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Donnerstag, 28. Februar 2013 Von schwangeren Teenagern und ehemaligen Terroristen Der erste Film beeindruckte, der zweite leider weniger. VIERZEHN (1:1.85, DD 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2012 Regie: Cornelia Grünberg Kinostart: 23.05.2013
Steffi, Laura, Fabienne und Lisa teilen dasselbe Schicksal: alle vier wurden unfreiwillig schwanger. Eigentlich gar nichts
besonderes, wären nicht alle vier Mädchen erst 14 Jahre alt! Die Eine dachte, dass man von nur einem Mal bestimmt
nicht schwanger wird, bei der Anderen hat das Kondom versagt. Zwei Jahre lang beobachtete Cornelia Grünberg die
vier Mädchen – vom Beginn ihrer Schwangerschaft bis zur Geburt und auch noch darüber hinaus. Und die Regisseurin
weiß, wovon sie berichtet: sie wurde selbst bereits mit 20 Jahren ungewollt Mutter und mit 40 bereits Großmutter. Mit
ihrer Kamera bleibt sie ganz dicht bei ihren jungen Protagonistinnen und zeigt sie im häuslichen Umfeld und auch in der
Schule. Wie reagieren die Eltern und Mitschüler auf die neue Situation? Wie gehen die Väter mit ihrer Verantwortung
um? Cornelia Grünberg gelingt es, die jungen Frauen aus der Reserve zu locken. Vollkommen unverklemmt erzählen sie
vor laufender Kamera von ihren Träumen, ihren Sorgen und den Entscheidungen, die sie in ihrem jungen Leben zu
treffen haben. Abtreiben oder behalten? Die Mädchen machen es sich nicht einfach damit. Letztendlich entscheiden sich
alle vier dafür, ihr Kind auszutragen. Die Kamera fängt sogar die intimen Momente im Kreissaal ein, zeigt die Freude
und das Glück, das sich auf den Gesichtern der jungen Mütter widerspiegelt. Gleichzeitig protokolliert der
Dokumentarfilm respektvoll den Reifeprozess, den die Teenager während der Schwangerschaft durchlaufen. Hier gibt es
keinen erhobenen Zeigefinger, keine Moralpredigt oder ähnliches. Die Leistung der Mädchen ist bewundernswert und
berührt zutiefst. Wie Sorgen und Freude Hand in Hand gehen, bringt eine Szene am Ende des Films auf den Punkt. Da
sieht man Fabienne mit ihrem Freund und dem gemeinsamen Baby auf der Couch sitzen. “Wir wollen noch ein oder
zwei Kinder!” sagt sie begeistert in die Kamera, dreht sich zu ihrem Freund, auf Zustimmung hoffend. Als der aber
verlegen schweigt, sagt sie zur Kamera gewandt: “Ich möchte noch ein oder zwei Kinder.”
DAS WOCHENENDE (1:2.35, DD 5.1) Verleih: Universum (SquareOne) Land/Jahr: Deutschland 2012 Regie: Nina Grosse Darsteller: Katja Riemann, Sebastian Koch, Tobias Moretti, Barbara Auer, Robert Gwisdek, Elisa Schlott Kinostart: 11.04.2013
Nach 18 Jahren wird der ehemalige RAF-Terrorist Jens Kessler aus der Haft entlassen. Seine Schwester Tina nimmt ihn
in ihrem großen Landhaus auf und lädt auch gleich alte Freunde ein, um das Ereignis zu feiern. Dazu gehören Ulrich
Lansky und dessen Frau Inga, die einst mit Jens zusammen war, sowie Henner, ein alter Gesinnungsgenosse. Die gute
Stimmung wird schnell getrübt, als das Gespräch auf Jens‘ RAF-Zeit kommt. Als am nächsten Tag auch noch Jens‘ Sohn
auftaucht, eskaliert die Situation... Man nehme mehrere Personen, die irgendwie miteinander verbandelt sind, setze sie in
ein großes Haus und warte ab, was sich daraus entwickelt. So oder ähnlich könnte die Grundidee zu dem Roman von
Bernhard Schlink gelautet haben, den Nina Grosse jetzt für die große Kinoleinwand adaptiert hat. Da gibt es dann einen
Vater-Sohn-Konflikt, eine alte Liebe, die neu aufkeimt, und alte Schulden, die zu begleichen sind. Doch das alles macht
leider noch keinen guten Film. Innere Konflikte lassen sich nicht ohne Weiteres auf Film bannen. Und die Protagonisten
in diesem Stück haben jede Menge davon. Übrig bleibt ein etwas blutleeres Drama, das zwar gute Darsteller aufweisen
kann, aber irgendwo auf der Stelle tritt. Richtige Kinoatmosphäre stellt sich nicht ein, am ehesten noch das Feeling eines
kleinen Fernsehspiels. Fazit: muss man nicht gesehen haben.
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Mittwoch, 27. Februar 2013 Kubakrise und Marienerscheinung Das heutige Doppel führte mich in das England der sechziger Jahre und ins Ägypten der Gegenwart. GINGER & ROSA (1:2.35, DD 5.1) OT: Ginger & Rosa Verleih: Concorde Land/Jahr: Großbritannien, Dänemark, Kanada, Kroatien 2012 Regie: Sally Potter Darsteller: Elle Fanning, Alice Englert, Annette Bening Kinostart: 11.04.2013
Ginger und Rosa sind beste Freundinnen. Die am selben Tag geborenen Teenager teilen alles – die erste Zigarette
genauso wie Liebe, Politik und Religion. Im London der beginnenden sechziger Jahre wehren sie sich gegen Spießigkeit
und Verklemmtheit ihrer Elternhäuser. Gingers Vater, ein überzeugter Pazifist, trennt sich von seiner Frau, Rosas Mutter
ist Single. Überschattet von der akuten Bedrohung durch die Kuba-Krise bekommt die Freundschaft der beiden
Mädchen deutliche Risse, als Rosa eine Affäre mit Gingers Vater beginnt... Die 15-jährige Elle Fanning war zwar schon
in einigen Filmen zu bewundern, doch mit ihrer Verkörperung der Ginger wird sie sich einen Namen in der Filmbranche
sichern. Das Mädchen spielt wirklich sensationell gut! Wenn sich Ginger Hals über Kopf in eine
Anti-Atomwaffen-Demo wirft, um die Affäre ihres geliebten Vaters nicht mit ansehen zu müssen, spiegelt sich ihre
Angst sehr eindrucksvoll in ihrem Gesicht wider. Auch Alice Englert überzeugt in ihrer Rolle als Gingers beste Freundin
Rosa. Immer wieder lässt Sally Potter die frischen Gesichter ihrer Protagonistinnen von Kameramann Robbie Ryan in
wundervollen Nahaufnahmen einfangen. Großartig auch die Bilder, die mit ihrer ganz besonderen Farbgebung perfekt
die sechziger Jahre vermitteln und passend dazu mit Jazz-Musik unterlegt sind. GINGER & ROSA ist ein sensibel
inszeniertes Coming-of-Age Drama, das man uneingeschränkt empfehlen kann.
DIE JUNGFRAU DIE KOPTEN UND ICH (1:1.85, Stereo) OT: La Vierge, Les Coptes Et Moi Verleih: Arsenal Land/Jahr: Frankreich, Katar, Ägypten 2011 Regie: Namir Abdel Messeeh Darsteller: Siham Abdel Messeeh, Namir Abdel Messeeh Kinostart: 13.06.2013
Angefangen hat alles mit einer Videocassette, die während der Weihnachtsfeier im Kreise der Familie des
Nachwuchsfilmers Namir Abdel Messeeh zur Vorführung kam. Aufgenommen in ihrer ägyptischen Heimat soll man
darauf angeblich eine Marienerscheinung sehen. Namirs Familie gehört zu den Kopten, die an solche Erscheinungen
glauben und ihr ganzes Leben danach ausrichten. Namir selbst ist jedoch schon längst vom Glauben abgefallen. Als
jedoch seine Mutter steif und fest behauptet, in dem Video die Jungfrau Maria zu erkennen, beschließt ihr Sohn, einen
Dokumentarfilm darüber zu drehen. Zu diesem Zweck begibt er sich nach 15 Jahren erstmals wieder nach Ägypten. Dort
hofft er auf Augenzeugen der Marienerscheinungen zu treffen, die ihm bereitwillig Interviews geben. Die Realität sieht
jedoch ganz anders aus... Was ein Film über die unterschiedlichen Glaubensrichtungen in Ägypten hätte werden können,
ist in Wirklichkeit ein Film über das Drehen eines Dokumentarfilms geworden. Und der ist durchaus hübsch geworden
und animiert immer wieder zum Schmunzeln. Nicht nur wegen Namirs sehr durchsetzungsfähiger Mutter, die nach
anfänglicher Zurückhaltung die Dreharbeiten tatkräftig unterstützt. Da kommt Namir eines Tages plötzlich auf die Idee,
dass er doch selbst – der Green Screen sei Dank! - eine Marienerscheinung inszenieren könnte, in der bald das ganze
Dorf mitspielt. Einfach köstlich.
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Dienstag, 26. Februar 2013 Eine alte Dame und ein entführtes Mädchen Heute hat mir der erste Film deutlich besser gefallen als der zweite, den ich eigentlich nur als sensationslüstern empfand. EINE DAME IN PARIS (1:1.85, DD 5.1) OT: Une Estonienne A Paris Verleih: Arsenal Land/Jahr: Frankreich, Estland, Belgien 2012 Regie: Ilmar Raag Darsteller: Jeanne Moreau, Laine Mägi, Patrick Pineau Kinostart: 18.04.2013
Zwei Jahre lang kümmerte sich Anne um ihre alte Mutter zuhause in ihrer Heimat Estland. Jetzt ist die Mutter gestorben
und Annes eigene Kinder sind schon längst aus dem Haus. Da erhält sie das Angebot, sich als Pflegekraft in Paris um
eine ältere estländische Dame zu kümmern. Eine Chance, die sie gerne ergreift, um ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Doch
Frida, die Dame, um die sie sich kümmern soll, erweist sich als sehr abweisend ihr gegenüber. Und Annes Auftraggeber,
den sie aufgrund seines Alters automatisch als Fridas Sohn eingestuft hat, erweist sich als Fridas ehemaliger junger
Geliebter. Erst sehr langsam kommen sich die beiden ungleichen Frauen näher... Mit sehr ruhigen und leicht
farbreduzierten Bildern erzählt Ilmar Raag die Begegnung der beiden ungleichen Frauen. Die Darsteller stehen hier im
Mittelpunkt des Geschehens. Und sie überzeugen. Es macht Spaß, der kratzigen, alten Stimme von Jeanne Moreau zu
lauschen, der Grande Dame des französischen Films. In ihrer Rolle als Frida beweist sie, dass sie längst noch nicht zum
alten Eisen gehört, dieses aber perfekt spielen kann. Laine Mägi brilliert in der Rolle der Anne, die sie extrem
zurückhaltend anlegt. Patrick Pineau als Fridas ehemaliger Geliebter erscheint äußerst sympathisch. Inspiriert wurde der
Estländer Ilmar Raag für seinen Film durch eine persönliche Erfahrung: seine vereinsamte Mutter erhielt im Alter von
50 Jahren das Angebot, sich in Paris um eine ältere Dame aus Estland zu kümmern. Bei ihrer Rückkehr war sie völlig
verändert. Gleichzeitig ist Raags Film aber auch eine kleine Hymne auf die Stadt Paris. Dafür sorgen die liebevoll
eingefangenen Bilder von Kameramann Laurent Brunet.
3096 TAGE (1:2.35, DD 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2013 Regie: Sherry Hormann Darsteller: Antonia Campbell-Hughes, Thure Lindhardt, Amelia Pidgeon Kinostart: 28.02.2013
Als sie auf dem Weg zur Schule ist, wird die 10jährige Natascha Kampusch in einem Wohnbezirk in Wien entführt. Ihr
Entführer, ein echtes Muttersöhnchen, versteckt sie in einem selbst gebauten Verließ unterhalb seines
Einfamilienhauses. Für Natascha beginnt ein Alptraum, der sich über viele Jahre hinziehen soll... Die Entführung der
Natascha Kampusch ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre. Unter Einbeziehung von Kampuschs
Autobiographie sowie einem unvollendeten Drehbuch von Bernd Eichinger hat Ruth Thoma daraus jetzt ein Drehbuch
erstellt, das von Sherry Hormann für die große Leinwand umgesetzt wurde. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der
Beziehung zwischen Täter und Opfer, die sich im Laufe von acht Jahren entwickelte. Wer jetzt Sensationen erwartet, der
wird sicherlich enttäuscht werden. Denn eigentlich sind Tathergang und auch dessen Ende schon gänzlich in der
damaligen Presse ausgeweidet worden. Nur bei Zuschauern, die erfolgreich die vielen Berichte über den Fall ignoriert
haben, könnte der Film eventuell noch so etwas wie Spannung hervorrufen. Darstellerisch ist die Verfilmung durchaus
gelungen, fotografisch leider weniger. Wenn unscharfe Bilder eingefangen werden, hilft es auch nicht, dass Michael
Ballhaus hinter der Kamera sitzt. Dazu kommt eine ziemlich dilettantisch angefertigte Synchronisation (das Original
entstand vermutlich auf Englisch), die keine Kinoqualität besitzt. Ein eher unbefriedigender Kinobesuch.
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Montag, 25. Februar 2013 Dramatisch und gar nicht lustig Dass Komödien auch mal alles andere als lustig sein können, durfte ich heute beim zweiten Film erleben. Und das nach durchzechter Oscar-Nacht... NACHTZUG NACH LISSABON (1:1.85, DD 5.1) OT: Night Train To Lisbon Verleih: Concorde Land/Jahr: Deutschland, Schweiz, Portugal 2012 Regie: Bille August Darsteller: Jeremy Irons, Mélanie Laurent, Jack Huston, August Diehl, Martina Gedeck, Christopher Lee, Charlotte Rampling Kinostart: 07.03.2013
Auf einer Brücke in Bern verhindert der alte Lateinlehrer Raimund Gregorius den Selbstmordversuch einer jungen Frau,
die kurze Zeit später verschwindet. Zurück bleibt nur ihr Mantel, in dem das Buch eines portugiesischen Autors steckt
sowie zwei Bahnfahrkarten nach Lissabon. Tief berührt von den philosophischen Betrachtungen des Schriftstellers steigt
Gregorius mit den Tickets in den Zug nach Lissabon und versucht, das Schicksal des Autors zu erforschen und taucht
ein in dessen Vergangenheit unter der Salazar-Diktatur... Auf verschiedenen Zeitebenen erzählt Bille August in seinem
Film nach dem Roman von Pascal Mercier die Geschichte einer Suche, an deren Ende Jeremy Irons alias Raimund
Gregorius den Sinn des Lebens für sich neu entdeckt. Aus dem Off hören wir immer wieder Zitate aus dem Buch, das
ihn zu seiner Portugalreise verleitet. Es sind die philosophischen Gedanken des Autors Amadeu de Prado, mit denen er
sich auf sehr tiefschürfende Weise mit dem Leben auseinandersetzt. Hier lautet das Stichwort “Jeder ist seines Glückes
Schmied”. Leider geht aus der Verfilmung des Romans nicht ganz klar hervor, warum den Lateinlehrer dieses Buch
derart in seinen Bann schlägt, dass er daraufhin die ganze Historie des Autors recherchiert und deswegen seinen Dienst
an der Schule praktisch von einer Minute auf die andere einfach an den Nagel hängt. Für den Zuschauer etwas
verwirrend könnte auch der Umstand sein, dass die handelnden Personen in den verschiedenen Zeitebenen von
unterschiedlichen Darstellern gespielt werden.
LIEBE UND ANDERE TURBULENZEN (1:2.35, DD 5.1) OT: Girl On A Bicycle Verleih: Warner Land/Jahr: Deutschland 2013 Regie: Jeremy Leven Darsteller: Nora Tschirner, Vincenzo Amato, Paddy Considine Kinostart: 07.03.2013
Als die deutsche Stewardess Greta von ihrem Lebensgefährten Paolo, einem in Paris als Touristenbusfahrer arbeitenden
Italiener, einen Heiratsantrag erhält, schwebt sie im siebenten Himmel. Doch ihr französischer Pilotenkollege Francois
warnt sie sogleich: Italiener können nicht treu sein! Und er scheint recht zu haben, denn Paolo lässt sich von einer
attraktiven Fahrradfahrerin betören – und fährt diese auch noch um! Als Wiedergutmachung hilft er der mit einem Gips
im Bett liegenden Schönheit im Haushalt und gilt plötzlich als der Vater ihrer beiden Kinder. Da schöpft Greta
Verdacht... Gerade als man dachte, man hätte die schlechtesten Filme des Jahres bereits hinter sich, da taucht plötzlich
Jeremy Levens Sommerkomödie wie aus dem Nichts auf und arbeite sich in gefühlten vier Stunden auf die
Spitzenposition der Filme, die man tunlichst meiden sollte. Bei einer Spielzeit von gerade einmal etwas über 100
Minuten ist es erstaunlich, wieviel Langeweile man in diese knapp bemessene Zeit stecken kann! Spätestens wenn Paolo
seiner Greta im Nobelrestaurant einen Heiratsantrag machen möchte, sich aber nicht traut, möchte man am liebsten zum
nächsten Kapitel vorspulen. Angesichts dieses extrem öden und verklemmten Antrags versteht man das “Ja”-Wort der
Angebeteten erst recht nicht. Lustig ist das keinesfalls (auch wenn sich das die Personalunion aus Drehbuchautor und
Regisseur so gedacht hat). Die Mädels im Film sind zwar recht appetitlich anzuschauen, doch helfen deren weibliche
Reize leider nicht beim Wachbleiben. Zu allem Überfluss gibt es dann auch noch eine außer Kontrolle geratene
Filmmusik (wie üblich von den Prager Philharmonikern eingespielt), die offensichtlich nach der Anzahl der Noten
bezahlt wurde – sie findet einfach kein Ende! Vom aggressiven Product Placement ganz zu schweigen. LIEBE UND
ANDFERE TURBULENZEN ist Kino zum Abgewöhnen.
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Freitag, 22. Februar 2013 Von Hexen und Zauberern, Politikern und Detektiven Die letzten beiden Pressescreenings in dieser Woche deckten eine breite Palette ab. DIE FANTASTISCHE WELT VON OZ (1:2.35, 3D, DD 5.1 & 7.1 & Atmos, Barco Aura) OT: Oz: The Great And Powerful Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA 2013 Regie: Sam Raimi Darsteller: James Franco, Mila Kunis, Rachel Weisz Kinostart: 07.03.2013
Irgendwo in Kansas im Jahre 1905. Der Zauberer eines Wanderzirkus gerät mit seinem Heissluftballon in einen Tornado
und findet sich plötzlich in einer fantastischen Welt wieder. Umgeben von guten und bösen Hexen, einer Porzellanpuppe
und einem fliegenden Affen hält man ihn zu seiner großen Überraschung dort für den lange erwarteten großen Zauberer,
der das Land von der bösen Hexe befreien soll. Um sich anfangs keine Blöße zu geben und – was ihm natürlich noch
viel wichtiger ist – als König auf dem Thron großen Reichtum genießen zu können, lässt er sich auf das Spiel ein. Aber
genau das entwickelt sich als sehr gefährlich... Wie schon der Klassiker DER ZAUBERER VON OZ, so beginnt auch
dieses als Prequel gedachte Fantasy-Epos in Schwarzweiß. Erst als Oz mit seinem Heißluftballon in einen Tornado gerät
und sich plötzlich in der Wunderwelt von Oz befindet, beginnt der Film in herrlichen Farben zu leuchten. Gleichzeitig
öffnet sich die Leinwand auf volle CinemaScope-Breite und aus dem monophonen Soundtrack entwickelt sich ein
wahres Surround-Sound-Feuerwerk . Was den Zuschauer danach erwartet ist ein mit überbordender Fantasie
erschaffener Märchenfilm, wie man ihn besser hätte kaum bebildern können. Und die Dreidimensionalität springt einem
im wahrsten Sinne des Wortes buchstäblich ins Auge. Mila Kunis und Rachel Weisz geben herrlich böse Hexen ab, mit
denen sich James Franco in der Rolle des Zauberers herumschlagen muss. Die Filmmusik von Danny Elfman erinnert an
eine seiner besten Arbeiten, EDWARD SCISSORHANDS, und unterstreicht damit den Märchencharakter des Films
aufs Beste. Mit seiner Länge von knapp über zwei Stunden ist das Fantasywerk dann aber doch etwas zu lang geraten.
So werden genre-übliche Storyelemente wie beispielsweise der Showdown am Ende doch etwas überstrapaziert.
Trotzdem lohnt ein Kinobesuch.
BROKEN CITY (1:2.35, DD 5.1) OT: Broken City Verleih: Universum (Central) Land/Jahr: USA 2013 Regie: Allen Hughes Darsteller: Mark Wahlberg, Russell Crowe, Catherine Zeta-Jones Kinostart: 18.04.2013
Sieben Jahre ist es her, seit sich Polizist Billy wegen Mordes verantworten musste. Dass er nicht ins Gefängnis musste,
verdankt er dem Bürgermeister von New York City, Nicolas Hostetler. Seine Polizeimarke aber musste er abgeben und
schlägt sich seither als Privatdetektiv mehr schlecht als recht durch. Da erteilt ihm der Bürgermeister einen sehr
einträglichen Job: Billy soll dessen Gattin überwachen und ihren Lover enttarnen. Gesagt – getan. Als jedoch kurz
darauf der Lover ermordet wird, muss Billy feststellen, dass sich ein wesentlich größerer Skandal dahinter verbirgt. Und
der könnte auch ihn das Leben kosten... Allen Hughes Film ist ein Beispiel dafür, wie Macht und Korruption Hand in
Hand gehen und welche Mechanismen hier greifen. Russell Crowe brilliert als der korrupte Bürgermeister von New
York, der auch vor einem Mord nicht zurückschreckt. Mark Wahlberg mimt den Ex-Cop, der als Privatdetektiv zum
Spielball schmutziger Politik wird. Allerdings ist seine Rolle nicht ganz ausbalanciert. So fragt man sich beispielsweise,
warum seine Beziehung zu Natalie, einer jungen Schauspielerin, zum Gegenstand einer kompletten Nebenhandlung
wird. Sie hat mit dem restlichen Film nicht viel zu tun und bringt die Haupthandlung nicht voran. Insgesamt inszeniert
Allen Hughes seinen Film sehr konventionell, so dass man am Ende mit einem eher unbefriedigenden Gefühl das Kino
verlässt, da man ähnliche Filme schon zuhauf gesehen hat.
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Donnerstag, 21. Februar 2013 Über das Loslassen Eine deutsche Tragikomödie bestimmte heute meinen Tagesrhythmus. DAS LEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE (1:2.35, DD 5.1) Verleih: NFP (Warner) Land/Jahr: Deutschland, Dänemark 2012 Regie: André Erkau Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Helen Woigk, Christine Schorn Kinostart: 18.04.2013
Markus‘ Ehefrau und Kims Mutter ist tot. Beim Aufhängen von Girlanden hat sie sich im Kindergarten versehentlich
selbst stranguliert. Ihr Tod hinterlässt eine große Lücke in der kleinen Familie. Markus kann sich kaum mehr auf seine
Arbeit konzentrieren und Kim, die mitten in ihrer rebellischen Phase steckt und auf Gothic macht, verschließt sich immer
mehr. Um die Sachlage nicht weiter zu strapazieren, verschweigt Oma Gerlinde ihr Krebsleiden, das jetzt mit einer
Chemotherapie behandelt werden soll. Erst die attraktive Paula vom Pflegedienst öffnet Markus die Augen. Derweil
verliebt sich Kim in einen Nichtsnutz aus reichem Hause und brennt mit ihm durch. Jetzt müssen Markus, Gerlinde und
Paula an einem Strang ziehen, nicht nur um Kim wieder zu finden, sondern auch um selber wieder ins Leben zurückzufinden... Loslassen
ist das Thema des neuen Films von André Erkau, den er nach dem Roman von Gernot Gricksch inszenierte. Der Vater
gibt sich seiner Trauer um den Verlust der Gattin hin, während Töchterchen Kim Gewissensbisse plagen, weil sie sich
frisch verliebt hat, obwohl sie doch trauern müsste. Das gut ausgewählte Ensemble bringt diese Gefühle auch
authentisch auf die Leinwand. Hier ist insbesondere Helen Woigk zu erwähnen, die hier ihr Debüt als Hauptdarstellerin
in einem Kinofilm gibt. Dass die 1991 geborene Schauspielerin dabei schon älter ist als die Figur, die sie darstellt, fällt
überhaupt nicht auf. Zu wünschen übrig lässt Erkaus Tragikomödie allerdings in seiner Gestaltung. Da werden oft
Szenen fast bruchstückhaft aneinander geklatscht. Dadurch ist der Fluss im Film nicht stimmig, sondern erscheint etwas
holprig.
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Dienstag, 19. Februar 2013 Leben ist nur ein Vorwand um Filme zu sehen So zumindest kann man es nach der heutigen Pressevorführung betrachten, um im Geiste des heutigen Films zu argumentieren. THE BUTTERFLY’S DREAM (1:2.35, DD 5.1) OT: Kelebegin Rüyasi Verleih: Kinostar Land/Jahr: Türkei 2013 Regie: Yilmaz Erdogan Darsteller: Kivanç Tatlitug, Belçim Bilgin, Mert Firat Kinostart: 21.02.2013
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges träumen zwei junge Männer von einer Karriere als Schriftsteller. Doch ihre
türkische Heimatstadt macht es ihnen nicht leicht. Überall herrscht Armut und so fehlen ihnen stets zwei der drei Dinge,
die für Schriftsteller unerlässlich sind: eine Schreibmaschine, Papier und Ideen. Als sich beide auch noch in dasselbe
Mädchen verlieben und sie darüber hinaus mit Tuberkulose zu kämpfen haben, nimmt alles eine schicksalhafte
Wendung... Wer Schmachtfetzen mag, den dürfte Yilmaz Erdogans Film sicherlich sehr berühren. Die beiden
Möchtegern-Lyriker zumindest verdienen das Mitgefühl des Publikums, erscheinen sie doch höchst sympathisch: immer
verliebt und immer mit einem Zweizeiler auf den Lippen. “Schmerz ist ein Vorwand um zu Dichten”, sagt der Eine zu
dem Anderen. Von Schmerz geprägt ist sodann auch das Leben der beiden in Armut aufwachsenden jungen Männer.
Der überlange Film erinnert in gewisser Weise an die altbekannten Bollywood-Filme (jedoch ohne Song & Dance) oder
an eine gefühlvolle Tele-Novela – der Griff zum Taschentuch ist vorprogrammiert. Dafür sorgen insbesondere die
orchestrale Filmmusik von Rahman Altin (eingespielt von den Prager Philharmonikern) und die schönen Bilder von
Kameramann Gökhan Tiryaki.
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Donnerstag, 14. Februar 2013 Anschläge im Cha-Cha-Cha-Takt Der heutige Film erinnerte wieder einmal daran, dass ich meine Diplomarbeit noch auf einer mechanischen Schreibmaschine verfasst habe. Kinder, wo ist die Zeit geblieben! MADEMOISELLE POPULAIRE (1:2.35, DD 5.1) OT: Populaire Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Frankreich, Belgien 2012 Regie: Régis Roinsard Darsteller: Romain Duris, Déborah François, Bérénice Bejo Kinostart: 11.04.2013
Aus einer ganzen Riege von Bewerberinnen wird ausgerechnet die blonde Rose auserkoren, im Vorzimmer des
Versicherungsmaklers Louis in die Tasten zu hauen. Und das obwohl Rose nur das Zwei-Finger-System beherrscht. Ihre
Schreibgeschwindigkeit und nicht zuletzt ihre gesamte Erscheinung aber faszinieren Louis so sehr, dass er Rose dazu
überredet, an einem Schnellschreib-Wettbewerb teilzunehmen. Als Rose diesen tatsächlich gewinnt, setzt sich Louis ein
ehrgeiziges Ziel: unter seiner Führung soll Rose Weltmeisterin werden. Doch es gibt einen kleinen Haken dabei: so sehr
sich beide auch gegenseitig faszinieren, können sie sich ihre Liebe nicht eingestehen. Noch nicht... Die fünfziger Jahre –
was waren das noch für Zeiten! Die patriarchische Weltordnung war angesagt, von Emanzipation noch keine Spur. Und
für Frauen gab es nichts Schöneres als in der Rolle der Sekretärin einem ganz wichtigen Mann zu dienen. Auch wenn
sich das inzwischen zum wesentlich Besseren entwickelt hat, so hatten die fünfziger Jahre zumindest einen großen
Pluspunkt: sie hatten Stil! Und genau den zelebriert Régis Roinsard sehr genussvoll in seiner romantischen Komödie.
Ob die Dekors in den Wohnungen, die farbenfrohen Kleider der Damenwelt oder die faszinierenden französischen
Autos – hier lebt ein längst vergessenes Jahrzehnt wieder auf. Roinsard und seinem Kameramann Guillaume Schiffman
ist es hervorragend gelungen, sogar die Farbgebung des Films an die glorreichen Technicolor-Zeiten anzugleichen. Alles
in CinemaScope, versteht sich. Selbst die Filmmusik könnte glatt dieser nostalgischen Zeit entsprungen sein. Was an
Production Values reichlich vorhanden ist, vermisst man dafür allerdings in der Geschichte. Die nämlich tritt ständig auf
der Stelle und entwickelt sich viel zu langsam. Immerhin gelingt es dem Film zum Ende hin auf Spannung zu setzen.
Wenn Rose am Schluss im Finale der Schnellschreib-Weltmeisterschaften steht, drückt man ihr ganz automatisch beide
Daumen. Wer wissen will, ob sich das Daumen-Drücken lohnt, der sollte den Gang ins Kino wagen.
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Montag, 11. Februar 2013 Wenn der Vater mit dem Sohne Die Pressevorführung passte zum Rosenmontag: Action pur! STIRB LANGSAM – EIN GUTER TAG ZUM STERBEN (1:1.85, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: A Good Day To Die Hard Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2013 Regie: John H. Moore Darsteller: Bruce Willis, Jai Courtney, Sebastian Koch Kinostart: 14.02.2013
“Dad?” fragt Jack McClane vollkommen ungläubig, als sich sein Vater John vor ihm aufbaut und ihn durch die
Windschutzscheibe des Kleintransporters beäugt, mit dem Jack einen politischen Gefangenen mitten in Moskau in
Sicherheit bringen will. Tatsächlich ist Officer John McClane wieder einmal zur falschen Zeit am falschen Ort.
Eigentlich ist er nur deshalb nach Moskau gereist, um seinem Sohn beizustehen, der in der russischen Hauptstadt wegen
Mordes vor Gericht gestellt wurde. Unversehens befindet sich der Senior in einem wahren Fiasko aus Kugelhagel und
Feuerschwall, dessen Ziel offensichtlich Juniors Schützling ist. Erstaunt muss John zur Kenntnis nehmen, dass sein
Sohnemann für die CIA arbeitet. Unfreiwillig zum Team vereint, muss die Vater-Sohn-Armee jetzt gegen eine
Übermacht böser Russen kämpfen... Wo er auftaucht, schlagen Autos Purzelbäume, bersten Fensterscheiben,
explodieren Tanks. Seit er 1988 im Alleingang einer deutschen Terroristengruppe in einem amerikanischen
Wolkenkratzer den Garaus gemacht hat, sind 25 Jahre vergangen. Aus dem damals 33-jährigen Bruce Willis ist
mittlerweile ein 58-jähriger Senior geworden, dem man dies auch wirklich ansieht. Doch Alter schützt bekanntlich vor
Torheit nicht und so darf Papa Bruce auch dann noch kräftig mitmischen, wenn sein Filmsohn langsam aber sicher das
Ruder übernimmt. John M. Moores actiongeladener fünfter Teil der STIRB LANGSAM Reihe nutzt die
Vater-Sohn-Konstellation für ein paar amüsante Einlagen die zeigen, dass man mit zunehmendem Alter auch etwas
weiser wird. Nachdem er also in Teil 4 der Serie fast schon ganz Amerika in Schutt und Asche gelegt hat, ist jetzt also
Moskau John McClanes neue Spielwiese. Geschickt verarbeitet der Film die aktuelle politische Lage in Russland und
baut eine Story über Korruption, Spionage und Verrat darauf auf, die am Ende sogar noch in die Ruinen von
Tschernobyl führt. Allerdings darf man als Kinozuschauer diese Geschichte nicht allzu ernst nehmen, denn sie ist
lediglich Mittel zum Zweck. Wie bei allen vorhergehenden Filmen steht natürlich die Action im Mittelpunkt. Und die ist
zweifelsfrei derart atemlos, dass auch anspruchsvolle Action-Fans bestens bedient werden. Fragen zu Plausibilität
sollten nicht gestellt werden, auch nicht die, warum Sebastian Koch in der Rolle des Russen Komorov gegen Ende des
Films seinen russischen Akzent verliert. Ist auch total egal, solange unser Bruce den Schweinebacken zeigt, wo der
Barthel den Most holt.
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Donnerstag, 07. Februar 2013 Von Dreck und Elend sowie Liebe und Vergebung Endlich mal wieder ein Musical - und was für eins! LES MISERABLES (1:1.85, DD 5.1 + 7.1) OT: Les Misérables Verleih: Universal Land/Jahr: Großbritannien 2012 Regie: Tom Hooper Darsteller: Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Amanda Seyfried Kinostart: 21.02.2013
Frankreich im 19. Jahrhundert. Nach 19 Jahren Gefangenschaft wegen des Diebstahls eines Laib Brots wird Jean
Valjean auf freien Fuß gesetzt. Doch draußen in der Welt stößt er ob seiner Vorstrafe auf Ablehnung. Nur ein Bischof
gewährt ihm Unterschlupf und Essen und Trinken. Valjean, voller Hass auf die Welt, stiehlt das Kirchensilber, wird aber
nach kurzer Zeit erwischt. Zu seinem Erstaunen vergibt ihm der Bischof und lässt ihn mitsamt dem Silber laufen.
Valjean beginnt ein neues Leben und nimmt eine neue Identität an. Doch er wird von Polizeiinspektor Javert gesucht,
weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat. Die Begegnung Valjeans mit der jungen Fabrikarbeiterin Fantine,
deren kleiner Tochter er sich annimmt, wird schließlich zum Wendepunkt in seinem Leben... Es gilt als das
erfolgreichste Bühnenmusical aller Zeiten. Seit über zwei Jahrzehnten wird es ohne Unterbrechung in London aufgeführt
und bricht nach wie vor Kassenrekorde. So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch für die Leinwand
adaptiert wurde. Mit Tom Hooper (THE KING’S SPEECH) als Regisseur haben die Produzenten auch sogleich einen
Glücksgriff getan. Ganz anders als von verfilmten Musicals eigentlich gewohnt verzichtet Hooper auf Bombast in
CinemaScope und verleiht der Geschichte mit dem kleineren Breitwand-Format einen sehr intimen Charakter.
Close-Ups dominieren das Geschehen, von Chef-Kameramann Danny Cohen hervorragend eingefangen. Oft wird über
lange Zeit ohne Schnitt gearbeitet wie beispielsweise bei Anne Hathaways Solo-Nummer “I Dreamed A Dream”, die
nicht zuletzt gerade dadurch ihre ausdrucksstarke Musical-Tauglichkeit unter Beweis stellen kann. Für Hathaway könnte
es damit sogar für einen Oscar reichen. Nur ein paar Mal entfesselt sich die Kamera und schwebt in die Höhe, gibt den
Blick frei auf die große Stadt und mündet unmerklich in die nächste Szene. Ein grandioses Stilmittel! Passend zur
tragischen Geschichte ist der Film in seiner Lichtsetzung und Farbgebung sehr düster gehalten. Die Schauplätze wirken
oft bühnenhaft, was dem Film gleichzeitig eine surreale Stimmung verleiht. Alle Darsteller singen ihre Rollen selbst –
auch Russell Crowe in der Rolle des Javert. Wer die Möglichkeit hat, den Film in der Originalfassung zu sehen, sollte
diese nutzen. Denn die deutsche Fassung mit ihrem ständigen Hin und Her zwischen deutsch synchronisierten Dialogen
und englisch gesungenen Liedern ist ziemlich verstörend. LES MISERABLES, das auf dem Roman von Victor Hugo
basiert, ist kein Friede-Freude-Eierkuchen-Musical a la Gene Kelly, dafür aber eines, das unter die Haut geht. Und das
158 Minuten lang.
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Mittwoch, 06. Februar 2013 Der erste Alarm-Film Heute durfte ich die Geburtsstunde eines vollkommen neuen Film-Genres miterleben und bin dabei fast eingeschlafen... HAI-ALARM AM MÜGGELSEE (1:2.35, DD 5.1) Verleih: X Verleih Land/Jahr: Deutschland 2013 Regie: Leander Haußmann, Sven Regener Darsteller: Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Uwe Dag Berlin Kinostart: 14.03.2013
Das beschauliche Städtchen Friedrichshagen am Müggelsee in Berlin sieht sich mit einer tödlichen Gefahr konfrontiert.
Denn seit die Hand des Bademeisters im See abgebissen wurde, ist der See nicht mehr sicher. Da hilft alles Verdrängen
nichts – es muss eine städtemarketingtechnische Lösung her! Der Bürgermeister und seine Mannen entschließen sich,
den Hai-Alarm auszurufen. Mit großem Erfolg: jetzt strömen die Touristen. Auch Snake Müller wird rekrutiert. Der alte
Hai-Jäger soll die Meeresbestie finden... Es ist jammerschade dass der Film von Leander Haußmann und Sven Regener
nicht genauso lustig ist wie das zugehörige Presseheft. Dort liest man schier Unglaubliches – und kann dabei herzhaft
lachen! Da ist die Rede von der Geburt eines vollkommen neuen Film-Genres - dem “Alarm-Film”. Der beinhalte alles –
Katastrophen- und Action-Film sowie Bürokratie-Drama klassischer Schule. Und Uwe Dag Berg alias Snake Müller sei
der neue Charles Bronson. Aus diesen und noch vielen weiteren Worten wird klar, was die Macher im Sinn hatten: einen
Nonsense-Film, der zum endlosen Lachen einlädt. Dass daraus nichts geworden ist, ist sehr bedauerlich. Der Film
schleppt sich ziemlich zäh dahin und viele der vermeintlichen Gags wollen einfach nicht zünden. Die Herren Haußmann
und Regener verstehen ihren Film selbstverständlich als bestes deutsches Autorenkino, da sie ihn nicht nur inszeniert,
sondern auch geschrieben haben und sogar die Musik zum Film beisteuern – die sie dann auch im Film selbst mit
Mundharmonika und Gitarre vortragen. Die Liedertexte könnten glatt aus der Feder eines Otto Waalkes stammen. Das
allerdings ist noch lange keine Grund, den “Stadtmarketing-Song” gleich zweimal anzustimmen. Immerhin können es
sich die beiden nicht verkneifen, einen Seitenhieb auf die aktuelle Filmindustrie auszuteilen: da läuft im örtlichen Kino
CASABLANCA in Farbe und 3D! Die Referenzen zum WEISSEN HAI indes halten sich in Grenzen. Hier bleibt
Potenzial ungenutzt. Fazit: die beste Hai-Parodie bleibt weiterhin der amerikanische Kurzfilm SHARK POOL, der sich
auf Youtube großer Beliebtheit erfreut – zu Recht!
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Dienstag, 05. Februar 2013 Opa Furzi im Einsatz Der heutige Presseeinsatz hatte auch seine gute Seite: ich habe draußen Sonnenstrahlen abbekommen. DIE BESTIMMER – KINDER HAFTEN FÜR IHRE ELTERN (1:1.85, DD 5.1) OT: Parental Guidance Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2012 Regie: Andy Fickman Darsteller: Billy Crystal, Bette Midler, Marisa Tomei Kinostart: 28.02.2013
Schon immer hat Artie davon geträumt, bei den “Giants” als Stadion-Kommentator zu arbeiten. Doch es hat ihm nur zur
Sprecher-Karriere bei einem weniger bekannten Verein gereicht. Und genau der entlässt ihn jetzt, weil er in Artie ein
Relikt aus alter Zeit sieht. Da kommt der Anruf seiner Tochter wie gelegen: er und seine Frau Diane sollen für mehrere
Tage die drei Enkelkinder hüten. Allerdings vertragen sich die Erziehungsmethoden der Großeltern ganz und gar nicht
mit den modernen Ansichten des Nachwuchses. Chaos ist vorprogrammiert... Andy Fickmans Familienkomödie ist einer
jener amerikanischen Filme, aus denen man sich als Filmkritiker so schnell wie möglich wieder entfernen möchte, es
aber aus beruflichen Gründen leider nicht kann. Denn mit gutem Witz wird man hier nur mit gähnender Langeweile
konfrontiert. Wie so oft haben es sich die Drehbuchautoren auch dieses Mal recht einfach gemacht. Anstatt aus dem mit
High-Tech ausgestatteten Haus der Tochter ein paar gute Pointen abzuleiten, wird der Harndrang des jüngsten
Sprösslings gleich mehrfach beansprucht. Dabei hätte man das ja auch schon gleich erahnen können, sobald Opa vom
Jüngsten einfach nur “Furzi” genannt wird. Da ist man dann schon glücklich über die paar wenigen, sehr feinen und
damit geglückten Gags wie beispielsweise in jener Szene, in der Artie von seinem Boss mit neuzeitlichen Social
Networking Fachwörtern überschwemmt wird. Oder die Ansammlung von Familienfotos in Töchterchens Heim, die fast
ausschließlich die Großeltern väterlicherseits porträtieren. “Wir sind die anderen Großeltern!” erkennt Bette Midler
scharfsinnig. Natürlich löst sich am Ende alles wieder in Wohlgefallen auf und die “anderen” Großeltern erweisen sich
als die eigentlichen Helden. Billy Crystal und Bette Midler allerdings sind in ihren Rollen leider unterfordert. So macht
das alles nicht wirklich Spaß.
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Freitag, 01. Februar 2013 Indisches Märchen trifft auf französischen Langweiler Die letzten beiden Vorführungen dieser Woche gehörten entgegengesetzten Enden derselben Skala an. MITTERNACHTSKINDER (1:2.35, DD 5.1) OT: Midnight’s Children Verleih: Concorde Land/Jahr: Kanada, Großbritannien 2012 Regie: Deepa Mehta Darsteller: Satya Bhabha, Shahana Goswami, Rajat Kapoor Kinostart: 28.03.2013
Just als Indien am 15. August 1947 um Mitternacht seine Unabhängigkeit erklärt, werden in einem Krankenhaus im
Bombay zwei Babys geboren. Nach dem Leitspruch ihres Freundes, einem politischen Agitator, dass die Reichen arm
werden müssen und die Armen reich, vertauscht eine Krankenschwester die beiden Babys. So wird Saleem, unehelicher
Sohn einer armen Hindu, von nun an das Leben eines reichen Sprösslings führen und im Gegenzug Shiva, das Kind
einer reichen muslimischen Familie, das Leben führen, das eigentlich für Saleem bestimmt war. Wie alle
Mitternachtskinder so verfügen auch Saleem und Shiva über außergewöhnliche Fähigkeiten: sie können in Gedanken
miteinander in Kontakt treten... In wunderschönen Bildern (Kamera: Giles Nuttgens) erzählt Regisseurin Deepa Mehta
diese märchenhafte Geschichte, deren Drehbuch von Salman Ruschdie nach seinem eigenen Roman adaptiert wurde und der
in der Originalfassung des Films höchstpersönlich als die Stimme aus dem Off zu hören ist. Es ist die Geschichte
Indiens, beobachtet über mehrere Jahrzehnte, die eng verwoben wird mit der Geschichte der Mitternachtskinder. An
deren Ende gibt es eine klare Aussage: Liebe überwindet alles. Trotz seiner Länge von zweieinhalb Stunden wird der
Film nie langweilig – davon sollten sich die Hollywoodianer mal ein Stück abschneiden! Deepa Mehta kann sich in
ihrem Film auch auf exzellente Darsteller verlassen. Das Ensemble versteht es vorzüglich, die Figuren mit Leben zu
erfüllen. Nitin Sawhney komponierte den sehr einfühlsamen Score zum Film, der ganz der traditionellen indischen
Musik verschrieben ist. MITTERNACHTSKINDER ist großartiges Kino und verdient eine große Bildwand!
DER NÄCHSTE, BITTE! (1:2.35, DD 5.1) OT: Un Plan Parfait Verleih: Universum (SquareOne) Land/Jahr: Frankreich 2012 Regie: Pascal Chaumeil Darsteller: Diane Kruger, Dany Boon, Alice Pol Kinostart: 21.03.2013
Auf Isabelles Familie lastet ein Fluch: schon seit Generationen werden die Frauen erst nach der zweiten Heirat
glücklich. Um mit ihrem Auserkorenen von Anfang an das große Glück genießen zu können, beschließt Isabelle, eine
Scheinheirat mit einem Unbekannten einzugehen, die danach sofort wieder geschieden wird um die Bahn frei zu machen
für ihr eigentliches Glück. Weil aber der scheinheiratswillige Kandidat nicht auftaucht, krallt sich Isabelle den nächst
Besten: den Reiseführerautor Jean-Yves. Der ahnt natürlich nichts von Isabelles unlauteren Absichten und geht ihr voll
auf den Leim. Zu dumm dass sich der Gute tatsächlich in die Blondine verliebt... Man sollte meinen, dass schon alleine
der Name Dany Boon die Lachmuskeln in Spannung versetzt. Schließlich war er es, der mit WILLKOMMEN BEI
DEN SCH’TIS die französische Filmkomödie neu erfunden hat. In seinem neuesten Film jedoch spürt man von Boons
komödiantischer Natur nicht sonderlich viel. Was ganz bestimmt nicht an dem Schauspieler liegt, sondern an dem
schwachen Drehbuch des von Pascal Chaumeil inszenierten Films, dessen Ende vorherzusehen keine große Kunst ist. So
plätschert der Film recht einfallslos vor exotischen Kulissen dahin, platziert mal hier und auch mal dort einen kleinen
Lacher und macht danach ungebremst damit weiter Langeweile zu verbreiten.
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