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Dienstag, 30. September 2014 Ein Riss geht durch eine Familie Die verschneite Bergwelt der französischen Alpen und die Dünen bei Timbuktu waren die Schauplätze der Dienstags-Filme HÖHERE GEWALT (1:2.35, 5.1) OT: Turist Verleih: Alamode (Filmagentinnen) Land/Jahr: Schweden, Dänemark, Frankreich 2014 Regie: Ruben Östlund Darsteller: Johannes Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Clara Wettergren Kinostart: 13.11.2014
Eine junge Familie aus Schweden verbringt ihren Ski-Urlaub in den französischen Alpen. Auf der Terrasse eines
Restaurants werden die vier Zeuge eines kontrollierten Lawinenabgangs. Doch schnell wird klar, dass die Situation aus
dem Ruder läuft und sich die riesige Schneemasse direkt auf die Terrasse zubewegt. Panik bricht aus. Die Mutter nimmt
ihre beiden Kinder an die Hand, während sich der Vater in Sicherheit bringt. Nichts passiert, doch nichts ist mehr so wie
es war... Ein großer Riss geht mitten durch eine Familie. Ruben Östlunds Drama ist das scharf beobachtete
Psychogramm einer Familie im Ausnahmezustand. Ausgerechnet im Urlaubsidyll werden Kernprobleme des
Zusammenlebens entlarvt. Eindrucksvoll gelingt es dem Film, die immer schneller werdende Spirale des vermeintlichen
Niedergangs aufzuzeigen. Eine Spirale, die auch Menschen außerhalb der Familie tangiert. Die oft statischen Bilder von
Kameramann Fredrik Wenzel sind beängstigend und hypnotisierend zugleich und werden von einem sehr präzisen
Sounddesign in ihrer Wirkung unterstützt. Leider entlässt der Film den Zuschauer am Ende nicht ins Ungewisse, was
sicherlich der bessere Schluss gewesen wäre, sondern entscheidet sich für eine “Balkonlösung”, die Hoffnung macht.
Besonders lobenswert sind die hervorragenden visuellen Effekte, die die sich anbahnende Lawinenkatastrophe
unheimlich realistisch in Szene setzen. Hollywood hätte das nicht so perfekt hinbekommen!
TIMBUKTU (1:2.35, 5.1) OT: Timbuktu Verleih: Arsenal Land/Jahr: Frankreich, Mauretanien, Mali 2014 Regie: Abderrahmane Sissako Darsteller: Pino Desperado, Toulou Kiki, Abel Jafry Kinostart: 27.11.2014
Kidane lebt friedlich zusammen mit Frau und Tochter in den Dünen unweit von Timbuktu. Dort haben Dschihadisten
das Sagen. Musik, Tanz und sogar Fußball sind verboten, Frauen werden zur Verschleierung gezwungen. Verstöße
gegen die Regeln werden mit brachialer Gewalt bestraft. Als Kidane aus Versehen einen Fischer tötet, werden auch er
und seine Familie mit den neuen Gesetzen konfrontiert... Mit unglaublich klaren Bildern schildert Abderrahmane
Sissako in seinem Film das Treiben in dem von Dschihadisten regierten Dorf. Seine Bilder stehen damit zwar in totalem
Gegensatz zu der Gewalt, die von dem Terrorregime im Dorf ausgeht, doch heben sie diese dadurch erst recht hervor.
Der Regisseur zeigt, wie sich friedliebende, gottesfürchtige Menschen fast ohnmächtig den regierenden Dschihadisten
unterwerfen und sogar den Tod akzeptieren. Das ist harte Kost für den Zuschauer, den vermutlich die nackte Wut
packen wird angesichts der Tatsache, dass er den Betroffenen nicht helfen kann. Abderrahmane Sissakos Film ist eine
Anklage gegen religiöse Fundamentalisten, die genauso sanft wie brachial ist.
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Montag, 29. September 2014 Überlänge im Doppelpack Erst 150 Minuten, dann 139 Minuten – ein richtig langer Wochenauftakt GONE GIRL – DAS PERFEKTE OPFER (1:2.35, DD 5.1 + 7.1) OT: Gone Girl Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2014 Regie: David Fincher Darsteller: Ben Affleck, Rosamund Pike, Neil Patrick Harris, Tyler Perry Kinostart: 02.10.2014
“Was werden wir uns noch alles antun?” – Diese fast schon rhetorische Frage könnte man durchaus als Leitmotiv des
von David Fincher gekonnt souverän inszenierten Thrillers nach dem Bestseller von Gillian Flynn verstehen. Da gerät
die scheinbar glückliche Beziehung eines Ehepaares in totale Schieflage, als die Gattin spurlos verschwindet. Und das
ausgerechnet am fünften Hochzeitstag. Spuren eines Kampfes sowie Blutflecke im Haus deuten auf ein
Gewaltverbrechen hin. Es gibt jedoch keine Leiche. Die fortwährenden Ermittlungen der Polizei haben bald schon einen
Verdächtigen: den Ehemann Nick. Eine Hetzkampagne wird entfesselt. Nick aber beteuert seine Unschuld. Da nimmt
der Fall plötzlich eine vollkommen überraschende Wendung... Finchers Film ist zweifelsfrei einer der besten
Beziehungsthriller der letzten Zeit. Spannend bis zum Schluss und mit ausgezeichneten Darstellern blickt er hinter die
Fassade einer nach außen heilen Welt und taucht mittels Rückblenden immer tiefer ein in die Beziehung eines Paares
und zeigt deren Entwicklung im Laufe von fünf Jahren. Stilistisch geschieht das wie immer bei Fincher auf höchstem
Niveau: Kameraarbeit, Musikeinsatz und Sound Design überzeugen. Und last but not least gibt uns Fincher eine der
schaurigsten Szenen, die das Mainstream-Kino seit langem gesehen hat. Mit einem Wort: anschauen!
MOMMY (1:1.00 & 1:1.85, 5.1) OT: Mommy Verleih: Weltkino Land/Jahr: Kanada, Frankreich 2014 Regie: Xavier Dolan Darsteller: Anne Dorval, Antoine-Olivier Pilon, Suzanne Clément Kinostart: 13.11.2014
Der 15jährige Steve ist ein Problemkind. Mit seinen Gewaltausbrüchen kommt selbst die Anstalt nicht zurecht, in deren
Obhut ihn seine Mutter gegeben hat. Als es darum geht, ihn in eine geschlossene Anstalt einzuliefern, holt ihn die
Mutter wieder zu sich nach Hause. Und das obgleich sogar sie Angst hat vor seinen Wutausbrüchen. Doch er ist ihr
Sohn und sie liebt ihn über alles, seit sie ihren Mann verloren hat. Allerdings überfordert sie die Situation jetzt erst
recht, da sie schon mit ihrem eigenen Leben nicht klarkommt. Da kommt unverhofft Hilfe von ihrer Nachbarin, einer
Lehrerin in Auszeit, die sich um Steves Schulausbildung kümmert. Alles scheint sich irgendwie zu finden – bis die
Konsequenzen aus Steves letztem Gewaltausbruch sich Bahn brechen... Kanadas Regie-Wunderkind ist für seine
eigenwillige Bildgestaltung bekannt, eine Tatsache, der er mit seinem neuesten Werk MOMMY neue Nahrung gibt.
Denn sein Film ist fast über die gesamte Laufzeit von 139 Miunten im quadratischen Bildformat, also einem
Seitenverhältnis von 1:1. Auf der Leinwand gibt es dafür links und rechts vom Bild fette schwarze Balken. Doch das ist
nicht immer so. In zwei Sequenzen geht das Bild in die Breite und füllt die gesamte Bildwand aus. Bei beiden
Sequenzen handelt es sich um sehr optimistische Szenen, die so etwas wie Aufbruchsstimmung innehaben. Sie
reflektieren den Gemütszustand der Protagonisten: Steve geht es ausnehmend gut, seine Mutter freut sich für ihn, ein
neues Leben beginnt. Doch alsbald schrumpft das Bild wieder, die Situation kippt, wird beengend wie eh und je. Dolans
eigenwilliger Stil funktioniert dramaturgisch ausgezeichnet. Ebenso ausgezeichnet sind seine drei Hauptdarsteller: die
etwas flippige Mutter, die ihren Sohn über alles liebt und dafür sogar seine Gewaltausbrüche toleriert, wird wunderbar
verkörpert von Anne Dorval. Steve selbst wird von Antoine-Olivier Pilon in einer Power-Performance zum Leben
erweckt, seine Unberechenbarkeit erschreckt. Und Suzanne Clément schließlich spielt die etwas schüchterne und
stotternde Nachbarin, die nicht weiß, worauf sie sich einlässt. MOMMY ist intensives Drama, das durchaus unter die
Haut gehen kann, wäre es nur nicht so lang.
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Freitag, 26. September 2014 Killer in der Sinnkrise Genrekino aus Deutschland ist eher unüblich. Umso mehr war das heutige Screening willkommen DIE EINSAMKEIT DES KILLERS VOR DEM SCHUSS (1:2.35, 5.1) Verleih: Camino Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Florian Mischa Böder Darsteller: Benno Fürmann, Mavie Hörbiger, Wolf Roth Kinostart: 13.11.2014
Vor acht Jahren ließ sich Koralnik vom Geheimdienst anwerben und zu einem Elite-Killer ausbilden. Seither wartet er
auf seinen ersten Auftrag. Doch nichts passiert. Nicht einmal seinen Nachbarn, der ihm mit der Eigentümerversammlung
ziemlich auf die Nerven geht, darf er eliminieren. Der Zufall will es, dass er ausgerechnet während eines Dates mit einer
unbekannten Blondine, die einen Kratzer in sein Auto gefahren hat, seinen ersten Auftrag erhält: er soll eine Zielperson
in Belgien eliminieren... Ein Killer in der Sinnkrise. Das war die Intention von Regisseur Florian Mischa Böder, der
damit ganz bewusst einen Kontrapunkt zu den sonst genreüblichen Darstellungen des eiskalte, obercoolen Killers setzen
wollte. Ein Killer also, der vor allem durch seine Schwächen menschlich erscheint. Und genau das ist ihm mit der Figur
des Koralnik gelungen, die er mit Benno Fürmann wunderbar besetzt hat. Auch wenn sich die schwarze Komödie des
Öfteren mit einer recht zähen Inszenierung herumschlagen muss, gebührt dem Regisseur ein Lob dafür, dass er
überhaupt ein solches Thema angegangen ist. Mit ein paar Kürzungen würde hier ganz bestimmt das Tempo dieses in
der Bildgestaltung überzeugenden Killerfilms stimmen. Die vielen schwarzhumorigen Ansätze zumindest machen
Laune.
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Donnerstag, 25. September 2014 Quatsch ohne Soße Der heutige Kinotag hielt ein interessantes Triple für mich bereit TRAUMLAND (1:2.35, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Schweiz, Deutschland 2013 Regie: Petra Volpe Darsteller: Luna Mijovic, André Jung, Bettina Stucky, Devid Striesow Kinostart: 20.11.2014
Zürich an Heiligabend. Ausnahmezustand für Einsame: der geschiedene Rolf, der um die Gunst seiner Tochter kämpft
und sich mit seinem Vater im Heim zankt; die verwitwete Maria, die sich endlich ein Herz fasst und einen Freund
einlädt; die schwangere Lena, die entdeckt, dass ihr Mann zu Prostituierten geht; die Sozialarbeiterin Judith, die
fremdgeht und deshalb von ihrem Mann verlassen wird; und die junge Prostituierte Mia, die zu ihrer kleinen Tochter
nach Bulgarien möchte. Ihre Schicksale kreuzen sich in dieser Nacht, die nicht für alle ein gutes Ende haben wird...
Während die Einen am Weihnachtsabend ihre Geschenke öffnen, öffnen sich Andere die Pulsadern. Das könnte
zumindest der Stimmung nach der Leitsatz von Petra Volpes Anti-Weihnachtsfilm TRAUMLAND gewesen sein. In
ihrem Film konzentriert sie sich ganz bewusst auf die Kehrseite der Medaille. Ihre Protagonisten sind alles andere als
glücklich. Sie sehnen sich nach Geborgenheit und Zärtlichkeit, müssen sich aber zumeist mit Einsamkeit quälen.
Speziell am Weihnachtsabend wird diese Einsamkeit unerträglich. In den atmosphärisch beeindruckenden Bildern von
Kamerafrau Judith Kaufmann (zurecht für den Deutschen Kamerapreis 2014 nominiert) manifestiert sich diese
Einsamkeit, dem Zuschauer wird das deprimierende Gefühl hautnah vermittelt. Da sieht man beispielsweise den
geschiedenen ganz links im Bild auf einer Rolltreppe stehend, die ihn nach unten bringt. Weit und breit gibt es in dem
neonfarbenen, kalten CinemaScope-Bild keine weiteren Menschen. Hier wird die Einsamkeit auf den Punkt gebracht,
noch verstärkt durch die melancholische Filmmusik. Das Darstellerensemble überzeugt bis in die kleinsten Nebenrollen,
sie alle wirken sehr authentisch. Petra Volpes Debütfilm erweist sich als intensive, harte Milieustudie, die nichts
beschönigt, auch wenn noch so viele Weihnachtsdekorationen ins Bild gerückt werden.
QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE (1:1.85, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2013 Regie: Veit Helmer Darsteller: Nora Börner, Justin Wilke, Florentine Morawe, Samuel Finzi, Fritzi Haberlandt, Benno Fürmann Kinostart: 06.11.2014
Das kleine Bollersdorf ist der Nabel der Welt und wird von der Gesellschaft für Konsumforschung als das
durchschnittlichste Dorf der Welt ermittelt. Ab jetzt dürfen die Bollersdorfer als Erste neue Produkte kaufen und
ausprobieren, wie etwa grüne Cornflakes oder absurde Haartrockner. Und damit das Dorf auch immer Durchschnitt
bleibt, werden alle Opas und Omas in ein Altenheim verfrachtet, damit sie mit ihren Enkelkindern keinen Unfug machen
können. Den Enkelkindern passt das aber gar nicht und so schmieden sie zusammen mit ihrem Maskottchen, dem
Nasenbär Quatsch, einen Plan, um Bollersdorf überdurchschnittlich zu machen... Wer die Filme von Veit Helmer kennt,
der weiß, dass hier oft recht Skurriles auf einen zukommen kann. Das trifft auch auf QUATSCH UND DIE
NASENBÄRBANDE zu, einem Kinderfilm des Regisseurs. Will heissen: ein Film mit Kindern für Kinder und für alle
Erwachsenen, die sich ihr kindliches Gemüt bewahrt haben. QUATSCH mutet an wie eine zeitgenössische Version der
KLEINEN STROLCHE. Denn die Kinder in diesem Film sind alle noch im Kindergartenalter. “Freiheit oder
Tanzkreis?” lautet ihre Devise, als sie über den Holzzaun ihres Kindergartens türmen, um sinnvollere Dinge zu tun. Wie
beispielsweise ihre Omas und Opas aus dem Altenheim befreien, in welchem die verrückten Alten mittels
Medikamenten ruhig gestellt werden. Dass dabei dann fast das gesamte Dorf in Schutt und Asche gelegt wird ist eines
der Risiken und Nebenwirkungen, wenn man sich von einem Nasenbär anführen lässt. Doch das Zuschauen bei derlei
Unfug macht richtig Spaß! Immerhin dient die ganze Aktion ja einem guten Zweck und soll letztendlich die bösen
Männer von der Gesellschaft für Marktforschung aus Bollersdorf vertreiben. Denn es gibt nichts Langweiligeres als
durchschnittlich zu sein. Es ist dieses Quentchen als Zeit- und Gesellschaftskritik, das aufgeschlossene Erwachsene für
sich mit nach Hause nehmen können. Und wenn man sich als Kind oder gar als Erwachsener manchmal währen des
Films fragt, wie denn die kleinen Darsteller so problemlos auf einen Kran steigen oder ein Müllauto fahren können, dann
hält der Abspann hierfür die Auflösung bereit. Inszenatorisch wartet Helmers Film mit einer ganzen Reihe von netten
Ideen auf. Da gibt es nicht nur Gesangs- und Tanzeinlagen, sondern auch eine ganze Menge an mechanischen Wundern
zu bestaunen. Und last but not least: die Tonspur, auf der die Kinder oft zu fetzigen Liedern anstimmen, rockt!
MÄNNERHORT (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Franziska Meyer Price Darsteller: Elyas M'Barek, Christoph Maria Herbst, Detlev Buck Kinostart: 02.10.2014
Eroll, Lars und Helmut haben die Schnauze voll. Im zentralen Heizungskeller ihrer Neubausiedlung haben sie sich
heimlich eine frauenfreie Zone eingerichtet, um dem ständigen Geschwätz, dem Sex, dem Kaufrausch ihrer besseren
Hälften für ein paar Stunden am Tag entfliehen zu können. Hier in ihrem Männerhort könne sie tun und lassen was sei
wollen: Fußball gucken, Bier trinken, Abhängen. Als jedoch der übereifrige Hausmeister türkischer Abstammung das
geheime Lager entdeckt, ist Schluss mit lustig. Binnen zwei Tagen sollen sie ihren Wohlfühlort räumen. Was tun? Die
drei Jungs schmieden einen Plan... Franziska Meyer Prices Film erweist sich als Paradebeispiel für jenes junge deutsche
Kino, das sich lieber mit oft anzüglichen One-Linern Zuspruch erkaufen will denn mit richtigen Dialogen. Alles andere
würde vermutlich auch die Zielgruppe intellektuell überfordern. Da konzentriert man sich doch lieber auf
Kraftausdrücke (“Tourette-Fotze”), bringt eine Plastikvagina ins Spiel (“Die ist ja retro – mit Haaren!”) und überlässt
einem Staubsauger das “Blasen”! Letzteres Unglück passiert natürlich dem übersexten Lars alias Christoph Maria
Herbst, ein “Stromberg” ohne Bart, aber mit Haaren. Immerhin sind seine One-Liner die scharfzüngigsten und
sarkastischten im ganzen Film. Wenn es im Film mal ganz wenig zu sagen gibt, wird die Tonspur mit Filmmusik
zugeknallt, als gelte es, die Schweigeminute mit einem akustischen Frontalangriff zu kaschieren. Das nervt nach einer
gewissen Zeit leider gehörig. In der Rolle des arbeitslosen Helmut beweist Detlev Buck, dass er genau eines nicht kann:
nämlich einen schwulen Piloten spielen. Oft steht der blonde Riese einfach nur so als Dekoration im Raum herum oder
beschwert die Couch. Etwas mehr Emotionen hätten nicht geschadet. Für die Girlies im Publikum gibt es dann natürlich
Elyas M'Barek als Softwareentwickler Eroll, der von seiner Freundin ständig sexuell bedrängt wird. Der Ärmste! Die
Girlies werden dahinschmelzen – dem nackten Oberkörper sei Dank. Wem eindeutig zweideutiges Kino gefällt, wird
durchaus Spaß haben mit diesem Männerclub, für den man am besten die Erwartungen herunterschraubt – bis unter die
Gürtellinie.
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Dienstag, 23. September 2014 Maler und Läufer Erst visuell betörend, danach inhaltlich verstörend – mein heutiges Double Feature. MR. TURNER – MEISTER DES LICHTS (1:2.35, DD 5.1) OT: Mr. Turner Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: Großbritannien 2014 Regie: Mike Leigh Darsteller: Timothy Spall, Paul Jesson, Dorothy Atkinson Kinostart: 06.11.2014
In seinem neuesten Film zeichnet Regisseur Mike Leigh einige der Stationen des britischen Malers William Turner, der
im 18. Jahrhundert lebte und insbesondere die Spielarten des Lichts in seinen Bildern zum Ausdruck brachte. Der Film
mutet wie ein Potpourri aus Turners Leben an, Momentaufnahmen, die ihn als Exzentriker und kompromisslosen
Künstler zeigen, der gerne falsche Identitäten annimmt, seine Frau und Kinder verleugnet und Affären hat. Leighs Film
hat zwei Stars zu bieten: Timothy Spall in der Titelrolle und Dick Popes hervorragende Kameraarbeit, die dank der
visuellen Effekte das Universum des William Turner zum Greifen nah vermittelt.
MAZE RUNNER – DIE AUSERWÄHLTEN IM LABYRINTH (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Maze Runner Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2014 Regie: Wes Ball Darsteller: Dylan O'Brien, Kaya Scodelario, Thomas Brodie-Sangster, Will Poulter Kinostart: 16.10.2014
Als Frischling bezeichnen die anderen Jungen den mittels einer Art von Fahrstuhl in die hermetisch abgeriegelte
Waldlichtung geworfenen Neuankömmling. Wie alle anderen zuvor kann auch er sich an gar nichts mehr erinnern.
Schnell erkennt er, dass er in einem riesigen Gefängnis sitzt, umgeben von einer riesigen Steinwand, die sich als ständig
veränderndes Labyrinth herausstellt. Seit drei Jahren sind die anderen Jungen bereits hier und haben eigene Regeln für
ihr Zusammenleben aufgestellt und die Gruppe in verschiedene Aufgabenbereich eingeteilt. Eine dieser Gruppen sind
die Läufer, die immer morgens, wenn sich das Labyrinth öffnet, dort hineingeschickt werden, um einen Ausgang zu
finden. Doch im Labyrinth lauern tödliche Gefahren... Der Haufen Jungen unterschiedlichen Alters, die in ihrer
Waldlichtung gefangen scheinen, erinnert sofort an die Ausgangssituation von HERR DER FLIEGEN. Tatsächlich
scheint sich Wes Balls Film auch zunächst in diese Richtung zu entwickeln. Was passiert mit einer Zufallsgemeinschaft,
die nicht entrinnen kann, wie ist die Psychologie in der Gruppe, wie verhält es sich mit der Gruppendynamik? Die
Rivalität zwischen Thomas und Gally ruft hier Erinnerungen wach. Um zu Überleben, muss man die selbst auferlegten
Regeln brechen. Doch es kommt dann doch alles ganz anders. Spätestens dann nämlich, wenn Thomas das Labyrinth
betritt und sich einen Zweikampf mit einem der Griever genannten spinnenähnlichen biomechnischen Monster liefert
(was wiederum Erinnerungen an die Bugs aus STARSHIP TROOPERS hervorruft). Dennoch liefert MAZE
RUNNER zumindest zeitweise recht spannende und visuell gut umgesetzte Unterhaltung, die allerdings durch das völlig
unbefriedigende Ende wieder zunichte gemacht wird. Ein Ende, das dem Zuschauer klar macht, nur die Spitze des
Eisbergs gesehen zu haben. Im Hinblick auf die Darsteller überzeugt insbesondere Will Poulter als der streitsüchtige
Gally.
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Montag, 22. September 2014 Französisches Doppel Zu Beginn der neuen Filmwoche gab es gleich zwei französische Dramen zu begutachten DIE SPRACHE DES HERZENS (1:1.85, DD 5.1) OT: Marie Heurtin Verleih: Concorde Land/Jahr: Frankreich 2014 Regie: Jean-Pierre Améris Darsteller: Isabelle Carré, Ariana Rivoire, Brigitte Catillon Kinostart: 01.01.2015
Sie zappelt wie ein wildes Tier, als die blinde und taube Marie als junges Mädchen in die Obhut von Schwester
Marguerite, einer auf Gebärdensprache spezialisierten Nonne gegeben wird. Erst nach vielen Monaten gelingt es ihr mit
viel Liebe und Geduld, eine Beziehung zu Marie aufzubauen und sie zu unterrichten. Doch Marguerites Gesundheit
verlangt ein großes Opfer... Nach einer wahren Begebenheit erzählt Jean-Pierre Améris‘ Film die Geschichte der Marie
Heurtin, die Ende des 19. Jahrhunderts als blindes und taubes Mädchen geboren wurde und erst durch den
unermüdlichen Einsatz einer Nonne aus ihrem inneren Gefängnis ins Leben fand. Ohne viel Pathos, dafür aber mit zwei
grandiosen Darstellerinnen sowie wundervollen Bildern schildert das Drama auf eindringliche Weise etwas kaum
Vorstellbares, das fast einem Wunder gleichkommt: Marie erlernt die Gebärdensprache ohne je das Licht der Welt
gesehen zu haben und ohne je einen Laut gehört zu haben.
BEVOR DER WINTER KOMMT (1:2.35, DD 5.1) OT: Avant L’Hiver Verleih: Polyband (24 Bilder) Land/Jahr: Frankreich, Luxemburg 2013 Regie: Philippe Claudel Darsteller: Daniel Auteuil, Kristin Scott Thomas, Leïla Bekhti Kinostart: 13.11.2014
Paul ist ein erfolgreicher Hirnchirurg und seit mehr als 30 Jahren glücklich mit Lucie verheiratet. Der gemeinsame Sohn
hat längst selbst eine eigene Familie. Eines Tages lernt Paul zufällig die attraktive Lou kennen, eine Kunststudentin,
deren geheimnisvolles Wesen ihn magisch anzieht und die bald schon sein Leben aus den eingespielten Bahnen geraten
lässt... Bevor der Winter kommt – der Titel bezieht sich auf das Aufleben, das Paul erfährt, als er eine Auszeit nehmen
muss und Lou kennenlernt und sich auch sonst einiges in seinem Leben ändert. Er beginnt sein gesamtes bisheriges
Leben zu hinterfragen. Die Masken der bürgerlichen Idylle fallen ganz allmählich, Geheimnisse kommen ans Tageslicht.
Mit Daniel Auteuil und Kristin Scott Thomas ist der Film in den Hauptrollen prominent besetzt. Leider gibt das
Drehbuch ein paar Rätsel auf, die nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst werden.
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Freitag, 19. September 2014 Der gefallene Cop Zum Abschluss einer vollen Pressewoche gab es einen Krimi RUHET IN FRIEDEN – A WALK AMONG THE TOMBSTONES (1:2.35, DD 5.1) OT: A Walk Among The Tombstones Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: USA 2014 Regie: Scott Frank Darsteller: Liam Neeson, Ruth Wilson, Dan Stevens Kinostart: 13.11.2014
Seit einem tragischen Unfall hat Matt Scubber den Polizeidienst quittiert und arbeitet als Privatdetektiv. Eines Tages
wird er von einem erfolgreichen Drogendealer angeheuert, die Mörder seiner Frau aufzuspüren. Diese wurde entführt
und trotz gezahltem Lösegeld in Einzelteilen zurückgeschickt. Im Laufe seiner Ermittlungen wird Scubber schon bald
klar, dass die Frau nicht das erste Opfer der eiskalten Killer war. Während er langsam auf die Fährte der Mörder kommt,
haben die sich schon ihr nächstes Opfer ausgesucht... Wenn ein Schauspieler den abgehalfterten Cop, der als
Privatdetektiv über die Runden zu kommen versucht, spielen kann, dann ist es Liam Neeson. Für die Rolle des dem
Alkohol abgeschworenen Ex-Cop Matt Scudder erweist sich Neeson als exzellente Wahl. Regisseur und Drehbuchautor
Scott Frank erspart dem Mimen die Peinlichkeiten, die ihm in den TAKEN-Filmen aufgezwungen wurden. Weder muss
er sich an halsbrecherischer Action versuchen noch eine Großstadt in Schutt und Asche legen. Dafür liegt eine
Vergangenheit hinter Matt Scudder, auf die er alles andere als stolz ist. Lawrence Block hat die Figur der traurigen
Gestalt entworfen und sie zur Hauptfigur von mindestens 20 Romanen gemacht. Einen dieser Romane hat nun Scott
Frank für die Kinoleinwand umgesetzt und damit einen relativ spannenden Thriller abgeliefert. Langeweile gibt es hier
nicht, dafür aber ein paar Unstimmigkeiten, die für das Genre typisch sind. Stören tun diese allerdings nur dann, wenn
man sich darauf konzentriert. Fazit: passable Krimikost.
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Donnerstag, 18. September 2014 Noch nie war ein Job so wertvoll wie heute Heute gab es volles Programm: Sozialdrama, Dramödie und Animationsfilm. ZWEI TAGE, EINE NACHT (1:1.85, DD 5.1) OT: Deux Jours, Une Nuit Verleih: Alamode (Wild Bunch) Land/Jahr: Belgien, Frankreich, Italien 2014 Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne Darsteller: Marion Cotillard, Fabrizio Rongione, Pili Groyne Kinostart: 30.10.2014
Der Arbeitgeber lässt die Belegschaft abstimmen: entweder behält Sandra ihren Job oder alle Anderen erhalten eine
Prämie. Die Kollegen entscheiden sich für die Prämie. Weil die Abstimmung jedoch nicht ganz korrekt zustande kam,
soll nach dem Wochenende nochmals abgestimmt werden. Mit Hilfe ihres Mannes will Sandra alle ihre Kollegen am
Wochenende aufsuchen und sie davon überzeugen, für sie zu stimmen. Für die labile junge Frau und Mutter beginnt die
härteste Zeit ihres Lebens... Mit ZWEI TAGE, EINE NACHT haben die Dardenne-Brüder ein sehr intensives
Sozialdrama abgeliefert, das vor allem dank der großartigen Marion Cotillard unter die Haut geht. Als Zuschauer ist
man verdammt nah dran an Sandra und hofft gemeinsam mit ihr, dass es ihr gelingt, ihren Job zu retten. Ob es ihr gelingt
oder nicht, das soll hier natürlich nicht verraten werden. Nur soviel: Sandra wird am Ende gestärkt aus der ganzen
Situation hervorgehen. Der Verzicht auf Filmmusik und die mit natürlichem Licht aufgenommenen Bilder sorgen dafür,
dass der Film extrem authentisch wirkt.
SIEBEN VERDAMMT LANGE TAGE (1:2.35, DD 5.1) OT: This Is Where I Leave You Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2014 Regie: Shawn Levy Darsteller: Jason Bateman, Tina Fey, Jane Fonda Kinostart: 25.09.2014
Vier erwachsene Geschwister sollen auf Wunsch ihres verstorbenen Vaters eine siebentägige Trauerfeier im Haus der
Mutter abhalten. Die sehr unterschiedlichen Charaktere samt ihrer komplizierten Beziehungsproblemen prallen jetzt
nach langer Zeit wieder aufeinander und kein Stein bleibt auf dem anderen... Shawn Levys dramatische Komödie,
inszeniert nach einem Roman von Jonathan Tropper, läuft generalstabsmäßig ab. So als gelte es, einen Punktekatalog
abzuarbeiten. Da nützt dann auch das gesamte Ensemble nichts. Wie so eine Totenfeier mit Leben erfüllt werden kann,
bewies erst jüngst John Wells mit seiner Verfilmung von IM AUGUST IN OSAGE COUNTY.
DER KLEINE MEDICUS - BODYNAUTEN AUF GEHEIMER MISSION IM KÖRPER (1:2.35, 3D, 5.1) Verleih: Senator Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Peter Claridge Kinostart: 30.10.2014
Zwei Teens lassen sich auf Miniaturgröße schrumpfen, um in einem Mini-U-Boot den Körper des Großvaters zu
durchqueren und einen ihm von einem bösen Wissenschaftler eingespritzten Mini-Roboter unschädlich zu machen. Der
computeranimierte Film nach einem Buch von Prof. Dietrich Grönemeyer ist eine Teenager-Variante des
Hollywood-Klassikers DIE PHANTASTISCHE REISE. Was in der Buchvorlage vielleicht noch als eine Art
Aufklärung über den menschlichen Körper angedacht war, verkommt in der Kinoversion zu einem relativ holprig
inszenierten Actionfilm, mit dem sich vermutlich selbst die Zielgruppe langweilen dürfte.
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Mittwoch, 17. September 2014 Das Kratzen an der Oberfläche Beeindruckendes deutsches Kino heute in der Pressevorführung IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS (1:2.35, 5.1) Verleih: Universal Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Giulio Ricciarelli Darsteller: Alexander Fehling, André Szymanski, Friederike Becht Kinostart: 06.11.2014
Frankfurt 1958. Der äußerst korrekte Johann Radmann darf sich als Staatsanwalt bislang nur um Verkehrsdelikte
kümmern. Als ihm jedoch von dem Journalist Thomas Gnielka die Information zugespielt wird, dass an einer örtlichen
Schule ein ehemaliger SS-Offizier als Lehrer arbeitet, wird er hellhörig und beginnt mit Recherchen. Bald schon merkt
er, dass er erst ganz am Anfang eines Geflechts aus Lügen, Verleugnung und Verklärung steht und selbst seine direkten
Vorgesetzten mauern. Nur Generalstaatsanwalt Fritz Bauer unterstützt den jungen Radmann und überträgt ihm sogar die
Leitung der Ermittlungen, innerhalb derer Radmann mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte konfrontiert
wird: Auschwitz. - Basierend auf tatsächlichen Ereignissen inszenierte Giulio Ricciarelli diesen äußerst spannend
erzählten Polit-Thriller. Mit viel Liebe zum Detail lässt er die Jahre des deutschen Wirtschaftswunders Ende der
1950er-Jahre perfekt auferstehen. Kostüme, Dekorationen, Ausstattung – hier passt alles. Martin Langer und Roman
Osin schaffen im Farbton reduzierte CinemaScope-Bilder, die fesseln. Fesselnd auch die Darsteller. Ob Alexander
Fehling als der Grünschnabel unter den Staatsanwälten oder Gert Voss als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer – die
Gesichter sind sorgfältig ausgewählt, was sich bis in die kleinsten Nebenrollen fortsetzt. Bemerkenswert auch die
Filmmusik von Niki Reiser und Sebastian Pille, die sich oft ganz heimlich in die Tonspur einschleicht und damit eine
bedrohliche Grundstimmung erzeugt. Ricciarellis Langfilmdebüt ist ein beeindruckendes Porträt der deutschen
Nachkriegsgesellschaft, die am liebsten alles Geschehene vergessen möchte, einer Gesellschaft, in der es wesentlich
mehr Täter gab als vermutet wurde und die nur durch Seilschaften sowie die politischen Umstände bis dorthin
unentdeckt blieben.
SIN CITY 2 – A DAME TO KILL FOR (1:1.85, 3D, DD 5.1 + 7.1) OT: Sin City: A Dame To Kill For Verleih: Splendid Land/Jahr: USA 2014 Regie: Frank Miller, Robert Rodriguez Darsteller: Mickey Rourke, Jessica Alba, Joseph Gordon-Levitt, Powers Boothe, Josh Brolin, Eva Green, Dennis Haysbert, Rosario Dawson, Jamie Chung, Jaime King, Christopher Meloni, Jeremy Piven, Stacy Keach, Bruce Willis, Ray Liotta Kinostart: 18.09.2014
Wenn es einen gottverlasseneren Ort auf Erden gibt, dann dürfte es Sin City sein. 2005 holte uns Robert Rodriguez
erstmals in diesen Schmelztiegel aus Sex & Crime, dem Schauplatz von Frank Millers Graphic Novel. Hier geben sich
seine vernarbten Antihelden die Klinke in die Hand, schwingen schöne Frauen Peitschen und Pistolen. Fast zehn Jahre
danach hat sich nichts verändert. Nahtlos nehmen Rodriguez und sein Co-Regisseur Frank Miller wieder den Faden an
der Stelle auf, an der sie ihn damals haben fallen lassen. Vier ineinander verwobene und in Blut getränkte Geschichten
nehmen jetzt ihren Lauf. Der junge Johnny besiegt einen Senator beim Pokerspiel und muss hart dafür bezahlen. Der
kantige Dwight soll für seine ehemalige Geliebte Ava morden. Stripperin Nancy will den toten Polizisten John Hartigan
rächen. Der entstellte Marv beschützt nicht nur Nancy, sondern rettet auch Obdachlose vor einer brutalen Jugendgang
und hilft auch seinem Kumpel Dwight. Die revolutionäre Digitaltechnik, mit der Rodriguez dabei seine Vision von Sin
City umsetzt, ist die gleiche geblieben. Schwarzweiß dominiert, rote, gelbe oder gar blaue Farbkleckse schleichen sich
ins Bild. Ungewöhnliche Perspektiven, das Arbeiten mit Tiefenschärfe – Elemente, die direkt aus der Comic-Vorlage
entsprungen sind – sorgen für faszinierende Bilder, die oft mit kernigen Sprüchen aus dem Off unterlegt sind. Wie schon
im ersten Teil, so lassen die Herren Rodriguez und Miller auch dieses Mal wieder nicht nur nackte Haut, sondern auch
nackte Gewalt regieren. Da werden Körper mit Pfeilen durchbohrt, von Schwertern fein zerteilt, mit Fäusten bearbeitet
und Augen aus ihrer Verankerung gerissen. Zart Besaitete mögen sich daran stören, doch es ist fester Bestandteil des
künstlerischen Konzepts und hochgradig ästhetisch dazu. Als kleines Bonbon gibt es einen amüsanten Kurzauftritt von
Christopher Lloyd, der als abgehalfterter Doc lieber sich selbst als seinem Patienten die Beruhigungsspritze gibt.
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Dienstag, 16. September 2014 Belgien sehen und sterben Das erste Screening heute hat es bewiesen: es gibt sie noch, die guten deutschen Filme. HIN UND WEG (1:2.35, 5.1) Verleih: Majestic (Fox) Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Christian Zübert Darsteller: Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel Kinostart: 23.10.2014
Einmal im Jahr bricht die Clique um Hannes und Kiki zu einer ausgedehnten Fahrradtour auf. Ihr neues Ziel lautet
Belgien. Doch dieses Mal ist etwas anders: erst während der Tour eröffnet Hannes seiner Clique, dass er an ALS leidet
und sich für Sterbehilfe in Oostende entschlossen hat. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen wird die Radtour
für alle Beteiligten zu einer großen Bewährungsprobe... Für seinen Road-Trip auf dem Fahrrad hat Regisseur Christian
Zübert ein handverlesenes Ensemble zusammengestellt. Ob Florian David Fitz als Todeskandidat, Julia Koschitz als
dessen Freundin Kiki, Jürgen Vogel als Frauenheld Michael oder Victoria Mayer und Johannes Allmayer als Paar mit
Sex-Problemen – sie alle liefern fabelhafte Performances jenseits von Kitsch und Klischee ab. Denn die von ihnen
dargestellten Charaktere sind durchweg glaubwürdig. Das Drehbuch hält die perfekte Balance zwischen Komödie und
Drama und läuft nie Gefahr in amerikanischen Kitsch abzurutschen. Kameramann Ngo The Chau taucht die teils
idyllischen Bilder in weiches, diffuses Licht, die Zübert mit ausgewählten Songs stimmungsvoll unterlegt. HIN UND
WEG ist emotional aufwühlendes, sehr intensives Kino, für das man sich mit ausreichend Taschentüchern bewaffnen
sollte.
PLÖTZLICH GIGOLO (1:1.85, DD 5.1) OT: Fading Gigolo Verleih: Concorde Land/Jahr: USA 2013 Regie: John Turturro Darsteller: John Turturro, Woody Allen, Vanessa Paradis, Sharon Stone Kinostart: 06.11.2014
Um endlich die Geldsorgen zu überwinden, schlägt der alte Murray seinem Freund Fioravante vor, sich als Gigolo zu
versuchen. Als dessen anfängliche Ressentiments überwunden sind, arrangiert Murray einen ersten Termin: Fio soll
Murrays Hautärztin Dr. Parker beglücken, sozusagen als Vorgeschmack auf eine Menage-a-Trois, die Parker gerne
einfädeln möchte. Schon bald ist Fio ein gefragter Mann und Murray kassiert kräftig ab. Doch in der jüdisch-orthodoxen
Umgebung in New York betrachtet man die seltsamen Aktivitäten mit Besorgnis... Wüsste man es nicht besser, so
könnte man glatt auf die Idee kommen, dass es sich bei PLÖTZLICH GIGOLO um einen Woody Allen Film handelt.
Sowohl die Bild- als auch Tongestaltung (hier insbesondere die Musikauswahl) sind ganz offensichtlich durch Woodys
Filme inspiriert, so dass John Turturros Film durchaus als eine Hommage an den großen Filmemacher verstanden
werden darf. Sozusagen als Sahnehäubchen hat Turturro die Rolle des jüdischen Zuhälters Murray seinem Kollegen
Woody Allen auf den Leib geschrieben und der hat großen Spaß dabei, diesen nach Herzenslust in seiner
unvergleichlichen Art und Weise zu spielen. Leider gerät diese Komödie spätestens dann in Schieflage, wenn sich
Gigolo Fioravante in die von Vanessa Paradis gespielte Avigal verliebt und der Film plötzlich einen relativ ernsten
Charakter erhält. Immerhin stimmt das offene Ende dann wieder versöhnlich.
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Montag, 15. September 2014 Zwei Sängerinnen und ein Grantler Die neue Pressewoche begann mal wieder mit einem Wechselbad der Gefühle AUF DAS LEBEN! (1:1.85, 5.1) Verleih: Camino Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Uwe Janson Darsteller: Hannelore Elsner, Sharon Brauner, Max Riemelt Kinostart: 27.11.2014
Der vor Problemen geflohene und in Berlin als Umzugshelfer jobbende Jonas rettet den einstigen Gesangsstar Ruth
Weintraub in letzter Sekunde vor dem Selbstmord. Während sie sich in einer Klinik einer Gruppentherapie unterzieht,
findet er in ihrer Wohnung alte Filmrollen und einen Projektor. Durch die Filme erfährt Jonas von Ruths großer Liebe
zu Victor, einem Filmstudenten, der 1972 ein Filmporträt von ihr anfertigt und Jonas auf verblüffende Weise ähnlich
sieht. Er beschließt, Ruth zu helfen... Dass die Chemie zwischen Hannelore Elsner und Max Riemelt einfach nicht
stimmt, könnte man durchaus noch verschmerzen. Man kann hier einfach nicht nachvollziehen, was der junge Mann an
der alten Dame findet. Was den Film dann aber völlig ruiniert, das sind die vielen kleinen Drehbuchausrutscher, etwa
wenn Jonas die suizidgefährdete Ruth heimlich aus der geschlossenen Anstalt holt. Oder wenn später dann der
Psychologe selbst an Ruths Tür klopft und sie zu einem Anstaltskonzert einlädt, bei dem sie der Star ist. Oh Gott – was
ist das nur für ein Psychologe! Fernab jeglicher Realität wird hier eine Story konstruiert, die dem Publikum als
glaubwürdig verkauft werden soll. Wenn sich Jonas dann am Ende sogar als von Multipler Sklerose befallener Patient
entpuppt, der vor lauter Mitleid für seine Verlobte diese verlassen hat, um ihr sein Leid zu ersparen, dann fällt einem
nichts mehr dazu ein. Fazit: TV-Unterhaltung auf dem Tiefpunkt.
DAS GRENZT AN LIEBE (1:2.35, DD 5.1) OT: And So It Goes Verleih: Senator Land/Jahr: USA 2014 Regie: Rob Reiner Darsteller: Michael Douglas, Diane Keaton, Sterling Jerins Kinostart: 06.11.2014
Der verwittwete Immobilienmakler Oren Little versteht es aufs Vorzüglichste, sich jedermann zum Feind zu machen.
Als er jedoch über nacht plötzlich zum Opa wird, weil er die ihm bis dahin vollkommen unbekannte 10jährige Tochter
seines Sohnes in Obhut nehmen muss, beginnt seine rauhe Schale zu schmelzen. Mehr noch: seine Nachbarin Leah, eine
Sängerin und ebenfalls verwittwet, bringt seine Hormone in Wallung... Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Rob
Reiners neuer Film Erinnerungen an BESSER GEHT’S NICHT mit Jack Nicholson hervorruft: beide Drehbücher
stammen vom selben Autor, Mark Andrus. Jetzt ist es Michael Douglas, der den “Grumpy Old Man” spielt und der erst
im Laufe des Films seinen weichen Kern offenbart. Die vollkommen unspektakuläre Geschichte wird extrem ruhig
erzählt und verlässt sich dabei voll und ganz auf seine Protagonisten, wodurch sie sich wohltuend vom hektisch
erzählten Hollywood-Kino abhebt. Dass es aber nach wie vor Hollywood-Kino ist, beweist der Film mit seinem Happy
End, das bis zum Exzess vorgeführt wird, anstatt es schon zu einem früheren Zeitpunkt mit einem durchaus
versöhnlichen, aber dennoch offenen Ende abzuschließen.
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Freitag, 12. September 2014 Fäkalhumor satt Kein besonders appetitanregender Ausklang der Pressewoche SEX ON THE BEACH 2 (1:2.35, 5.1) OT: The Inbetweeners Movie 2 Verleih: SquareOne/Universum (Walt Disney) Land/Jahr: Großbritannien 2014 Regie: Damon Beesley, Iain Morris Darsteller: Simon Bird, James Buckley, Blake Harrison Kinostart: 30.10.2014
Eigentlich sollten es Will, Simon und Neil besser wissen, doch die schlüpfrigen Geschichten von Aufschneider Jay, der
ein Auslandsjahr in Australien verbringt, klingen einfach zu geil als dass sie nicht wahr sein könnten. “Also nichts wie
hin!” denkt sich das Studentenrudel – und schon ist die Clique “Down Under” auf der Suche nach dem “Ersten Mal”.
Und tappt von einem Fettnäpfchen ins nächste. Der vom Regiegespann Damon Beesley und Iain Morris inszenierte Film
ist bereits der zweite Kinofilm, der auf der erfolgreichen britischen TV-Serie THE INBETWEENERS basiert. Auch
jetzt geht es wieder um die vier Jungs, die unermüdlich versuchen, ihre Pubertät endlich an den Nagel zu hängen – und
das im fortgeschrittenen Alter. Das Studentenquartett lässt dabei selbstverständlich keine Möglichkeit aus, sich in
Anzüglichkeiten jeglicher Art sowie Fäkalhumor bis zur Kotzgrenze zu verirren. Echter Humor blitzt hier leider nur
ganz punktuell auf und fällt damit nicht ins Gewicht. Somit empfiehlt sich SEX ON THE BEACH 2 einmal mehr nur
für infantile Menschen, die meinen, dass man selbst noch aus einem Stuhlgang einen Gag zaubern kann. Unterhaltung
geht anders.
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Donnerstag, 11. September 2014 Romanze und Fotografien Erst ein schöner Liebesfilm, danach traurige Realität. LOVE, ROSIE – FÜR IMMER VIELLEICHT (1:2.35, DD 5.1) OT: Love, Rosie Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland, Großbritannien 2014 Regie: Christian Ditter Darsteller: Lily Collins, Sam Claflin, Jaime Winstone Kinostart: 30.10.2014
Rosie und Alex sind Freunde fürs Leben von Kindesbeinen an. Und sie sind eigentlich füreinander bestimmt.
Gemeinsam wollen sie in Boston studieren. Doch das Schicksal meint es anders mit den beiden: Rosie wird unfreiwillig
schwanger, was sie Alex verschweigt. Der muss nun alleine nach Boston gehen, ihre Wege trennen sich. Vorerst
jedenfalls... Der nach einem Roman von Juliette Towhidi inszenierte Film erweist sich als perfektes Date Movie. Dass
diese Romanze zwischen zwei besten Freunden funktioniert, liegt vor allem an den sympathischen Hauptdarstellern. Lily
Collins als Rosie und Sam Claflin als Alex lassen den Zuschauer teilhaben an dem Auf und Ab ihrer Freundschaft, die
zur Liebe wird. Dass es ein Happy End gibt steht dabei außer Frage. Wie es dazu kommt, hat Regisseur Christian Ditter
mit viel Witz und Gefühl inszeniert.
DAS SALZ DER ERDE (1:1.85, 5.1) OT: The Salt Of The Earth Verleih: NFP (Filmwelt) Land/Jahr: Frankreich, Brasilien 2014 Regie: Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado Darsteller: Sebastião Salgado Kinostart: 30.10.2014
Schon immer war Deutschlands großer Filmemacher Wim Wenders begeisterter Fan der Schwarzweiß-Fotografien des
Brasilianers Sebastião Salgado. Im Mittelpunkt seiner Bilder stehen immer Menschen, das “Salz der Erde”. Jetzt hat
Wenders eine Dokumentation über den berühmten brasilianischen Fotografen realisiert und konnte für sein Projekt
dessen Sohn Juliano Ribeiro als Co-Regisseur gewinnen. Eindrucksvoll werden die besonders prägenden
Lebensabschnitte Sebastião Salgados anhand der Fotografien aus seinen Bildbänden präsentiert und der Meisterfotograf
selbst kommentiert die Bilder. Alle Krisenherde dieser Welt hat Salgado in Bildern festgehalten. Bilder, die oft das
grausame Schicksal von Menschen in erschütternder Weise zeigen, Bilder, die unter die Haut gehen. Auch die
Geschichten, die Salgado zu den Bildern zu erzählen weiß, sind tief bewegend.
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Mittwoch, 10. September 2014 Ein Film liegt im Koma Nicht jeder Film kann ein Meisterwerk sein... WENN ICH BLEIBE (1:2.35, DD 5.1) OT: If I Stay Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2014 Regie: R. J. Cutler Darsteller: Chloe Grace Moretz, Mireille Enos, Joshua Leonard Kinostart: 18.09.2014
Ihre Liebe zur Musik verbindet sie: Mia, talentierte Cellistin, und Alan, Leadsänger einer lokalen Rockband, stehen erst
am Anfang ihrer großen Liebe. Erste Wolken ziehen am Horizont auf, als sich Mia zwischen Alan und einem
Musikstudium an der Juilliard School entscheiden soll. Und dann schlägt das Schicksal mit aller Härte zu: nach einem
Unfall liegt Mias Körper im Koma, ihre Seele wandelt unsichtbar durch das Krankenhaus. Während Mias Körper ums
Überleben kämpft, reflektiert ihre Seele ihr bisheriges Leben... Genau wie Mia so liegt leider auch der gesamte Film im
Koma. Eine äußerst zähe Inszenierung suggeriert, dass es sich hier um die Verfilmung einer in die Länge gezogenen
Kurzgeschichte handeln könnte. Den Darstellern gelingt es nicht, eine Verbindung mit dem Publikum aufzubauen – man
leidet weder mit den beiden Musikern noch freut man sich mit ihnen. Als letztes Mittel drückt Regisseur R.J. Cutler im
letzten Drittel des Films noch kräftig auf die Tränendrüse, um wenigstens noch ein paar Emotionen beim Publikum, das
er zu diesem Zeitpunkt bereits verloren haben dürfte, zu generieren. Zudem lässt die Tonspur des Films zumindest in der
Originalfassung zu wünschen übrig: den Musikaufnahmen fehlt die Dynamik.
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Dienstag, 09. September 2014 Von Priestern und Erinnerungshütern Filme im Doppelpack – Business as usual. AM SONNTAG BIST DU TOT (1:2.35, DD 5.1) OT: Calvary Verleih: Ascot Elite (24 Bilder) Land/Jahr: Irland 2014 Regie: John Michael McDonagh Darsteller: Brendan Gleeson, Chris O'Dowd, Kelly Reilly Kinostart: 23.10.2014
Ein irischer Dorfpriester erhält im Beichtstuhl eine Morddrohung: stellvertretend für alles, was die katholische Kirche
dem Beichtenden angetan hat, soll James Lavelle am nächsten Sonntag sterben. Dem Priester bleibt noch eine Woche,
um sein Haus in Ordnung zu bringen... Wieder sind Regisseur John Michael McDonagh und Hauptdarsteller Brendan
Gleeson vereint. Doch im Gegensatz zu der schwarzen Komödie THE GUARD entpuppt sich AM SONNTAG BIST
DU TOT als ein bitterböses Drama, das Massiv Front macht gegen die katholische Kirche, insbesondere jene in Irland.
Brendan Gleeson spielt den unorthodoxen Todeskandidaten sehr souverän, einen Priester mit Vergangenheit, der eine
Tochter hat, Menschen Waffen besorgt und auch sonst alles andere als erzkatholisch ist. Auch die anderen Figuren in
diesem perfiden Spiel sind äußerst sorgfältig ausgewählt und erwecken durch die Überzeichnungen ihrer Charaktere oft
den Eindruck einer schwarzen Komödie. Doch die Lacher bleiben einem meist im Halse stecken. McDonagh hat seinen
Film vor grandioser irischer Kulisse inszeniert, die hin und wieder Erinnerungen an David Leans RYANS TOCHTER
aufkommen lassen.
HÜTER DER ERINNERUNG – THE GIVER (1:2.35, 5.1) OT: The Giver Verleih: Studiocanal Land/Jahr: USA 2014 Regie: Phillip Noyce Darsteller: Jeff Bridges, Meryl Streep, Brenton Thwaites, Alexander Skarsgård, Katie Holmes, Odeya Rush, Taylor Swift Kinostart: 02.10.2014
Eigentlich ist die Welt, in der der 16jährige Jonas lebt, eine ideale Welt: Kriege und Gewalt gibt es nicht und alle sind
gleich. Die Kehrseite dieser Gesellschaftsform: es gibt keine Liebe. Kinder werden künstlich erzeugt, Berufe werden
staatlich zugewiesen. Jonas wird vom Ältestenrat zum neuen “Hüter der Erinnerungen” ernannt. Fortan lehrt ihm der
amtierende Hüter das gesamte Wissen der Menschheit. Dies soll ihn dazu ermächtigen, den Ältestenrat vor
Fehlentscheidungen zu bewahren. Doch je mehr Jonas von der wirklichen Welt kennenlernt, desto klarer wird ihm, dass
die Gesellschaftsform, in der er lebt, ein Gefängnis ist und sie auf Lügen und Verbrechen basiert. Und noch niemandem
ist es bisher gelungen, dieses Gefängnis zu verlassen... FLUCHT INS 23. JAHRHUNDERT lässt schön grüßen! Wer
den Film von Michael Anderson aus den 1970er Jahren kennt, der wird sich bei Phillip Noyces THE GIVER ziemlich
langweilen. Doch alternative Gesellschaftsformen haben seit DIE TRIBUTE VON PANEM wieder Hochkonjunktur
im Kino und so ist es kein Wunder, dass jetzt auch Lois Lowrys Roman für die Leinwand umgesetzt wurde. Eine durch
staatlich verordnete Drogeneinnahme nicht mehr zur Selbstreflexion fähige Gesellschaft ist freilich ein interessantes
Thema, dessen Umsetzung in einen Film durchaus spannend sein könnte. Doch spannend ist hier eigentlich gar nichts.
Zudem fehlt es den Charakteren an Tiefe, sie wirken wie Comicfiguren. Alleine Jeff Bridges in der Rolle des Hüters der
Erinnerung hat noch so etwas wie Charisma zu bieten. Gelungen indes ist die Farbdramaturgie des Films. Bei dem in
Schwarzweiß gehaltenen Film gibt es Farbe nur dann, wenn die enge, künstliche Umgebung verlassen wird und Jonas
die wirkliche Welt kennenlernt. Übrigens ist THE GIVER nach Luc Bessons LUCY der bereits zweite Film, der auf
Bildmaterial aus BARAKA und SAMSARA zurückgreift.
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Montag, 08. September 2014 Eine Odyssee Zum Auftakt der Pressewoche gab es einen Film, dessen Thema auch Teil meiner Familienchronik ist THE CUT (1:2.35, DD 5.1 + 7.1) Verleih: Pandora Land/Jahr: Deutschland, Frankreich, Polen 2014 Regie: Fatih Akin Darsteller: Tahar Rahim, Simon Abkarian, Makram Khoury Kinostart: 16.10.2014
Im Jahre 1915 wird der armenische Schmied Nazaret von seiner Familie getrennt und zusammen mit den anderen
armenischen Männern seines Dorfes von der türkischen Gendarmerie zusammengetrieben und versklavt. Nur knapp
kann Nazaret dem Völkermord entkommen. Als er Jahre später erfährt, dass seine Zwillingstöchter noch am Leben sind,
beginnt er mit großer Besessenheit nach ihnen zu suchen... Bis heute wird der Völkermord der Armenier durch die
Türken von der Türkei dementiert. Jetzt hat sich Regisseur Fatih Akin des Themas angenommen und es in einen
epischen Spielfilm verarbeitet. Er zeigt die Odyssee des armenischen Schmieds Nazaret, dessen Suche nach seinen
beiden Töchtern ihn am Anfang des 20. Jahrhunderts um die ganze Welt reisen lässt. Dabei schert sein Drehbuch nicht
etwa alle Personen über einen Kamm, sondern zeigt deutlich, dass es auf beiden Seiten, also den Türken und den
Armeniern, sowohl gute wie auch schlechte Menschen gibt. Kameramann Rainer Klausmann liefert teilweise
beeindruckende Landschaftspanoramen, die jedoch nie an die Qualitäten eines Freddie Young und dessen Arbeiten für
David Lean heranreichen. Tahar Rahim in der Rolle des überwiegend stummen Nazaret wirkt etwas unterfordert,
wodurch man als Zuschauer sein Schicksal nur aus der Distanz wahrnehmen kann.
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Freitag, 05. September 2014 Das Böse ist alltäglich Der Holländer Alex von Warmerdam wandelte in der letzten Pressevorführung der Woche auf den Spuren von Haneke BORGMAN (1:2.35, 5.1) OT: Borgman Verleih: Pandastorm (Neue Visionen) Land/Jahr: Niederlande, Belgien, Dänemark 2013 Regie: Alex van Warmerdam Darsteller: Jan Bijvoet, Hadewych Minis, Jeroen Perceval Kinostart: 02.10.2014
Ohne das Wissen ihres Mannes gewährt Marina dem Landstreicher Borgman Unterschlupf in der Villa ihrer Familie.
Der Unbekannte gewinnt im Laufe der Zeit immer größeren Einfluss auf die Frau und auch auf ihre drei Kinder. Kurze
Zeit darauf verschwindet der Gärtner auf mysteriöse Weise und Borgman nimmt eine neue Identität an, um sich als
neuer Gärtner voll in die Familie zu integrieren. Das allerdings ist erst der Anfang seines höchst perfiden Plans... Gleich
zu Beginn des Films sehen wir, wie sich drei Männer offensichtlich auf die Jagd vorbereiten. Dass einer von ihnen ein
Priester ist, der sich dann auch noch ganz entschlossen mit einem Gewehr bewaffnet, macht stutzig. Gemeinsam
marschieren sie wortlos in den Wald und suchen nach einem Erdloch. Darin haust ein Mensch, der jedoch in letzter
Sekunde fliehen kann. Auf seiner Flucht warnt er Verbündete, die ebenfalls in Erdlöchern hausen. Später erfahren wir,
dass es genau diese Menschen sind, die immer größeren Einfluss auf die van Schendel Familie hat. Der Schluss liegt
nahe, dass wir es hier nicht mit Menschen, sondern vielmehr mit Zauberern und Hexen in Menschengestalt zu tun haben.
Regisseur und Drehbuchautor Alex van Warmerdam, bekannt für ziemlich skurrile und schwarzhumorige Filme, will uns
hiermit zeigen, dass das Böse etwas ganz Alltägliches ist, das in ganz normalen Männern und Frauen verkörpert ist, die
ihren Aufgaben mit Stolz und Vergnügen sowie einer skrupellosen Gründlichkeit nachgehen. Sein Film ist dabei dieses
Mal alles andere als lustig. Skurril ja, aber nicht lustig. Er erinnert in seiner Kompromisslosigkeit am ehesten an die
Filme des Österreichers Michael Haneke. Und er lässt seine Zuschauer schon sehr früh ahnen, dass das alles kein gutes
Ende nehmen wird. Durch den fast vollkommenen Verzicht auf Filmmusik erreicht van Warmerdam eine sehr
authentische, dokumentarische Grundstimmung. Da stören allerdings die zwei oder drei Szenen, in denen es ganz kurz
auch Filmmusik gibt. Deren Dramaturgie erschließt sich leider nicht wirklich.
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Donnerstag, 04. September 2014 Ein geschiedenes Paar und hemmungsloser Sex Eine französische Komödie mit britischer Besetzung und eine neue Skandalverfilmung bildeten das heutige Double Feature WIE IN ALTEN ZEITEN (1:2.35, DD 5.1) OT: Love Punch Verleih: SquareOne/Universum Land/Jahr: Frankreich 2013 Regie: Joel Hopkins Darsteller: Pierce Brosnan, Emma Thompson, Timothy Spall Kinostart: 16.10.2014
Eigentlich wollte der glücklich geschiedene Richard endlich seinen wohlverdienten Ruhestand beginnen. Doch sein
Boss hat aufgrund eines Betrugs Pleite gemacht und so ist die Rente für sich und seine Ex-Frau Kate verloren. Damit sie
wieder an ihr Geld herankommen, müssen sich die geschiedenen Eheleute wohl oder übel wieder zusammenraufen.
Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Cannes, wo sie dem Betrüger auf den Leib rücken wollen... Es ist schon
erstaunlich, aber Pierce Brosnan hat bis heute nicht seinen James-Bond-Charme verlernt. Das liegt wohl daran, dass sich
der Gute erstaunlich gut gehalten hat, auch wenn er in diesem Film einen Kerl mimt, dem das Alter zunehmend zu
schaffen macht. Gleiches gilt natürlich auch für Emma Thompson, der hier leider in der deutschen Fassung eine recht
unglückliche Synchronstimme gegönnt wurde. Zusammen geben die beiden Briten auf jeden Fall ein sehr ansehnliches
Paar ab und man merkt richtig, dass den beiden der Dreh offensichtlich viel Spaß gemacht hat. Was den Film selbst
angeht, so hat man schon weitaus bessere Komödien gesehen. Wenn es um Diamantenklau an der französischen Riviera
geht, fällt einem sofort DER ROSAROTE PANTHER dazu ein. Dessen Qualitäten erreicht Joel Hopkins Film
natürlich bei Weitem nicht. Ganz im Gegenteil: ist WIE IN ALTEN ZEITEN zu Ende, hat man ihn vermutlich auch
schon wieder vergessen. Nicht vergessen hingegen hat man dann das Gefühl, recht kurzweilig unterhalten worden zu
sein.
SCHOßGEBETE (1:2.35, DD 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Sönke Wortmann Darsteller: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler Kinostart: 18.09.2014
Seit dem tödlichen Unfall fast ihrer ganzen Familie ist Elisabeth schwer traumatisiert und hat mehr Spleens entwickelt,
als andere Frauen Schuhe haben. Zwar ist sie mit Georg glücklich verheiratet, der gemeinsam mit ihr ihre uneheliche
Tochter erzieht, doch sie muss täglich auf die Therapiecouch, auf der sie ihrer Therapeutin ihr gesamtes Intimleben
offenbart. Nur eines macht Elisabeth noch richtig Freude: hemmungsloser Sex... Nach FEUCHTGEBIETE jetzt also
die nächste Verfilmung eines Bestsellers von Charlotte Roche. Die Zutaten sind dabei wieder dieselben: Sex, Sex und
Sex. Da darf sich dann das sensationslüsterne Herz des Zuschauers an einem flotten Dreier oder beim Dildokauf im
Sex-Shop (für Ihn, nicht für Sie!) erfreuen. Dazwischen gibt es dann noch jeden Menge Möglichkeiten, sehr Intimes bei
der Psychologin auszuplaudern. Und wem die offenherzigen Monologe der Protagonistin einfach zu wenig sind, für den
gibt’s dann sozusagen als Gratiszugabe noch ein Rudel Würmer, die mittels Klebeband vom Anus gezogen werden. Das
ist alles dann irgendwie ekelig und peinlich, auch wenn es an der Inszenierung nichts zu meckern gibt. Es ist dann
allerdings auch irgendwie langweilig. Darstellerisch beeindruckt vor allem Jürgen Vogel, da er entgegen seinen
sonstigen, oft zwielichtigen und aggressiven Rollen extrem zurückhaltend und bescheiden agiert.
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Dienstag, 02. September 2014 Wikinger, Deutschland und der kleine Nick Die neue Pressewoche wurde gleich mit einem Dreierpack eingeläutet NORTHMEN – A VIKING SAGA (1:2.35, DD 5.1) OT: Northmen – A Viking Saga Verleih: Ascot Elite (Paramount) Land/Jahr: Schweiz, Deutschland, Südafrika 2014 Regie: Claudio Fäh Darsteller: Tom Hopper, Ryan Kwanten, Charlie Murphy, Ken Duken Kinostart: 23.10.2014
Eine kleine Gruppe in Ungnade gefallener Wikinger erleidet Schiffbruch an der schottischen Küste und nimmt die
Tochter des schottischen Königs zur Geisel. Mit dem Lösegeld wollen sie sich aus ihrer Verbannung freikaufen. Doch
König Dunchaid hetzt sein “Wolfsrudel”, ein äußerst brutales Söldnerheer, auf die Wikinger. Für die Nordmänner
beginnt ein Kampf auf Leben und Tod... Wenn man sich Claudio Fähs Film anschaut, wird man einfach nicht das Gefühl
los, dass hier die bösen Orks Frodo und seine Gefährten jagen. In Wirklichkeit ist es natürlich das königliche Söldnerheer,
das hinter einer Gruppe von Wikingern herjagt. Dass man dies gerne verwechselt, kommt nicht von ungefähr. Denn die
Art und Weise der Inszenierung ist ganz offensichtlich von Peter Jacksons HERR DER RINGE Verfilmung inspiriert
worden. Da fliegt die Kamera schwerelos über die zerklüftete, steinige Landschaft und hinweg über die zu Fuß
fliehenden Wikinger, während das aus den Karpaten stammende Söldnerheer hoch zu Ross und von einem brutalen
Sounddesign begleitet die Jagd aufnimmt. Die Ähnlichkeiten dürften auch nicht sonderlich bewanderten Kinogängern
sofort auffallen. Wann immer es zu Kämpfen zwischen den Gruppen kommt, sorgt der flotte Schnitt für einen gewissen
Adrenalinschub und die Kamera hält genüsslich auf die inzwischen genre-üblichen Brutalitäten. Hier regiert das
Schwert! Der einzige Farbtupfer in dem sonst farbreduzierten Ambiente ist das rote Kleid der Prinzessin und man ahnt
schon früh, dass diese Lady nicht nur mit der Armbrust hervorragend umzugehen weiß, sondern sich auch noch zum
Anführer der Wikinger hingezogen fühlt. Fehlt noch etwas? Richtig: ein asiatischem Kampfsport frönender Mönch!
Freilich – Claudio Fähs Film möchte sich nicht als Geschichtsstunde verstanden wissen, sondern einfach nur den
Abenteurerinstinkt im Zuschauer bedienen. Bei weniger anspruchsvollen Zuschauern wird ihm das auch vortrefflich
gelingen.
PLANET DEUTSCHLAND – 300 MILLIONEN JAHRE (1:1.85, 5.1) Verleih: Polyband (24 Bilder) Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Stefan Schneider Kinostart: 02.10.2014
Nachdem Deutschland inzwischen hinlänglich von oben betrachtet wurde, beschreitet das Team um Regisseur Stefan
Schneider neue Wege und betrachtet Deutschland auf der Zeitachse. Mit allerlei Computertricks und
pseudodokumentarischen Spielszenen wird damit der Zeitraum von 300 Millionen Jahren in 93 Minuten Kinozeit
gepresst. Viel von dem für diese Zwecke verwendeten, teilweise recht imposanten Bildmaterial stammt aus Archiven
und wurde nicht speziell für diesen Film produziert. Die Auswahl erscheint dabei mehrt zufällig denn dramaturgisch
sinnvoll. So gibt es beispielsweise immer wieder Einschübe, in der gegenwärtige Tierarten in ihrer freien Wildbahn
beobachtet werden, die aber keinen Bezug zur Evolution haben. Das wirkt dann fast so, als wäre man im falschen Film.
Es gibt auch ein paar wirklich grauenvolle visuelle Effekte (z.B. die gezeigten Dinosaurier), die man besser nicht in den
Film hätte integrieren sollen. Zu guter Letzt soll die sinfonische Filmmusik von Markus Lehnmann-Horn die vielen
Zeitsprünge zusammenhalten und erweist sich damit mehr als Klangteppich denn als dramaturgisches Mittel. PLANET
DEUTSCHLAND ist mehr Sonntagabend-TV-Kost denn Kinoerlebnis.
DER KLEINE NICK MACHT FERIEN (1:1.85, DD 5.1) OT: Les Vacances Du Petit Nicolas Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: Frankreich 2014 Regie: Laurent Tirard Darsteller: Mathéo Boisselier, Valérie Lemercier, Kad Merad Kinostart: 02.10.2014
Ferienzeit – Urlaubszeit! Der kleine Nick darf zusammen mit seinen Eltern sowie der Großmutter im Auto ans Meer
fahren und lernt neue Spielkameraden kennen – und verliebt sich in ein Mädchen! Vor genau vier Jahren durften
deutsche Kinozuschauer die vergnüglichen Schulabenteuer des kleinen Nicks zum ersten Mal erleben. Die von Rene
Goscinny und Jean-Jacques Sempe ersonnen Geschichten, angesiedelt in den sechziger Jahren in Frankreich,
begeisterten aufgrund ihres unwiderstehlichen Charmes, dem perfekten Zeitkolorit sowie der hervorragenden Besetzung.
Kein Wunder also, dass die Erwartungen an die Fortsetzung des KLEINEN NICK entsprechend hoch waren –
vermutlich viel zu hoch. Der von Laurent Tirard inszenierte Fortsetzungsfilm ist dabei eigentlich gar kein richtiger
Fortsetzungsfilm, sondern vielmehr eine weitere Episode aus dem Leben des kleinen Schülers. Auch dieses Mal
stimmen wieder die Dekors und auch die Besetzung. Wieder verzaubert ein gelungener Titelvorspann, der
Urlaubspostkarten in herrlichen Farben präsentiert. Alles ist wirklich liebevoll gemacht, dennoch will der Film einfach
nicht richtig zünden. Das dürfte an den vielen kleinen Geschichten in der Geschichte liegen, die einfach ziemlich lieblos
fallengelassen werden, um Platz für neue Episödchen zu machen. So wirkt der Running Gag mit Schulhausmeister
“Hühnerbrüh” im Endeffekt unvollendet, ebenso wie der begonnene Urlaubsflirt des Vaters mit einer Schweizerin (diese
Nationalität hat die Dame zumindest in der deutschen Synchronfassung). Der Urlaubsflirt von Frau Mama hingegen wird
so breit ausgetreten, dass er schon wieder zu langweilen beginnt. Am Ende sind es die vielen unvollendeten
Geschichtchen, die DER KLEINE NICK MACHT FERIEN zu einer kleinen Enttäuschung werden lassen. Zumindest
für die Kenner des ersten Kinofilms.
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