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Samstag, 30. Mai 2015 Overkill! Nachdem uns der deutsche Filmverleiher weigerte, den Film in einer Pressevorführung zu zeigen, habe ich mich am Samstag zum Nachsitzen entschlossen. Natürlich in IMAX MAD MAX: FURY ROAD (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Mad Max: Fury Road Verleih: Warner Land/Jahr: Australien, USA 2015 Regie: Dr. George Miller Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult Kinostart: 14.05.2015
In einer postapokalyptischen Welt haben Immortan Joe und seine brutalen Gefährten das Sagen. Sie herrschen über die
Massen, indem sie den Zugang zu Wasser und Essen kontrollieren. Als Joes Verbündete, Imperator Furiosa, einen
Tanklastzug nicht an dessen vorbestimmten Ort bringt, sondern stattdessen auszubrechen versucht, machen sie Jagd auf
Furiosa. Was sie noch nicht wissen: die stahlharte Amazone hat Joes wertvollsten Besitz an Bord: junge Frauen, die als
Gebärmaschinen herhalten müssen. Während der gnadenlosen Jagd stößt ein wortkarger Einzelgänger zu Furiosas
Lastzug hinzu: Max. Anfangs noch misstrauisch ihm gegenüber merkt sie jedoch schon bald, dass sie voll und ganz auf
seine Hilfe angewiesen ist... 30 Jahre ist es her, dass George Miller seine MAD MAX Trilogie mit MAD MAX
JENSEITS DER DONNERKUPPEL zu ihrem furiosen Ende führte. Im zarten Alter von 70 Jahren widmet sich Miller
wieder der Filmfigur, die ihn berühmt gemacht hat. Tom Hardy schlüpft jetzt in jene Rolle, die Mel Gibson damals
bekannt gemacht hat: die des schweigsamen Einzelgängers Max, der zwischen den Dämonen der Vergangenheit und
dem gnadenlosen Überlebenskampf in einer postapokalyptischen Welt hin und hergerissen wird. Die Story des Reboots
könnte dabei nicht einfacher sein: man fahre von A nach B und danach wieder von B nach A. Aber Story ist in einem
Film wie diesem eigentlich nur Luxus, den niemand braucht. Hier dreht sich alle nur um drei Dinge: Action, Action und
noch mehr Action! Und die ist in diesem Film wahrhaftig adrenalintreibend! Die starken Bilder von Chefkameramann
John Seale und die Montage von Cutterin Margaret Sixel sorgen dafür, dass man als Zuschauer atemlos im Kinosaal
sitzt. Zumindest wenn man das Glück hat, den Film in einem IMAX-Kino zu konsumieren. Auf das 3D hätte man
allerdings getrost verzichten können. Denn außer Bildverdunkelung und Farbverfälschung, bedingt durch die 3D-Brille,
bringt die dritte Dimension nichts. Mit seinen 121 Minuten Spielzeit ist der Film dann doch etwas “over the top”. 85
Minuten hätten auch ausgereicht, um Schweißperlen auf die Stirn der Zuschauer zu zaubern. Besonders beeindruckend
ist Charlize Theron, mit Kurzhaarfrisur und Tank Top kaum wiederzuerkennen. In der Rolle der Tanklastzugfahrerin
Furiosa erinnert sie ein wenig an Sarah Connor, jener starken Frauenfigur in TERMINATOR 2: TAG DER
ABRECHNUNG, die dort von Linda Hamilton verkörpert wird. Zart Besaiteten sei allerdings vom Besuch des Films
abgeraten, da dieser extrem von Gewalt dominiert wird. Einer Art von Gewalt übrigens, die vor 20 Jahren nicht schon ab
16 Jahren freigegeben worden wäre und es ganz sicher auf den Index geschafft hätte.
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Freitag, 29. Mai 2015 Wie wird man seine Kinder los? Was alles passieren kann, wenn man seine Kinder nur als Karrierebremse sieht, wurde uns in der heutigen Pressevorführung vor Augen geführt MAMA GEGEN PAPA – WER HIER VERLIERT, GEWINNT (1:2.35, 5.1) OT: Papa Ou Maman Verleih: Splendid (Tobis) Land/Jahr: Frankreich, Belgien 2015 Regie: Martin Bourboulon Darsteller: Marina Foïs, Laurent Lafitte, Alexandre Desrousseaux Kinostart: 09.07.2015
Florence, erfolgreiche Ingenieurin, und Vincent, ebenso erfolgreicher Gynäkologe, sind sich einig: sie wollen sich
scheiden lassen. Ihr größtes Problem: wie sollen sie das ihren drei Kindern beibringen? Während sie nach wie vor den
richtigen Moment abpassen wollen, stehen beide kurz davor, die Karriereleiter weiter zu erklimmen. Dabei jedoch
würden die Kinder ja nur stören. Also versucht jeder den anderen davon zu überzeugen, dass der andere die Kinder
nehmen soll. Denkste! Die beiden Scheidungskandidaten erkennen bald schon, dass sie mit härteren Bandagen gegen
das Sorgerecht kämpfen müssen. Dabei scheint jedes Mittel recht... Die Grundidee dieser französischen Komödie
erscheint am Anfang eigentlich recht originell. Da streiten sich die beiden Elternteile nicht wie üblich um das Sorgerecht
für ihre Kinder, sondern darum, dieses Sorgerecht möglichst aberkannt zu bekommen. Da lassen sich bestimmt ein paar
witzige Situationen daraus ableiten. Doch das Drehbuch in Martin Bourboulons Komödie driftet zur Mitte des Films leider ab und
macht die armen Kinder zu den Leidtragenden. Das würde ja immerhin der Wahrheit bei solchen Scheidungsfällen
entsprechen, doch im vorliegenden Film müssen die Kinder auch körperlich leiden! Und das ist dann eine recht
grenzwertige Unterhaltungsform, die aber immerhin nur 85 Minuten dauert und damit noch erträglich bleibt. Kleiner
Tipp: wer Hamster mag, der wird diesen Film mögen – auch wenn die kleinen Nager nicht gerade politisch korrekt
behandelt werden.
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Donnerstag, 28. Mai 2015 Anorexie und Herzgebreche Großkampftag: ein Triple Feature hielt mich heute mal wieder auf Trab AM GRÜNEN RAND DER WELT (1:2.35, DD 5.1) OT: Far From The Madding Crowd Verleih: Fox Land/Jahr: USA, Großbritannien 2015 Regie: Thomas Vinterberg Darsteller: Carey Mulligan, Matthias Schoenaerts, Michael Sheen, Tom Sturridge Kinostart: 16.07.2015
England im Jahre 1870. Bathsheba Everdene, als Waise auf einer Farm aufgewachsen, ist eine selbstbewusste,
freiheitsliebende, unabhängige und durchsetzungsstarke junge Frau, die keinen Mann braucht um glücklich zu sein. Als
ihr Onkel stirbt, wird sie zur Alleinerbin seiner Ländereien, die sie weiter bewirtschaftet und dabei auch selbst kräftig
mit zupackt. Ihre Schönheit und ihr Temperament lockt gleich zwei Männer an, die ihr Glück versuchen: der Farmer
William Boldwood und der Schäfer Gabriel Oak. Doch die emanzipierte Bathsheba gibt keinem ihr Ja-Wort. Da taucht
der Soldat Francis Troy auf und erobert sie im Sturm. Doch der unberechenbare Troy hütet ein Geheimnis... Mit AM
GRÜNEN RAND DER WELT präsentiert Regisseur Thomas Vinterberg die Wiederverfilmung von Thomas Hardys
Roman, der u.a. 1967 bereits unter dem deutschen Titel DIE HERRIN VON THORNHILL von John Schlesinger
verfilmt wurde. Was damals 168 Minuten bestes Roadshow-Kino war (natürlich im 70mm-Format mit Ouvertüre und
Pause!), dauert heuer gerade einmal 119 Minuten. Trotzdem vermag Vinterbergs Inszenierung zu punkten. Das liegt vor
allem an den grandiosen Bildern, mit denen die dänische Kamerafrau Charlotte Bruus Christensen die
CinemaScope-Bildwand füllt und damit die liebliche englische Landschaft in den Fokus rückt. Passend dazu gibt es
sinfonische Filmmusik aus der Feder von Craig Armstrong. Mit Matthias Schoenaerts (Oak), Michael Sheen
(Boldwood) und Tom Sturridge (Troy) bietet der Film eine vorzügliche Besetzung für die drei Männer, die um
Bathsheba Everdene balzen. Diese wird von Carey Mulligan gespielt, einer Darstellerin also, die nicht unbedingt ein
Schönheitsideal verkörpert, sondern eher eine Frau, der man durchaus zutraut, auch mal richtig zuzupacken. Also
eigentlich perfekt passend für ihre Rolle. In Puncto Schönheit freilich wird sie von Julie Christie, die die Rolle der
Bathsheba in der Schlesinger-Verfilmung spielt, in den Schatten gestellt. Wer auf romantische Liebesgeschichten steht,
den Kitsch einer Rosamunde Pilcher aber meiden möchte, dem sei Thomas Vinterbergs Film wärmstens empfohlen.
SEHT MICH VERSCHWINDEN (1:1.78, 5.1) OT: FEMMEfille - Die Geschichte der Isabelle Caro Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Kiki Allgeier Kinostart: 02.07.2015
Der Fotograf Oliviero Toscani hat aus ihr eine Berühmtheit gemacht: über Nacht avancierte Isabelle Caro zum
abschreckenden Beispiel dafür, wie die Modelwelt junge Frauen zerstört. Caro litt an Magersucht. Sie starb im Jahre
2010. Jetzt hat sich die Filmemacherin Kiki Allgeier daran gemacht, das Material, das sie im Laufe von drei Jahren mit
dem Model aufgenommen hat, zu einer Dokumentation zusammenzustellen, die Caros Leben porträtiert und versucht zu
ergründen, was zu ihrer Magersucht führte. Die Bilder, die sie zeigt, machen dabei sehr betroffen und sind alles andere
als angenehm. Allerdings erweist sich die Dokumentation als relativ lückenhaft, vieles bleibt im Dunkeln. Der negative
Einfluss der Modebranche auf Caro wird eigentlich nur angedeutet, der Film entwickelt sich zu einem Lobgesang auf
Isabelle Caro, die ihre zweifelhafte Berühmtheit offensichtlich extrem genoss. Ein zwiespältiger, unausgegorener
Film.
RICO, OSKAR UND DAS HERZGEBRECHE (1:2.35, 5.1) Verleih: Fox Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Wolfgang Groos Darsteller: Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth Kinostart: 11.06.2015
Rico und Oskar, die beiden Berliner Jungs und beste Freunde, geraten in ein neues spannendes Abenteuer, als sie
bemerken, dass Ricos Mutter offenbar erpresst wird. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach den Drahtziehern.
Dass Rico keine besonders gute Orientierung und Rico immer Angst vor allem Möglichen hat, macht die Sache natürlich
nicht unbedingt einfach. Ganz nebenbei scheint es auch noch zwischen Ricos Mutti und ihrem Schwarm, einem
Polizisten, zu knirschen. Was für ein Herzgebreche! - Der zweite Film mit den kleinen Detektiven Rico und Oskar
knüpft direkt dort an, wo der erste Kinofilm endete. An der Besetzung hat sich nichts verändert, weder bei den
Kinderdarstellern noch bei den Erwachsenen. Hat sich wirklich nichts verändert? Doch: der kleinwüchsige Oskar hat
seinen Sturzhelm gegen eine übergroße Sonnenbrille ausgetauscht! Damit fühlt er sich “inkognito” und versucht sich
somit den Promi-Jägern zu entwischen. So einfach ist das aber nicht, wenn in Ricos Wohnhaus ziemlich nervige
Zwillingsschwestern haust – eine von den wirklich netten kleinen Einfällen, mit denen der neue Film aufwartet. Und s
gibt noch etwas Neues: Moritz Bleibtreu ergänzt den Cast als schmieriger Kleinkrimineller und Besitzer des Nachtclubs,
in dem Ricos Mami arbeitet. Bleibtreu macht seine Sache köstlich gut – mit Stottern und Pferdeschwanz. Kleinen
Zuschauern werden die neuen Abenteuer der beiden Freunde ganz bestimmt gefallen. Am Schluss gibt es dann auch
noch pädagogisch Wertvolles: Rico erfährt etwas über seinen Vater, das alles andere als schön ist und klar macht, dass
nicht jede Ehe ein Hort der Glückseligkeit ist. Wer nach diesem Film noch immer Lust auf mehr hat, der darf sich auf
den dritten “Rico und Oskar”-Film freuen, der im nächsten Jahr ins Kino kommt.
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Dienstag, 26. Mai 2015 Schaffe, schaffe, Kirche baue! Dr schwäbische Bloggbaschdr griegt jetzt a Fordsetzung TÄTERÄTÄÄ – DIE KIRCHE BLEIBT IM DORF 2 (1:2.35, 5.1) Verleih: Camino Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Ulrike Grote Darsteller: Natalia Wörner, Karoline Eichhorn, Julia Nachtmann, Christian Pätzold Kinostart: 25.06.2015
Nachdem das Dach der Kirche endgültig das Zeitliche gesegnet hat, stehen die Ober- und Unterrieslinger vor einem
Riesenproblem: woher das Geld für ein neues Dach nehmen, wenn doch Pfarrer Schäuble die Rücklagen komplett
versoffen hat! Die Rettung naht in Form eines Wettbewerbs für Musikkapellen: wer gewinnt, erhält 50.000 Euro! Die
Sache hat natürlich einen Haken: für den Wettbewerb muss man nach Hamburg reisen. Und mehr noch – erst einmal
müssen sich die beiden Dorfkapellen miteinander vertragen... Veränderung will niemand. Und damit sich der Erfolg von
DIE KIRCHE BLEIBT IM DORF auch ein zweites Mal einstellt, sorgt das Drehbuch gleich zu Beginn des Films
dafür, dass wieder alles in seine gewohnten Bahnen zurückkehrt. Das Happy End des ersten Kinofilms wird also
kurzerhand außer Kraft gesetzt, damit sich die Unterrieslinger und die Oberrieslinger wieder spinnefeind sind. Mal ganz
ehrlich: etwas Originelleres hätte sich die Drehbuchautorin Ulrike Grote, die auch wieder selbst Regie führt, schon
einfallen lassen können. Jetzt also dürfen sich die verfeindeten Lager wieder die üblichen schwäbischen Schimpfworte
gegenseitig an den Kopf werfen – und nur darauf scheint es ja wohl anzukommen. Auch wenn das Schwäbisch im Film
hin und wieder etwas gekünstelt wirkt, so fällt das nicht mehr so sehr ins Gewicht wie vor zwei Jahren. Hier wäre also
jetzt eine Verbesserung zu konstatieren. Doch Teil 2 hat noch etwas vollkommen Neues zu bieten: musikalische
Einlagen! Die sind dann auch ganz hübsch in Szene gesetzt. So beispielsweise dann, wenn der Wiederaufbau der
maroden Kirche im Rhythmus zur Musik geschieht und die verschiedenen handwerklichen Geräusche quasi die
Percussion dafür liefern. Neu auch Tante Ruth, die sich als Alt-Hippie alles andere als politisch korrekt verhält und
wenigstens den ein oder anderen Schmunzler generiert. Ansonsten wurde die Besetzung aus Teil 1 übernommen – mit
all ihren Haken und Kanten. So richtig lustig ist das leider alles nicht sondern wirkt irgendwie gekünstelt. Die
Streitigkeiten zwischen den Dorfbewohnern gehen schon nach kurzer Zeit richtig auf die Nerven. Schade eigentlich,
dass das Drehbuch den Konflikt zwischen Schwaben und Hamburger Fischköpfen nicht wirklich betont. Denn da hätte
man ganz sicher ein paar wirklich nette Pointen einbauen können. Wohl gemerkt: dem Erfolg des Films wird das alles
keinen Abbruch tun. Erschreckend.
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Freitag, 22. Mai 2015 Unheil Die letzte Pressevorführung vor Pfingsten war leider nicht der Hit HEIL (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) Verleih: X Verleih Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Dietrich Brüggemann Darsteller: Benno Fürmann, Jacob Matschenz, Daniel Zillmann Kinostart: 16.07.2015
In Prittwitz, einem Kaff am Schnittpunkt von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, wird der farbige Autor Sebastian
Klein von Neonazis entführt. Nach einem Schlag auf den Kopf plappert er alles nach, was die ihm vorsagen – in Talk
Shows, Diskussionsrunden und überhaupt. Ganz Deutschland ist platt: ein Migrant der gegen Migranten redet!
Gleichzeitig ist seine stets eifersüchtige und hochschwangere Freundin auf der Suche nach ihm. Gemeinsam mit einem
stillgelegten Polizisten. Derweil schmiedet Sven, Anführer der Nazis, Pläne zum Einmarsch in Polen – die einzige
Möglichkeit, bei Nazibraut Doreen zu punkten. Schon bald herrscht blankes Chaos... Was mit einer grandiosen
Eröffnungssequenz (bestehend aus nur einer Einstellung) beginnt und in einen furiosen, höchst einfallsreichen
Titelvorspann mündet, verläuft sich leider spätestens zur Hälfte des Films in ein nerviges Kasperltheater. Zwar gibt es
immer wieder teils sehr lustige Einfälle und insbesondere geistreiche Wortspiele, doch hat man als Zuschauer
irgendwann die Nase voll von all den grenzdebilen Nazis. Dietrich Brüggemann, als Regisseur und Drehbuchautor sehr
geschätzt für Filme wie 3 ZIMMER/KÜCHE/BAD oder KREUZWEG, überspannt hier dieses Mal einfach den
Bogen. Inszeniert ist die “braune Sosse” indes wie von Brüggemann nicht anders zu erwarten sehr souverän und auch
mit großem Aufwand (u.a. gibt es einen Panzer und etliche Kanoneneinschläge). Allerdings wollen die vielen Toten, die
es im Verlauf des Films gibt, nicht so ganz in das satirische Konzept passen.
Nachtrag vom 20.07.2015: Ergänzend sei noch angemerkt, dass es vom künstlerischen Konzept des Films ganz sicher gewollt ist, dass einem so mancher Lacher im Halse stecken bleibt. Und es bekommt hier jeder sein Fett ab - Verfassungsschutz, Politiker und Neonazis. Letztere nicht als Monster dargestellt, sondern als "fehlgeleitete" Menschen, die das, was sie tun, nicht hinterfragen. Damit begibt sich der Film natürlich auf dünnes Eis und die Frage wird immer lauter, ob man einen solchen Film in Deutschland "überhaupt machen darf" oder ob dies nicht zwangsläufig zur Verharmlosung des Problems führt. Dietrich Brüggemann hatte den Mut, einen solchen Film zu machen. Dass genau das im Ausland honoriert wird, beweist der Satz eines Kritikers auf indiewire.com, der das Problem wunderbar auf den Punkt bringt: "Es ist exakt die Art von Komödie, die Deutschland braucht, auch wenn es sie nicht notwendigerweise lieben wird". |
Donnerstag, 21. Mai 2015 Wieder jung Man ist immer so alt wie man sich fühlt – oder doch nicht? Der heutige Film versucht sich an einer Antwort GEFÜHLT MITTE ZWANZIG (1:1.85, DD 5.1) OT: While We’re Young Verleih: SquareOne/Universum (DCM) Land/Jahr: USA 2014 Regie: Noah Baumbach Darsteller: Ben Stiller, Naomi Watts, Adam Driver, Amanda Seyfried Kinostart: 30.07.2015
Die Srebnicks – Er Dokumentarfilmer, Sie Produzentin und Tochter eines bekannten Filmemachers – sind eigentlich
glücklich verheiratet, kinderlos und bereits in den Mittvierzigern. Alle ihre Freunde um sie herum jedoch haben schon
Kinder und damit einen neuen Lebensinhalt gefunden. Ein Lebensinhalt, von dem die Srebnicks ausgeschlossen werden.
Da lernen die beiden zufällig Jamie und Darby kennen, ein Hipster-Pärchen Mitte Zwanzig: er Filmemacher mit
Ambitionen, sie Eiscreme-Designerin. Man freundet sich an und die Srebnicks erfahren dadurch plötzlich neuen
Schwung in ihrem Leben. Die beiden fühlen sich plötzlich wieder wie Mitte Zwanzig! Doch die Uhr lässt sich nicht
einfach so wieder zurückdrehen. Eine Erfahrung, die die Mittvierziger bald schon machen werden... Scharfsinnig und
mit gewitzten Dialogen präsentiert Regisseur Noah Baumbach diese herzerfrischende Komödie über das Älterwerden.
Oder besser: über die Weigerung erwachsen zu werden. Ben Stiller und Naomi Watts spielen die Srebnicks, jene
Mittvierziger also, die technisch auf dem neuesten Stand sind. Ohne Smartphone oder CDs läuft da gar nichts mehr. Ihr
Gegenpol wird von Adam Driver und Amanda Seyfried dargestellt, das Mitzwanziger-Paar, das längst schon wieder zu
den Wurzeln zurückgekehrt ist: keine Tablets oder derlei Kram, dafür jede Menge Schallplatten. Und die Nummer 1
Hits aus den guten Jahren der Srebnicks sind bei Jamie und Darby der letzte Schrei. Mit seinem neuen Film etabliert
sich Baumbach einmal mehr als Woody Allen der nächsten (um das Wort neu zu vermeiden) Generation. Seine feinen
Beobachtungen montiert er geschickt mit passenden Vivaldi-Stücken zu einem Dialogfilm, der vor allem der älteren
Zuschauergeneration jede Menge Identifikationspotenzial bietet. Man lernt viel über sich selbst und wird dabei innerlich
schmunzeln. Der Film empfiehlt sich als kleine vergnügliche Therapie für kinderlose Paare.
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Dienstag, 19. Mai 2015 Algerischer Western Eine ungewöhnliche Männerfreundschaft stand im Mittelpunkt meines Vormittags. DEN MENSCHEN SO FERN (1:2.35, DD 5.1) OT: Loin Des Hommes Verleih: Arsenal Land/Jahr: Frankreich 2014 Regie: David Oelhoffen Darsteller: Viggo Mortensen, Reda Kateb, Antoine Laurent Kinostart: 09.07.2015
Algerien 1954. Der Franzose Daru unterrichtet algerische Schulkinder in einer kleinen Schule. Eines Tages wird ein
Gefangener in seine Obhut gegeben mit dem Befehl, diesen an die Polizeibehörde in der nächsten Stadt auszuliefern.
Der Bauer Mohamed wird beschuldigt, seinen Cousin ermordet zu haben. Anfangs weigert sich Daru den Befehl
auszuführen. Erst als ihm Mohamed erklärt, warum er an die Polizei übergeben werden will, macht er sich mit ihm auf
den gefahrvollen Weg. Ein Weg, auf dem die beiden Männer zusammenwachsen. Das nach einer Vorlage von Marcel
Camus entstandene Drama hat Regisseur David Oelhoffen in der grandiosen Landschaft Algeriens inszeniert und daraus
einen Neuzeit-Western gemacht. Der Film über eine ungewöhnliche Männerfreundschaft zu Zeiten des Algerienkrieges
ist mit Viggo Mortensen in der Rolle des Lehrers und Reda Kateb in der Rolle des Mörders gut besetzt. Für Freunde der
Originalfassung sei noch verraten, dass Mortensen exzellentes Französisch von sich gibt!
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Montag, 18. Mai 2015 Unter dem Bett Ein minimalistisches (Thriller)Drama stand heute auf meinem Filmfahrplan DAS ZIMMERMÄDCHEN LYNN (1:2.35, 5.1) Verleih: Movienet Land/Jahr: Deutschland 2014 Regie: Ingo Haeb Darsteller: Vicky Krieps, Lena Lauzemis, Steffen Münster Kinostart: 28.05.2015
Lynn arbeitet als Putzkraft in einem Hotel. Privat hat die junge Frau offensichtlich viele Probleme, von denen ihr
Putzfimmel noch das geringste ist. Und sie hat eine heimliche Obsession: nicht nur schlüpft sie gerne in die Kleider der
Hotelgäste und durchforscht deren persönliches Hab und Gut, sie legt sich auch unter deren Betten und lauscht. Dabei
lernt sie das Callgirl Chiara kennen und ist so fasziniert von ihr, dass sie schließlich Kontakt mit ihr aufnimmt... Liebe
erfährt die junge Frau in Ingo Haebs Film anfangs nicht. Der Sex mit ihrem Chef ist rein mechanischer Natur,
Umarmungen von ihrer Mutter gibt es nicht. Einem Psychiater erzählt sie von ihren bizarren Träumen. Vicky Krieps
spielt sie, jene junge Frau, die sich irgendwann verloren hat. Und sie spielt sie so vorzüglich, dass es großen Spaß
macht, ihr beim Lauschen zuzuhören und ihr beim Zuschauen zuzuschauen. Erst die Begegnung mit Chiara bringt
Zärtlichkeit und Liebe in ihr Leben. Ingo Haeb hat sein minimalistisches Kammerspiel nach einem Roman von Markus
Orths inszeniert – und das trotz der meist begrenzten Räume in ausladendem CinemaScope (Kamera: Sophie
Maintigneux). “Das Schöne am Putzen ist, dass es immer wieder dreckig wird” hören wir Lynn aus dem Off
Sprechen. Abblende. Endtitel.
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Mittwoch, 13. Mai 2015 Der Präsident in der Kühltruhe Die letzte Pressevorführung in dieser Woche bescherte mir einen abenteuerlichen Action-Film. BIG GAME (1:2.35, 5.1) OT: Big Game Verleih: Ascot Elite (24 Bilder) Land/Jahr: Finnland, Deutschland, Großbritannien 2014 Regie: Jalmari Helander Darsteller: Samuel L. Jackson, Onni Tommila, Ray Stevenson Kinostart: 18.06.2015
Als das Flugzeug des amerikanischen Präsidenten von Terroristen über finnischem Waldgebiet abgeschossen wird und
er sich mit einer Kapsel retten kann, ist seine einzige Überlebenschance ein 13jähriger Junge, der auf Wunsch seines
Vaters dort im Wald auf sich alleine gestellt ein großer Jäger und damit zum Mann werden soll. Für den Präsidenten und
seinen jungen Gefährten beginnt jetzt ein Kampf auf Leben und Tod... Wenn bereits zu Filmbeginn der bombastische
Klangkörper des Bratislava Symphony Orchestras die Tonspur des Films ganz für sich einnimmt und damit die Felsen
und Gebirgsschluchten Finnlands (dargestellt von den Alpen!) zu etwas Großem und Erhabenem werden lässt, kann man
sich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier ein wenig übertrieben wird. Dieser Eindruck wird im Laufe des Films dann
auch noch zementiert: Regisseur Jalmari Helander ist einer der klotzt und nicht kleckert! Allerdings wird er mit diesem
Film sein Portfolio auch nicht gerade mit Ruhm bekleckern. Denn BIG GAME gehört zu jenen Filmen, die vor allem in
den 1980er Jahren haufenweise die Regale in den Videotheken füllten: Trash. Das ist freilich nichts Verwerfliches. Ganz
im Gegenteil – Trash kann ganz wunderbar sein. Insbesondere in guter Gesellschaft sowie einem Kasten Bier. Was man
jedoch Helander hier vorwerfen kann ist die Tatsache, dass er alles offenbar ernst meint! In einem auf Trash angelegten
Film hätte der kleine Junge am Ende aus Versehen den Präsidenten mit Pfeil und Bogen getötet und das gesamte
Publikum hätte sich vor Freude auf die Schenkel geklatscht. Das passiert hier leider nicht. Helander zieht sein Ding
durch. Mit allem, was er für wenig Geld haben konnte (der mit EUR 500.000 bezifferte Film ist der bislang teuerste
Film Finnlands!): ein B-Film Star (Samuel L. Jackson), ein untalentierter Jungstar (Onni Tommila), ein auf Alan
Rickman getrimmter Psychopath mit Migrationshintergrund (Mehmet Kurtulus) und jede Menge Feuerwerk. Die
Geschichte selbst könnte dabei nicht hanebüchener sein (z.B. stürzen der Präsident und sein kleiner Begleiter
gemeinsam in einer Kühltruhe aus großer Höhe in den Abgrund, ohne sich dabei etwas zu tun) und man würde es kaum
glauben, hätte man es nicht mit eigenen Augen gesehen. Trotz seiner 90 Minuten Spielzeit fühlt sich das Machwerk wie
zweieinhalb Stunden an. Mein Tipp: meiden Sie diesen Film – es ist vergeudete Lebenszeit.
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Dienstag, 12. Mai 2015 Zukunft und Vergangenheit Erst bildgewaltiges Sci-Fi, dann ergreifende Doku. Tag Zwei der Pressewoche. A WORLD BEYOND (1:1.9 (IMAX), 1:2.20, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Tomorrowland Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA 2015 Regie: Brad Bird Darsteller: George Clooney, Hugh Laurie, Britt Robertson Kinostart: 21.05.2015
Casey, ein aufgewecktes Teenager-Mädchen, kommt in den Besitz eines Ansteck-Pins, der sie durch bloßes Berühren in
eine andere Dimension katapultiert. Dort begegnet sie Frank, einem desillusionierten Wissenschaftler, der einst als
Wunderkind in diese mysteriöse Welt kam um sich für ein besseres Leben einzusetzen. Längst schon hat der
undurchsichtige Wissenschaftler David Nix das Ende der Welt angekündigt. Gemeinsam mit Frank macht sich Casey
daran, zu retten was noch zu retten ist... Einst realisierte er Animationsfilme wie DIE UNGLAUBLICHEN oder
RATATOUILLE, doch spätestens seit MISSION IMPOSSIBLE – PHANTOM PROTOKOLL darf man bei Brad
Bird auch mit Live-Action-Filmen gerechnet werden. Und doch ist seine Animationsvergangenheit an ihm haften
geblieben. So scheint es jedenfalls, wenn man die Bilderfluten sowie die überbordenden Ideen in A WORLD
BEYOND zum ersten Mal sieht. Was da auf den Betrachter einströmt hat das Tempo eines Animationsfilms. Die
visuellen Effekte sind hier genauso erstklassig wie die dynamische Tonspur, die jeden Subwoofer im Kinosaal aufspürt
und aus dem Tiefschlaf rüttelt. Wer die Möglichkeit hat, den Film in einem Dolby Atmos Kino zu erleben, sollte nicht
darauf verzichten. Auch die Bildqualität überzeugt, insbesondere in einer 4K-Vorführung oder sogar noch besser: in
“Dolby Vision” in ausgewählten “Dolby Cinemas”. Die musikalische Untermalung aus der Feder von Michael
Giacchino orientiert sich sehr stark an den bombastischen Scores eines John Williams und so meint man immer wieder
einmal gewisse Klänge aus STAR WARS zu erhaschen. Dass in einer Sequenz dann tatsächlich das originale STAR
WARS Thema ertönt, ist damit nur konsequent. Dass in eben jener Szene auch noch viele andere Elemente aus STAR
WARS zu sehen sind, soll vermutlich dem Betrachter unmissverständlich klar machen, dass das gesamte STAR WARS
Imperium inzwischen zum Disney-Konzern gehört, also jenem Konzern, der A WORLD BEYOND in die Kinos bringt.
Nach 130 Minuten Spielzeit (die zugegebenermaßen wie im Flug vergehen) bleibt dann aber am Ende des Films doch
ein “Gschmäckle”, wie man im Schwäbischen zu sagen pflegt. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass wir es im
Film mit einer Sekte zu tun haben, die mit den Intelligenten eine Art subtiles Brainwashing durchführt, um eigene
Interessen durchzusetzen. Damit darf die Botschaft dieses Films als recht zweifelhaft eingestuft werden.
VERLIEBT, VERLOBT, VERLOREN (1:1.78, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Cho Sung-Hyung Kinostart: 25.06.2015
In den 1950er-Jahren schickte Nordkorea ausgewählte Studenten zum Studium in die DDR. Dort sollten sie eine
Ausbildung erhalten, die ihnen beim Aufbau des durch den Koreakrieg zerstörten Vaterlandes helfen sollte. Viele der
Studenten bandelten damals mit deutschen Mädchen an und gründeten sogar Familien. Doch Anfang der 1960er Jahre
wurden die Koreaner wieder zurück in die Heimat beordert. Viele von ihnen mussten ihre frisch gegründeten Familien
für immer zurücklassen. Die in Südkorea geborene Dokumentarfilmerin Cho Sung-Hyung (FULL METAL VILLAGE)
ist einigen solcher Schicksale nachgegangen. In Interviews lässt sie die deutschen Frauen – jetzt allesamt im Rentenalter
– davon erzählen, wie alles begann, wie man sich kennenlernte, wo man sich traf. Auch die inzwischen erwachsenen
Kinder, die ihre Väter noch nie gesehen haben, erzählen der Filmemacherin, wie sie als Kinder mit dieser Situation
umgehen. Einige haben sich in einem Verein organisiert und versuchen über Universitätsarchive etwas über die Väter zu
erfahren. Informationen direkt aus Nordkorea gibt es so gut wie keine und wenn doch: stimmen diese auch? Der
teilweise recht ergreifende Dokumentarfilm überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch formal. So werden
beispielsweise immer wieder animierte Zeichnungen eingesetzt, um die Vergangenheit zu visualisieren.
Videoaufnahmen (teilweise heimlich gefilmt) der Nordkorea-Reise von dreien der Kinder ergänzen den Film und
ermöglichen so einen Blick auf ein Land, das sich vom Rest der Welt abschottet und das für die unschönen Schicksale
vieler Familien in Deutschland verantwortlich ist.
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Montag, 11. Mai 2015 Der junge Mann und das Meer Zum Wochenauftakt gab es heute optisch faszinierendes Arthaus-Kino. ATLANTIC. (1:2.35, 5.1) OT: Atlantic. Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Niederlande, Belgien, Deutschland, Marokko 2014 Regie: Jan-Willem van Ewijk Darsteller: Fettah Lamara, Thekla Reuten, Mohamed Majid Kinostart: 25.06.2015
Fettah lebt zusammen mit seinem Vater an der marokkanischen Küste. Die beiden halten sich mit Fischen gerade so über
Wasser. Richtiges Geld gibt es von den Touristen, die zum Windsurfen kommen und eine Unterkunft brauchen. Fettah,
selbst begeisterter Surfer, hat im Laufe der Jahre viele Freundschaften mit den Touristen geschlossen. Doch sind sie erst
einmal wieder weg, bleibt für ihn nur eine Leere zurück. Eine Leere, die weder seine in ihn verliebte Cousine noch die
kleine Wisal, für die er väterliche Gefühle hegt, wirklich füllen können. Als sein Freund aus Holland die blonde
Alexandra zum Surfen mitbringt, verliebt sich der einfühlsame Fettah in die junge Frau. Als sie wieder in ihre Heimat
reist, fasst Fettah einen Entschluss: mit seinem Surfbrett will er ihr über die offene See nach Europa folgen...
Spektakulärer wurde das Meer schon lange nicht mehr für einen Film eingefangen. Kameramann Jasper Wolfs Bilder
sind atemberaubend und poetisch zugleich und offenbaren speziell aus der Vogelperspektive grandiose Muster, wenn
sich beispielsweise die Wellen am Strand verlaufen. Die Kraft der Bilder setzt gleichzeitig eine tiefe Sehnsucht frei, jene
Sehnsucht, die Fettah antreibt, sein Dorf zu verlassen und seiner Liebe nach Europa zu folgen. Immer wieder hören wir
Fettahs Stimme aus dem Off. Eine Stimme, die mit sich selbst hadert, ob er denn das Richtige getan hat oder nicht. Der
Film wird dabei auf zwei Zeitebenen erzählt: jene die uns die Vorgeschichte zu Fettahs Entscheidung zeigt und jene, die
ihn bei der Durchführung seines Vorhabens als Surfer gegen die gnadenlose See ankämpfend präsentiert. Genau hier
spielt der Film seine stärksten Momente aus und erinnert an DER ALTE MANN UND DAS MEER oder ALL IS
LOST. Wird Fettah es am Ende schaffen, nach Europa zu surfen? Eine Frage, die der Film im Grunde genommen offen
lässt. Oder vielleicht auch nicht? Hier kann sich der Zuschauer seine eigenen Gedanken dazu machen. Fettah Lamara
spielt die Rolle des Fettah faszinierend authentisch – was möglicherweise dem Umstand geschuldet ist, dass der
mehrfach ausgezeichnete marokkanische Windsurfer und Restaurantbesitzer nur ein Laiendarsteller ist. Vieles spricht
dafür, dass auch die anderen Marokkaner keine professionellen Schauspieler sind, sondern Laiendarsteller, die ihre
Sache allerdings ausgezeichnet machen. Mit Thekla Reuten in der Rolle der Alexandra schließlich hat Regisseur und
Drehbuchautor Jan-Willem van Ewijk dann doch noch einen Profi in seinem Cast. Sie legt ihre Rolle sehr
zurückhaltend, fast schüchtern an und hat auch nicht viel zu sagen. Doch man kann sehr gut nachvollziehen, welche
Sehnsucht sie bei Fettah auslöst. Grandiose Bilder, gute Darsteller, packende Geschichte.
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Freitag, 08. Mai 2015 Voller Symbole Japanisches Arthaus-Kino verabschiedete mich ins Wochenende STILL THE WATER (1:2.35, 5.1) OT: Futatsume No Mado Verleih: Film Kino Text (Filmagentinnen) Land/Jahr: Japan, Spanien, Frankreich 2014 Regie: Naomi Kawase Darsteller: Makiko Watanabe, Hideo Sakaki, Miyuki Matsuda Kinostart: 30.07.2015
Seit der Trennung seiner Eltern lebt der introvertierte Kaito mit seiner Mutter auf einer japanischen Insel. Dass sich
seine Eltern getrennt haben, hat er noch immer nicht verarbeitet. Seine Freundin Kyoko muss sich mit dem nahenden
Tod ihrer Mutter, einer Schamanin, auseinandersetzen... Leben, Liebe, Tod und Wiedergeburt sind die
Themenkomplexe, die die japanische Filmemacherin Naomi Kawase in ihrem Coming-of-Age Drama verarbeitet. Dabei
bedient sie sich einer intensiven Symbolsprache, die einerseits viel Raum für Interpretationen lässt, andererseits aber
auch recht anstrengend ist. Aber so ist das nun einmal im asiatischen Kino: statt bestimmte Dinge direkt anzusprechen
wird kunstvoll verklausuliert.
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Donnerstag, 07. Mai 2015 Eine Agentin mit vielen Pfunden Ein Eisenbahnfreak stellt sich seiner Vergangenheit und eine mollige Büromaus wird zur Superagentin. Ein interessanter Donnerstag. DIE LIEBE SEINES LEBENS (1:2.35, 5.1) OT: The Railway Man Verleih: Koch Media (Studiocanal) Land/Jahr: Australien, Großbritannien 2013 Regie: Jonathan Teplitzky Darsteller: Colin Firth, Nicole Kidman, Jeremy Irvine Kinostart: 25.06.2015
1980: Kriegsveteran Eric Lomax, ein passionierter Eisenbahnfan, lernt bei einer Zugfahrt die Krankenschwester Patti
kennen und verliebt sich Hals über Kopf in die warmherzige Frau. Seine Gefühle blieben nicht unerwidert und so
heiratet er seine Patti schon nach kurzer Zeit. Bald jedoch muss Patti feststellen, dass Eric offenbar schwere psychische
Kriegswunden aus seiner Zeit als Gefangener in einem japanischen Straflager während des Zweiten Weltkriegs
davongetragen hat. Vergebens versucht sie ihm zu helfen. Erst die schicksalhafte Entscheidung eines Kriegskameraden
bewegt ihn dazu, sich seiner Vergangenheit ein für alle Mal zu stellen... Was im Original schlicht und ergreifend “Der
Eisenbahnmann” lautet, wurde vom deutschen Filmverleih mit DIE LIEBE SEINES LEBENS betitelt. Und genau
deswegen könnte der Film in Deutschland eine Bruchlandung erleben. Denn anders als der deutsche Titel vermuten
lässt, handelt es sich bei dem auf einer wahren Geschichte beruhenden Film nicht etwa um eine Romanze, sondern um
harte Kost. Die Romanze, auf die der deutsche Titel anspielt, findet eigentlich nur in der Nebenhandlung statt. Und so
bleibt selbst Nicole Kidman in diesem Film nur eine Nebendarstellerin. Ihre Rolle ist es zwar, die Eric Lomax dazu
anstößt, sich seinen Dämonen zu stellen, doch eben auch nicht mehr. Die tragende Figur in diesem Film ist ganz klar
Colin Firth als jener Eisenbahnfreak, dem während des Zweiten Weltkrieges in japanischer Gefangenschaft Schlimmes
widerfahren ist und ihn bis 1980 nicht zur Ruhe kommen lässt. Jonathan Teplitzkys Film weckt Erinnerungen an DIE
BRÜCKE AM KWAI. Und das nicht nur, weil jene Brücke, vor der wir Lomax zum ersten Mal sehen, jener Brücke
aus David Leans Film ziemlich gleicht sieht. Auch die Szenerie des japanischen Straflagers mit all ihren Folterungen
erinnern an den KWAI-Film. Allerdings wundert man sich schon ein wenig, wenn endlich enthüllt wird, was Lomax so
Schlimmes erleiden musste, dass er nicht darüber sprechen kann. Da bauscht der Film etwas zuviel auf und hinterlässt
gerade deswegen wohl auch keine besonders nachhaltige Wirkung.
SPY – SUSAN COOPER UNDERCOVER (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Spy Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2015 Regie: Paul Feig Darsteller: Melissa McCarthy, Jude Law, Jason Statham Kinostart: 04.06.2015
Bekanntlich steckt hinter jedem erfolgreichen Mann eine Frau, die ihm den Rücken freihält. Im Fall von Susan Cooper
und Bradley Fine stimmt das sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn während Bradley im Auftrag des CIA an
vorderster Front gegen böse Buben kämpft, gibt Susan ihm von der Leitstelle im Untergeschoss des CIA aus mit Hilfe
modernster Technik exakte Anweisungen, wo er den nächsten Gangster abwehren muss. Dabei träumt Susan schon lange
davon, selbst einmal als Agentin im Feld eingesetzt zu werden. Einziges Problem: ihr äußeres Erscheinungsbild ist alles
andere als jenes einer selbstbewussten, raffinierten und attraktiven Agentin! Das Schicksal jedoch sieht das ganz anders.
Und so wird Susan tatsächlich als Agentin eingesetzt... Was an dieser Komödie von BRAUTALARM-Regisseur Paul
Feig wirklich gefällt, ist der Stil des Films. Denn hier wird voller Ehrfurcht den James-Bond-Filmen gehuldigt – sei es
mit der Filmmusik, den exotischen Locations oder den attraktiven Menschen, die selbige bevölkern. Als Kontrast dazu
darf die üppig-mollige Melissa McCarthy in der Rolle der Susan Cooper den Laden einmal so richtig aufmischen. Und
das gelingt in der Mehrzahl der Fälle richtig gut. Wenn sich die korpulente Agentin mit ihrer superschlanken Gegnerin
mittels Bratpfannen und Schneidemessern in der Küche eines Restaurants ein Duell auf Leben und Tod liefert, dann darf
herzhaft gelacht werden. Weit weniger lustig allerdings ist die Brutalität, mit der die Agentenkomödie durchzogen ist.
Köstlich dagegen Jason Statham als Macho-Agent, der auch mal bei seinem Überraschungsauftritt mit seinem
Jackenärmel an der Türklinke hängen bleibt und sich damit selbst austrickst. Fazit: brauchbare Persiflage, die gut
unterhält.
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Dienstag, 05. Mai 2015 Forever Young Romantischer Liebesfilm trifft auf abgewichste Teenie-Komödie. Ich nenne das Dienstagskino. FÜR IMMER ADALINE (1:2.35, DD 5.1 + Atmos, Auro 11.1) OT: The Age Of Adaline Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: USA 2014 Regie: Lee Toland Krieger Darsteller: Blake Lively, Michiel Huisman, Kathy Baker, Harrison Ford, Ellen Bustyn Kinostart: 09.07.2015
Seit die damals 29jährige Adaline 1935 einen schweren Autounfall hatte, altert sie nicht mehr. Ein Umstand, den sie
streng geheim hält, um nicht Opfer wissenschaftlicher Untersuchungen zu werden. Nur ihre Tochter ist in das Geheimnis
eingeweiht. Alle zehn Jahre legt sich Adaline eine neue Identität zu, damit ihr Geheimnis bewahrt bleibt. Auch
Liebesbeziehungen geht sie deshalb aus dem Weg. Das ändert sich jedoch, als sie in der Gegenwart dem
charismatischen Ellis begegnet, der sie im Sturm erobert. Als der unwissende Ellis schließlich die junge Frau, die er als
Jenny kennen und lieben lernte, seinen Eltern vorstellt, droht ihr jahrzehntelang wohlgehütetes Geheimnis ans Licht zu
kommen: Ellis‘ Vater erkennt Adaline... Die Stimme aus dem Off erklärt uns vollkommen nüchtern und wissenschaftlich
wohl begründet, was da genau mit der Heldin passiert, als sie 1935 ihr Auto in den Abgrund steuert. Man fühlt sich
leicht an Rod Serlings TWILIGHT ZONE erinnert, doch schafft dieser Off-Kommentar gleichzeitig eine große Distanz
zwischen Film und Publikum. So dauert es dann auch ein ganzes Weilchen, bis man sich in diese romantische
Geschichte hineinfindet. Ab diesem Punkt gewinnt das Drama und lässt uns als Zuschauer mit der Protagonistin (sehr
sympathisch verkörpert von Blake Lively) auch mental mitleiden. Wie geht man mit dem nicht Altern können um,
welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Sehr deutlich schildert Lee Toland Kriegers Film dies an der Beziehung von
Adaline zu ihrer Tochter, die im Gegensatz zu ihr natürlich altert und zur Greisin wird, während Adaline weiterhin das
Äußere einer 29jährigen hat. Gut besetzt sind auch die beiden männlichen Hauptrollen: Michiel Huisman als
charismatischer Ellis Jones und Harrison Ford als sein alter Vater – damit endlich wieder eine Rolle, die Ford angesichts
seines Alters auch ausfüllen kann! Am Ende allerdings lässt uns das Drehbuch etwas im Stich. Da hat Adaline zwar ihre
große Liebe in Ellis gefunden, dass er jedoch der Sohn ihrer einstigen großen Liebe ist, wird einfach unter den Tisch
gekehrt. Hier handelt es schließlich um einen ziemlichen Konflikt, der nicht aufgelöst wird. Alles andere ist leider
ziemlich vorhersehbar. Damit dürfte FÜR IMMER ADALINE zwar nicht alle Fans märchenhaft-romantischer
Liebesfilme zufriedenstellen, doch die Mehrheit wird’s mögen.
ABSCHUSSFAHRT – VIER IST EINER ZU VOLL (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Tim Trachte Darsteller: Tilman Pörzgen, Chris Tall, Max von der Groeben Kinostart: 21.05.2015
Paul, Benny und Max gelten als Außenseiter in ihrer Schulklasse. Das soll sich auf der Klassenfahrt nach Prag ein für
alle Mal ändern, beschließt das Trio. Und so schleichen sich die Drei zusammen mit dem etwas autistischen Magnus
nachts aus dem Hotel, um im angesagtesten Club der Stadt Frauen aufzureißen. Dass das Quartett stattdessen jedoch im
heruntergekommensten Puff landet, hätte niemand ahnen können... Tim Trachtes zeitgenössische Pennäler-Komödie
gehört zu jener Gattung von Filmversuchen, bei denen das einzig Spannende ist, wie lange es dauert, bis im Film zum
ersten Mal der Mageninhalt über den Mund entleert wird. Und hier hat der Film gute Chancen, bei den Top 5 dabei zu
sein. Nach gefühlten acht Minuten wird die erste Kotztüte im Reisebus gefüllt. Was dann folgt ist auch nicht viel besser.
Da wird das wunderschöne Prag optisch zu einer abgewrackten Ostblockstadt degradiert, in der es nur wortkarge
Kriminelle, leichte Mädels und Ziegenficker gibt! Das soll der Zuschauer natürlich extrem lustig finden, doch wird das
nicht allen gelingen. Es ist oft schon mehr als peinlich, was sich das Drehbuch hier für die pubertierenden Jungs
einfallen lässt. Könnte durchaus sein, dass so etwas bei männlichen Zuschauern mitten in der Pubertät als
Lachkatalysator wirken könnte, älteren Filmfans sei dringend vom Konsum des Films abgeraten.
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