Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Freitag, 28. März 2014
Oscars letzter Tag
Mit zwei sehr unterschiedlichen Filmen endete heute die Pressewoche für mich.

NÄCHSTER HALT: FRUITVALE STATION (1:1.85, DD 5.1)
OT: Fruitvale Station
Verleih: DCM
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Ryan Coogler
Darsteller: Michael B. Jordan, Melonie Diaz, Octavia Spencer
Kinostart: 01.05.2014

Es ist der letzte Tag des Jahres 2009. Oscar hat es nicht leicht. Seit zwei Wochen ist er seinen Job los, hat aber seiner Freundin noch nichts davon erzählt. Um sie und seine kleine Tochter über Wasser zu halten, dealt er heimlich mit Dope. Doch er möchte das Dealen hinter sich lassen, ein neues Leben beginnen. Am Nachmittag besucht er mit seiner kleinen Familie seine Mutter, um deren Geburtstag zu feiern. Abends will er mit Freundin und ein paar Freunden nach San Francisco fahren, um das Silvesterfeuerwerk zu sehen. Seine Mutter rät ihm noch, mit dem Vorortzug zu fahren und das Auto daheim stehen zu lassen. Oscar folgt ihrem Rat. Eine folgenschwere Entscheidung... Der Vorfall an der Fruitvale Station in der Silvesternacht von 2009 ist in den USA zu so etwas wie einem Symbol gegen Polizeigewalt geworden. Damals wurde der 22-jährige Oscar Grant bei einem Polizeieinsatz am Bahnsteig erschossen – er war vollkommen unschuldig und wehrlos dazu. Die Tat, die von vielen Smartphones live mitgeschnitten wurde, führte zur Verurteilung eines Polizisten, der angab, er hätte seine Pistole mit dem Taser verwechselt. Dass es ausgerechnet Oscar traf ist umso tragischer, da sich der junge Farbige und Vater einer Tochter erst ein paar Stunden zuvor vorgenommen hatte, den Pfad des Kleinkriminellen zu verlassen und mit dem Dealen von Dope aufzuhören. Ryan Cooglers Film rekonstruiert den letzten Tag im Leben von Oscar und zeigt uns einen Mann mit hoher sozialer Kompetenz, der seinen Mitmenschen stets hilfsbereit gegenüberstand und seiner kleinen Tochter ein prima Daddy war. Der emotional ergreifende Film lässt den Zuschauer ganz bestimmt nicht kalt, auch wenn sich die amerikanischen Verhältnisse nicht exakt mit deutschen Verhältnissen vergleichen lassen.

MISS SIXTY (1:2.35, 5.1)
Verleih: Senator
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Sigrid Hoerner
Darsteller: Iris Berben, Edgar Selge, Carmen-Maja Antoni
Kinostart: 24.04.2014

Molekularbiologin Luise wird mit 60 Jahren auf die Straße gesetzt. Mit ihr auch jene Eizellen, die sie vor Jahrzehnten zu Forschungszwecken hat einfrieren lassen. “Warum nicht jetzt mit 60 schwanger werden?” fragt sich Luise und ist flugs dabei, sich Samen aus einer Samenbank zu organisieren. Ausgerechnet jenen von Max sucht sie sich aus, nichtsahnend, dass der junge Mann der Sohn von Galerist Frans ist, mit dem Luise erst jüngst zusammengeprallt ist. Frans, vom Hexenschuss geplagt, erlebt gerade seinen zweiten Frühling mit seiner jungen Angestellten. Das aber fordert Luise erst recht heraus... Dass es sich bei Sigrid Hoerners Komödie um einen Debütfilm handelt, lässt sich leider nicht kaschieren. Mehr als nur einmal geraten Schnitt und Bildkomposition außer Kontrolle. Oder wird diese Art des Filmemachens jetzt an den Hochschulen gelehrt? Ich bezeichne so etwa schlicht als Dilettantismus! Aber warum sich mit diesen dummen technischen Details aufhalten – schauen wir mal lieber auf Schauspieler und Story. Aber mit geschlossenen Augen am besten. Die Story ist derart mit Klischees vollgestopft, dass Langeweile nicht lange auf sich warten lässt. Und warum nur muss es in einem deutschen Film spätestens nach zehn Minuten immer einen nackten Hintern zu sehen geben? Schwamm drüber – nach der alten Faustregel “Ist es beim Hannemann ein Flop, wird es an der Kinokasse top!” wird es bei diesem Film kräftig an der Kinokasse klingeln. Aber dass mir hinterher keiner kommt und sagt, ich hätte ihn oder sie nicht vorgewarnt.
Donnerstag, 27. März 2014
Liebe mit Behinderungen
Bei schönstem Sonnenschein lud uns das Kino zum Pressevorführungsdoppel ein!

GABRIELLE – (K)EINE GANZ NORMALE LIEBE (1:1.85, 5.1)
OT: Gabrielle
Verleih: Alamode
Land/Jahr: Kanada 2013
Regie: Louise Archambault
Darsteller: Gabrielle Marion-Rivard, Alexandre Landry, Mélissa Désormeaux-Poulin
Kinostart: 24.04.2014

Die lebenslustige 22jährige Gabrielle und der gleichaltrige Martin lernen sich durch die Musik kennen. Beide singen im Chor der “Musen”, einer Therapiegruppe für Menschen mit Williams-Beuren-Syndrom. Und beide verlieben sich spontan ineinander. Doch ihre Umwelt sieht das gar nicht gerne. Weder Gabrielles Mutter noch die Mutter von Martin. Einzig Gabrielles Schwester Sophie zeigt großes Verständnis für die Gefühlslage ihrer Schwester. Und steckt selbst in der Zwickmühle: ihr Freund möchte, dass sie zu ihm von Kanada nach Indien übersiedelt, was aber Gabrielle das Herz brechen würde. Gabrielle, fest dazu entschlossen mit Martin ein Paar zu bilden, startet einen Versuch: kann sie außerhalb des Behindertenheimes, in dem sie lebt, auf eigenen Füßen stehen und ein ganz normales Leben führen? - “Ich bin Einer von Euch” lautet einer der Songs, die von der Chorgruppe einstudiert werden. Und treffender könnte Gabrielles sehnlichster Wunsch nicht ausgedrückt werden. Nicht länger möchte sie als geistig Behinderte in Gemeinschaft Gleichartiger zusammenleben, sondern eine eigene Wohnung haben und ihre eigene Familie gründen. Sehr einfühlsam erzählt Louise Archambault in ihrem berührenden Film von der Liebe zwischen zwei Menschen mit geistiger Behinderung, ihren Problemen im Alltag, ihren Wünschen, ihrem Kampf gegen ein uneinsichtiges Umfeld. Der Film wirkt sehr authentisch und nicht etwa kitschig, wie man es hätte erwarten können. Das liegt insbesondere an der pure Lebensfreude versprühenden Hauptdarstellerin Gabrielle Marion-Rivard, die selbst vom Williams-Beuren-Syndrom betroffen ist. Louise Archambaults Film gibt sich nicht die Blöße, am Ende in ein Happy End zu verfallen, sondern lässt alles offen. Einen wunderbareren Schluss hätte man sich nicht wünschen können. Abgerundet wird der Film durch die Gänsehaut erzeugenden Chorgesänge, die in perfekter Weise den Gefühlszustand der Protagonisten zum Ausdruck bringt.

3 DAYS TO KILL (1:2.35, DD 5.1)
OT: 3 Days To Kill
Verleih: Universum Film (Walt Disney)
Land/Jahr: Frankreich, USA 2014
Regie: McG
Darsteller: Kevin Costner, Amber Heard, Hailee Steinfeld, Connie Nielsen
Kinostart: 08.05.2014

Ethan Renner ist einer der Top-Agenten des CIA. Mit einer tödlichen Krebs-Diagnose konfrontiert beschließt er, wieder Kontakt zu seiner Frau und insbesondere zu ihrer gemeinsamen Tochter Zooey aufzunehmen und sucht die beiden in Paris auf. Das Teenager-Mädel jedoch nimmt ihrem Papa seine lange Abwesenheit übel und will eigentlich gar nichts mit ihm zu tun haben. Doch der todgeweihte Vater lässt nicht locker. Auch die CIA lässt nicht locker: Agentin Vivi beauftragt ihn, weitere Auftragsmorde auszuüben. Im Gegenzug erhält er ein Medikament, das angeblich seine Lebenszeit verlängert. Notgedrungen lässt sich Ethan auf den Deal ein... Kinder, wie die Zeit vergeht! Einst trug Kevin Costner als Bodyguard und Lover die schöne Whitney Houston auf seinen Armen aus der Gefahrenzone heraus, fast ein Vierteljahrhundert später trägt er als liebender Vater und CIA-Agent sein Teenager-Töchterlein aus einer gefährlichen Situation heraus! Mit solchen Szenen punktet McGs Actioner 3 DAYS TO KILL, der nach einer Idee von Luc Besson entstand. Besson, der Kopf hinter den TAKEN-Filmen, in denen Liam Neeson als Agent auf Paris losgelassen wird und dabei alles andere als eine gute Figur macht, tat gut daran einen erfahrenen Action-Regisseur wie McG ins Boot zu holen. Hier gerät die (zugegebenermaßen hanebüchene) Geschichte nicht derart außer Kontrolle wie in den zuvor genannten Filmen. Kevin Costner macht sich prächtig als Agent mit Handicap, der auch mit dem Fahrrad auf Pariser Straßen Jagd auf die bösen Gegenspieler macht und damit ein ganzes Genre wunderbar persifliert. Unter der Führung von Thierry Arbogast macht der Film auch optisch etwas her und erhält durch Audrey Simonauds Montage seinen rasanten Rhythmus. Ernst nehmen sollte man die ganze Sache, in der die Bösen schon an ihrer finsteren Miene gut zu erkennen sind, freilich nicht. Beherzigt man diese Regel, so steht der guten Unterhaltung nichts mehr im Wege.
Mittwoch, 26. März 2014
Die große Sintflut
Rechtzeitig zu Ostern versorgt uns Hollywood mit einer Bibelgeschichte. Und die gab es heute in der Pressevorführung zu sehen.

NOAH (1:1.85, 3D, DD 5.1 + Atmos)
OT: Noah
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Darren Aronofsky
Darsteller: Russell Crowe, Jennifer Connelly, Ray Winstone, Emma Watson
Kinostart: 03.04.2014

Noah hat eine göttliche Eingebung: der Schöpfer teilt ihm mit, dass er alles Böse auf der Erde auslöschen wird. Noahs Auftrag ist eine Arche zu bauen, in der er alle Tiere sowie seine Familie sicher durch die Sintflut steuern kann. Das gefällt Kain gar nicht, der sich auf der Verliererseite sieht. Mit einem starken Heer will er sich der Arche bemächtigen... Um es gleich vorweg zu sagen: Darren Aronofsky versenkt die Arche! Mit REQUIEM FOR A DREAM hat er ein zeitloses Meisterwerk geschaffen, mit NOAH eher das Gegenteil. Die ganze dreidimensionale CGI-Show gerät zu einem düsteren Fantasy-Film und hat nur noch rudimentär mit der Bibel-Vorlage zu tun. Oder gibt es dort tatsächlich die “Wächter”, zu Steinklumpen gewordene, gefallene Engel, die die Familie des Steinbeissers aus DIE UNENDLICHE GESCHICHTE sein könnten? Auch von einem blinden Passagier an Bord der Arche hat man bislang nichts gewusst. Also eine Art “Director’s Cut” des Buches aller Bücher? Das Ganze erscheint so skurril, dass man ab und zu tatsächlich versucht ist zu lachen. Wenn die Arche schließlich nach ihrer Odyssee plötzlich auf etwas Festes knallt, sieht man im Geiste sogar schon einen Eisberg. Immerhin ist Aronofsky bemüht, den Konflikt, wer nun mit in die Arche darf und wer nicht, herauszuarbeiten. Doch es bleibt leider beim guten Ansatz und mündet in einer großen Schlacht im Stil von 300 oder HERR DER RINGE. 3D braucht der Film eigentlich überhaupt nicht, so dass die Vermutung naheliegt, dass Aronofsky sich hier der Geschäftspolitik von Paramount unterordnen musste. Positiv fällt der Score von Clint Mansell auf, der dieses Mal mit großem Orchester anrückt. Prognose: der Film wird ein gigantischer Flop an der Kinokasse.
Dienstag, 25. März 2014
Flotter Dreier mit Bremsklotz
Der erste Pressetag der Woche konfrontierte mich gleich mit drei Screenings, von denen ich gerne auf das erste verzichtet hätte

ÜBER-ICH UND DU (1:1.85, 5.1)
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Deutschland, Schweiz, Österreich 2014
Regie: Benjamin Heisenberg
Darsteller: André Wilms, Georg Friedrich, Bettina Stucky
Kinostart: 08.05.2014

Eigentlich wollte Kleinganove Nick nur die wertvollen Bücher aus der Villa klauen, in die er bei Tag einbricht. Dummerweise ist jedoch der Eigentümer, der alternde Psychologe Curt Ledig, noch anwesend. Der Zufall will es, dass Nick für den angeforderten Betreuer gehalten wird. Er lässt sich auf das Spiel ein. Im Laufe der Zeit entwickelt sich zwischen Nick und Curt eine seltsame Freundschaft, die gleichsam für beide Männer eine Art Therapie darstellt... Oh je – was war denn das? Hin und wieder gibt es leider Filme, die sich mir komplett verweigern. Benjamin Heisenbergs neuer Film ist einer von diesen. Vermutlich fehlt mir der notwendige Reifegrad, um das zu verstehen, was der Regisseur mit seinem Werk sagen will. Sorry, aber hier muss ich leider passen (und suche mir im Internet eine Gebrauchsanleitung).

ZORAN – MEIN NEFFE, DER IDIOT (1:2.35, 5.1)
OT: Zoran, Il Mio Nipote Scemo
Verleih: Movienet (24 Bilder)
Land/Jahr: Italien, Slowenien 2014
Regie: Matteo Oleotto
Darsteller: Giuseppe Battiston, Rok Prasnikar, Teco Celio
Kinostart: 19.06.2014

Paolo ist ein Außenseiter im Dorf. Widerwillig arbeitet er in der Kantine des Altersheims, hasst alle Menschen, trinkt viel zu viel und hofft immer noch, eines Tages seine Ex zurückgewinnen zu können. Eines Tages erhält er die Nachricht vom Tod seiner Tante in Slowenien. Auf eine große Erbschaft hoffend reist er dort hin. Doch außer einem riesigen Porzellanhund “erbt” er nur noch den 16jährigen Zoran, einen Jungen mit viel zu großer Brille und seltsamer Sprechweise. Paolo stuft ihn sogleich als einen Idioten ein und nimmt ihn erst einmal bei sich auf. Durch Zufall entdeckt er Zorans unglaubliches Talent fürs Dart-Spielen. Und die Weltmeisterschaft in Glasgow naht bereits. Paolo fasst einen Plan... Der von Giuseppe Battiston wunderbar gespielte Paolo ist zwar eigentlich ein hundsgemeiner Trinker, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist und sich um die Gefühle der Anderen überhaupt nicht schert, doch als Zuschauer kann man einfach nicht anders als ihn ins Herz zu schließen! Da wundert es auch nicht, dass auch sein Neffe Zoran ihn liebenswert findet und ihn dadurch am Ende auf den Weg der Tugend bringt. Die skurrile Komödie, in der auch dem Wein eine große Rolle zuteil wird, macht richtig Laune – und Durst!

RIO 2 – DSCHUNGELFIEBER (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Rio 2
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Carlos Saldanha
Kinostart: 03.04.2014

Auch wenn der Titel noch immer RIO lautet – Teil 2 führt uns zum überwiegenden Teil mitten in den Amazonas-Dschungel. Denn bislang dachten Ara Blu und Frau Jewel, dass sie und ihre drei Kinder die einzigen noch lebenden ihrer Art sind und führten ein komfortables Leben in ihrer Behausung im sonnigen Rio. Doch eine Fernsehsendung lehrt sie eines Besseren: mitten im Amazonas hat das Forscherpaar Linda und Tulio Spuren weiterer blauer Aras gefunden. Jewel ist fasziniert von dem Gedanken, dort weitere Familienmitglieder zu finden und überredet Blu, mit ihr und den Kindern ins Amazonas-Gebiet zu reisen. Blu, den Komfort der Großstadt gewohnt, fällt es schwer, sich der neuen Umgebung anzupassen und muss sich bald nicht nur mit seinem strengen Schwiegervater herumschlagen, sondern auch noch gegen die Angriffe eines heimtückischen Kakadus und dessen engstem Gefährten, einem extrem giftigen Froschmädchen... Wie schon der erste Teil so entfacht auch der Fortsetzungsfilm ein wahres Feuerwerk der Farben! Die kommen besonders dann zur Geltung, wenn sich der Film in einigen groß angelegten Musicalnummern verliert, die förmlich zum Eintauchen verführen. Die altbekannten Charaktere des ersten Teils werden um ein paar neue Wesen erweitert. Hierzu gehören Jewels Vater, ein dem Schwiegersohn gegenüber sehr kritisch eingestellter Zeitgenosse sowie Roberto, Jewels Jugendliebe und von Stund an Blus Konkurrent. Wie in einigen anderen Animationsfilmen gibt es natürlich auch in RIO 2 den ökologischen Aspekt, der sich hier auf die umweltschädigende Rodung des Regenwaldes konzentriert. Aber der von Carlos Saldhana in computeranimiertem 3D inszenierte Film wird vor allem Spaß machen und wartet mit ein paar wirklich netten Gags auf (wie etwa eine Casting-Show, bei der genauso viel gesungen wie gefressen wird. Allerdings halten sich die witzigen Einfälle doch relativ bedeckt. Abzulesen war dies auch in der heutigen Pressevorführung, der gefühlte 500 Kinder beiwohnten. Von denen hat kaum jemand gelacht, lediglich einer der begleitenden Väter war der Meinung, er müssen ständig lachen. Fazit: kann man durchaus anschauen, jedoch verpassen tut man nichts.

Fantasy Filmfest Nights 2014


Samstag, 22. März 2014

WOLF CREEK 2 (1:2.35, DD 5.1)
OT: Wolf Creek 2
Australien 2013 / 105 min / Englische OV
Regie: Greg Mclean
Darsteller: John Jarratt, Shannon Ashlyn, Sarah Robertson, Ryan Corr, Phillipe Klaus
Drehbuch: Greg McLean, Aaron Sterns
Produzent: Greg Mclean, Helen Leake, Steve Topic
Verleih: KSM

Zwei deutsche Backpacker geraten bei ihrem Trip durch Australien an einen fiesen Serienkiller... Fast zehn Jahre ist es her, dass Mick Taylor das australische Hinterland um den Wolf Creek Krater zu seiner sadistischen Spielwiese erhob. Jetzt lässt Regisseur Greg McLean seine Version eines Freddy Krüger erneut dort herumwerkeln. Da wird dann munter zu Johann Strauß‘ “Schöner blauen Donau” gemetzelt, was das Zeug hält, werden Heerscharen von Känguruhs von Taylors Truck plattgefahren und ein deutsches Touristenpärchen (das in der Originalfassung übrigens kein sonderlich gutes Deutsch spricht!) fachgerecht zerlegt. WOLF CREEK 2 bewegt sich irgendwo zwischen hartem Slasher-Movie und Komödie. Letzteres alleine schon wegen des starken Aussie-Akzents des Schlapphut tragenden Serienkillers. Der handwerklich gut inszenierte Film wird jedoch im Serienkiller-Universum keinen sonderlich hohen Stellenwert einnehmen sondern taugt allenfalls als willkommene Zwischenmahlzeit.

WITCHING AND BITCHING (1:2.35, DD 5.1 + Atmos)
OT: Las Brujas De Zugarramurdi
Spanien/Frankreich 2013 / 104 min / Spanische OmeU
Regie: Álex de la Iglesia
Darsteller: Mario Casas, Hugo Silva, Carmen Maura, Terele Pavez, Carolina Bang, Santiago Segura, Secun de la Rosa, Pepon Nieto, Jaime Ordonez
Drehbuch: Jorge Guerricaechevarría, Álex de la Iglesia
Produzent: Enrique Cerezo
Verleih: Splendid Film

Weil er es satt hat, ständig nur Alimente zahlen zu müssen, begeht ein Vater einen Raubüberfall. Dabei helfen ihm nicht nur ein paar Kumpels, sogar auch sein kleiner Sohn. In einem gekidnappten Taxi treten die Räuber schließlich die Flucht vor der Polizei an und landen schließlich in einem abgelegenen Anwesen, nicht ahnend, dass sie dort bereits von Hexen erwartet werden... So fulminant Alex de la Iglesias‘ rabenschwarze Horrorshow auch beginnt, verliert sie danach von Minute zu Minute deutlich an Fahrt und mündet auf dem Weg zum Ende schließlich in überbordende Langeweile. Seine Parabel über den Jahrtausende alten Kampf der Geschlechter liefert zwar ein Feuerwerk an absurden Bildern, überfordert den Zuschauer damit aber und fordert ihn letztendlich zur Kapitulation auf. Das ist umso trauriger, da der Film gute Ansätze bietet und mit einem fabelhaften Darstellerensemble bestückt ist. Aber wie heisst es immer so schön: nicht jeder Film kann ein Meisterwerk sein.

THE GREEN INFERNO (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Green Inferno
USA 2013 / 103 min / Englische OV
Regie: Eli Roth
Darsteller: Lorenza Izzo, Ariel Levy, Aaron Burns, Sky Ferreira, Nicolás Martínez
Drehbuch: Guillermo Amoedo, Eli Roth
Produzent: Miguel Asensio, Molly Conners, Eli Roth
Verleih: Constantin Film

Eine studentische Aktivistengruppe fliegt in das Amazonas-Gebiet, um dort einen von Baumaßnahmen bedrohten Ureinwohnerstamm zu schützen. Als das Flugzeug auf dem Rückflug mitten im Dschungel abstürzt, sieht sich die Studentenschar alsbald mit Kannibalen konfrontiert, die einer leckeren Zwischenmahlzeit alles andere als abgeneigt sind... Die Widmung ganz am Ende des Abspanns macht klar, worum es Regisseur Eli Roth in diesem Film geht. “Per Ruggero” steht da groß geschrieben. Gemeint ist natürlich kein Geringerer als Ruggero Deodato, der in Fankreisen insbesondere für seine Kannibalen-Filme aus den 1970er-Jahren geschätzt wird, beispielsweise für NACKT UND ZERFLEISCHT, der in Deutschland nach wie vor auf der Beschlagnahmeliste steht. Auch wenn Roth seinen Film in die Neuzeit verlegt, so erinnert seine Machart auf Schritt und Tritt an jene Billigproduktionen, die inzwischen Kultstatus genießen und die im Übrigen allesamt im Abspann des Films fein säuberlich aufgelistet werden. Angesichts der wirklich krassen Gewaltszenen in Roths Film, der immer die Kamera draufhält, wenn es wirklich weh tut, kann man schon jetzt mutmaßen, dass es der Film in seiner ungekürzten Fassung möglicherweise auch in die bereits erwähnte berühmt-berüchtigte Liste schaffen wird. Spätestens dann, wenn THE GREEN INFERNO auf Silber- und Blauscheibe gepresst wird. Erstaunlich ist, dass FilmVerleih Constantin tatsächlich einen regulären Kinoeinsatz in Deutschland vorgesehen hat. Menschen mit schwachem Magen sollten auf den Besuch des Films gänzlich verzichten. Für eingefleischte (!) Fans der Deodato-Filme dürfte Roths Hommage möglicherweise nur wie ein kleiner Appetithappen wirken.

THE RETURNED (1:2.35, DD 5.1)
OT: The Returned
Spanien/Kanada 2013 / 98 min / Englische OV
Regie: Manuel Carballo
Darsteller: Emily Hampshire, Kris Holden-Ried, Claudia Bassolsm, Shawn Doyle
Drehbuch: Hatem Khraiche
Produzent: George Ayoub, Julio Fernández, Gary Howsam
Verleih: MFA+ Filmdistribution

Die Menschheit hat die zweite große Zombie-Welle Dank eines Proteins erfolgreich abgewehrt. Einziger Nachteil: wer einmal Zombie war, benötigt täglich eine Injektion. Ehemalige Zombies, “The Returned” (= die Zurückgekehrten) genannt, werden jedoch von der Gesellschaft diskriminiert und sogar angegriffen. Alex ist einer von ihnen – aber nur seine Frau, die Ärztin Kate, weiß es. Heimlich besorgt sie im Krankenhaus die dringend benötigte Medizin – für teures Geld. Doch die Medikamente werden knapp, weil sie nicht synthetisch hergestellt werden können. Für Alex und Kate beginnt ein Kampf ums Überleben, der auch bald die Freundschaft zu Alex‘ bestem Kumpel auf eine harte Probe stellt... Manuel Carballo ist ein Name den man sich merken sollte. Denn ihm ist es tatsächlich gelungen, einen Zombie-Film zu inszenieren, der dem gesamten Genre nicht nur neue Aspekte abgewinnt, sondern darüber hinaus auch als Metapher funktioniert. Am Beispiel der Zurückgekehrten thematisiert der Film Diskriminierung (die mittels Medikamenten in Schach gehaltenen Zombies werden ausgegrenzt) sowie Freundschaft und Liebe und wie diese durch eine Extremsituation auf eine harte Probe gestellt werden. Hier gilt: Jeder ist sich selbst der Nächste! Was im Film der Zombiismus ist, lässt sich auf jede andere Krankheit übertragen, die auf Medikamente angewiesen ist (z.B. AIDS). Exemplarisch exerziert Carballo anhand der Zombies die Arzneimittelverknappung durch und was diese für die Gesellschaft bedeutet. Dabei bleibt sein Film von Anfang bis Ende spannend, lässt keine Langeweile aufkommen. Eine überzeugende Besetzung, gute Kameraarbeit, das ausgefeilte Sounddesign und eine gelungene Filmmusik lassen die weiteren Filme der Fantasy Filmfest Nights weit hinter sich – zumindest was den ersten Tag angeht.

Sonntag, 23. März 2014

IN FEAR (1:2.35, DD 5.1)
OT: In Fear
England 2012 / 85 min / Englische OV
Regie: Jeremy Lovering
Darsteller: Iain De Caestecker, Alice Englert, Allen Leech
Drehbuch: Jeremy Lovering
Produzent: James Biddle, Nira Park
Verleih: Studiocanal

Das junge Paar kennt sich zwar erst seit zwei Wochen, doch schon sind sie gemeinsam im Auto zu einem Musikfestival in Irland unterwegs. Vor dem Festival wollen die beiden eine Nacht in einem abgelegenen Hotel verbringen. Das aber ist gar nicht so einfach zu finden. Es scheint so, als ob alle Hinweisschilder im Wald das Paar ständig nur im Kreis herumführt. Ganz allmählich bricht sich Angst und Panik den Weg. Die Nacht bricht an... Drei sind oftmals einer zuviel. In Jeremy Loverings Thriller zumindest trifft dies exakt zu. Der Film beginnt als Zwei-Personen-Stück. Durch ungewöhnliche Kameraperspektiven und ein ausgefeiltes Sounddesign gelingt es dem Regisseur, die draußen lauernde unheimliche Bedrohung spürbar zu machen und dem Film eine immense Spannung einzuhauchen. Die aber wird weit über der Hälfte des Films abrupt zunichte gemacht, als plötzlich eine dritte Person ins Spiel kommt. Von da an lässt das Drehbuch ziemlich zu wünschen übrig, die ganze Geschichte läuft aus dem Ruder und entlässt den Zuschauer relativ unbefriedigt aus dem Kino. Das ist umso ärgerlicher, da der Film durch seine unheimlichen Atmosphäre von echtem Können zeugt. Beim nächsten Mal wird das bestimmt besser.

RIGOR MORTIS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Goeng Si
HongKong 2013 / 105 min / Kantonesische OmeU
Regie: Juno Mak
Darsteller: Siu-Ho Chin, Kara Hui, Antony Chan, Hoi-Pang Lo, Richard Ng
Drehbuch: Jill Leung, Philip Yung
Produzent: Juno Mak, Takashi Shimizu
Verleih: Ascot Elite Home Entertainment

Ein erfolgreicher Schauspieler mietet sich in einer heruntergekommen Mietskaserne ein, um in Ruhe Selbstmord zu begehen. Doch er wird in letzter Sekunde daran gehindert und sieht sich plötzlich mit allerlei Übernatürlichem konfrontiert... Typisch asiatisch elegisch und mit dem üblichen Literfass an Blut zelebriert Juno Mak seine Geistergeschichte, in der auch Vampire ihren Platz haben. Die Bilder sind grandios, fast farblos, aber immer packend. Die Geschichte ist es leider nicht. Und so ergeht sich der Film am Ende nur noch in Langeweile. Schade.

ENEMY (1:2.35, D 5.1)
OT: Enemy
Kanada/Spanien 2013 / 90 min / Englische OmdU
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon, Isabella Rossellini, Jane Moffat, Joshua Peace
Drehbuch: Javier Gullón, José Saramago (Buchvorlage)
Produzent: M.A. Faura, Niv Fichman
Verleih: Capelight Pictures

Adam ist Geschichtsprofessor an einer Universität in Toronto. Er führt ein recht spartanisches Leben zwischen Vorlesung, Korrekturen und Sex mit seiner Freundin. Eines Tages entdeckt er zufällig in einem Videofilm einen Schauspieler, der ihm bis aufs Haar gleicht. Der Doppelgänger wird zu seiner Obsession: er forscht so lange nach, bis er ihn schließlich aufspürt. Das Treffen zwischen Adam und seinem Doppelgänger Anthony wirft beide Männer aus der Bahn – mit gefährlichen Folgen. Ein Lehrstück in Sachen Suspense – so könnte man Denis Villeneuves neuesten Film durchaus bezeichnen. Der mit einem überragenden Jake Gyllenhaal in einer Doppelrolle besetzte Film versteht sich perfekt darauf, mit minimalen Mitteln größtmögliche Spannung zu erzeugen. Kameraarbeit, Filmmusik, Schnitt und Sounddesign verdichten sich zu einem intensiven Thriller um Identitäten. Sind Adam und Anthony vielleicht ein und dieselbe Person? Villeneuve gibt uns in seinem Film viele kleine Puzzlestücke, die wir als Zuschauer selbst zusammenbauen müssen, um der Geschichte auf den Grund zu gehen. Genau das ist es aber, was den Film von Anfang bis Ende faszinierend macht und zu nochmaligem Anschauen verführt.

DEAD SNOW 2 (1:2.35, 5.1)
OT: Dod Sno 2
Norwegen 2014 / 100 min / NorwegischE OmeU
Regie: Tommy Wirkola
Darsteller: Vegar Hoel, Stig Frode Henriksen, Ørjan Gamst, Martin Starr, Ingrid Haas, Jocelyn DeBoer, Amrita Acharia
Drehbuch: Vegar Hoel, Stig Frode Henriksen, Tommy Wirkola
Produzent: Terje Stroemstad, Kjetil Omberg
Verleih: Splendid Film

Schon irgendwie blöd, wenn einem aus Versehen statt des eigenen abgesägten rechten Arms plötzlich der recnte Arm eines Nazi-Zombies anoperiert wird! So zumindest ergeht es Martin, als er nach dem großen Zombie-Massaker im Krankenhaus wieder erwacht. Und glauben tut ihm die Geschichte mit den Nazi-Zombies sowieso keiner. Da trifft es sich gut, dass Hilfe aus den USA herbeieilt: die Zombie Squad (drei Nerds!) weiß Bescheid. Gemeinsam wollen sie sich mit Martin gegen die auferstandene Nazi-Brut zu Wehr setzen... Tommy Wirkola ist Norweger. Und nur er darf es sich erlauben, seinen Splatter-Fun-Film derart politisch inkorrekt zu inszenieren, dass es weh tut – zumindest die Lachmuskeln. Ob Kinder, die bei Herzmassage plötzlich ihr Innerstes nach außen kehren oder Rollstuhlfahrer, die für die rennenden Nazi-Zombies zu langsam sind und dies mit ihrem Leben bezahlen – einem deutschen Film hätte man so etwas übel genommen. Und so sind wir froh, dass es ein Norweger ist, der uns diese Schlachtplatte serviert. DEAD SNOW 2 macht genau dort weiter, wo Teil 1 aufgehört hat und beweist souverän, dass in diesem Subgenre noch längst nicht das letzte Wort (oder der letzte Arm) gefallen ist. Bravo!

THE SACRAMENT (1:1.85, 5.1)
OT: The Sacrament
USA 2013 / 95 min / Englische OV
Regie: Ti West
Darsteller: Joe Swanberg, AJ Bowen, Kentucker Audley, Amy Seimetz, Gene Jones
Drehbuch: Ti West
Produzent: Eli Roth, Jacob Jaffke, Peter Phok
Verleih: Constantin Film

Weil er Angst um seine Schwester hat, die sich vor zwei Jahren für ein Leben in einer mysteriösen Gemeinde entschloss, macht sich ein Fotograf gemeinsam mit einem Reporter und dessen Kameramann auf den Weg sie zu besuchen. Bei ihrer Ankunft vermittelt die hermetisch abgeschottete Gemeinde den Eindruck vom Paradies auf Erden. Die fast 200 Seelen huldigen ihrem Führer, den sie alle nur “Father” nennen und der für alle gut sorgt. Doch nicht alles ist Gold was glänzt. Das müssen auch die Neuankömmlinge schon bald erfahren... Ti Wests THE SACRAMENT ist zwar ein kleiner, unspektakulärer Film, doch sein Thema ist stets brisant. Formal entschied sich der Regisseur, der auch gleichzeitg für das Drehbuch verantwortlich war, für eine “Fake Documentary”. Im Gegensatz zu den “Found Footage”-Filmen handelt es sich hier also um eine sendereife Dokumentation, bei der sich das Kameragewackel ziemlich in Grenzen hält. Besonders beeindruckend ist der an John Goodman erinnernde Gene Jones in der Rolle des “Father”.


Freitag, 21. März 2014
Fickt Dich Dein Betriebssystem noch immer oder wird es von Dir gefickt?
Mit zwei ungewöhnlichen Filmen endete meine Pressewoche heute.

CIRCLES (1:1.85, DD 5.1)
OT: Krugovi
Verleih: Barnsteiner
Land/Jahr: Serbien, Slowenien, Kroatien, Frankreich, Deutschland 2013
Regie: Srdan Golubovic
Darsteller: Aleksandar Bercek, Leon Lucev, Nebojsa Glogovac
Kinostart: 17.04.2014

Bosnien-Herzegowina 1993. Mitten im Bosnienkrieg wird der muslimische Kioskbesitzer Haris wegen einer Nichtigkeit von drei Soldaten zusammengeschlagen. Marco, serbischer Soldat auf Heimaturlaub, beobachtet die Szene und schreitet schließlich ein. Sein Eingreifen endet jedoch mit seinem Tod. Zwölf Jahre später werden die damals Beteiligten plötzlich von jenem schicksalhaften Tag wieder eingeholt und müssen sich – ein jeder auf seine eigene Art und Weise – mit der Vergangenheit auseinandersetzen... Dass er am Ende seinen Zuschauern nicht alle Fragen beantwortet, könnte man als Schwachpunkt des Films auslegen. Vielleicht aber will Srdan Golubovic dadurch klar machen, dass es in einem Krieg immer offene Fragen geben wird, egal wie lange er schon beendet ist. Ein Stein, der ins Wasser geworfen wird, erzeugt Kreise an der Oberfläche. Diese werden immer größer. Und das ist schön. Dieses Bild verwendet der Vater des getöteten Soldaten, als er sich mit dem Sohn von einem der Mörder unterhält. Der Tod seines eigenen Sohnes ist dieser Stein, dessen Kreise auch zwölf Jahre nach dem Ereignis noch nicht verschwunden sind. Als Zuschauer muss man sich erst einmal zurechtfinden in diesem zwölf Jahre umspannenden Film. Ein Zeitraum, innerhalb dem sich das Äußere der Protagonisten radikal verändert. In CIRCLES, der von Serbien zwar ins Oscar-Rennen geschickt, dort aber nicht nominiert wurde, geht es um Schuld, Sühne und Vergebung. Der Regisseur kann sich auf ein sehr gutes Darstellerensemble verlassen, die dem Film einen authentischen Anstrich geben. Authentisch auch seine Bilder: marode, zerbombte Häuser in Bosnien, riesige Sozialwohnungsanlagen in Deutschland. Am Ende ist es sogar ein Film, der Hoffnung macht – entstanden nach einer wahren Geschichte.

HER (1:1.85, DD 5.1)
OT: Her
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Spike Jonze
Darsteller: Joaquin Phoenix, Scarlett Johansson, Amy Adams, Olivia Wilde
Kinostart: 27.03.2014

Der hochsensible Theodore hat die Trennung von seiner Frau Katherine längst noch nicht verarbeitet und treibt ohne Ziel durch das Leben. Dates, die seine Freunde für ihn arrangieren, nehmen kein gutes Ende. Dann schon lieber ein bisschen Cybersex! Eines Tages entdeckt Theodore ein neues, auf künstlicher Intelligenz basierendes Betriebssystem, das in der Lage ist, sich seinen persönlichen Bedürfnissen anzupassen. “Samantha” heisst die wohlklingende Frauenstimme, die ab jetzt 24 Stunden am Tag seine Computerwünsche erfüllt. Doch Samantha kann noch viel mehr – als körperloses weibliches Wesen wird sie buchstäblich zu Theodores bester Freundin. Bald schon verliebt sich Theodore in seine neue Gesprächspartnerin – und sie in ihn... Haben Sie noch echten Sex oder läuft es bei Ihnen nur noch virtuell ab? Längst schon ist der Cyberspace tief in unser Unterbewusstsein vorgedrungen, eine Welt ohne Internet und Vernetzung vollkommen undenkbar. Der Griff zum Smartphone ersetzt oft jeden menschlichen Kontakt, man nimmt sich gegenseitig kaum noch wahr. Spike Jonze, jüngst mit dem Oscar für das “Beste Originaldrehbuch” ausgezeichnet, treibt die ganze Sache noch ein klein wenig voran, aber wirklich nur ein klein wenig. Denn von dieser Welt in der nahen Zukunft sind wir nur noch Augenblicke entfernt – und genau das ist es, was seinen Film so unglaublich fesselnd und intensiv macht. Achtet man einmal auf die an Joaquin Phoenix vorbeiziehenden Menschen, sobald er sich auf freier Straße bewegt, bemerkt man, dass ein Jeder mit einem Ohrstöpsel ausgestattet ist und offensichtlich mit Jemandem kommuniziert, ohne die Umgebung um sich herum wahrzunehmen. Die Vermutung liegt nahe, dass nicht nur Theodore mit einem Betriebssystem spricht! Die Welt, in der die Entmenschlichung schon ziemlich weit fortgeschritten ist, wird mit kühlen Bildern und sterilen Settings genau auf den Punkt gebracht. Durch diese Welt bewegt sich Theodore stets entschleunigt, er ist ihr schon fast entrückt. Zu hoffen ist, dass Scarlett Johanssons sexy Stimme (sie spricht im Original Samantha) ein entsprechendes Pendant in der deutschen Fassung findet. Spike Jonzes HER ist eine Komödie mit viel Tiefgang und dürfte einer der besten Filme des aktuellen Kinojahres sein. Ein Geheimtipp!
Donnerstag, 20. März 2014
Die zweite Reihe in den Fokus gerückt
Bevor es den diesjährigen Oscar-Gewinner in der Kategorie “Bester Dokumentarfilm” zu sehen gab, wurden ich mit einem deutschen Thriller beglückt.

STEREO (1:2.35, 5.1)
Verleih: Wild Bunch
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Maximilian Erlenwein
Darsteller: Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Petra Schmidt-Schaller, Georg Friedrich
Kinostart: 15.05.2014

Anfangs taucht er nur als Silhouette in weiter Ferne auf. Doch der geheimnisvolle Fremde mit Kaputzenjacke kommt immer näher an Erik heran. Der hat sich erst vor Kurzem sein Leben mit seiner Freundin und deren Tochter sowie seiner eigenen Motorradwerkstatt bequem eingerichtet. Der Unbekannte, der sich Henry nennt, stört sich offenbar an Eriks Lebensidyll und versucht an seiner dunklen Seite zu rütteln. Erst allmählich wird Erik etwas klar: nur er alleine kann den Unbekannten sehen! Steht Erik an der Schwelle zur Schizophrenie? Da tauchen plötzlich noch ein paar andere zwielichtige Zeitgenossen auf – und die sind real... Schon lange hat kein deutscher Genrefilm so begeistert wie Maximilian Erlenweins STEREO. Nicht nur liefert der Film eine spannende und dazu mit Bleibtreu und Vogel exzellent besetzte Geschichte, sondern zieht zudem alle Register einer überzeugenden Bild- und Tongestaltung. STEREO ist der Beweis dafür, dass nicht nur Hollywood etwas von Sounddesign versteht. Hier wird das Zusammenspiel von Geräuschen und Filmmusik (Komponist: Enis Rotthoff) für deutsche Verhältnisse in eine neue Dimension katapultiert! Die Kameraarbeit von Ngo The Chau zieht durch ihre Bewegungen sowohl in der Horizontalen wie auch in der Vertikalen richtig ins Geschehen hinein und nutzt das CinemaScope-Format auf hervorragende Weise. STEREO räumt ein für alle Mal mit dem Vorteil auf, dass es keine guten Thriller aus Deutschland geben würde. Einen kleinen Wermutstropfen aber hat die Geschichte dann doch: der Showdown am Ende ist etwas zu lang geraten. Aber so etwas verschmerzen Genre-Fans mit links.

20 FEET FROM STARDOM (1:1.85, 5.1)
OT: Twenty Feet From Stardom
Verleih: Weltkino
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Morgan Neville
Kinostart: 24.04.2014

Sie stehen seit Jahrzehnten immer nur in der zweiten Reihe, doch ohne sie wären die Stars nicht zu dem geworden was sie sind. Die Rede ist von den sogenannten Background-Sängerinnen. Lisa Fischer, Merry Clayton, Darlene Love, Táta Vega oder Judith Hill sind ihre Namen, doch kaum jemand kennt sie. In seinem Oscar-prämierten Dokumentarfilm rückt sie Regisseur Morgan Neville in den Mittelpunkt. Hier dürfen die ausnahmslos farbigen Sängerinnen von ihrem Werdegang erzählen, der oft alles andere als ein Zuckerschlecken war. Manche haben in späteren Jahren versucht, selbst eine Solokarriere aufzubauen, doch nicht jeder war das Glück zum Erfolg verwehrt. Andere strebten nie eine Solokarriere an, weil sie das, was sie tun, mit voller Inbrunst tun. Der mit vielen Interviews und Musikeinlagen angereicherte Film ist gleichzeitig eine Zeitreise durch viele Jahrzehnte der Pop- und Rock-Musik und beschert ein Wiedersehen mit vielen Größen des Showbiz. Dabei empfiehlt sich der Film nicht nur für Musikfreunde, sondern richtet sich exemplarische an alle Menschen, die immer nur in der zweiten Reihe stehen und genauso viel Respekt verdienen wie die erste Reihe. Wie fasst es eine der inzwischen gealterten Backgroundsängerinnen so schön zusammen: “Wenn die Leute etwas gesungen haben, dann waren es immer nur unsere Parts!”
Mittwoch, 19. März 2014
Der Superheld kehrt zurück
It is Marvel time – but was it a “marvel”lous time?

THE RETURN OF THE FIRST AVENGER (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Captain America: The Winter Soldier
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Darsteller: Chris Evans, Scarlett Johansson, Cobie Smulders, Samuel L. Jackson, Robert Redford
Kinostart: 27.03.2014

In seiner Funktion als S.H.I.E.L.D.-Agent kommt Steve Rogers alias Captain America in den Besitz brisanter Daten, deren Spuren bis in die Führungsetage des amerikanischen Geheimdienstes führen. Wer ist Freund und wer Feind? Rogers weiß nicht mehr, wem er überhaupt noch trauen kann und bekommt es darüber hinaus mit einem extrem gefährlichen Gegner zu tun: dem maskierten Winter Soldier... Gute zweieinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass Captain America zum ersten Mal über Blockbuster-Leinwände huschte. Der Fortsetzungsfilm setzt genau da an, wo der erste Teil endete: in der Gegenwart. War der erste Teil mit seiner ausgefeilten Optik noch sehr unterhaltsam anzuschauen, so enttäuscht der zweite Auftritt von CAPTAIN AMERICA ziemlich. Materialschlachten ersetzen jetzt eine griffige Story und die Optik (trotz immenser visueller Effekte) wirkt recht abgedroschen. Man hat eben alles schon in vielen Filmen zuvor in ähnlicher Art und Weise zu sehen bekommen. Das Werk gehört damit zu den weniger gelungenen Marvel-Comic-Verfilmungen, dürfte aber sicherlich die Multiplexe füllen. Übrigens hat Marvel-Ikone Stan Lee einen Gastauftritt als Museumswärter im Film. Und Abspanngucker dürfen sich auf gleich zwei zusätzliche Szenen freuen – eine im Anschluss an die Haupttitel, die andere ganz am Ende. Also sitzenbleiben.
Dienstag, 18. März 2014
Für jeden Topf der passende Deckel
Aufgrund technischer Probleme wurde aus dem Double Feature ein Single Screening

FÜR IMMER SINGLE? (1:2.35, DD 5.1)
OT: That Awkward Moment
Verleih: SquareOne/Universum
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Tom Gormican
Darsteller: Zac Efron, Miles Teller, Michael B. Jordan, Imogen Poots
Kinostart: 24.04.2014

Als Mikeys Ehe scheitert, stellen sich seine beiden besten Kumpels Jason und Daniel solidarisch mit ihm. Gemeinsam will man die frauenlose Zeit so richtig genießen. Doch schon bei nächster Gelegenheit funktioniert das natürlich schon nicht mehr: Jason verliebt sich in eine Blondine, Daniel in eine Brünette und Mikey geht mit seiner Noch-Ehefrau fremd. Das passiert natürlich alles, ohne dass die jeweils Anderen etwas davon erfahren... Nicht jeder ist dafür geboren für immer Single zu sein. Denn auf (fast) jeden Topf findet sich der passende Deckel. So oder so ähnlich könnte die Aussage dieser kleinen Komödie von Tom Gormican lauten. Eine Botschaft, die man gerne unterschreiben würde, wäre der Film nicht so langweilig inszeniert. Das männliche Dreigestirn aus Zac Efron, Miles Teller und Michael B. Jordan ist zwar mit großer Inbrunst bei der Sache, doch das Drehbuch versucht krampfhaft, ohne echte Pointen und auch ohne echte Gefühle auszukommen. Stattdessen versucht man, mit einigen ziemlich zotenhaften Szenen (u.a. ein Besuch in dem mit Dildos überbordenden Sexshop) das verpatzte Projekt in die Gänge zu bekommen. Aber auch damit scheitern die Filmemacher. Uninspiriert und einfallslos – das komplette Gegenteil der Liebe. Fazit: auf diesen Film kann man problemlos verzichten.
Freitag, 14. März 2014
Therapiestunden und Reisebericht
Die letzten beiden Vorführungen in dieser Woche – danach ab ins Wochenende!

IRRE SIND MÄNNLICH (1:2.35, 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Anno Saul
Darsteller: Fahri Yardim, Milan Peschel, Peri Baumeister
Kinostart: 24.04.2014

Daniel und Mia sind schon lange ein Paar. Während er jedoch sehr anhänglich ist, versucht sie Abstand zu halten. Sein bester Freund Thomas kann sich das Drama nicht mehr mit ansehen und überredet Daniel, gemeinsam mit ihm auf Mädelsjagd zu gehen. Ihr Revier: Therapiegruppen, in denen es immer Frauenüberschuss hat. Unter falschen Identitäten setzen die beiden ihren Plan um – mit durchschlagendem Erfolg. Als sich jedoch Daniel in eine Teilnehmerin verliebt, werden die Karten neu gemischt... Die Idee, als Teilnehmer bei Therapiegruppen in aller Ruhe Frauen aufzureissen, ist tatsächlich eine Idee, aus der man in einem Film richtig schöne Pointen hätte generieren können. In Anno Sauls Beziehungskomödie jedoch passiert genau das nicht. Genauso wenig, wie die Grundidee gewinnbringend genutzt wird, wird auch so manche Rolle nicht genutzt und damit Darsteller wie Herbert Knaup als Therapeut vollkommen unterfordert. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass uns in der heutigen Pressevorführung eine nicht finalisierte Fassung gezeigt wurde, die in Bild und Ton etliche Unzulänglichkeiten aufwies. Damit kann ich mir eigentlich auch kein finales Urteil über diesen Film erlauben.

FASCINATING INDIA 3D (1:1.85, 3D, 5.1)
Verleih: Busch Media Group
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Simon Busch
Kinostart: 15.05.2014

Lange Zeit waren Regisseur Simon Busch und sein Kameramann Alexander Sass gemeinsam im exotischen Indien unterwegs, um die Faszination dieser fremden Kultur in einem Film festzuhalten. Mit neuester Technik und dazu gleich in beeindruckendem 3D zeigen die Filmemacher viele der Sehenswürdigkeiten Indiens, wobei das Hauptaugenmerk nicht auf Landschaften, sondern auf Gebäude wie Tempel und Festungen gelegt wurde. Als Höhepunkt der Dokumentation liefert der Film authentische Bilder von der Kumbh Mela, jenem alle zwölf Jahre stattfindenden größten religiösen Fest der Welt. Auch wenn dem Filmteam teilweise interessante Bilder gelungen sind, so lässt der Film leider ein Gesamtkonzept vermissen und ist mehr zum Touristenführer geworden denn zum objektiven Beobachter. Dass für die Aufnahmen kein CinemaScope eingesetzt wurde (die Bilder schreien förmlich danach!) ist ein Indiz dafür, dass die Hauptauswertung des Reisefilms auf Heimmedien stattfinden wird.

Video: Kameramann Alexander Sass zu Gast in Stuttgart
Mittwoch, 12. März 2014
Der Menschenfeind
Vergnügliches mit literarischem Hintergrund stand heute auf meinem Film-Fahrplan.

MOLIERE AUF DEM FAHRRAD (1:1.85, DD 5.1)
OT: Alceste A Bicyclette
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Frankreich 2012
Regie: Philippe Le Guay
Darsteller: Fabrice Luchini, Lambert Wilson, Maya Sansa
Kinostart: 03.04.2014

Serge Tanneur hat schon vor vielen Jahren Film und Bühne den Rücken gekehrt. Enttäuscht von seinem mit Lug und Trug einhergehenden Metier hat sich der Schauspieler für ein einsiedlerisches Leben entschieden und ist zum Menschenhasser geworden. Umso mehr ist er verdutzt, als ihn sein alter Freund und Kollege Gauthier Valence aufsucht, um ihm eine Rolle in Molieres “Der Menschenfeind” anzubieten. Zögerlich lässt er sich auf das Angebot des zu Ruhm gekommenen TV-Stars ein: beim gemeinsamen Proben in Serges Haus soll Serge allmählich Gefallen an der Idee finden. Schon bald aber holt die Wirklichkeit die Welt des Theaters ein... Philippe Le Guay hat sich den Theaterklassiker “Der Menschenfeind” von Moliere zur Brust genommen und die Geschichte in die Jetztzeit gepackt und lässt die zentralen Fragestellungen des Stücks als Duell der Schauspieler austragen. Fabrice Luchini als erfolgreicher TV-Star Gauthier Valence und Lambert Wilson als zurückgezogener Schauspieler Serge Tanneur sind nichts anderes als fleischgewordene Neuinterpretationen von Molieres Hauptfiguren – allerdings mit wechselnden Rollen. Es bereitet großes Vergnügen, den beiden Akteuren dabei zuzuschauen, wie sie ihre Haken und Finten in den Wortgefechten platzieren. Mit Luchini und Wilson hat der Film eine Traumbesetzung zu bieten. Schöne Bilder von der Ile de Re runden den positiven Eindruck ab.

KREUZWEG (1:2.35, 5.1)
Verleih: Camino
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Dietrich Brüggemann
Darsteller: Lea van Acken, Franziska Weisz, Florian Stetter
Kinostart: 20.03.2014

Die 14jährige Maria kommt aus einer streng gläubigen Familie. Moderne Musik wird dort für satanisch gehalten. Spaß und Freude sind Fremdworte. Ihrer Mutter kann sie nichts recht machen. Nur der Gedanke, ihr Leben Gott zu opfern, der dann im Gegenzug ihren kleinen Bruder heilt, macht Maria glücklich. Noch ahnt niemand in der Familie, welchen Weg Maria beschreiten wird... Er kann auch anders. Nach kurzweiligen und sehr unterhaltsamen Filmen wie RENN, WENN DU KANNST und 3 ZIMMER/KÜCHE/BAD wechselt das deutsche Regietalent Dietrich Brüggemann zu einem sehr ernsten Stoff. Fatalistischer Katholizismus ist das Thema seines für das Drehbuch mit einem “Silbernen Bären” ausgezeichneter Film KREUZWEG. Genauso radikal wie der Genre-Wechsel ist auch die filmische Umsetzung. So besteht der Film aus 14 starren Einstellungen, die den 14 Stationen des Kreuzwegs von Jesus entsprechen. Die Szenen kommen ohne Schnitt aus, Filmmusik gibt es nicht, Kamerabewegungen nur dreimal innerhalb der 115 Minuten Spielzeit. Umso intensiver aber das Spiel der Darsteller, von denen insbesondere die 14jährige Lea van Acken als Maria hervorzuheben ist. KREUZWEG ist starkes deutsches Kino, das keinen Zuschauer kalt lassen wird.

Video: KREUZWEG - Filmpremiere in Stuttgart
Dienstag, 11. März 2014
Wasser trifft auf den eingebildeten Kranken
Im heutigen Doppel buhlten ein Dokumentarfilm und eine Komödie um meine Gunst.

WATERMARK (1:1.85, 5.1)
OT: Watermark
Verleih: Senator
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky
Kinostart: 15.05.2014

Zuerst sieht man Unmengen von sprudelndem Wasser, das sich mit hoher Wucht aus Rohren ergiesst. Dann folgt ein Schnitt und man starrt auf knochentrockene Erde. Eine alte Frau erzählt, dass hier einmal sehr viel Wasser war, dieses aber irgendwann verschwunden ist. In ihrer Dokumentation rücken Jennifer Baichwal und Edward Burtynsky das Wasser, die Quelle allen Lebens, in den Fokus und zeigen mit teilweise spektakulären Bildern die Wechselwirkung, die dieses Element mit den Erdbewohnern eingeht. Beleuchtet werden dabei nicht nur die schönen Seiten, sondern insbesondere auch die weniger schönen. Mit ihren Kameras sind sie um die ganze Welt gereist und haben Bilder eingefangen, die Erinnerungen an die ähnlich gelagerten Filme von Ron Fricke oder Godfrey Reggio wachrufen. In Kombination mit einer interessanten Tonspur sowie Statements vieler Menschen, normale Arbeiter wie auch Experten, ergibt sich damit ein Film, der zum Nachdenken anregt und den Zuschauer daran erinnert, welch kostbares Gut Wasser tatsächlich ist.

SUPERHYPOCHONDER (1:2.35, 5.1)
OT: Supercondriaque
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: Frankreich 2013
Regie: Dany Boon
Darsteller: Dany Boon, Alice Pol, Kad Merad
Kinostart: 10.04.2014

Romain ist ein Hypochonder wie er im Buche steht und seit fast 20 Jahren Dimitris liebster Patient. Dem aber wächst Romains Getue allmählich über den Kopf und er beschließt, seinem an Einsamkeit leidenden Freund bei der Suche nach einer Herzensdame behilflich zu sein. Hätte er nur geahnt, auf was er sich damit einlässt... Nicht alles ist super, was im Titel das Wort “super” enthält. Bester Beweis dafür ist Dany Boons neue Komödie, mit der man ganz offensichtlich an den großen Erfolg von WILLKOMMEN BEI DEN SCH’TIS anknüpfen möchte. Damit ist natürlich die Messlatte gleich ganz weit oben angelegt und das Projekt damit eigentlich zum Scheitern verurteilt. Der Film hat den Charme von Flickwerk – die Idee des Hypochonders, der am Ende dann durch die große Liebe geheilt wird, war den Machern wohl etwas zu dürftig. Also wurde gleich noch ein russischer Splittergruppenaufstand mit integriert – da gibt es dann genügend Verwechslungsmöglichkeiten. Der Humor bleibt dabei dann fast auf der Strecke und die meisten Gags werden dem Zuschauer vermutlich nur ein müdes Lächeln abrinnen. Kad Merad, bereits als legitimer Nachfolger von Louis de Funes gehandelt, ist in der Rolle des Arztes leider komplett unterfordert. Wenigstens liefert Komponist Klaus Badelt eine optimal passende Filmmusik (sogar mit Chor!) zum Geschehen. Die freilich kann das verunglückte Werk auch nicht mehr retten.
Montag, 10. März 2014
Die Nonne und die Lebedame
Der erste Film der Woche wartete mit ungewöhnlicher Optik auf.

IDA (1:1.37 & 1:1.85, Mono)
OT: Ida
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Polen, Dänemark 2013
Regie: Pawel Pawlikowski
Darsteller: Agata Kulesza, Agata Trzebuchowska, Joanna Kulig
Kinostart: 10.04.2014

Polen in den 1960er Jahren. Kurz bevor die junge Ida ihr Gelübde als Nonne abgibt, wird sie von der Äbtissin vor eine überraschende Aufgabe gestellt: sie soll sich mit ihrer Tante Wanda treffen, von der die Waise noch nie etwas gehört hat. Sie macht sich auf den Weg zu ihr und entdeckt eine vollkommen mondäne Lebedame und Richterin in der Schwester ihrer Mutter. Die Begegnung der beiden Frauen wird beider Leben nachhaltig verändern, als Wanda Ida mit einer bisher verschwiegenen Wahrheit konfrontiert... Pawel Pawlikowski inszenierte seinen Film sperrig für heutige Sehgewohnheiten: in Schwarzweiß, fast quadratischem Bildformat und mit monophonem Ton. Auch am Einsatz von Filmmusik wurde gespart – sie gibt es nur ganz rudimentär. Dennoch wirken die Bilder. Sie sind grandios und üben eine bedrückend-hypnotische Wirkung aus. Oft sieht man die Schauspieler nur am unteren Bildrand, nach oben gibt es jede Menge Luft. Auch das eine vollkommen ungewohnte Ästhetik, aber höchst passend zum Thema des Films. Beide Protagonistinnen, Agata Kulesza und Agata Trzebuchowska, füllen ihre Rollen mit Authentizität aus. Der Film ist zudem ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man eine Geschichte auch in gerade einmal 80 Minuten erzählen kann.
Freitag, 07. März 2014
Viel Schnee
Ist ja mal wieder typisch: kaum frühlingt es draußen, werden uns gleich zwei Filme mit Schnee im Titel gezeigt

SNOWPIERCER (1:1.85, DD 5.1)
OT: Snowpiercer
Verleih: MFA (24 Bilder)
Land/Jahr: Südkorea, USA, Frankreich 2013
Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: Chris Evans, Song Kang-ho, Tilda Swinton, Jamie Bell, John Hurt, Ed Harris, Octavia Spencer
Kinostart: 03.04.2014

Man schreibt das Jahr 2031. Die ganze Welt ist mit einer harten Eisschicht überzogen, die Menschheit fast komplett ausgerottet. Die wenigen Überlebenden, die es gibt, befinden sich als Passagiere im “Snowpiercer”, einem gewaltigen Zug, der unermüdlich immer dieselbe Strecke zurücklegt. Im hinteren Zugteil befindet sich die unterdrückte Unterschicht, im vorderen Teil die High Society. Der Zug samt Insassen bildet einen abgeschlossenen ökologischen Kreislauf. Doch die Unterschicht beginnt sich aufzulehnen gegen die bewaffnete Oberschicht und kämpft sich Wagen um Wagen nach vorne vor... Für seinen ersten englischsprachigen Film hat sich der koreanische Regisseur Bong Joon-ho (THE HOST) das Thema eines Endzeithrillers entschieden. In kalten Bildern schildert er den grausamen Überlebenskampf der letzten Menschen auf Erden. Die befinden sich allesamt symbolisch im selben Zug, gehören aber unterschiedlichen Klassen an. Während sich die Unterschicht von ekeligen Proteinblöcken (SOYLENT GREEN lässt grüßen) ernähren muss und harte Sanktionen ertragen muss, frönt man in der Oberschicht einem ausschweifenden Leben. Das ist alles ziemlich beklemmend und erinnert an ein KZ sowie an die Werke von Kafka. Angereichert wird das actionreiche, surreale Spektakel mit viel Gewalt (vermutlich nur, damit Genre-Fans zufrieden sind!) und noch mehr offenen Fragen. Der sich im Höllentempo durch Eis und Schnee bohrende Zug fährt so leider ins Leere. Beachtlich ist immerhin die Filmmusik von Marco Beltrami. Trotzdem lohnt sich eine Fahrkarte für diese Fahrt nicht wirklich.

SCHNEE VON GESTERN (1:1.85, 5.1)
Verleih: Film Kino Text
Land/Jahr: Deutschland, Israel 2013
Regie: Yael Reuveny
Kinostart: 10.04.2014

Dass ein Dokumentarfilm manchmal weitaus spannender und bewegender als jede Fiktion sein kann, beweist die junge israelische Regisseurin Yael Reuveny mit ihrem Film SCHNEE VON GESTERN. Sie erzählt die schier unglaubliche Geschichte ihrer Großmutter und deren Bruder, zweier Juden, die von den Nazis in Polen gefangengenommen werden. Beide überleben den Holocaust ohne jedoch zu wissen, dass der andere noch lebt. Sie sind die einzigen Überlebenden der gesamten Familie. Nach Kriegsende 1945 erfährt die Großmutter, dass ihr Bruder angeblich noch lebt und sie ihn am nächsten Tag am Bahnhof in Lodz treffen könnte. Doch das Treffen kommt nicht zustande, worauf der Bruder für tot gehalten wird. Die Großmutter wandert nach Israel aus und gründet ihre eigene Familie. Erst Jahrzehnte später meldet sich ein Deutscher, der behauptet, der Sohn des vermeintlich toten Bruders zu sein, und erzählt, dass sein Vater in Deutschland seine eigene Familie hatte – direkt in dem Ort, wo er während des Krieges im Konzentrationslager untergebracht war! Yael Reuveny hat für ihren Film gründlich recherchiert und sämtliche noch lebenden Angehörigen vor ihre Kamera geholt. Der Personenkreis umfasst dabei drei Generationen. In ihrem Film thematisiert die Regisseurin auch das Vergeben, das in den verschiedenen Generationen sehr unterschiedlich behandelt wird und das auch sie als in Deutschland lebende Jüdin betrifft: ihre Mutter würde nie ihren Fuß auf deutschen Boden setzen! Dieser Zwiespalt wird auf spannende und emotionale Weise im Film herausgearbeitet und ergänzt die Geschichte um den Bruder, der nach dem Krieg in Deutschland eine neue Identität angenommen hatte, um das Geschehene zu vergessen. SCHNEE VON GESTERN ist alles andere als Schnee von gestern und lohnt den Weg ins Kino!
Donnerstag, 06. März 2014
Auf der Suche nach der Vergangenheit
Die einzige Pressevorführung heute konnte mich leider nicht überzeugen

DER LETZTE MENTSCH (1:2.35, 5.1)
Verleih: farbfilm (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland, Schweiz, Frankreich 2013
Regie: Pierre-Henri Salfati
Darsteller: Mario Adorf, Katharina Derr, Hannelore Elsner
Kinostart: 08.05.2014

Als er einer jüdischen Beerdigung beiwohnt, beginnt der alte Marcus zu Grübeln. Wenn es auch bei ihm einmal soweit ist, möchte er ebenfalls auf einem jüdischen Friedhof beigesetzt werden. Doch genau darin liegt das Problem: der Auschwitzüberlebende ist noch der Einzige seiner Familie und kann nicht nachweisen, dass er Jude ist. Selbst die tätowierte Häftlingsnummer auf seinem Unterarm wird vom Rabbiner nicht als Beweis anerkannt. Marcus beschließt, an seinen Geburtsort Vac in Ungarn zu reisen, um dort nach seinen Wurzeln zu suchen. Die Deutschtürkin Gül bietet ihm an, ihn gegen Geld mit dem Auto die 500 Kilometer lange Strecke zu fahren. Auf ihrer Reise voller komischer und tragischer Momente lernen sich die beiden einander und auch sich selber besser kennen... Desto überzeugender Mario Adorf als Jude auf der Suche nach der eigenen Identität ist (er hat sich sogar einen jiddischen Akzent antrainiert), umso mehr fördert er die Unzulänglichkeiten der ihm zur Seite gestellten Figur zu Tage. Katharina Derr in der Rolle der Deutschtürkin Gül (“Die Türken sind die neuen Juden Europas”) wirkt wie ein Fremdkörper in Marcus‘ Welt. Vollkommen lächerlich, ja geradezu absurd erscheint Güls Wandlung oder Reifeprozess von der aufsässigen jungen Frau mit losem Mundwerk hin zu einer verständnisvollen und ihren Gönner in allen Belangen unterstützenden jungen Dame – und das innerhalb ganz weniger Tage! Wie gerne sie seine Tochter gewesen wäre, erzählt sie am Ende des Films dann dem Rabbiner. Zur Unzulänglichkeit ihrer Rolle passend gibt es die Figur des Fotografen Arnold, der im Auftrag der Spielberg-Stiftung die Erinnerungen von Juden auf der ganzen Welt aufzeichnet. Schon die allererste Begegnung von Gül und Arnold - er fotografiert eine Synagoge während sie an ihm vorbeiläuft - wirkt derart unbeholfen, dass sie einem Amateurfilm entsprungen sein könnte. Solch begleitenden Dilettantismus hat Herr Adorf wahrlich nicht verdient! Wenn schon die Mehrzahl der Figuren in der Geschichte einfach nicht stimmt, dann sollten wenigstens die Bilder überzeugen. Und dass sie es tun liegt an Kameramann Felix von Muralt, der das CinemaScope-Format sehr vorteilhaft zu nutzen versteht. Fazit: ein tragi-komisches Road-Movie, das an Absurditäten scheitert.
Mittwoch, 05. März 2014
Puppentheater und Raserei
Unterschiedlicher hätten die beiden heutigen Filme nicht sein können. Die spannende Frage: lohnt sich der Gang ins Kino?

MUPPETS MOST WANTED (1:1.85, DD 5.1 + 7.1)
OT: Muppets Most Wanted
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2014
Regie: James Bobin
Darsteller: Ricky Gervais, Tina Fey, Ty Burrell
Kinostart: 01.05.2014

Constantine, der gefährlichste Frosch der Welt, bricht aus einem sibirischen Gulag aus, um mit seinem Handlanger Dominic den perfiden Plan, die englischen Kronjuwelen zu stehlen, in die Tat umzusetzen. Damit sein Verschwinden nicht auffällt, entführt er den braven Kermit, befördert ihn nach Sibirien und nimmt seine Identität an. Weil die gesamte Muppet-Truppe unter der Führung des hinterlistigen Dominic zu sehr damit beschäftigt ist, auf Welttournee zu gehen, bemerkt niemand den Tausch. Erste Station ist Berlin. Und das nicht ohne Grund: Constantine und Dominic wollen dort ins Kunstmuseum einsteigen, um noch fehlende Puzzle-Teile für ihren Plan zu beschaffen... Gleich zu Beginn ihres neuen Abenteuers besingen die Muppets die (fast) Tatsache, dass Fortsetzungen von Filmen immer schlechter sind als das Original. Wie recht die kuscheligen Zeitgenossen haben! Aber müssen sie es mit ihrem neuen Film auch gleich beweisen? Das neueste Werk der Muppets-Schöpfer erweist sich leider als ziemlich langweilig. Nur vereinzelt kommt Freude auf, wenn etwa Kermit im russischen Gulag mit den Mitgefangenen A CHORUS LINE einstudiert oder wenn sich Constantine, die böse Ausgabe von Kermit, mit seinem starken Ostakzent schwer damit tut, das Wort “Burglary” ordentlich auszusprechen. Dazwischen gibt es reichlich Gelegenheit einzunicken ohne etwas Wesentliches zu verpassen. Da hilft auch nicht das große Staraufgebot, das sogar Til Schweiger und Christoph Waltz in Kurzrollen umfasst. Besser man schaut sich nochmal eine Folge der TV-Serie an oder den 2012 in die Kino gekommenen DIE MUPPETS. Übrigens ist der als Vorfilm geschaltete MONSTER UNIVERSITY Kurzfilm ebenso langweilig wie der Hauptfilm.

NEED FOR SPEED (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1)
OT: Need For Speed
Verleih: Constantin
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Scott Waugh
Darsteller: Aaron Paul, Dominic Cooper, Imogen Poots
Kinostart: 20.03.2014

Um für den Tod seines Kumpels Little Pete Rache zu nehmen, will sich Automechaniker Tobey Marshall für ein illegales Straßenrennen qualifizieren, das von einem exzentrischen Milliardär organisiert wird. Die Qualifizierung macht es erforderlich, dass Tobey mit Irrsinnsgeschwindigkeit von New York nach Kalifornien fährt. Nicht nur die Polizei heftet sich an seine Fersen, auch die Kopfgeldjäger, die sein Erzrivale Dino Brewster beauftragt hat. Mit einer Blondine auf dem Beifahrersitz und genügend PS unter der Haube geht es los... Wer das bekannte Computerspiel NEED FOR SPEED kennt, der weiß, dass es dort nur darum geht, seine Runden in Hochgeschwindigkeit abzufahren. Da stellt sich dann automatisch die Frage, was man denn davon verfilmen möchte. Die Antwort liefert Scott Waughs Film. Denn die Drehbuchautoren haben sich eine Handlung dazu ausgedacht. Damit dürfte sich die Gemeinsamkeit mit dem Spiel auf den Titel reduzieren – sieht man einmal von den Rennszenen ab, die natürlich den Hauptteil des Films ausmachen. Um eingefleischte Gamer nicht zu überfordern, haben die Drehbuchautoren peinlichst darauf geachtet, dass sie ihren Figuren keine Tiefe geben. Deren Lebensinhalt reduziert sich auf Rennen fahren und Rache nehmen. Die Zielgruppe wird das vermutlich gar nicht erst bemerken. Die Autojagden sind natürlich mit ihrer Kombination aus Stunts und CGI fulminant inszeniert und können sich durchaus sehen und auch hören lassen. Doch mit 130 Minuten Spielzeit schießt der Film weit über sein Ziel hinaus. Aber Gamer sind ja bekanntermaßen unerschöpflich.
Dienstag, 04. März 2014
Aus der Not eine Tugend gemacht
Immer wieder gerne gesehen: Filme über das Filmemachen

DIE ERFINDUNG DER LIEBE (1:1.85, 5.1)
Verleih: NFP (Filmwelt)
Land/Jahr: Deutschland, Luxemburg 2011-2013
Regie: Lola Randl
Darsteller: Maria Kwiatkowsky, Mira Partecke, Bastian Trost
Kinostart: 01.05.2014

Ein junges, mittelloses Paar beschließt, sich die Gunst einer todkranken älteren Frau zu erschleichen, um so an das Erbe zu kommen. Diese Menage-a-Trois ist allerdings nur die Handlung eines Films, der im Augenblick gedreht wird. Weil die Darstellerin der jungen Frau plötzlich verstorben ist, will man sie unter Zuhilfenahme digitaler Technik durch eine Praktikantin ersetzen. Das aber ist längst nicht das einzige Problem. Denn der Drehbuchautor hat gerade mit einer Schreibblockade zu kämpfen, der Hauptdarsteller pendelt gefühlsmäßig zwischen der Regisseurin und der Praktikantin und so weiter und so fort... Bereits im Jahre 2011 begannen die Dreharbeiten zu Lola Randls Film – und wurden nach 23 Drehtagen jäh beendet: Hauptdarstellerin Maria Kwiatkowsky verstarb urplötzlich. Ein Schock für die gesamte Produktion. Die Versicherung weigerte sich einzuspringen, der Film wurde auf Eis gelegt. Ein Jahr später machte die Regisseurin aus der Not eine Tugend und stellte ihren Film mit 16 Nachdrehtagen fertig. Allerdings ist es nicht mehr der Film, den sie 2011 begonnen hatte. Vielmehr hat sie ihn komplett umgeschrieben. Jetzt ist der Tod der Darstellerin Bestandteil ihres Films – eines Films, der keine klare Trennung mehr zwischen der Realität und der Spielhandlung macht. Es ist jetzt ein Film über das Filmemachen geworden und man fühlt sich immer wieder an Francois Truffauts Klassiker DIE AMERIKANISCHE NACHT erinnert. Randl gibt viel preis von der Faszination des Filmemachens, weiht Unwissende in viele Geheimnisse ein. Immer dann, wenn wir meinen, dass wir wieder in der Spielhandlung angekommen sind, führt sie uns an der Nase herum und zeigt per Schnitt und Gegenschnitt, dass die vermeintliche Spielszene gerade eben von einem Filmteam aufgenommen wird. Regie und Drehbuch gehen sogar noch einen Schritt weiter: was auf der Leinwand geschieht – egal, ob Spielhandlung oder das Filmemachen – wird genau in diesem Moment von einem Drehbuchautor ausgedacht. Der Film verliert sich in sich selbst. Und als ob dies noch nicht genug wäre, gibt es immer wieder Kommentare und Erklärungen der am Film Beteiligten, oft vor einer Green Screen platziert. Diese Statements könnten echt sein - vielleicht sind sie aber auch nur gestellt. Randls Film lässt uns hier im Ungewissen. Meistens wird die Spielhandlung (also jene Sequenzen, die den Film im Film ergeben) mit einer Filmmusik unterlegt, die einem Hollywoodschen Film Noir entliehen sein könnten – inklusive einem Ondes Marthenot (oder sollte es am Ende gar ein Theremin sein?). Komponist Maciej Sledziecki hat hier ganze Arbeit geleistet. Mit quasi-philosophischen Sprüchen wie “Ich würde das genauso machen, aber ganz anders!”, einem gut ausgewählten Ensemble und dem Vexierspiel mit Illusion und Realität macht der Film durchweg Spaß und dürfte vor allem Filmfans Freude bereiten. Was die Versicherung angeht: die hat bis heute nicht gezahlt und wird demnächst vor den Bundesgerichtshof gezerrt.
Montag, 03. März 2014
Schlachtengemälde und Rachethriller
Der kleinste gemeinsame Nenner der beiden heutigen Filme: blutige Gewalt!

300: RISE OF AN EMPIRE (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: 300: Rise Of An Empire
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Noam Murro
Darsteller: Sullivan Stapleton, Eva Green, Lena Headey
Kinostart: 06.03.2014

Fachgerecht schneidet sich das blanke Schwert in den Körper eines Kriegers, das Blut schießt aus ihm heraus. Man muss schon eine recht sadistische Ader haben, um dieses Greuel auch noch in extreme Zeitlupe für die Nachwelt zu bannen! Immer und immer wieder. Die blutrünstigen Slow-Motion-Sequenzen wollen kein Ende nehmen. Warum auch, sind sie doch der Hauptbestandteil dieser sinnfreien Fortsetzung zu Zack Snyders “300”, dessen indiskutabler Inhalt bereits 2006 die Gemüter erregte. Jetzt ist es der griechische General Themistokles, der sich beim Versuch, ganz Griechenland zu vereinen, den gewaltigen persischen Heerscharen des Halbgottes Xerxes und der rachedürstenden Flottenkommandeurin Artemisia entgegenstellen muss. Das Schlachtfeld in der nach einem Comicroman von Frank Miller entstandenen Gewaltoper ist jetzt das griechische Meer. Positive Gefühle oder gar Liebe wurden vollkommen verbannt. Wenn Liebe, dann nur in Form einer an Vergewaltigung grenzenden Kopulation, bei der sich die Todfeinde Themistokles (Sullivan Stapleton) und Artemisia (Eva Green) gegenseitig mustern. “Du kämpfst härter als Du fickst!” wird sie ihrem Gegner später hämisch ins Gesicht schleudern, während sie mit ihm auf Leben und Tod kämpft. Das mag man vielleicht lustig finden, gemeint ist es keinesfalls so. Dass sich eine derart brachiale Gewaltorgie hinter einer über alle Zweifel erhabenen Optik versteckt und sich einer adrenalinanregenden, alle Register ziehenden Tonspur bedient, ist nicht weiter verwunderlich: die Gewalt soll ja schließlich sexy sein.

AUGE UM AUGE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Out Of The Furnace
Verleih: Tobis
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Scott Cooper
Darsteller: Christian Bale, Casey Affleck, Woody Harrelson, Willem Dafoe, Forest Whitaker, Zoe Saldana, Sam Shepard
Kinostart: 03.04.2014

Braddock ist ein kleines Kaff mitten in Amerika. Wer seinen Lebensunterhalt verdienen möchte, arbeitet im maroden Stahlwerk. So wie Russell. Tag für Tag müht er sich bei der Arbeit ab und versorgt auch noch den todkranken Vater. Sein kleiner Bruder Rodney, vom Einsatz im Irak-Krieg traumatisiert und ohne Halt im Leben, steht immer kurz davor komplett abzurutschen. Und natürlich hat er Schulden. Die möchte er dadurch abstottern, dass er sich auf halbseidene Boxkämpfe einlässt. So stellt er sich auch in die zwielichtigen Dienste von Harlan DeGroat, einem durchgeknallten Junkie und Bandenchef aus den naheliegenden Appalachen – einen Deal, den er mit dem Tode bezahlt. Von Rache getrieben beginnt Russell mit der Suche nach DeGroat... Mit AUGE UM AUGE hat Regisseur Scott Cooper (CRAZY HEART) einen Rachethriller inszeniert, der sich mit seinem behäbigen Rhythmus ganz bewusst vom Hollywood’schen Mainstream abhebt. In diesem kleinen Ort in den USA ticken die Uhren noch eine Spur langsamer und die Polizei vermeidet tunlichst, sich mit den Leuten aus den Bergen anzulegen. Cooper lässt sich sehr viel Zeit, bevor er zu seinem eigentlichen Thema findet. So wird geschildert, wie Russell aufgrund von Trunkenheit am Steuer einen tödlichen Unfall verursacht und eine Strafe im Gefängnis absitzen muss. Als er wieder auf freien Fuß kommt, ist nicht nur sein Vater bereits unter der Erde, auch seine Freundin Lena hat sich von ihm getrennt. So wird auch Russell Stück um Stück der Perspektivlosigkeit näher gebracht. Bis in die kleinsten Rollen hinein hat Cooper seinen Film mit namhaften Schauspielern besetzt. Christian Bale und Casey Affleck brillieren als die ungleichen Brüder, mit denen es das Schicksal nicht sonderlich gut meint. Woody Harrelson mimt Harlan DeGroat. Und er macht seine Sache derart gut, dass einem wirklich angst und bang werden kann – der Inbegriff eines Psychopathen. Kameramann Masanobu Takayanagi versteht sich hervorragend darauf, mit seinen düsteren und erdfarbenen Bildern die Trostlosigkeit von Braddock zu zeichnen. An brutaler Gewalt wird im Film übrigens nicht gespart, was ihm durchaus eine Freigabe erst ab 18 Jahren bescheren könnte. Fazit: überzeugendes Thriller-Drama.

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