Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Dienstag, 24. April 2012
Exploration
Mit einem Kammerspiel ging für mich die Pressewoche zu Ende. Zu Ende? Jawoll! Denn jetzt geht es ab nach Bradford, um endlich einmal wieder Großformatkino zu bestaunen.

JASMIN (1:1.85, Stereo)
Verleih: Camino
Land/Jahr: Deutschland 2011
Regie: Jan Fehse
Darsteller: Anne Schäfer, Wiebke Puls
Kinostart: 14.06.2012

Es gibt nur einen Tisch und eine Küchenzeile in jenem Raum der psychiatrischen Anstalt, in welchem sich zwei Frauen gegenübersitzen. Die Eine, Jasmin, hat ihr kleines Kind getötet und versucht, auch sich das Leben zu nehmen. Die Andere, Dr. Feldt, ist vom Gericht mit einem psychiatrischen Gutachten beauftragt. In vier Sitzungen an unterschiedlichen Tagen versucht die Reifere der Jüngeren ihr gesamtes bisheriges Leben zu entlocken – bis hin zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem Jasmin ihre schlimme Tat beging. Die anfängliche Verweigerung Jasmins weicht im Laufe der Sessions einem Vertrauen, das sie der Psychologin entgegenbringt. Mit gleich sieben parallel laufenden Kameras hat Jan Fehse sein psychologisches Kammerspiel eingefangen. Es gelingt ihm dadurch, das Psychodrama atmosphärisch dicht zu gestalten. Großen Anteil am Gelingen seines Experiments haben die beiden großartigen Darstellerinnen, die beide jede Menge Theatererfahrung haben. Nur so war es möglich, ganze Dialogkomplexe in nur einem einzigen Take abzudrehen. Dabei basiert das Drehbuch von Christian Lyra auf dessen intensiven Recherchen. So vereint JASMIN Tatsachen aus mehreren real existierenden Fällen. Jan Fehses Film hat vermutlich kein großes wirtschaftliches Kinopotenzial und landet daher sicher schnell im Spätprogramm eines TV-Senders. Dort allerdings wird das Kammerspiel bei weitem nicht die Intensität erreichen wie in einem ganz dunklen Kinosaal.
Freitag, 20. April 2012
Pferdeflüsterer und Rosenverkäuferin
Die beiden letzten Pressevorführungen der Woche im Doppelpack.

BUCK – DER WAHRE PFERDEFLÜSTERER (1:1.85, DD 5.1)
OT: Buck
Verleih: NFP (Filmwelt)
Land/Jahr: USA 2011
Regie: Cindy Meehl
Darsteller: Buck Brannaman, Robert Redford
Kinostart: 31.05.2012

Robert Redford nahm in als Berater mit in sein Team, als er DER PFERDEFLÜSTERER inszenierte: Buck Brannaman. Heute reist der Pferdeexperte quer durch die USA und gibt interessierten Menschen Unterricht im richtigen Umgang mit Pferden. Cindy Meehl porträtiert in ihrem Dokumentarfilm diesen außergewöhnlichen Menschen, den die Pferde zu verstehen scheinen. Buck erzählt von seiner extrem schweren Kinderzeit, in der er und sein Bruder regelmäßig von ihrem Vater verprügelt wurden. Erst nach dessen Tod begann er in der Obhut seiner Pflegeeltern ganz allmählich aus sich herauszukommen. Die Liebe zu den Pferden verdankt er seinem Stiefvater, der ihm alles beigebracht hat. Dabei macht Buck auch unmissverständlich klar, dass in den meisten Fällen das Pferd ein Spiegelbild seines Halters darstellt. Macht ein Pferd Probleme, so ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass es auch Probleme im Privatleben des Pferdehalters gibt. Meehls Film zeigt auch, dass Buck Brannaman kein Gott ist: einem der Problempferde, das zu ihm gebracht wird, kann er nicht mehr helfen. BUCK ist eine gelungene Dokumentation mit Humor und noch mehr Gefühl.

AMADOR UND MARCELAS ROSEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Amador
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Spanien 2010
Regie: Fernando León de Aranoa
Darsteller: Magaly Solier, Celso Bugallo, Pietro Sibille
Kinostart: 07.06.2012

Den Abschiedsbrief für ihren Freund Nelson hat sie schon geschrieben, als Marcela bemerkt, dass sie schwanger ist. Sie zerreisst ihn wieder und bleibt bei Nelson. Die Schwangerschaft hält sie geheim. Weil dem Paar die Einkünfte aus dem Verkauf von gestohlenen Rosen bei weitem nicht ausreicht, um ein normales Leben zu führen, tritt Marcela eine Stelle als Pflegerin bei dem bettlägerigen Amador an. Der erweist sich als etwas eigenbrödlerisch, ist dafür aber auch sehr weise. Marcelas Schwangerschaft bleibt ihm nicht verborgen. Auch Amador hat seine Geheimnisse, von denen er ein paar mit ihr teilt. Die beiden beginnen sich gegenseitig zu respektieren. Mit seinen weisen Worten hilft Amador Marcela, ihr unglückliches Leben neu zu ordnen. Doch dann passiert etwas Unerwartetes... Während Amador im Bett liegend ein Puzzle zusammensetzt, sagt er zu Marcela, dass das Leben selbst wie ein Puzzle sei. Es käme nur darauf an, die einzelnen Teile richtig zusammenzusetzen. Und jeder trage die Einzelteile schon immer in sich. Fernando León de Aranoas Spielfilm ist ein Drama der leisen Töne, das auch mit feinem Humor nicht spart. Die gebürtige Peruanerin Magaly Solier spielt die Rolle der Marcela sehr einfühlsam und nuanciert. Ihr Unglücklichsein und ihre Unsicherheit spiegeln sich wunderbar in ihren Augen. Der Regisseur über seinen Film: “Es geht in erster Linie um das Leben, darüber, wie selbst der Tod manchmal nicht reicht, um es aufzuhalten. Alle Entscheidungen, die getroffen werden, fallen im Namen des Lebens. Das Leben ist der eigentliche Protagonist der Geschichte: der Motor, der Anfang und das Ende, und die Notwendigkeit. Ich meine damit das Leben mit seiner Mischung aus Hoffnung und Schuld, Schmerzen und Bedürfnissen.” Aranoa ist ein bemerkenswert ruhiger und schön fotografierter Film gelungen.
Donnerstag, 19. April 2012
Schluchz...
Wieder nur eine einziger Film heute...so langsam bekomme ich Entzugserscheinungn.

THE LUCKY ONE – FÜR IMMER DER DEINE (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Lucky One
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Scott Hicks
Darsteller: Zac Efron, Taylor Schilling, Blythe Danner
Kinostart: 26.04.2012

Das Foto einer jungen Frau rettet Sergeant Logan Thibault das Leben. Denn als er sich bei seinem Einsatz im Irak ein paar Schritte von seinem Trupp entfernt, um es aus dem Staub aufzuheben, schlägt eine Granate hinter ihm ein. Für Logan ist klar: die Frau auf dem Foto ist sein Schutzengel. Wieder zurück in den USA und noch immer traumatisiert, beginnt er nach der Frau zu suchen. Er findet sie tatsächlich. Beth, geschieden und Mutter eines kleinen Sohnes, ist Besitzerin einer Hundezucht. Weil er nicht imstande ist, den wahren Grund für sein Auftauchen zu sagen, nimmt Logan die offene Stelle bei Beth an. Im Lauf der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden eine zarte Liebesbeziehung. Doch Beths Ex-Mann findet das gar nicht gut... Bereits der deutsche Untertitel “Für immer der Deine” lässt es erahnen: hier steht ganz und gar die Romanze im Mittelpunkt des Geschehens. Und mehr noch: die Romanze läuft nach altbewährtem Muster ab. Fast so, als gehörte sie zum “Pilcher”-Franchise. Tatsächlich jedoch handelt es sich um eine Bestsellerverfilmung nach Nicholas Sparks. Regisseur Scott Hicks lässt sich keine Chance entgehen, kräftig auf die Tränendrüse zu drücken. Ist es nicht herzig, wie Ex-Teen-Star Zac Efron sich um den kleinen Sohn seiner Arbeitgeberin kümmert? Ganz nebenbei repariert er auch noch ihre Motorjacht, liest Philosophie-Bücher und spielt perfekt Klavier. Da kann kein Mädel widerstehen. Wenn sich dann Taylor Schilling alias Beth endlich auf den schönen Mann einlässt, dann passiert das natürlich fein säuberlich unter der Dusche – bekleidet natürlich. Das anschließende Liebesspiel beginnt mit intensivem Abtropfen, bevor es nach einer unendlich langen Zeit dann endlich daran geht, die nassen Klamotten auszuziehen. Keine Sorge: es herrscht Sommer, so dass eine Erkältung nicht zum Zuge kommt! Am Ende trägt das Drehbuch (und vermutlich auch die Romanvorlage) dann derart dick auf, dass man nur noch den Kopf darüber schütteln kann, auf welch elegante Weise man sich des eifersüchtigen Ex-Mannes entledigt. Das Zielpublikum (Frauen jeden Alters) wird sich darüber aber ganz bestimmt nicht den Kopf zerbrechen, sondern mit der auf- und abflammenden großen Liebe mitfiebern und für großflächigen Einsatz von Papiertaschentüchern sorgen. Bei all dem Kitsch und den Klischees, die Scott Hicks hier abliefert, muss man trotz allem aber ein gutes Wort für die Kameraarbeit von Alar Kivilo einlegen: seine Bilder sind perfekt.
Mittwoch, 18. April 2012
Flüchtlingsdrama
Lauer Mittwoch: es gab nur einen einzigen Film, dafür aber viel Sonne.

DIE FARBE DES OZEANS (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Movienet (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland, Spanien 2011
Regie: Maggie Peren
Darsteller: Sabine Timoteo, Friedrich Mücke, Hubert Koundé, Alex Gonzalez
Kinostart: 17.05.2012

Während ihres Urlaubs auf den Kanaren wird Nathalie mit einer humanitären Katastrophe konfrontiert: vor ihren Augen erreicht ein überladenes Boot aus Afrika die Küste. Zola und seinem kleinen Sohn Mamadou eilt sie zu Hilfe, viele andere Afrikaner sterben. Jose, der zuständige Polizist, hat solche Dramen schon zur Genüge mit ansehen müssen und rät Nathalie, sich nicht weiter einzumischen. Zola und seinem Sohn droht die Abschiebung, aber sie können fliehen und nehmen Kontakt zu Nathalie auf. Gegen den Rat ihres Freundes, sich nicht weiter um die Flüchtlinge zu kümmern, beginnt Nathalie den beiden zu helfen. Mit furchtbaren Konsequenzen... Was kann man als Einzelner gegen die Flüchtlingsströme aus Afrika tun? Wie definiert man die Richtigkeit des Handelns? Gibt es ein Gutes im Schlechten? Mit ihrem Drama versucht Regisseurin Maggie Peren diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Und das in gleich mehrfacher Hinsicht. So gibt es in ihrem Film nicht nur die Flüchtlingstragödie, mit der sich eine deutsche Touristin konfrontiert sieht. Auch der Polizist Jose, der erbarmungslos versucht, jeden einzelnen Flüchtling wieder zur Rückkehr zu zwingen, hat ein großes Problem: seine Schwester ist kokainsüchtig und bittet ihn ständig um Hilfe. Auch er sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob er helfen soll oder nicht. Seine existenziellen Fragen beantwortet der Film am Ende nur unvollständig. Und das ist auch gut so. Denn nur so kann er den Zuschauer dazu bewegen, über die akuten Probleme vor den Küsten Europas, die eine direkte Folge der Globalisierung darstellen, weiter nachzudenken. Maggie Peren möchte mit ihrem Film aufrütteln. Und genau das schafft sie auch. Wenn auch zugegebenermaßen mit ein paar wenigen dramaturgischen Schwächen (z.B. die Beziehungsprobleme der Protagonistin, die hier irgendwie fehl am Platz wirken).
Dienstag, 17. April 2012
Erst Inzest in Wien, dann Action in Stuttgart
Passend zu dem jüngst ergangenen Urteil zum Thema Geschwisterliebe entpuppte sich Film Nummer 1 als Inzest-Drama, bevor es dann mit den Marvel-Helden im Film Nummer 2 auf den Stuttgarter Schlossplatz ging.

TABU - ES IST DIE SEELE EIN FREMDES AUF ERDEN (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Camino (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Österreich, Deutschland, Frankreich, Luxemburg 2011
Regie: Christoph Stark
Darsteller: Lars Eidinger, Peri Baumeister, Rainer Bock
Kinostart: 31.05.2012

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzwingt die junge Grete Trakl, eine begabte Pianistin, die Erlaubnis, ihrem Bruder Georg in die Metropole Wien zu folgen. Georg versucht sich dort am Studium der Pharmazie, während Grete Unterricht nimmt bei Musikprofessor Albert Brückner. Was noch niemand ahnt: die Geschwister Georg und Grete verbindet eine innige Liebesbeziehung. Es ist eine bedingungslose Liebe, die nicht sein darf. Georg, der sich mehr als Dichter denn als Apotheker sieht, verarbeitet die selbstzerstörerische Liebe in seinen Versen. Grete drängt ihn, mit ihr in eine gemeinsame Zukunft nach Australien zu gehen. Um sich und auch Grete zu schützen zwingt Georg seine Schwester, ihren 20 Jahre älteren Professor zu heiraten. Grete greift zu einer letzten Verzweiflungstat, um ihren Bruder zu behalten... Christoph Stark erzählt in seinem depressiven Film die Geschichte des berühmten Expressionisten Georg Trakl. In seinen ebenso verstörenden wie leidenschaftlichen Gedichten steht seine Schwester Grete stets im Mittelpunkt. Stark erzählt dabei nicht nur von einer Geschwisterliebe, sondern vor allem von einer Liebe, die nicht sein darf. Dank seiner großartigen Darsteller gelingt es ihm, das Publikum auf die Seite der Liebenden zu ziehen. Ob diese Liebe allerdings in Wirklichkeit jemals ausgelebt wurde oder nur in den Gedichten Trakls existiert, weiß niemand so genau. Laut Presseheft war das für die Macher des Films auch nur von untergeordneter Bedeutung: “Filmisch gesehen ist dies eine dramatische Metapher, die größte Hürde für eine Liebe, die keine Erfüllung finden darf”, erklärt Produzent Arno Ortmair. Die Kameraarbeit in CinemaScope (Bogumil Godfrejow) mit ihren oft dunklen Bildern und der erdfarbenen Tönung visualisiert die deprimierende, ausweglose Situation der Protagonisten perfekt. Die aus dem Off zitierten, bildgewaltigen Verse Trakls tun ein übriges. TABU ist kein Film, den man sich an einem herrlich sonnigen Nachmittag anschauen sollte, sondern eher an einem stürmischen Herbsttag. Denn – ohne damit zuviel zu verraten – ein Happy-End ist dieser Liebe nicht gegönnt.

MARVEL’S THE AVENGERS (1:1.85, 3D, DD 5.1 + 7.1)
OT: The Avengers
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Joss Whedon
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo, Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson, Gwyneth Paltrow
Kinostart: 26.04.2012

Die Welt steht wieder einmal vor einer unglaublichen Katastrophe: Thors Bruder Loki besitzt dank eines magischen Würfels unbegrenzte Macht und möchte sich die Erde Untertan machen. Das ruft Nicky Fury und seine Friedensorganisation S.H.I.E.L.D. auf den Plan. Doch um die Welt vor Lokis Macht zu retten bedarf es mehr als nur eines Helden – sondern gleich sechs davon! Iron Man, Thor, Black Widow, Hulk, Captain America und Hawkeye, genannt die “Avengers”, werden von Fury rekrutiert. Gemeinsam sollen sie dem Feind den Wind aus den Segeln nehmen... Leider erliegt das 140 Minuten lange Spektakel zum Ende hin dem Verlangen, alles in einer gigantischen Materialschlacht münden zu lassen. Trotz dem halben Dutzend Superhelden wirkt das dann genauso ermüdend wie Michael Bays TRANSFORMERS. Bis es allerdings soweit ist nutzt Joss Whedon in seinem Film wenigstens ein bisschen komödiantisches Potenzial. Denn zwischen den Marvel-Helden ist nicht immer alles Friede Freude Eierkuchen. Da gibt es immer wieder feine, gut platzierte Rivalitäten. Insbesondere Robert Downey Jr. in der Rolle des Iron Man überzeugt hier noch am ehesten. Er ist in seiner Rolle nicht so steif wie seine Kollegen (was vielleicht an seinen Erfahrungen in der Rolle des Sherlock Holmes liegen mag) und sorgt für ein paar herzhafte Lacher. Dazwischen gibt es aber leider zuviel langweiliges Geschwätz, so dass man stets versucht ist, den schnellen Vorlauf zu aktivieren. Stoppen muss man dann allerdings wieder bei jener Sequenz, die im schwäbischen Stuttgart spielt und für die eigens in den USA der Schlossplatz nachempfunden wurde. Das weckt Erinnerungen an Bilder, die vor ein paar Wochen durch das World Wide Web gegangen sind und bei den Stuttgartern für höchstes Amüsement gesorgt hat. Nichtsdestotrotz enttäuscht der unnötigerweise auf 3D aufgepäppelte AVENGERS mehr als das er unterhält.
Freitag, 13. April 2012
Schwarzer Freitag
Nach dem ersten Film fühlte ich mich von den Filmemachern richtig durchgef***, nach dem zweiten gab mir Väterchen Staat dasselbe Gefühl.

AMERICAN PIE: DAS KLASSENTREFFEN (1:1.85, DD 5.1)
OT: American Reunion
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Jon Hurwitz, Hayden Schlossberg
Darsteller: Jason Biggs, Alyson Hannigan, Chris Klein
Kinostart: 26.04.2012

Als das Klassentreffen zum 10jährigen Jubiläum der Abschlussklasse von 1999 näher rückt, treffen sich die alten Highschoolkameraden Jim, Kevin, Oz und Stifler nach langer Zeit zum ersten Male wieder. Allerdings nur um festzustellen, dass sie nach wie vor zuviel Alkohol trinken und jedem Rockzipfel nachlaufen. Das führt natürlich bei den jeweiligen Lebenspartnern zu Unmut... Es dauert keine zehn Minuten bis der erste, nur von einem durchsichtigen Topfdeckel bedeckte Penis im Film auftaucht. Aber so ist das eben in einem Film, dem es mehr um den unteren Teil der Gürtellinie als dem darüberliegenden Teil geht. Verbalerotik genügt schon lange nicht mehr, jetzt müssen eben schwerere Geschütze aufgefahren werden. So stolpert der Film von einer Peinlichkeit in die nächste und vergisst dabei vollkommen, dass er eigentlich unterhalten sollte. Um Letzteres zu erreichen bedarf es aber vermutlich einem Six-Pack vor dem Betreten des Kinosaals. Die AMERICAN PIE-Serie hat sich mittlerweile einfach totgelaufen. Nichtsdestotrotz werden wir uns wohl auf ein Wiedersehen mit diesen Spätpubertierenden einstellen – vermutlich als Insassen eines Seniorenwohnheims.

BULB FICTION (1:1.85, DD 5.1)
Verleih: farbfilm
Land/Jahr: Österreich, Deutschland 2011
Regie: Christoph Mayr
Kinostart: 31.05.2012

“Wir tun alles was in unserer Macht steht, um das Klima zu bekämpfen” sagt die Sprecherin eines EU-Kommissars auf die Frage, ob die extrem minimale CO2-Reduktion, die sich durch das Verbot von Glühbirnen ergibt, das Verbot überhaupt rechtfertigen würde. Wenngleich sich die Dame hier vor laufender Kamera vermutlich nur versprochen hat, so könnte das durchaus ein Freud’scher Versprecher sein. Gemeint war natürlich nicht das Klima, sondern der Klimawandel. Nach Christoph Mayrs Dokumentarfilm jedoch drängen sich hier besonders starke Zweifel auf. Mayr beleuchtet im wahrsten Sinne des Wortes das EU-Verbot der Glühlampe von allen Seiten. Der gefährliche Quecksilbergehalt der Energiesparlampen führt bei Bruch der Lampe zu Schädigungen des Nervensystems, was er anhand eines ganz konkreten Falles schildert. Das Opfer: ein vierjähriger Junge. Aber auch die Mitarbeiter einer Recyling-Anlage im englischen Leeds können davon ein Lied singen. Mayr deckt hemmungslos auf: nicht umsonst gibt es nahezu gleichviel Lobbyisten wie EU-Parlamentarier in Brüssel – jener Stadt, in der das Verbot hastig durchgehechelt wurde. Mit Unterstützung von Greenpeace. Und nur, weil die Aktivisten eine Untersuchung aus den 1990er-Jahren nicht kannten (oder nicht kennen wollten), in der auf die große Gefahr der Energiesparlampen hingewiesen wurde. Mayr zeigt auch, dass die Lichtindustrie bereits in den 1920er-Jahren erfolgreich ihre Ziele durchzusetzen verstand. Glühbirnen sollen nicht etwa 5000 oder gar 10.000 Stunden funktionieren, sondern bereits nach 1000 Stunden ihren Geist aufgeben. Man (= die Hersteller) will ja schließlich Umsatz generieren und satte Profite einfahren. Da wundert es nicht, das ausgerechnet Osram und Phillips in jenem EU-Ausschuss vertreten waren, in dem beschlossen wurde, den privaten Haushalten Energiesparlampen aufzuzwingen. Mayrs Dokumentation zeigt auch, dass es anders geht. In Eigeninitiative haben zwei findige deutsche Ingenieure aus der guten alten Glühbirne eine Wärmelampe gemacht. Zu fairem Lohn wird diese in China produziert und hält weitaus länger als jene 1000 Stunden. Doch die Ware liegt jetzt beim Zoll hinter Schloss und Riegel. Aber die beiden Wutbürger haben noch längst nicht aufgegeben. Und es müsste nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn die beiden Tüftler nach Mayrs Dokumentation nicht automatisch großen Zuspruch aus der Bevölkerung erhalten würden. BULB FICTION ist alles andere als Fiktion, sondern traurige Realität, die schleunigst korrigiert werden muss.
Donnerstag, 12. April 2012
Einer gegen Alle
Natürlich war es mal wieder Jason Statham, der in dieser Woche für den höchsten Body Count sorgte.

SAFE – TODSICHER (1:2.35, DD 5.1)
OT: Safe
Verleih: Concorde
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Boaz Yakin
Darsteller: Jason Statham, Catherine Chan, Robert John Burke
Kinostart: 31.05.2012

Ein in Ungnade gefallener Kampfsportler und Ex-Cop nimmt sich in New York eines kleinen chinesischen Mädchens an, das als mathematisches Wunderkind gehandelt wird und angeblich den Code eines prall gefüllten Tresors auswendig kennt. Alsbald sieht sich Luke Wright nicht nur gegen die Russenmafia, sondern auch gegen eine asiatische Triade kämpfen, um das Mädchen zu schützen... Wenn überall geprügelt und geballert wird und der Body Count auf ein unüberschaubares Maß anwächst, dann fühlt sich Einer sauwohl: Jason Statham. Das kahlköpfige Muskelpaket gilt spätestens seit der TRANSPORTER-Trilogie als legitimer Nachfolger von Bruce Willis. Auch in SAFE darf Statham wieder das ganze Register seiner Kampfkunst abziehen. Dass hierbei Viele ihr Leben lassen, wird billigend in Kauf genommen. Handelt es sich dabei doch sowieso nur um die Bösen. Und dann darf man das ja ruhigen Gewissens. Angesichts der brutalen Gewalt, die hier vom Stapel gelassen wird, dürfte der Film hierzulande mit keiner Jugendfreigabe prämiert werden. Freunde gewalttätiger Actionware werden ihre Freude daran haben, wenn Statham ohne mit der Wimper zu zucken mehr als nur ein Leben auslöscht – dafür aber ein kleines Mädchen aus den Krallen von schlimmen Gangstern befreit. Der rasante Schnitt, die teils wackelige Kamera und ein vorantreibender Score (der unverhohlen Lalo Schifrins MISSION IMPOSSIBLE Thema variiert) verstehen sich bei dieser Art von Film fast von alleine. Bemängeln muss man (außer der übertriebenen Gewalt) allerdings Stathams Unvermögen, einen gebrochenen und mit der Welt abgeschlossenen Mann zu spielen. Denn das nimmt man ihm einfach nicht ab.
Dienstag, 10. April 2012
Von Schamanen und Schlachtschiffen
Die recht knappe Pressewoche begann für mich heute mit einem Double Feature.

AUSGERECHNET SIBIRIEN (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Majestic (Fox)
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Ralf Huettner
Darsteller: Joachim Król, Vladimir Burlakov, Yulya Men
Kinostart: 10.05.2012

Matthias Bleuel befindet sich in einer Lebenskrise. Seit er geschieden ist, versucht er sich mit Joggen und Hörbüchern zu beschäftigen. Darin geht es meistens um Schamanen, um Abenteuer, um Erdlöcher. Ausgerechnet jetzt wird er in seiner Funktion als Leiter der Logistik einer Leverkusener Bekleidungsfirma nach Sibirien geschickt, um die dortige Filiale zu überprüfen. Kaum ein Wort Russisch sprechend erlebt er vor Ort einen echten Kulturschock. Denn mit der Lebensweise der Russen kann er sich nicht anfreunden. Wenigstens steht ihm der junge Artjom als Dolmetscher zur Seite. Und genau der nimmt ihn mit zu einem Fest, bei dem die schöne Sajana die hohe Kunst des Kehlkopfgesanges zu Gehör bringt. Eine Musik, die Bleuels Seele tief berührt... Offensichtlich traut Regisseur Ralf Huettner dem Intellekt seines Publikums nicht. Denn so beharrlich wie er das Ende seines Films hinauszögert, um ja keine Fragen offen zu lassen, muss man das unterstellen. Dabei macht ja gerade ein halbwegs offenes Ende oft den eigentlichen Reiz eines Films aus. Abgesehen von dieser Schwäche der Dramaturgie unterhält der Film weitgehend ordentlich. Zumindest wenn man sich darauf einlassen kann, Joachim Król den extrem pingeligen Logistiker mit Hang zur Mystik von Schamanen abzukaufen. Denn seine Verwandlung vom engstirnigen Geschäftsmann zum Verliebten geht etwas schnell von statten. Yulya Men als seine Muse ist hervorragend besetzt. Ihr glaubt man sofort, dass sie die Tochter einer Schamanin ist und dass sie Männer verzaubern kann. Den besonderen Reiz aber erhält Huettners kleines Road-Movie durch seine faszinierenden Landschaftsaufnahmen (Kamera: Stefan Ciupek).

BATTLESHIP (1:2.35, DD 5.1)
OT: Battleship
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Peter Berg
Darsteller: Taylor Kitsch, Alexander Skarsgård, Rihanna, Liam Neeson
Kinostart: 12.04.2012

Als ein internationales Seemanöver vor Hawaii durch kriegerische Aliens aus dem Ruder läuft, kann Nichtsnutz Hopper endlich seine Fähigkeiten unter Beweis stellen... Wer bei diesem Film marketingtechnisches Kalkül unterstellt, der liegt vermutlich gar nicht so weit daneben. Denn BATTLESHIP entpuppt sich als der ultimative Navy-Werbefilm. Wer am Ende des Films sich nicht sofort freiwillig zum Vaterlandsdienst an der Waffe meldet, der hat während des Films vermutlich geschlummert. Wie einst Tom Cruise in TOP GUN, so etabliert sich hier Taylor Kitsch als klinisch reiner Superheld, der in des Landes schwerster Stunde gemeinsam mit alten Veteranen und einem noch älteren Schlachtschiff Front macht gegen den Feind. Dass der dieses Mal nicht aus dem Osten kommt, sondern aus den Untiefen des Weltalls, macht keinen großen Unterschied. Wahrscheinlich hat Michael Bay genau dort ein paar seiner “Transformers” vergessen. BATTLESHIP lehrt uns eines: Patriotismus ist dann, wenn man sich dem Vaterland opfert, obwohl man schon lange tot ist. Oder so ähnlich. Was sich hier aus einem Computerspiel heraus für die große Leinwand entwickelt hat, ist das Patriotischte, das jemals ein Amerikaner selbst inszeniert hat. Denn wenn immer es um Patriotismus geht, hat man in Hollywood immer gerne auf Europäer zurückgegriffen (Roland Emmerich, Wolfgang Petersen). BATTLESHIP ist laut, mit vielen Explosionen, flachen Charakteren, einer Musik aus der Retorte und faszinierenden visuellen Effekten – also genau richtig für Teens, deren Hirnfunktionen noch nicht vollständig ausgereift sind. Anspruchsvolle Filmfans werden sich ganz sicher an manchen Stellen nicht halten können vor unfreiwilligem Lachen – beispielsweise wenn das zuvor erwähnte Veteranenheer in Slow Motion in Richtung Kamera marschiert. Alles in allem ein gigantischer Werbeclip, der seine Wirkung (leider) nicht verfehlen wird.
Donnerstag, 05. April 2012
Eine Komödie im Koma
Ich hätte es ahnen müssen: bereits im deutschen Titel taucht das Wort “Katastrophe” auf.

VÄTER UND ANDERE KATASTROPHEN (1:2.35, 5.1)
OT: Un Jour Mon Père Viendra
Verleih: Camino (Neue Visionen)
Land/Jahr: Frankreich 2011
Regie: Martin Valente
Darsteller: Gérard Jugnot, François Berléand, Olivia Ruiz
Kinostart: 03.05.2012

Erst nach dem Tod seiner Frau erfährt der Großindustrielle Bernard, dass er Vater einer Tochter ist. 25 Jahre zuvor hatte er eine leidenschaftliche Affäre mit ihrer Mutter. In Bernard, einem Mann in gesetztem Alter, erwachen Vatergefühle und er beschließt, seine Tochter Chloe aufzusuchen. Unvorbereitet trifft er auf den einfachen Gustave, Chloes vermeintlichen Vater. Bernard verheimlicht ihm seine Identität und muss erfahren, dass Chloe gerade dabei ist, sich mit einem Tennisprofi zu verheiraten. Da sie mit Gustave gebrochen hat, veranstaltet sie ein Casting, um einen Schauspieler als ihren Vater auszugeben. Eine geeignete Rolle für Bernard... Man hätte aus der Grundidee eine richtig lustige Komödie machen können. Ganz im Stile der amerikanischen Screwball-Comedies. Stattdessen bleibt das Projekt leider im Koma liegen. Weder die Darsteller noch das Drehbuch oder die Regie sind in der Lage, ein Feuerwerk an Gags zu entzünden. Mögliches Potenzial bleibt ungenutzt. Der Gang ins Kino wird zur großen Enttäuschung. Schade.
Mittwoch, 04. April 2012
Stirb noch langsamer
So schnell wie im heutigen Film hatte Bruce Willis noch nie einen Abgang...

THE COLD LIGHT OF DAY (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Cold Light Of Day
Verleih: Concorde
Land/Jahr: USA 2012
Regie: Mabrouk El Mechri
Darsteller: Henry Cavill, Sigourney Weaver, Bruce Willis
Kinostart: 03.05.2012

Eigentlich sollte es ein Urlaub werden. Im Kreise seiner Familie wollte Will Shaw einen Segeltörn in Spanien absolvieren. Doch daraus wird nichts. Denn ehe er es sich versieht, ist die ganze Familie gekidnappt worden. Die Entführer verlangen als Gegenleistung einen Aktenkoffer, den sein Vater angeblich entwendet hat. Als Wills Vater plötzlich auftaucht und dem vollkommen Überraschten eröffnet, dass er Geheimagent ist, gerät Wills Weltbild ins Schwanken. Kurze Zeit darauf ist der Vater tot – getroffen von der Kugel eines Scharfschützen. Jetzt ist es alleine an Will, den Rest der Familie zu retten... THE COLD LIGHT OF DAY – was für ein Titel! Dahinter könnte man ja fast schon einen Bond vermuten. Doch da ist der Wunsch mal wieder Vater des Gedankens. Denn was der mit JCVD zu Ehre gekommene Regisseur Mabrouk El Mechri hier serviert, ist leider extrem konventionelle Kost. So konventionell sogar, dass man während des Films dazu übergeht, sich über die Glaubwürdigkeit so mancher Szene Gedanken zu machen. Irgendwie erinnert das Szenario an TAKEN, in dem Liam Neeson als Geheimagent im Ruhestand nach Paris kommt, um seine minderjährige Tochter aus den Händen von Entführern zu holen. Schon in diesem Film wird deutlich gemacht, dass es eines Amerikaners bedarf, um den schwerfälligen Europäern einmal zu zeigen, wo es langgeht. In Mabrouk El Mechris Film ist Madrid der Schauplatz, auf dem Nachwuchs-Talent Henry Cavill sein ganzes Können beweisen darf. Auch hier lautet die Lektion: Polizei gibt es faktisch nicht. Und wenn doch, dann ist sie komplett korrupt. Möglicherweise kann der Film nur mit dieser Botschaft am Box-Office in Übersee bestehen. Der geneigte europäische Zuschauer denkt hier einfach zuviel nach. Würde ein Europäer vom Dach eines ziemlich hohen Hauses springen, gesichert nur durch das dünne Kabel der Satellitenschüssel – er würde sich sämtliche Knochen im Leib brechen. Nicht so beim durchgestylten Amerikaner: der landet ganz sanft auf dem harten Pflaster und steht sogleich wieder auf, um für neue Abenteuer bereit zu sein. Uncle Sams Märchenstunde nervt nach spätestens einer halben Stunde. Die gezeigten Stunts können das nicht wieder wett machen. Und da – entgegen dem, was der Filmtitel vermuten lässt – große Teile des Films bei Nacht spielen, kann man bedingt durch falsche Lichtsetzung nicht sonderlich viel davon tatsächlich auch sehen. Es ist schlicht und ergreifend einfach zu dunkel.
Dienstag, 03. April 2012
Von Fischen, Hoheiten und Zwillingen
Zur Abwechslung durften wir heute gleich drei Filme in der Presse begutachten.

LACHSFISCHEN IM JEMEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Salmon Fishing In The Yemen
Verleih: Concorde
Land/Jahr: Großbritannien 2011
Regie: Lasse Hallström
Darsteller: Ewan McGregor, Emily Blunt, Kristin Scott Thomas
Kinostart: 17.05.2012

Dr. Alfred Jones, leidenschaftlicher Angler und als Experte in der britischen Fischereibehörde beschäftigt, glaubt zunächst an einen großen Witz. Im Auftrag eines Scheichs soll die hübsche Harriet Chetwode-Talbot prüfen lassen, ob es möglich wäre, Lachse im Jemen anzusiedeln, damit diese wiederum von besagtem Scheich dort geangelt werden können. Der Witz entpuppt sich jedoch alsbald als purer Ernst. Und da Geld bei dem Scheich, der für sein Leben gerne angelt, keine Rolle zu spielen scheint, beginnt ein märchenhaftes Abenteuer für den etwas verklemmten Alfred. Und wie es das Schicksal so will, finden sich Alfred und Harriet gegenseitig anziehend. Dumm nur, dass Alfred (unglücklich) verheiratet ist und Harriets neuer Soldaten-Freund nach einem Afghanistaneinsatz als vermisst gilt... Einmal mehr mimt Ewan McGregor einen etwas schüchternen Charakter. Und dieses Mal sogar mit schottischem Akzent. Man muss ihn einfach mögen. Und wer würde besser zu ihm passen als Emily Blunt mit ihren wunderschönen Augen! Zwischen den beiden jedenfalls stimmt die Chemie. Die Dritte im Bunde schließlich ist Kristin Scott Thomas als eiskalte PR-Managerin der britischen Regierung. Die Jemen-Geschichte passt wunderbar in ihr Konzept als eine positive Nachricht aus der Kriegsregion Nahost, mit der man geschickt von den akuten Problemen in Afghanistan ablenken kann. Diese Traumbesetzung macht aus diesem Film ein ungewöhnliches Romantik-Abenteuer, dessen Drehbuch aus der Feder von Simon Beaufoy (SLUMDOG MILLIONÄR) stammt. Obendrein wartet der Film auch mit faszinierenden Aufnahmen aus Schottland auf, unterlegt mit einem sehnsuchtsvollen Score von Dario Marianelli (der mich an Christopher Youngs Musik zu SCHIFFSMELDUNGEN erinnerte). Das Unmögliche ist immer möglich – so die Botschaft des Films, der mit seinem feinen Humor und Absurditäten gut unterhält.

LEB WOHL, MEINE KÖNIGIN! (1:2.35, DD 5.1)
OT: Les Adieux A La Reine
Verleih: Capelight (Central)
Land/Jahr: Frankreich, Spanien 2011
Regie: Benoît Jacquot
Darsteller: Diane Kruger, Léa Seydoux, Virginie Ledoyen
Kinostart: 31.05.2012

Es ist der Vorabend der Französischen Revolution. Die junge, hübsche und intelligente Sidonie Laborde arbeitet als Vorleserin der Königin Marie-Antoinette in Schloss Versailles. Sie liebt ihre Königin über alles und ist ihr loyal ergeben – allen beunruhigenden Nachrichten aus Paris zum Trotz. Die Königin indes ist der Schönheit Gabrielle de Polignac erlegen. Um ihre Geliebte vor Volkes Groll zu schützen fasst die Königin einen Plan, in dessen Mittelpunkt Sidonie steht... Benoit Jacquot lässt sich sehr viel Zeit für die Schilderung des Zustands am königlichen Hofe während des Umbruchs. Er schwelgt in goldfarbenem Dekor und prächtigen Kostümen und präsentiert viele Personen – die Herrschenden und ihre Bediensteten. So lässt er insgesamt vier Tage vor seiner Kamera vorbeiziehen, die eigentlich wie ein ganzes Jahr wirken. Der Film hätte sich mühelos so um weitere Stunden aufstocken lassen. Doch die jetzigen 100 Filmminuten gestalten sich (abgesehen vom Schauwert) recht mühsam, entbehren sie doch einer richtigen Story. Der Film dreht sich sozusagen im Kreise und kommt ohne echte Höhepunkte aus. Schade.

HANNI & NANNI 2 (1:2.35, DD 5.1)
Verleih: Universal
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Julia von Heinz
Darsteller: Sophia Münster, Jana Münster, Hannelore Elsner
Kinostart: 17.05.2012

Kaum sind die Sommerferien zu Ende, müssen die Zwillingsschwestern Hanni und Nanni gemeinsam mit ihrer flippigen Cousine Lilly wieder in das Internat Lindenhof. Dort geht das Gerücht um, dass im neuen Schuljahr eine waschechte Prinzessin unter den Mädchen sein soll. Doch niemand kennt ihre Identität. Auch nicht ein Ganovenpärchen, das die Prinzessin entführen möchte, um Geld zu erpressen. Zu den kriminellen Abenteuern gesellen sich natürlich wieder Zickereien zwischen den Mädchen sowie der Neffe der Französischlehrerin, Philippe, der mit seinen Fechtkünsten die Mädchen ins Schwärmen bringt... Jetzt sind sie also wieder zurück auf der Leinwand: Enid Blytons Hanni und Nanni. Das bereits aus dem ersten Teil bekannte Team wird nur durch ein paar wenige Neuzugänge ergänzt. Standen im ersten Teil noch die Rivalitäten zwischen den Zwillingen im Mittelpunkt, so sind es dieses Mal die Probleme, die mit der Trennung von Eltern einhergehen. Dass so etwas für die Kinder immer schlimm ist, wird zwar angedeutet, jedoch nicht unbedingt befriedigend aufgelöst. Hier sind es nur die Eltern von Hanni und Nanni, die eine Ehekrise am Ende erfolgreich meistern. Das Schicksal ihrer Mitschülerinnen, die ebenfalls unter einer Trennung oder unter Vernachlässigung leiden, bleibt offen. Aufgrund seiner Vorlage richtet sich der Film fast ausschließlich an Mädchen.

Montag, 02. April 2012
Anders als die Anderen
Ein eindrucksvolles Drama eröffnete heute meine 4-Tage-Presse-Woche.

TOMBOY (1:1.85, D 5.1)
OT: Tomboy
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Frankreich 2010
Regie: Céline Sciamma
Darsteller: Zoé Heran, Malonn Lévana, Jeanne Disson
Kinostart: 03.05.2012

“Du bist anders als die Anderen” bemerkt die frühreife Lisa, als sie den 10jährigen Michael nur als Zuschauer beim Fußballspiel der anderen Jungs sieht. Was Lisa nicht ahnt: Michael ist in Wirklichkeit ein Mädchen und heisst Laure. Es ist eine Laune des allmählichen Erwachsenwerdens, dass Laure viel lieber ein Junge sein möchte. Mit ihren kurzen Haaren kann man sie rein äußerlich jedenfalls nicht von einem Jungen unterscheiden. Ihre kleine Schwester hütet Laures Geheimnis, weil sie dann zum Spielen mit den Anderen mitkommen darf. Und sie findet es toll, quasi einen großen Bruder zu haben, der sie beschützt. Doch als sich Laure mit einem der Jungs prügelt und er am nächsten Tag zusammen mit seiner Mutter vor Laures Wohnungstür steht, droht das ganze Spiel aufzufliegen... Sehr sensibel erzählt Céline Sciamma in ihrem Film die Geschichte der kleinen Laure, die alles dafür tut, ein Junge zu sein. Ihren Eltern erzählt sie nichts davon und die bemerken Laures Orientierung überhaupt nicht. Selbst als unbedarfter Zuschauer ahnt man nicht, dass es sich bei Laure um ein Mädchen handelt. Erst nachdem sich Laure als Michael der Kinderclique aus der Nachbarschaft vorgestellt hat, erfahren wir ganz zufällig ihren eigentliche Namen. Durch diesen genialen Trick des Drehbuchs ergeht es dem Zuschauer genauso wie den anderen Kindern im Film, die sehr viel später das wahre Geschlecht ihres Spielkameraden erfahren. TOMBOY ist so etwas wie die vorpubertäre Version von BOYS DON’T CRY, für den Hilary Swank Oscar-prämiert wurde. Doch anders als im amerikanischen Film geht Sciamma wesentlich behutsamer mit dem Stoff um, inszeniert diesen weder reißerisch noch plakativ. Dank exzellenter Darsteller gelingt ihr ein beeindruckender, vollkommen unspektakulärer, aber dennoch tiefschürfender Film zum Thema “Coming of Age” und dem Finden der eigenen Sexualität. Sehenswert.


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