu kümmern. Bald schon besteht die Mannschaft aus Spielern, die niemand kennt und denen auch niemand etwas zutraut. Selbst der Coach der Mannschaft weigert sich, die neue Strategie zu akzeptieren. Doch Beane und Brand lassen nicht locker und schlagen damit ein neues Kapitel in der Baseball-Geschichte auf... Eindeutig mehr vom Film hat derjenige, der sich beim American Baseball richtig gut auskennt. Greenhorns wie mir bleiben da viele Details leider verborgen. Da bleibt dann nichts weiter übrig, als sich auf die Personen zu konzentrieren. Und da glänzt insbesondere Jonah Hill in seiner Rolle als Assistent von Billy Beane. Hill stiehlt sogar Hauptdarsteller Brad Pitt die Schau. Warum ausgerechnet Pitt für den Oscar als Hauptdarsteller nominiert war, gibt mir Rätsel auf. Vielleicht kann man sich das nur so erklären, dass er Billy Beane (der hierzulande niemand kennt, der aber in den USA eine Legende ist) vermutlich sehr authentisch spielt. Der Film ist insgesamt recht spannend inszeniert, bietet aber nichts sensationell Neues. Filme über Verlierer, die zu Gewinnern werden, gab und gibt es schon genügend (z.B. HOOSIERS). Da fällt auch nicht weiter ins Gewicht, dass es sich hierbei um eine wahre Geschichte handelt.
Freitag, 02. März 2012
Langeweile, sei gegrüßt!
Dass die Pressewoche derartig langweilig enden wird, hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Aber das (Kino)Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken...

HINTER DER TÜR (1:1.85, DD 5.1)
OT: The Door
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Deutschland, Ungarn 2012
Regie: István Szabó
Darsteller: Helen Mirren, Martina Gedeck, Károly Eperjes
Kinostart: 05.04.2012

Ein kleines Dorf im Ungarn der sechziger Jahre. Weil sie sich auf ihre Arbeit als Schriftstellerin konzentrieren möchte, heuert Magda die gegenüber wohnende Emerenc als Haushaltshilfe an. Emerenc jedoch ist ein äußerst schwieriger Charakter. Niemand darf ihre Wohnung betreten. Nicht einmal ihre Verwandtschaft. Doch im Lauf der Zeit beginnt zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen eine seltsame Art von Freundschaft... Alleine schon die Tatsache, dass sehr viele Szenen in diesem Film wie Fragmente wirken, da sie extrem schnell abgeblendet werden, mache einem den Zugang zu diesem Drama nicht gerade leicht. Da könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass die verschrobene Emerenc (dargestellt von Helen Mirren) selbst den Film inszeniert hat. Für mich persönlich eine Tortur von Film. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich möglicherweise um Filmkunst handelt.

BEL AMI (1:2.35, DD 5.1)
OT: Bel Ami
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Declan Donnellan, Nick Ormerod
Darsteller: Robert Pattinson, Uma Thurman, Christina Ricci, Kristin Scott Thomas, Colm Meaney
Kinostart: 03.05.2012

Paris um 1890. Als der gutaussehende, aber mittellose Georges in einem Nachtclub zufällig seinen alten Kriegskameraden Charles wieder trifft, beginnt für ihn ein unaufhaltsamer Aufstieg. Denn Charles führt ihn in die feine französische Gesellschaft, der er selbst angehört. Georges wird als Journalist bei einer Zeitung ein- und den Pariser Upper-Class-Damen vorgestellt. Es dauert nicht lange, bis die erste Affäre am Laufen ist. So schläft sich Georges immer höher in der Hierarchie und gewinnt bald schon politischen Einfluss... Robert Pattinson als der “Beau”, der “Bel Ami”, den alle Weiblein - ob jung oder alt, verheiratet oder ledig – für sich haben wollen, überzeugt nicht wirklich in der ihm aufgeladenen Rolle. Nur die Schönen an seiner Seite sind die wirklich starken Figuren in diesem extrem langweilig und einfallslos inszenierten Film nach einem Roman von Guy de Maupassant. Nicht überzeugend auch die Ausstattung, die eigentlich wesentlich opulenter hätte ausfallen dürfen. Extrem wenig Transparenz dazu auf der Tonspur, die immer so klingt, als würde ein schwerer Teppich auf ihr liegen. Nein – so macht Kino wirklich keinen Spaß. BEL AMI taugt allenfalls noch als Schlafmittel.
Donnerstag, 01. März 2012
Kriegserklärung
Heute gab es mal wieder ein Triple-Feature zu bewältigen. Es hat sich gelohnt.

DAS LEBEN GEHÖRT UNS (1:2.35, DD 5.1)
OT: La Guerre Est Declarée
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Valérie Donzelli
Darsteller: Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm, Brigitte Sy
Kinostart: 26.04.2012

Es ist Liebe auf den ersten Blick. Auf einer Party begegnen sich Romeo und Juliette. “Steht uns ein schreckliches Schicksal bevor?” fragt Juliette. Drei Jahre später werden die inzwischen mehr oder weniger glücklichen Eltern aus der Bahn geworfen. Bei ihrem kleinen Sohn Adam wird ein Hirntumor diagnostiziert. “Warum ausgerechnet wir?” fragt Romeo verzweifelt. “Weil wir es können” antwortet Juliette. Das Paar erklärt dem Krebs den Krieg. Valérie Donzelli, Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin in Personalunion, zieht in ihrem Film alle Register der Bild- und Tongestaltung, um den privaten Krieg eines starken Paares gegen einen unbekannten, womöglich übermächtigen Feind zu inszenieren. Der mit einer Canon-Fotokamera in HD aufgenommene Film wirkt in seinen Bildern sehr authentisch. Mal lässt Valérie Donzelli eine Stimme aus dem Off die Bilder kommentieren, mal lässt sie die Hauptdarsteller ein Duett über ihre gemeinsame Liebe singen, lässt die Tonspur ihres Films fast ganz in Mono abmischen. Dann greift sie auf ausgewählte Musikstücke zurück, mit denen sie ihrem Film die ganz besondere Stimmung verleiht. Und Valérie weiß, wovon sie berichtet. Denn auch ihr Kind (das sie gemeinsam mit ihrem “Romeo”-Darsteller Jérémie Elkaïm hat) war schwer krank. Sie weiß um die Ängste, die Verzweiflung, den Kampf und auch um die Trennung, die am Ende des Weges steht. DAS LEBEN GEHÖRT UNS (im Original eigentlich “Der Krieg ist erklärt”) ist emotional wuchtiges Kino, das von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Neben den hervorragend besetzten Hauptrollen glänzt der Film auch in Nebenrollen mit überzeugenden Darstellern, bei denen es sich oftmals um Laien handelt. Möchte man unbedingt einen Kritikpunkt finden, so könnte dies die übertriebene Reaktion der Eltern bei Bekanntwerden der furchtbaren Krankheit des kleinen Adam sein. Nichtsdestotrotz ist der Film uneingeschränkt weiterzuempfehlen.

6 x VENEDIG (1:1.85, DD 5.1)
OT: Sei Venezia
Verleih: Rendezvous
Land/Jahr: Italien 2010
Regie: Carlo Mazzacurati
Darsteller: Giovanni Galeazzi, Roberta Zanchin, Ernesto Canal
Kinostart: 29.03.2012

In seinem Dokumentarfilm präsentiert Carlo Mazzacurati sechs vollkommen unterschiedliche Einwohner der Lagunenstadt Venedig, um mit ihren teilweise sehr persönlichen Schilderungen ein Porträt der Stadt zu zeichnen. Dazu gehören der Pensionär Giovanni, der jetzt ehrenamtlich als Stadtarchivar tätig ist. Er erzählt nicht nur von der Geschichte Venedigs, sondern zeiht auch Bilanz seines Lebens, zu dem zwei Töchter, eine geschiedene Ehe und die Einsamkeit des Rentenalters gehören. Roberta arbeitet als Zimmermädchen in einem venezianischen Luxushotel. Sie erzählt von den teilweise berühmten Gästen, von ihrer Familie, die fast allesamt Gondolieris sind und waren und erinnert an ihren verstorbenen Bruder. Ernesto ist Archäologe und erzählt von seiner großen Zeit, als er in Venedig zu forschen begann. Carlo ist Künstler, fühlt sich in Venedig missverstanden, steht aber über den Dingen und malt unbeirrt an seinen Bildern weiter. Ramiro, der an Gerard Depardieu erinnert, erzählt freimütig von seiner kriminellen Jugendzeit, in der als Dieb zusammen mit einer Bande die Villen von Venedig um Wertsachen erleichterte, um sich ein gutes Leben einzurichten. Schließlich schildert der kleine Massimo, was ihn den ganzen Tag umtreibt. Der nicht auf den Mund gefallene Schüler schwärmt für eine Mitschülerin in kurzen Röcken und ist fasziniert von der Liebe zwischen seinen Eltern. Auch wenn Carlo Mazzacurati seinen Film mit schönen Bildern aus Venedig anreichert, erweckt er den Eindruck einer Dokumentation, die nicht unbedingt die große Leinwand braucht, sondern ebenso gut auch im Fernsehen konsumiert werden kann.

SPIEGLEIN, SPIEGLEIN – DIE WIRKLICH WAHRE GESCHICHTE VON SCHNEEWITTCHEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: Mirror, Mirror
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Tarsem Singh
Darsteller: Julia Roberts, Lily Collins, Armie Hammer, Sean Bean
Kinostart: 05.04.2012

Es war einmal... Wie bereits das Grimmsche Märchen, so beginnt auch Tarsem Singhs Kinoversion vom Schneewittchen mit diesen magischen Worten. Erzählt wird die Geschichte heuer von der bösen Stiefmutter (vorzüglich dargestellt von Julia Roberts). Die krallt sich den braven König, schickt ihn zum Teufel und kann nicht genug bekommen vom Luxus-Lotterleben. Ihre Stieftochter, das wunderschöne Schneewittchen (dargestellt von Lily Collins, einer Mischung aus Audrey Hepburn und Audrey Tautou), lässt sie schnell aus dem Palst entfernen, um einen zufällig vorbeikommenden jungen Prinzen für sich zu gewinnen. Doch Schneewittchen und der Prinz haben sich schon längste ineinander verliebt. Bis es allerdings mit dem Happy End soweit ist, gibt es noch aufregende Abenteuer zu bestehen. Mit überbordender Optik versteht es Tarsem Singh hervorragend, den Märchencharakter zu kultivieren. Dass alles dann irgendwie wie auf einer Bühne wirkt, unterstreicht das Märchenhafte an der Geschichte. Auch variiert Singh die Vorlage und baut ein paar originelle Wendungen ein. Da gibt es im Wald dann Riesen, die plötzlich zu Zwergen werden. Oder gibt er Schneewittchen einen Degen in die Hand, mit der die junge Dame in entsprechend fetzigem Outfit ihre kleinen Zwerge gegen böse Marionetten verteidigt. Als auf der Seite der Guten stehender Zuschauer wird man sich ganz besonders an jener Szene erfreuen, in der Julia Roberts als böse Stiefmutter ihr Lifting über sich ergehen lässt: dafür lässt sich die Böse nicht nur Vogelkot ins Gesicht schmieren, sondern ihren Körper mit allerlei Gewürm und Maden bearbeiten. Dagegen ist eine Gurkenmaske eine wahre Wohltat! SPIEGLEIN, SPIEGLEIN macht richtig Spaß, hat viel Gefühl, viel Humor, eine grandiose Filmmusik (Alan Menken) und eine richtige Bollywood-Nummer zu bieten. Ein lohnenswerter Kinobesuch.


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