Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Donnerstag, 30. Juli 2015
Die magersüchtige Eiskunstläuferin
Ein Problemfilm muss nicht nur aufrütteln – er kann auch unterhalten. So wie heute beispielsweise.

STELLA (1:2.35, 5.1)
OT: Min Lilla Syster
Verleih: Camino
Land/Jahr: Schweden, Deutschland 2015
Regie: Sanna Lenken
Darsteller: Rebecka Josephson, Amy Deasismont, Maxim Mehmet
Kinostart: 24.09.2015

Stella ist 12, steckt mitten in der Pubertät und ist zum ersten Mal verliebt: in den viermal so alten Eiskunstlehrer ihrer älteren Schwester Katja. Die ist eine begnadete Läuferin und Stellas großes Vorbild. Nur sie weiß von Stellas geheimen Liebesträumen. Eines Tages jedoch entdeckt Stella auch bei Katja ein großes Geheimnis: sie ist magersüchtig und niemand weiß es. Damit das auch so bleibt zwingt Katja ihre Schwester zu schweigen. Ansonsten würde sie Stellas kleines Liebesgeheimnis ausplaudern. Anfangs hat Stella mit diesem Arrangement keine Probleme. Doch je länger sie mit ansehen muss, wie sich Katjas Gesundheitszustand schleichend verschlechtert, desto größer wird der Druck, ihr Wissen jemandem anzuvertrauen... Das wirklich Interessante an diesem Film ist die Perspektive, die er einnimmt. Denn anders als in anderen Filme über ein Krankheit steht hier nicht die Betroffene im Mittelpunkt, sondern ihre kleine Schwester. Die Magersuchtserkrankung von Katja wird aus Stellas Sicht geschildert und bietet damit ein wesentlich höheres Identifikationspotenzial für den Zuschauer. Als unfreiwillige Komplizin ihrer Schwester sieht sich Stella vollkommen machtlos dem Schicksal ihrer Schwester ausgeliefert. Diese Mixtur aus Hilflosigkeit und Wut, die mit der Zeit in ihr entbrennt, sowie die eigenen pubertären Probleme vermag die 11jährige Rebecka Josephson in ihrem Kinodebüt als Stella wahnsinnig gut darzustellen. Man leidet förmlich mit ihr mit – Chapeau! Regisseurin Sanna Lenken ist ein beeindruckender Film gelungen, der sein Thema auf ebenso humorvolle wie bewegende Weise glaubhaft vermitteln kann.
Mittwoch, 29. Juli 2015
So muss Popcorn-Kino!
Ich mag ja amerikanisches Popcorn-Kino nicht unbedingt. Doch das heutige Screening hielt mich in Atem

MISSION: IMPOSSIBLE – ROGUE NATION (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Mission: Impossible – Rogue Nation
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Christopher McQuarrie
Darsteller: Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Jeremy Renner, Alec Baldwin, Simon Pegg
Kinostart: 06.08.2015

Während der CIA zuhause in der amerikanischen Heimat eine Demontage des IMF forciert, kommt Ethan Hunt einem Syndikat auf die Spur, an dessen Existenz niemand glaubte und das bestrebt ist, die Weltmacht zu übernehmen. Die geheimnisvolle Agentin Ilsa Faust scheint dabei eine Schlüsselrolle zu spielen. Doch sie wird Hunt ebenso gefährlich wie der CIA selbst, der ihn zur Jagd freigegeben hat... Wer sich noch an die Kult-Serie KOBRA, ÜBERNEHMEN SIE erinnert, wird bestimmt noch den genialen Titelvorspann vor Augen haben. Da liefen zu Lalo Schifrins brillanter Musik kurze Szenen aus der jeweiligen Episode, die so richtig Heisshunger auf das machten, was da auf einen zukam. Das Tüpfelchen auf dem “i” war die fackelnde Zündschnur, die die ganze Zeit in der Bildmitte zu sehen war. Jetzt scheint es fast so, als ob sich Regisseur Christopher McQuarrie für den bereits fünften Kinofilm nach der Serie auf diese alten Qualitäten besonnen hat. Denn nach einem sehr actionreichen Opener präsentiert er dem Zuschauer einen Titelvorspann, der eine Symbiose zwischen Maurice Binders Bond-Titelvorspänne und dem Titelvorspann der alten TV-Serie darstellt. Dazu natürlich auf der Tonspur die altbekannte Schifrin-Musik. Was für eine Eröffnung für dieses Action-Feuerwerk! Und überhaupt: dieser Film scheint weit mehr mit den Bond-Filmen verwandt zu sein als mit der TV-Serie aus den Sechziger Jahren. Die asdrenalintreibenden Action-Sequenzen sind vorbildlich in Szene gesetzt. Hier kamen nicht nur CGI-Effekte zum Einsatz, sondern auch echte Stuntman-Kunst. Ganz nebenbei gibt es sogar noch Referenzen zu anderen Filmklassikern. So erinnert die Szene, in der ein Attentat auf den österreichischen Kanzler in der Wiener Staatsoper verübt werden soll, an Hitchcocks DER MANN DER ZUVIEL WUSSTE. Wenig später rettet Ethan Hunt sich und Ilsa Faust an einem Seil über den Abgrund schwingend. Auch dieses Bild weckt Erinnerungen wach. MISSION: IMPOSSIBLE – ROGUE NATION ist allerbestes Popcorn-Kino, das großartig auf allen Ebenen unterhält. Wer die Chance hat, den Film in einem IMAX-Kino zu sehen, sollte diese nicht ungenutzt lassen.
Dienstag, 28. Juli 2015
Bis zum hohen D
“Die Kinder des Monsieur Mathieu” könnte vielleicht Konkurrenz bekommen...

DER CHOR – STIMMEN DES HERZENS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Boychoir
Verleih: SquareOne/Universum (24 Bilder)
Land/Jahr: USA 2014
Regie: François Girard
Darsteller: Josh Lucas, Dustin Hoffman, Kathy Bates, Debra Winger
Kinostart: 27.08.2015

Der 12jährige Stet hat eigentlich keine Chance: seine Mutter ist Alkoholikerin, seinen Vater sieht er nie. Kein Wunder also, dass sich Stet ein rebellisches Äußeres zugelegt hat und sich mit jedem anlegt. Doch Stet verfügt auch über eine Gabe: seine wundervolle Singstimme. Als Stets Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt, sorgt die Schulleiterin dafür, dass ihn sein Vater in der renommiertesten Chorschule der USA unterbringt. Auch dort gerät Stet wieder zwischen die Fronten, doch Dirigent Cavelle erkennt sein außergewöhnliches musikalisches Talent. Ein Talent, das Stets letzte Chance sein könnte... Regisseur François Girard brauchte vermutlich für sein Filmprojekt einen bekannten Namen als Aushängeschild. Dieses Aushängeschild heisst in diesem Fall Dustin Hoffman. Der spielt die Rolle des Dirigenten Carvelle leider mit so großem Understatement, dass fast nichts mehr übrig bleibt. Besser wäre gewesen, die Rolle von einem unbekannten Schauspieler spielen zu lassen, der sie dafür wenigstens mit richtigem Leben erfüllt hätte. Hoffman wirkt eher wie eine Marionette. Das aber soll nicht vom Besuch des Films abhalten. Ganz im Gegenteil: wer Chormusik mag, für den wird DER CHOR zum Pflichtbesuch! Die musikalischen Darbietungen sind nicht nur exquisit in der Ausführung, sondern auch in ihrer technischen Umsetzung. In einem tontechnisch guten Kino werden Sie inmitten des Knabenchors sitzen! Was die Geschichte angeht, so wird hier natürlich auch mit Klischees operiert. Das aber funktioniert ganz gut, so dass auch die Gefühlsebene angesprochen wird. Etwas gestelzt allerdings wirkt der Schluss des Films, zu dem hier natürlich nichts verraten werden soll. Dem Unterhaltungswert von François Girards musikalischem Drama zumindest tut dies keinen Abbruch.
Montag, 27. Juli 2015
Das Grauen des ersten Mals
Statt einer Pressevorführung heute mal wieder der Griff auf den Screener-Stapel. Und der hat sich durchaus gelohnt

IT FOLLOWS (1:2.35, 5.1)
OT: It Follows
Verleih: Weltkino
Land/Jahr: USA 2014
Regie: David Robert Mitchell
Darsteller: Maika Monroe, Keir Gilchrist, Daniel Zovatto
Kinostart: 09.07.2015

Als Teenager Jay auf dem Rücksitz eines Autos mit dem gutaussehenden Hugh ihren ersten Sex hat, beginnt zugleich auch ihr übelster Alptraum. Auf einen Stuhl gefesselt erwacht sie unter einer Autobahnbrücke, wo ihr Hugh erklärt, dass er ein “Ding” auf sie übertragen müsse, das ihm ständig folgen würde und nach seinem Leben trachtet. Mit dem Tipp, dass sie mit einem anderen Mann schlafen müsse, um “Es” wieder loszuwerden, verschwindet Hugh auf Nimmerwiedersehen. Und tatsächlich: am nächsten Tag sieht Jay eine gruselige Frau, die sich zombiartig auf sie zubewegt und die offenbar niemand außer ihr sehen kann. Jay wird von paranoider Angst gepackt und sucht Schutz bei ihren Geschwistern und Freunden. Doch das fremde Wesen, das ständig sein Äußeres ändert, findet sie auch dort... Ein Horrorfilm mit einer FSK-Freigabe ab 12 – geht das überhaupt? Und ob, wie David Robert Mitchell mit seinem Film beweist. Denn das verzichtet auf Gewaltexzesse und Blutorgien und setzt dafür auf Atmosphäre. Damit erinnert sein Film ein klein wenig an Klassiker wie INVASION OF THE BODY SNATCHERS (sowohl die Fassung aus 1956 als auch jene von 1978). Die Bilder seines Kameramanns Michael Gioulakis wirken. Ganz behutsam lassen sie eine Atmosphäre des Grauens und der Bedrohung entstehen. Dabei setzt Gioulakis mal auf subjektive Kameraführung, mal auf objektive, holt Objekte ganz dicht an die Linse oder fängt das Geschehen in einer Totalen ein. Er schafft es sogar, dass die bedrohliche Stimmung nicht nur bei Nachtaufnahmen zur Geltung kommt, sondern sogar bei Szenen mit vollem Tageslicht. Ungewöhnlich auch die Tonspur des Films: hier wird nicht versucht, jedes Detail im Bild in Töne umzusetzen, sondern man beschränkt sich auf das Wesentliche – eine minimalistische Tonspur im positiven Sinn. Auch die elektronische Filmmusik von Diasterpeace ist sehr effektvoll eingesetzt und unterstreicht das sich einschleichende Grauen perfekt. Damit auch tatsächlich alles möglich ist in diesem subtilen Horrorfilm, setzt Mitchell auf einen relativ unbekannten Cast. So weiß man als Zuschauer eigentlich zu keinem Zeitpunkt, was wohl als nächstes geschehen wird. Die Frage, ob denn sein Film auch eine Metaebene besitzt, verneint der Regisseur nicht. Die Zeit der Entdeckung der eigenen Sexualität sei eine sehr unheimliche Zeit, so Mitchell, eine Zeit, in der alle Arten von Ängsten zur gleichen Zeit existieren. Und genau das wollte Mitchell auf einer anderen Ebene untersuchen: IT FOLLOWS. Einer Fortsetzung des Films ist der Regisseur übrigens nicht abgeneigt.
Donnerstag, 23. Juli 2015
Zwei auf gleichem Weg
Heute bin ich mal wieder den Weg der Erkenntnis gegangen – virtuell wohlgemerkt.

PICKNICK MIT BÄREN (1:2.35, DD 5.1)
OT: A Walk In The Woods
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Ken Kwapis
Darsteller: Robert Redford, Nick Nolte, Nick Offerman, Emma Thompson
Kinostart: 15.10.2015

Nachdem er Jahrzehntelang in England lebte, zieht es den Reiseschriftsteller Bill Bryson wieder in seine Heimat nach New Hampshire zurück. Doch er fühlt sich irgendwie fremd dort. So beschließt er eines Tages sehr zum Missfallen seiner Familie, den 3500 Kilometer langen Wanderweg “Applachian Trail” zu gehen, um sich wieder mit Amerika vertraut zu machen. Auf Wunsch seiner Frau sucht er sich für sein Vorhaben einen Begleiter. Ausgerechnet sein alter, gebrechlicher Freund Stephen Katz ist der Einzige, der sich darauf einlassen will. Auf die beiden alten Männer wartet das größte Abenteuer ihres Lebens... Man könnte sagen, was dem Europäer sein “Camino de Santiago”, ist dem Ami sein “Appalachian Trail” - beides Wege der Erkenntnis. Auch für Bill Bryson und Stephen Katz steht am Ende ihres gemeinsamen Weges durch die amerikanische Wildnis eine solche Erkenntnis. Der Weg dient hier nicht nur dem Wandersmann als Metapher für das Leben selbst, sondern auch in Ken Kwapis‘ wunderbar besetzten Film. Robert Redford gibt hier nicht den Frauenherzen erobernden Beau, sondern einen Familienvater in der “Nach Midlife Crisis”, der wieder nach Erdung und Inspiration sucht. Das freilich weiß er zu Beginn seiner Tour noch nicht. Er weiß nur, dass er diesen Weg gehen muss. Ein Weg, der nicht immer leicht ist und auch viele Gefahren birgt. Doch er weiß auch, dass er in seinem alten Kumpel einen treuen, wenn auch schwierigen Gefährten hat, der ihn nicht hängen lassen wird. Gespielt wird dieser wunderbar kauzige Typ von Nick Nolte. Und der wiederum spielt eigentlich nur sich selbst, hatte er doch in der Vergangenheit auch schon einen solchen Tiefpunkt in seinem Leben wie Katz hier im Film. Es macht ungeheuer Spaß, den Sprüchen seiner kratzigen Stimme zu lauschen, die der Inbegriff des “Grumpy Old Man” darstellen. Genau an dieser Stelle kann die deutsche Synchronfassung eigentlich nur versagen. Mit großartigem Humor gespickt (z.B. wenn zwei gestandene Männer wie Bryson und Katz vor einer jungen Mitläuferin Reißaus nehmen!) und großartigen Bildern ausgestattet (Kamera: John Bailey) macht diese Reise zur Erkenntnis viel Freude. Da würde es nicht wundern, wenn der ein oder andere Zuschauer selbst inspiriert wird und ein Ticket nach Amerika bucht.
Dienstag, 21. Juli 2015
Es war einmal
Einmal? Nein – eher dreimal! Denn die heutige Pressevorführung holte mich mit gleich drei märchenhaften Geschichten aus dem Alltag

DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN (1:2.35, DD 5.1)
OT: Il Racconto Dei Racconti / Tale of Tales
Verleih: Concorde
Land/Jahr: Italien, Frankreich, Großbritannien 2015
Regie: Matteo Garrone
Darsteller: Salma Hayek, Vincent Cassel, John C. Reilly
Kinostart: 27.08.2015

Drei Königreiche, drei Geschichten. Der König von Longtrellis tut alles dafür, um den Kinderwunsch seiner Frau zu erfüllen, beschwört damit aber Tod und Schrecken herauf. Der König von Strongcliff sehnt sich nach der einzigen Frau seines Königreichs, die er noch nicht gehabt hatte, ohne zu ahnen, dass diese ein großes Geheimnis birgt. Und der kleinwüchsige König von Highhills sorgt sich mehr um das Wohlergehen eines riesigen Flohs als um das Schicksal seiner einzigen Tochter, die er einem Scheusal überlässt... - Das größte Kapital des Films ist sein Look. Chefkameramann Peter Suschitzky zaubert hier Bilder von wahrhaft märchenhaftem Charakter und schafft damit eine sehr eigentümliche, fast zeitlose Stimmung. Zu dieser Stimmung tragen auch Szenenbildner Dimitri Capuani mit teilweise extravaganten Settings sowie Kostümdesigner Massimo Cantini Parrini mit mittelalterlichen Kluften bei. Damit ist Matteo Garrones lose an Vorlagen von Giambattista Basile orientiertes Fantasy-Spektakel optisch bestens ausgestattet und die verschiedenen Geschichten werden ineinander verwoben vom Stapel gelassen. Horrorelemente brechen sich ebenso Bahn wie klassische Märchenmotive. Das ist soweit auch ganz in Ordnung. Leider aber findet man als Betrachter nicht sofort Zugang zu den verschiedenen Storys, da diese nahtlos ineinander übergehen. So gibt es gleich mehrere Könige, ein jeder von ihnen einer anderen Geschichte zugeordnet. Im Laufe des Films wird dies dann etwas klarer. Dann jedoch hat der Film mit seiner Länge zu kämpfen. 128 Minuten Spielzeit sind einfach zuviel und Garrone kann seinen Film leider nicht kontinuierlich spannend halten. Besetzungstechnisch pberzeugt das Werk indes und Garrone kann sich auf internationale Hochkaräter wie Salma Hayek oder Vincent Cassel verlassen. Wer märchenhafte Filme mag, die das Wunderschöne mit dem Grotesken verbindet, der wird Gefallen finden an diesem MÄRCHEN DER MÄRCHEN.
Samstag, 18. Juli 2015
Knuffig, klein und gelb
Zwei Nachzügler für meinen Blog...

MINIONS (1:1.85, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Minions
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Pierre Coffin, Kyle Balda
Kinostart: 02.07.2015

Auf der Suche nach einem bösen Führer landen die drei Minions Kevin, Stuart und Bob im Jahre 1968. In Scarlet Overkill finden die drei eine geeignete Kandidatin und werden von ihr nach London geschickt, um dort für sie die königliche Krone zu stehlen... Mal ganz ehrlich: wollten Sie nicht immer schon wissen, wo diese kleinen ein- und auch zweiäugigen gelben Wesen eigentlich herkommen, die wir seit ICH – EINFACH UNVERBESSERLICH liebgewonnen haben? Die Regisseure Pierre Coffin und Kyle Balda haben jetzt einen abendfüllenden Animationsfilm erschaffen, um sämtliche Fragen über die Minions ein für allemal zu klären. Aber würde ein kompletter Film über die Minions genauso lustig sein wie ihre Kurzauftritte? Klare Antwort: leider nein. Minions wohl dosiert funktionieen prima, doch über die gesamte Spielzeit eines Films sind sie etwas “too much”, d.h. es gibt hier ziemliche Durchhänger. Nichtsdestotrotz wartet der Film mit ein paar köstlichen Gags auf, von denen der erste bereits beim “Universal”-Verleih-Logo zu hören ist: anstelle der orchestralen Version von Jerry Goldsmiths imposanter Fanfarenmusik hören wir den Minionschor mit seiner Interpretation. Echt cool! Sehr eindrucksvoll auch das Zeitkolorit, das die sechziger Jahre perfekt einfängt. Hier richtet sich der Film an die Erwachsenen im Publikum, denn kleine Zuschauer können das noch nicht verstehen. Auch wenn es MINIONS in 3D gibt, so habe ich mich für eine Vorführung in 2D entschieden und muss sagen, das sich die dritte Dimension zu keinen Zeitpunkt vermisst habe. Noch ein kleiner Tipp: es gibt nach dem Abspann noch eine relativ lange musikalische Einlage mit den Minions und ihren Gefährten. Also sitzen bleiben!

ONE CRAZY THING (1:1.85, 5.1)
OT: One Crazy Thing
Verleih: unbekannt
Land/Jahr: England 2014
Regie: Amit Gupta
Darsteller: Ray Panthaki, Daisy Bevan, Dan Skinner, David Bamber
Kinostart: unbekannt

Jay hat ein großes Problem. Denn seit ein Sex-Tape des Schauspielers als Racheakt von seiner Ex im Internet publiziert wurde, ist hat sowohl seinem beruflichen Werdegang als auch seinem Liebesleben mehr als geschadet. Als er sich in eine hübsche Musikinstrumentenverkäuferin verliebt, kommt er in eine Zwickmühle: soll er der Angebeteten von dem Sex-Tape erzählen oder nicht... Aus zeitlichen Gründen war dies der einzige Film, den ich mir im Rahmen des “12. Indischen Filmfestivals Stuttgart” anschauen konnte – leider. Die Geschichte entwickelt sich ganz nett, es darf viel gelacht werden und die beiden Hauptdarsteller überzeugen. Was man von der Umsetzung nicht sagen kann. Hatte Amit Gupta im letzten Jahr mit JADOO noch bewiesen, dass er kinogerechte Bilder entwerfen kann, so ist in seinem neuen Film davon nicht mehr zu sehen. Die extrem vielen Close Ups lassen darauf schließen, das es sich um eine Fernsehproduktion handelt. Dass ausgerechnet dieser Film für das Filmfestival ausgewählt wurde, erstaunt.
Freitag, 17. Juli 2015
Das Ekelpaket
Zum Abschluss der Woche wieder deutsches Kino – in einer unfertigen Fassung

ICH UND KAMINSKI (1:1.85, 5.1)
Verleih: X Verleih (Warner)
Land/Jahr: Deutschland, Belgien 2015
Regie: Wolfgang Becker
Darsteller: Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar
Kinostart: 17.09.2015

Sebastian Zöllner gehört zu jener Spezies von Journalisten, denen jedes Mittel recht ist, um eine große Story gewinnbringend zu verkaufen. So hat sich der mit Eheproblemen beladene (wen wundert’s?) Bartträger in den Kopf gesetzt, die Biographie des berühmten, erblindeten Malers Manuel Kaminski zu verfassen. Und er spekuliert dabei natürlich auf den baldigen Tod des recht gebrechlichen Künstlers, den er in seinem Haus in der Schweiz besucht, um an Informationen zu kommen. Als er dem alten Meister steckt, dass dessen Jugendliebe noch lebt und nicht - wie von ihm fälschlicherweise angenommen - tot ist, lässt sich Kaminski dazu überreden, mit Zöllner zusammen die alte Liebe im Hohen Norden aufzusuchen... Schon im Vorfeld zur heutigen Pressevorführung gab der Filmverleih zu verstehen, dass es sich noch nicht um die finale Fassung des Films handele. So wäre beispielsweise die Musik im Film noch nicht die Musik, die in der Endfassung enthalten sein wird. Über Sinn und Unsinn solcher Pressevorführungen von Werken, die noch gar nicht vollendet sind, mag ich inzwischen nicht mehr diskutieren, weise aber gerne darauf hin, dass diese Kurzrezension aus oben angeführten Gründen noch nicht die finale Rezension sein kann. Der werte Leser bzw. die werte Leserin darf jetzt hier entscheiden, ob er oder sie weiterliest oder nicht. Fakt nach den heute gesehenen 120 Filmminuten ist: es war zu lang! Der Film würde sich mit Sicherheit auf 90 Minuten straffen lassen, ohne dass man den Eindruck hätte, er sie gekürzt. Dass Sebastian Zöllner (gespielt von Daniel Brühl) ein richtiges Ekelpaket ist, um den man am besten einen großen Bogen macht, macht Regisseur Wolfgang Becker schon gleich von Anfang an klar. Kein Grund also, dies konsequent weiter auszutreten – was leider geschieht. Da macht der Film mit seiner fulminanten Eingangssequenz falsche Hoffnungen. Denn darin wird die Lebensgeschichte des Künstlers Kaminski in Form einer TV-Reportage in einem solch unglaublichen Tempo abgespult, dass man richtig mitfiebert. Schade, dass es nicht so weiter geht. Immerhin gelingen Becker ein paar gekonnte Szenenübergänge. Da verwandelt sich nämlich manchmal das Bild in ein Gemälde im Stile Kaminskis. Ein netter Einfall, der dann in der Endtitelsequenz perfektioniert wird. Etwas störend: es ist zuviel Filmmusik enthalten. Aber das war ja auch noch nicht die Endfassung. So bleibt zu hoffen, dass der Film vor Veröffentlichung etwas gekürzt und die Filmmusik reduziert wird.
Donnerstag, 16. Juli 2015
Ein Räuberleben
Während sich draußen die Sonne zu Höchstleistungen quälen musste, durfte ich im klimatisierten Kinosaal ausharren

VILJA UND DIE RÄUBER (1:1.85, 5.1)
OT: Me Rosvolat
Verleih: farbfilm
Land/Jahr: Finnland 2015
Regie: Marjut Komulainen
Darsteller: Ilona Huhta, Sirkku Ullgren, Lotta Lehtikari
Kinostart: 03.09.2015

Die zehnjährige Vilja hat Glück im Unglück. Denn eigentlich sollte sie gemeinsam mit ihrer Familie die Ferien wieder bei der Oma verbringen. Langweiliger geht es kaum! Doch dieses Mal kommt es ganz anders: das Auto der Familie wird von Straßenpiraten angehalten. Und die nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Dummerweise auch jenen Sack, in den sich Vilja gerade verirrt hat. Die Überraschung ist groß, als die Räuber in ihrem Versteck die Beute begutachten und Vilja entdecken. Die Räuberfamilie nimmt das Mädchen mit auf ihre Tour, während der Vilja feststellen muss, dass die Räuber eigentlich gar nicht so böse sind wie alle meinen. Bald schon wird auch in ihr ein Räuberherz schlagen! - Welches kleine Mädchen wünscht sich nicht auch, in den Ferien mal ein richtiges Abenteuer zu erleben? In Sirkku Ullgren als Vilja werden sich ganz bestimmt viele kleine Zuschauerinnen erkennen. Und die Räuber – oder besser: Straßenpiraten – sind ja im Grunde genommen ganz harmlos, zwar ein bisschen verrückt, doch für die richtige Sache kämpfend. So wirft der Film ganz beiläufig die Frage auf, was denn die vielen materiellen Dinge, die man als Familie der Mittelschicht anhäuft (oder auch der Oberschicht, die noch mehr Dinge anhäuft!), überhaupt für seinen Sinn haben. Schlafen unter dem Sternenhimmel oder das Baden in einem See sind durch materielle Dinge einfach nicht zu ersetzen. Finnischer Humor und schräge (aber nie gefährliche!) Typen machen diesen Kinderfilm über Freundschaft und die wirklich wichtigen Dinge im Leben für junge Zuschauer sehenswert.
Dienstag, 14. Juli 2015
Gertrude von Arabien
Das einzige Double Feature der Woche konfrontierte mich mit einer wahnsinnigen Bilderflut und einem Wüstenepos

KNIGHT OF CUPS (1:2.35, DD 5.1)
OT: Knight Of Cups
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Terrence Malick
Darsteller: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman
Kinostart: 10.09.2015

Hat Terrence Malick bereits mit TO THE WONDER für ratlose Gesichter im Publikum gesorgt, setzt er diese Tradition mit seinem neuesten Werk gekonnt fort. Wie schon in Ersterem lässt er auch jetzt wieder eine Bilderflut auf den Zuschauer los, die sich gewaschen hat. Unterlegt werden diese Bilder mit fast immer leise gesäuselten Monologen der Protagonisten, die sich offenbar alle in Sinnkrisen befinden. Was da tatsächlich handlungsmäßig abgeht, erfährt man leider erst durch Lektüre des Presseheftes, das sich an Erklärungen versucht. Da ist ein Drehbuchautor namens Rick auf der Suche nach dem größeren Sinn des Lebens, tingelt von Party zu Party und von Frau zu Frau, immer hoffend, dass ihm die nächste Frau den Horizont erweitern wird. Wer atemberaubende Bilderfluten mag, der wird sich sicherlich an Emmanuel Lubezkis Weitwinkel- und Drohnenaufnahmen kaum satt sehen können. Wer allerdings Antworten auf drängende Fragen erwartet, der darf sich nicht wundern, wenn sich die Fragen nach dem Kinobesuch auf unglaubliche Art und Weise vermehrt haben. Kontraproduktiv erweist sich auch Malicks Verwendung von Musik: es ist nicht gerade einfallsreich, wenn ständig dasselbe Musikstück erklingt. Vielleicht sollte Malick einfach mal wieder eine längere Pause vom Filmemachen nehmen.

KÖNIGIN DER WÜSTE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Queen Of The Desert
Verleih: Prokino (Fox)
Land/Jahr: USA, Marokko 2015
Regie: Werner Herzog
Darsteller: James Franco, Nicole Kidman, Robert Pattinson, Jenny Agutter
Kinostart: 03.09.2015

Anfang der 20. Jahrhunderts zieht es die Britin Getrude Bell, Tochter aus wohlhabendem Hause, nicht etwa an Heim und Herd wie alle anderen Frauen ihrer Zeit, sondern hinaus in die Welt um Abenteuer zu erleben. Ihre Reise beginnt in Teheran und bald schon bereist sie als Archäologin, Schriftstellerin und Forscherin den gesamten Nahen Osten. Was sich ihr beruflich erfüllt, bleibt ihr leider im Privaten verwehrt: der Selbstmord ihres zukünftigen Gatten wirft sie emotional aus der Bahn. Dennoch avanciert sie zu einer der mächtigsten Frauen ihrer Zeit... Was bei diesem Film besonders erstaunt: er ist von Werner Herzog! Einen solchen, zeitweise haarscharf am Kitsch streifenden Film hätte man diesem deutschen Regisseur ganz und gar nicht zugetraut. Aber der Meister schlägt sich Wacker und folgt den Spuren eines David Lean in die Wüste (aufgenommen in Marokko und Jordanien), präsentiert prächtige Bilder (Kamera: Peter Zeitlinger) und lässt diese von keinem Geringeren als von Klaus Badelt mit eine großen Score unterlegen. Nein, das hätte man Herzog wahrhaftig nicht zugetraut. Herzog erzählt hier die wahre Geschichte der Gertrude Bell, der weiblichen Version eines Lawrence von Arabien. Letzterer taucht in Herzogs Film natürlich auch auf, gehört er doch zur historischen Geschichte ebenso dazu wie Gertrude Bell. Leider wird er hier von Robert Pattinson verkörpert, der so ganz und gar nicht in die Rolle und schon gar nicht in Turban und Schleier passt. Die anderen Rollen sind gut besetzt, obgleich Frau Kidman eigentlich viel zu schön gestylt durch die Beduinendörfer schlendert. Aber etwas Hollywood-Glamour muss eben auch mal sein. Wer episch erzähltes, gut bebildertes und auf Fakten beruhendes Historienkino mag, der wird sich in KÖNIGIN DER WÜSTE gerne verlieren.
Montag, 13. Juli 2015
Mit wenig Hirn zum Erfolg
Der erste Film der neuen Woche machte deutlich, dass man keinen besonders hohen IQ benötigt, um einen genialen Coup auszuführen

MASTERMINDS (1:1.85, 5.1)
OT: Masterminds
Verleih: Wild Bunch
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Jared Hess
Darsteller: Zach Galifianakis, Kristen Wiig, Owen Wilson
Kinostart: tba

Weder Wachmann David Ghantt noch seine Komplizen in spe sind besonders helle. David weiß nur, dass er in Kollegin Kelly verschossen ist, für die er alles tun würde. So bringt Kelly den treudoofen David mit dem halbseidenen Steve Chambers und dessen Kumpels zusammen. Gemeinsam wollen sie sich das viele Geld aneignen, auf das David immer aufpassen muss. Der Plan scheint trotz peinlicher Widrigkeiten aufzugehen: bald schon ist der Van prall voll gefüllt mit Dollarnoten. Das aber ist erst der Anfang... Man kann es kaum glauben, dass die Story dieses Films auf einer wahren Geschichte beruht. Nie wurde bei einem Raub in den USA soviel Geld erbeutet wie in diesem Fall. Schaut man sich die Typen an, die dafür verantwortlich waren, muss man sich geradezu wundern, dass es zu keinen größeren Kollateralschäden kam! In der Rolle des David Ghantt läuft Zach Galifianakis wieder einmal zu komödiantischer Hochform auf. Allerdings kann er es nicht lassen, auch ein paar Fäkalwitze einzubauen. Etwa wenn er unfreiwillig einen Pool mit sauberem Wasser in intensives Dreckwasser verwandelt. Wie das? Dreimal dürfen Sie raten. In einer schillernden Rolle ist Jason Sudeikis zu sehen. Er mimt den eiskalten Psycho-Killer, dem beim Schneuzen schon mal ein abgeschnittenes Ohr aus dem Taschentuch auf den Boden fällt. Er ist die schrägste Figur in diesem Spiel, das leider nicht immer konstant unterhält, sondern hin und wieder in Langeweile abgleitet. Ein kleiner Film für zwischendurch.
Freitag, 10. Juli 2015
Der mit den Ameisen tanzt
Zum Wochenabschluss gab es heute großes Mainstream-Kino

ANT-MAN (1:1.85, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Ant-Man
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Peyton Reed
Darsteller: Paul Rudd, Michael Douglas, Evangeline Lilly
Kinostart: 23.07.2015

Ein kleiner Einbrecher soll im Auftrag eines Wissenschaftlers dessen Erfindung aus dem Labor eines machtbesessenen Kollegen stehlen. Damit das auch gelingt, schlüpft der Ganove in einen speziellen Anzug, der ihn innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde auf mikroskopische Größe schrumpfen lässt und ihm dabei gleichzeitig enorme Kräfte gibt: Ant-Man ist geboren! - Auf Ihrer der Suche nach unterhaltsamem Popcorn-Kino sollten Sie diese Marvel-Kreation keinesfalls verpassen: sie macht Spaß! Wie hier sehr souverän mit der großen und der kleinen Welt umgegangen wird, erinnert an Werke wie DIE PHANTASTISCHE REISE oder INNERSPACE. Zu wahrer Größe (!) findet natürlich auch ANT-MAN stets im Makro-Bereich. Da wird beispielsweise Thomas the Tank Engine zu einem riesigen Monster, dem man sich besser nicht in den Weg stellt, oder eine rotierende Schallplatte auf dem Plattenteller zu einer Begegnung auf Leben und Tod. Das alles ist stets gewürzt mit einer großen Portion Humor. Das gipfelt schließlich in ein kleines Crossover mit den AVENGERS, in dem sich das gesamte Marvel-Universum selbst durch den Kakao zieht. Die visuellen Effekte sind dabei natürlich immer vom Feinsten. Dass ein solches Spektakel nicht im CinemaScope-Format an den Start geht, sondern nur in kaschiertem 1:1.85, dürfte wohl daran liegen, dass der Film auch auf digitalen IMAX Screens gespielt wird.
Donnerstag, 09. Juli 2015
Ein mutiger Mann und eine getriebene Frau
Beim heutigen Double Feature gaben sich Politthriller und Drama die Klinke in die Hand

DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER (1:2.35, 5.1)
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Lars Kraume
Darsteller: Burghart Klaußner, Michael Schenk, Ronald Zehrfeld
Kinostart: 01.10.2015

Deutschland 1957. Auf dem Schreibtisch des kompromisslosen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer landet ein Brief aus Argentinien, der ihm den entscheidenden Hinweis auf das Versteck des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann liefert. Bauer ist fest entschlossen, Eichmann in Deutschland vor Gericht zu stellen. Eine Herkulesaufgabe wie sich bald zeigt. Denn es gilt nicht nur die geographische Distanz zu überwinden, sondern auch Widerstände aus den eigenen Reihen. In seinem Kollegen Karl Angermann findet Bauer einen Verbündeten. Die Jagd auf Eichmann wird ihnen beruflich und auch privat alles abverlangen... Im letzten Jahr lieferte Giulio Ricciarelli mit IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS einen grandiosen Polit-Thriller, der die Vorarbeiten zu den Auschwitz-Prozessen schilderte. Dort war es ein kleiner Staatsanwalt, der unter Anleitung von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer die Recherchen leitete. Jetzt macht Lars Kraume Fritz Bauer selbst zum Mittelpunkt seines Films. Und der ist nicht weniger spannend als Ricciarellis Film. Er zeigt deutlich, unter welchem Druck Bauer und auch sein Vertrauter Karl Angermann standen, als sie sich daran machten, den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann aufzuspüren. Gespielt wird Bauer von Burghart Klaussner, der in seiner Rolle fast nicht wiederzuerkennen ist. Die Maske leistet hier ganze Arbeit und Klaussner hat sich einen ganz besonderen Tonfall antrainiert. Eine preiswürdige Performance! Auch Ronald Zehrfeld – mit braver Frisur und breitem Mantel – überzeugt in der Rolle des Angermann, der am Ende durch eine Selbstanzeige seinem Chef Fritz Bauer den Rücken stärkt. Ausstattung und Kameraarbeit sind exzellent. Lars Kraumes Film behandelt ein wichtiges Stück deutscher Nachkriegsgeschichte, ohne das die NS-Verbrechen vermutlich einfach unter den Teppich gekehrt worden wären. Und er zollt Fritz Bauer den Respekt, den er verdient hat.


DIE GETÄUSCHTE FRAU (1:1.85, 5.1)
OT: Zurich
Verleih: Zorro (24 Bilder)
Land/Jahr: Niederlande, Deutschland, Belgien 2015
Regie: Sacha Polak
Darsteller: Wende Snijders, Sascha Alexander Gersak, Zinsy de Boer
Kinostart: 30.07.2015

Zehn Jahre waren Nina und Boris schon zusammen und haben ein gemeinsames Kind. Doch plötzlich gibt es Boris nicht mehr: ein schwerer Autounfall kostet ihn das Leben. Ninas Weltbild gerät ins Wanken. Was ihr jedoch erst richtig den Boden unter den Füßen raubt: Boris führte ein Doppelleben... Sacha Polak erzählt ihren Film nicht etwa chronologisch, sondern in umgekehrter Reihenfolge. So beginnt der Film mit einem Fluss stehenden Auto, aus dem eine Frau steigt. Auf der Fahrbahn direkt daneben räkelt sich ein Puma und faucht. Titel. Dann: Kapitel 2: Hund. Das erste Kapitel mit der Bezeichnung “Boris” gibt es erst nach dem zweiten Kapitel zu sehen. Bis dorthin folgen wir jener Frau, die da aus dem Auto stieg, wie sie offenbar ziellos auf Autobahnrastplätzen umherirrt, in Trucks steigt, auf der Bühne singt. Ab und zu sieht sie plötzlich in der Ferne einen Mann, den sie zu kennen scheint. Doch sind es Trugbilder. Die Regisseurin gibt dem Zuschauer erst nach und nach Informationen an die Hand, mit denen man die Geschichte wie bei einem Puzzlespiel zusammensetzen kann. Diese ungewöhnliche Erzählweise sorgt zumindest dafür, dass man am Ball bleibt. Schließlich will man ja wissen, was Nina zugestoßen ist. Wende Snijders spielt die getriebene Frau mit leerem Blick sehr überzeugend. Allerdings bleiben am Ende Fragen. Beispielsweise die nach dem Puma. Auch ein Trugbild? Ein Post Mortem Erlebnis? Vielleicht.
Mittwoch, 08. Juli 2015
Alex hat null Bock
Nach TAXI TEHERAN kommt jetzt sozusagen TAXI HAMBURG...

TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE (1:2.35, 5.1)
Verleih: farbfilm
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Kerstin Ahlrichs
Darsteller: Rosalie Thomass, Peter Dinklage, Stipe Erceg
Kinostart: 20.08.2015

Alexandra – kurz: Alex – ist gerade mal 25 und hat keinen Bock mehr. Weder auf die Ausbildung zur Versicherungskauffrau, noch Mutter und Geschwister, noch auf eine Beziehung. Kurzentschlossen tritt sie im Hamburg der 1980er Jahre eine Stelle als Taxifahrerin an. Am liebsten fährt sie bei Nacht, weil man da nicht im Stau stehen muss. Aber die Nacht hat ihren Preis: überwiegend Betrunkene und lichtscheue Wesen nehmen ihre Fahrdienste in Anspruch. Eines nachts jedoch steigt der kleinwüchsige Marc in ihr Auto – der Beginn einer Amour Fou... Mit atmosphärisch dichten CinemaScope-Bildern setzt Kamerafrau Sonja Rom Kerstin Ahlrichs‘ Verfilmung des Romans von Karen Duve um. Die nächtlichen Taxifahrten durch Hamburg mit all den vielen illustren Fahrgästen, die in Alex‘ Taxi steigen, zeichnen ein sehr präzises Stimmungsbild, das mit einem teils rockigen, aber auch melancholischen Soundtrack unterlegt wird. Leider dauert die Taxifahrt bei brutto 97 Minuten gefühlte zweieinhalb Stunden! Das dürfte vor allem am Drehbuch liegen. Zu keiner Minute lässt sich Alex‘ Hingezogensein zu Marc nachvollziehen. Doch genau damit steht und fällt der ganze Film (Letzteres ist hier der Fall). Die Darsteller, insbesondere Rosalie Thomass in der Rolle der emanzpierten Alex auf der Suche nach sich selbst, sind zwar gut, jedoch passt die Chemie zwischen ihnen leider nicht. Auch wird hier ziemlich viel vernuschelt. So hatte zumindest ich größere Probleme, Alex‘ Chef Mergolan richtig zu verstehen. Über weite Strecken wirkt der Film episodisch, ohne auf ein Ziel zuzusteuern. Sollte damit vielleicht das Innenleben der Protagonistin verdeutlicht werden? Fazit: ein ambitionierter Film, der viel besser hätte werden können.
Dienstag, 07. Juli 2015
Ein Mädchen verschwindet und ein Boxer schlägt zurück
Eine Coming-of-Age Geschichte und ein Boxer-Drama dominierten heute meinen Kinotag

MARGOS SPUREN (1:2.35, 5.1)
OT: Paper Towns
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Jake Schreier
Darsteller: Cara Delevingne, Nat Wolff, Halston Sage
Kinostart: 30.07.2015

Quentin glaubt an Wunder. Und er weiß ganz genau, dass jeder in seinem Leben wenigstens ein Wunder erfahren wird. Sein Wunder heisst Margo und ist die Tochter der Nachbarn. Mit neun Jahren lernen sie sich kennen und Quentin - schon damals ein hoffnungsloser Romantiker – verliebt sich Hals über Kopf in die hübsche Nachbarin, ohne ihr je seine Liebe zu gestehen. Jetzt sind beide in der Abschlussklasse und haben sich irgendwie aus den Augen verloren. Als Margo eines Nachts plötzlich in seinem Zimmer steht weiß er zunächst nicht wie ihm geschieht. Doch Margo möchte ihn nur als Komplizen bei einer höchst originellen Racheaktion an ihrer Seite haben. Die gelingt auch perfekt, doch am nächsten Tag ist Margo spurlos verschwunden. Spurlos? Doch nicht ein so ungewöhnliches Mädchen wie Margo. Gemeinsam mit seinen beiden Buddies macht sich Quentin auf die Suche nach Margos Spuren – eine Suche, die die Freunde auf einen außergewöhnlichen Roadtrip schickt... Im Auto seiner Mutter fährt Quentin mit der geheimnisvollen Margo durch die Nacht. Er ist stolz, neben ihr sitzen zu dürfen, sie lehnt sich aus dem geöffneten Fenster, lässt sich den Wind um die Nase wehen. Dazu ein Song auf der Tonspur, der die unbeschreibliche Stimmung noch schöner macht. In diesem Bild fasst Regisseur Jake Schreier alles zusammen, was man über Jugend, das Verliebtsein und die Unendlichkeit wissen muss. Und lässt den Zuschauer so teilhaben an dieser Coming-of-Age-Geschichte, die in ihrer Konstellation ein wenig an den wunderbaren FERRIS BUELLER MACHT BLAU erinnert, allerdings ohne dessen Klamauk. Schreier hat seinen Film nach einem Roman von John Green inszeniert, der auch schon die literarische Vorlage für DAS SCHICKSAL IST EIN MIESER VERRÄTER lieferte. Es geht um Freundschaft, die erste Liebe und das letzte Schuljahr, nach dem sich alles ändern wird. Schreier verlässt sich dabei voll und ganz auf seinen jungen Cast, die ihre Rollen perfekt ausfüllen: Nat Wolff mimt den Romantiker Quentin und erscheint dabei höchst sympathisch. Cara Delevigne spielt den Part der Margo, jener unberechenbaren, originellen Schülerin – mit ihr kann man auch als Zuschauer wirklich Pferde stehlen! Und Austin Abrams und Justice Smith als Quentins Kumpels steuern die notwendige Prise Humor bei. Erfrischend anders auch das Ende des Films, das sich dem typischen Hollywood-Kitsch entzieht. MARGOS SPUREN empfiehlt sich als perfektes Date Movie nicht nur für Teenager, sondern auch für alle Junggebliebenen.

SOUTHPAW (1:2.35, DD 5.1)
OT: Southpaw
Verleih: Tobis
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Antoine Fuqua
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams, Naomie Harris, Forest Whitaker
Kinostart: 20.08.2015

Box-Weltmeister Billy Hope hat alles was er sich je wünschte: Ruhm, Geld, eine schöne Frau und eine reizende Tochter. Doch das Schicksal meint es nicht sonderlich gut mit ihm. Ein schwerer Schicksalsschlag wirft ihn aus der Bahn. So sehr, dass er das Sorgerecht für seine Tochter Leila zu verlieren droht. Erst die Begegnung mit Tick Willis, einem Box-Coach, gibt seinem Leben wieder eine neue Richtung... Eigentlich laufen ja alle Boxer-Filme nach dem gleichen Schema ab. Egal wie er dorthin gekommen ist – der Held muss am Ende seinen alles entscheidenden Kampf abliefern. Auch SOUTHPAW bildet da keine Ausnahme. Die Story läuft in bekannten Bahnen ab, das Ende erahnt man schon recht früh. Was den Film allerdings von vielen anderen Boxer-Filmen unterscheidet sind seine Darsteller. Und da hat Regisseur Antoine Fuqua nicht mit Talent gespart. Jake Gyllenhaal beweist als Boxer Billy Hope einmal mehr, dass er inzwischen zu einem der Besten seines Fachs avanciert ist. Seine Rolle verlangt nicht nur extremen physischen Einsatz, sondern lässt ihm auch noch genügend Freiraum, um das Innenleben seiner Rolle nach außen zu tragen. Ihm zur Seite steht Forest Whitaker in der Rolle des Coachs, der ihn für seinen großen Kampf vorbereitet (und in gewisser Weise eine Art Mr. Miyagi – Sie erinnern sich? – darstellt). Auch Whitaker brilliert einmal mehr in seiner Rolle des Kerls mit harter Schale und weichem Kern. Als besondere Überraschung zeigt Jungstar Oona Laurence als Leila, was für ein großes Talent in ihr steckt. Gut inszenierte Fights mit einer präzisen Tonspur machen den guten Eindruck perfekt. Mit SOUTHPAW verabschiedet sich Filmmusiklegende James Horner übrigens von der Bildfläche. Es war der letzte Score dieses brillanten Komponisten, bevor er mit seinem Flugzeug tödlich verunglückte.
Montag, 06. Juli 2015
Er ist zurück!
Wenn ein Politiker ein Versprechen gibt, muss er es längst nicht halten. Ganz anders sieht das bei Terminatoren aus: welcome back, Arnie!

TERMINATOR GENISYS (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Terminator: Genisys
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Alan Taylor
Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Emilia Clarke, Jason Clarke
Kinostart: 09.07.2015


Man schreibt das Jahr 2029. John Connor ist der Anführer des erbitterten Kampfes der Menschen gegen die Maschinen. Die aber schicken einen Terminator zurück ins Jahr 1984, um Johns Mutter Sarah zu töten und damit John selbst. Als Gegenmaßnahme schickt John seinen treuen Freund Kyle ebenfalls zurück ins Jahr 1984 um genau das zu verhindern. Als Kyle jedoch am Ziel ankommt, muss er feststellen, dass nichts so ist wie er es erwartet hatte: ein unvorhergesehenes Ereignis hat alles verändert und die Zeit, in die er von Connor geschickt wurde, existiert nicht mehr... Mit TERMINATOR GENISYS entwirft Regisseur Alan Taylor den TERMINATOR für die nächste Generation von Kinogängern. Also jene, die James Camerons TERMINATOR 2 – wenn überhaupt - nur aus der Konserve kennen. Es mag durchaus sein, dass diese Generation von Zuschauern den neuen Film als den ultimativen TERMINATOR-Trip empfindet, doch eben nur deshalb, weil sie den Cameron-Film nicht als jenes epochemachende Werk miterleben konnten. Vieles von dem was GENISYS jetzt an Plot-Twists und Action-Elementen enthält, gleicht ziemlich jenen aus dem zweiten Teil. Natürlich anders in Szene gesetzt und mit State-of-the-Art visuellen Effekten. Die sind jetzt natürlich längst nicht so nachhaltig wie jene aus TERMINATOR 2, die damals wirklich verblüfften und zu Recht den Oscar einheimsten. Alan Taylor glaubt darüber hinaus offenbar auch an eine hochintelligente Spezies von neuen Kinogängern, die in der Lage sind, die vielen Time Lines seines Films auf Anhieb zu verstehen und nicht nachfragen zu müssen. Für uns alte Säcke unter den Zuschauern darf wenigstens Arnie noch einiges zum Besten geben, was uns dann sogar zum Schmunzeln bringt. Für Kinogänger 2.0 allerdings dürfte der Ex-Gouvernator vermutlich nur eine billige Lachnummer sein. Warum allerdings der gute alte Terminator, von der jungen Sarah Connor liebevoll “Paps” genannt, äußerlich altert, wird wohl eines der ungelösten Terminatorengeheimnisse bleiben. Zweifelsohne: TERMINATOR GENISYS ist spektakuläres Action-Kino, das die Zielgruppe effektiv bedienen wird, dem es jedoch an Nachhaltigkeit mangelt.
Donnerstag, 02. Juli 2015
Alter Sack in jungem Körper
Nur eine einzige Pressevorführung in dieser Woche – ich habe sie in vollen Zügen genossen: im klimatisierten Kinosaal!

SELF/LESS – DER FREMDE IN MIR (1:2.35, 5.1)
OT: Self/Less
Verleih: Concorde
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Tarsem Singh
Darsteller: Ryan Reynolds, Natalie Martinez, Matthew Goode, Sir Ben Kingsley
Kinostart: 20.08.2015

Ein alter, milliardenschwerer und an Krebs leidender Architekt lässt sich auf einen gefährlichen Deal ein: mittels einer geheimen, neuen Operationsmethode tauscht er seinen Körper gegen den eines gesunden jungen Mannes ein. Die Operation glückt, doch es gibt einen Haken: vergisst er seine Pillen zu nehmen, versucht der andere Körper die Kontrolle zu übernehmen. So erscheinen Gedankenfragmente, die auf ein unsauberes Geschäft hinweisen... Was einem den Spaß an Tarsem Singhs actionreichem Sci-Fi-Thriller etwas verleidet ist die Tatsache, dass man den Ausgang der Geschichte eigentlich schon von Anfang an zu kennen glaubt. Und der Film gibt einem dann sogar am Ende noch recht! Das ist sehr schade, zumal der Film souverän inszeniert ist. Die Kameraarbeit ist vorzüglich und der Schnitt hält ein interessantes Stilmittel bereit. Da sieht man dann gerne über einige der Logik-Schwächen der Story hinweg. Insgesamt brauchbare Feierabend-Unterhaltung mit einem Quentchen Gefühl frei nach dem Motto “Zwei Seelen in meiner Brust”.

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