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Montag, 31. August 2015 Der letzte Horner Mit dem neuen Abenteuerfilm von Jean-Jacques Annaud heisst es gleichzeitig Abschied nehmen von einem großen Filmkomponisten DER LETZTE WOLF (1:2.35, 3D, 5.1) OT: Wolf Totem Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: China, Frankreich 2015 Regie: Jean-Jacques Annaud Darsteller: Feng Shao-feng, Shawn Dou, Ankhnyam Ragchaa Kinostart: 29.10.2015
Im Jahre 1967 wird der chinesische Student Chen Zhen in die Innere Mongolei geschickt, wo er den Schäfern Lesen und
Schreiben beibringen soll. Von der ersten Minute an fasziniert ihn die grandiose Steppenlandschaft, das Nomadendasein
und insbesondere das gefürchtetste und gleichzeitig am meisten verehrte Tier des Landes: den Wolf. Chen Zhen begibt
sich allen Warnungen zum Trotz auf Beobachtungstour und wird Zeuge urgewaltiger Jagdszenen. Als aus Peking der
Befehl kommt, alle Wolfsjungen zu töten, um so die Wölfe auszurotten, nimmt er sich heimlich eines kleinen Welpen an
und zieht ihn groß... Wie von Annaud nicht anders gewohnt liefert er auch mit DER LETZTE WOLF wieder einen
optisch spektakulären Abenteuerfilm ab, der von der Hoffnung geprägt ist, dass Mensch und Natur in einer
freundschaftlichen Beziehung zusammenleben. Sein Film basiert auf dem erfolgreichsten chinesischen Bestseller aller
Zeiten und ist sehr episch angelegt. Mit einer Lauflänge von 220 Minuten vielleicht sogar ein bisschen zu episch. DER
LETZTE WOLF ist gleichsam der letzte Horner. Die Rede ist von James Horner, der die imposante Musik zu
Jean-Jacques Annauds Film komponierte und der erst kürzlich tödlich verunglückte. Aufmerksam wurde ich auf Horner
durch seine Musik zu dem Horrorthriller WOLFEN. Dass sein letzter Score nun auch wieder ein Film ist, in dem es um
Wölfe geht, schließt den Kreis perfekt.
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Freitag, 28. August 2015 Heiligt der Zweck die Mittel? Spannendes Krimi-Kino zum Wochenabschluss SICARIO (1:2.35, DD 5.1 + Atmos) OT: Sicario Verleih: Studiocanal Land/Jahr: USA 2015 Regie: Denis Villeneuve Darsteller: Emily Blunt, Benicio Del Toro, Josh Brolin Kinostart: 01.10.2015
Die FBI-Agentin Kate wird für eine Task Force rekrutiert, die ein mexikanisches Drogenkartell zerschlagen soll. Unter
Führung von Agent Matt Graver und dem undurchsichtigen Ex-Staatsanwalt Alejandro wird sie mit illegalen
Ermittlungsmethoden konfrontiert, die sie bald schon erkennen lassen, dass sie bei ihrer bisherigen Arbeit offenbar nur an
der Oberfläche gekratzt hat... Mit Filmen wie DIE FRAU DIE SINGT, PRISONERS oder zuletzt ENEMY hat der
Kanadier Denis Villeneuve hinlänglich bewiesen, dass er zu den interessantesten zeitgenössischen Filmemachern gehört.
Mit seinem neuen Film tritt er diesen Beweis aufs Neue an. Auf extrem spannende Art und Weise geht er unter anderem
der Frage nach, ob der Zweck die Mittel heiligt. Eine Frage, die auch Emily Blunt in der Rolle der FBI-Agentin Kate am
Ende des Films schließlich zögern lässt. Was ist richtig, was falsch, wenn es darum geht, einen Killer zu fassen. Gibt es
überhaupt ein Richtig oder ein Falsch? Hervorragend besetzt mit Benicio Del Toro als zwielichtigem Ermittler aus
Mexiko und Josh Brolin als Chef einer Task Force, der mit verdeckten Karten spielt, bleibt der Film bis zum Ende
spannend. Großen Teil dazu trägt die Score von Johann Johannsson bei, der voller unheilschwangerer Laute steckt. Wer
Krimis mit dem gewissen Etwas mag, der sollte SICARIO keinesfalls verpassen.
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Donnerstag, 27. August 2015 Von der Liebe im Krieg und profitgierigen Konzernen Dramatisch und aufrüttelnd – eine gute Mixtur am Donnerstag UNSER LETZTER SOMMER (1:2.35, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland, Polen 2014 Regie: Michal Rogalski Darsteller: Jonas Nay, Filip Piotrowicz, Gerdy Zint Kinostart: 22.10.2015
1943. Der 17jährige Romek arbeitet als Heizer auf der Lok, die in dem von der deutschen Sicherheitspolizei
kontrollierten Ostpolen ihre Dienste verrichtet. Romek ist in Franka verliebt, die als Küchenhilfe im deutschen
Gendarmerieposten arbeitet. Doch auch der junge Deutsche Guido, der der Sicherheitspolizei angehört, findet Gefallen
an dem Mädchen... Und wieder eine Kriegsgeschichte. Dieses Mal allerdings ohne den Krieg selbst in den Mittelpunkt
zu stellen, sondern nur die Auswirkungen, die er auf seine drei jungen Protagonisten hat. Die mögen alle den Jazz, der
als entartete Musik gilt, und wollen die erste Liebe erleben. Schließlich ist Sommer. Beeindruckend in diesem Film sind
einzig jene Szenen, in denen Romek immer wieder Kleidungsstücke am Rande der Eisenbahnschienen findet. Das
Grauen, das dahintersteckt, wird nicht ausgesprochen, man kann es nur erahnen.
LANDRAUB (1:1.85, 5.1) Verleih: Movienet (24 Bilder) Land/Jahr: Österreich, Deutschland 2015 Regie: Kurt Langbein Kinostart: 08.10.2015
In seiner Dokumentation beschäftigt sich Kurt Langbein mit einem Phänomen, das sich seit vielen Jahren immer weiter
verbreitet: große Konzerne kaufen überall auf der Welt Land auf, um auf Ackerflächen möglichst billig für den
Weltmarkt zu produzieren. In vielen Fällen werden dafür die Menschen auf rücksichtslose Art und Weise von den
Feldern vertrieben, die ihnen schon seit Jahrzehnten ihre Existenz sicherten. Anhand von Beispielen aus Kambodscha,
Afrika oder auch Rumänien wird die Problematik verständlich gemacht. Viele der unmittelbar Betroffenen reden
Klartext vor der Kamera, Konzernvertreter versuchen abzuwiegeln und beschönigen ihre Vorgehensweise. Wie schon
Valentin Thurns 10 MILLIARDEN, so rüttelt auch dieser Dokumentarfilm auf. Sehenswert.
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Dienstag, 25. August 2015 Abenteuer im Langzeitgedächtnis Pixar spielt eine neue Trumpfkarte aus und David Hockney wird beleuchtet – mein Presse-Dienstag. ALLES STEHT KOPF (1:1.85, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Inside Out Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA 2015 Regie: Pete Docter Kinostart: 01.10.2015
In jedem menschlichen Hirn steckt eine Schaltzentrale der Gefühle. So auch in der 11jährigen Riley: Freude, Kummer,
Ekel, Wut und Angst sind tagein tagaus damit beschäftigt, für ihr Wohlergehen zu sorgen. Doch alles gerät
durcheinander, als Rileys Eltern beschließen, gemeinsam mit ihrer Tochter nach San Francisco zu ziehen. Jetzt hat
Kummer, eine recht depressive Gefühlsdame, ihren großen Auftritt – mit ungeahnten Folgen. Mit seinem
Animationsfilm OBEN gab Pete Docter bereits einen beachtlichen Einstand bei Pixar. Jetzt legt er mit ALLES
STEHT KOPF nach – und wie! Mit seinen vielen witzigen und vor Phantasie nur so strotzenden Einfällen spricht er
Kinder wie Erwachsene gleichermaßen an, mit seinen vielen sehr emotionalen Szenen insbesondere die älteren
Zuschauer. Genial: die Visualisierung des menschlichen Gehirns. Erinnerungen werden in Form von Glaskugeln in
riesigen Regalen abgespeichert. Dort im Langzeitgedächtnis arbeitet schließlich ein Zwei-Mann-Trupp, der mit einem
riesigen Schlauch nicht mehr benötigte Erinnerungen (wie beispielsweise eine Telefonnummer) einfach weggesaugt. Die
nervige Melodie einer Kaugummiwerbung allerdings erscheint dem Trupp so wichtig, dass sie nicht gelöscht wird. Der
Beginn eines perfekten Running Gags. Herrlich! Dass Träume wie Filme in einem Studio produziert werden, ist da fast
schon eine logische Konsequenz. Nicht umsonst spricht man von einer Traumfabrik. Wie von Pixar nicht anders
gewohnt besticht die Computeranimation, die Charakterzeichnungen innerhalb wie außerhalb des Hirns sind exzellent.
Viel zum Gelingen des Films trägt Komponist Michael Giacchino bei, dessen Score die sehr einfühlsamen Szenen
überhaupt erst zu dem machen, was sie sind. Alleine dafür wäre schon eine Oscar-Nominierung angebracht. Fazit:
definitiv ein Kinobesuch wert.
HOCKNEY (1:1.85, 5.1) OT: Hockney Verleih: Arsenal Land/Jahr: Großbritannien 2014 Regie: Randall Wright Darsteller: David Hockney, Paul DuBois Kinostart: 15.10.2015
Der 1937 geborene Brite David Hockney zählt zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. In seiner
Dokumentation interviewt der Filmemacher Randall Wright nicht nur den Künstler selbst, sondern auch viele seiner
Wegbegleiter. Dabei entsteht ein dichtes Porträt, das nicht nur den Künstler und seine Arbeit beleuchtet, sondern auch
dessen unkonventionelles Privatleben: Hockney bekannte sich schon immer zu seiner Homosexualität, auch als diese im
Vereinigten Königreich noch verboten war. Ergänzt wird die Dokumentation durch viele historische Foto- und
Filmaufnahmen. Ein hochinteressanter Film nicht nur für Kunstliebhaber.
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Montag, 24. August 2015 Es ist wieder aufgetankt Zum Wochenauftakt Action made in France THE TRANSPORTER REFUELED (1:2.35, DD 5.1) OT: The Transporter Refueled Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: Frankreich, China 2015 Regie: Camille Delamarre Darsteller: Ed Skrein, Ray Stevenson, Loan Chabanol Kinostart: 03.09.2015
Vier toughe Mädels, allesamt von einem bösen Russen zur Prostitution gezwungen, wollen es mit ihrem Boss
aufnehmen und ihm eine Lektion erteilen. Weil sie dafür einen Chauffeur brauchen, fällt die Wahl auf Frank Martin.
Seine Regeln: keine Namen, keine Fragen, keine Nachverhandlungen. Um auf Nummer Sicher zu gehen, dass Frank
auch mitspielt, haben die Mädels einen Trumpf in der Hand: sie nehmen Franks Vater als Geisel. Und schon qualmen
die Räder... Luc Besson und Robert Mark Kamen waren die kreativen Köpfe hinter dem originalen TRANSPORTER
mit Jason Statham. Jetzt hat Besson ein Reboot produziert und die Regie an Camille Delamarre übertragen, der noch bei
TRANSPORTER 3 für den Schnitt zuständig war. Wo zuvor Statham als harter Knochen Frank Martin glänzte, nimmt
jetzt Ed Skrein Platz. Der allerdings fühlt sich wie ein Fremdkörper an, kennt man die Filme mit Statham. Aber die
Zielgruppe ist ja inzwischen längst eine ganz andere. Denn die Fans der ersten TRANSPORTER-Filme sind
inzwischen schon erwachsen, so dass eine neue, wesentlich jüngere Generation begeistert werden muss. Also wird das
Rad einfach nochmal neu erfunden. Inhaltsmäßig handelt es sich beim neuen Film lediglich um Sandkastenspiele
pubertierender Jungs – anders kann man das vollkommen unlogische Drehbuch wohl kaum nennen. Aber das ist auch
gar nicht wichtig. Viel wichtiger sind die quietschenden Reifen, die harten Fights und die kurzen Röckchen, die immer
wieder die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dazu die beschauliche Kulisse an der französischen Riviera. Was will das
Herz mehr! Richtig – eine große Tüte Popcorn und ein Softgetränk. Damit man auch wachbleibt.
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Freitag, 21. August 2015 Doping und Identitätskrisen Der Fall Lance Armstrong sowie der immer währende Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis bestimmten heute meinen Tag außerhalb des Fantasy Filmfests THE PROGRAM – UM JEDEN PREIS (1:2.35, DD 5.1) OT: The Program Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Großbritannien, Frankreich 2015 Regie: Stephen Frears Darsteller: Ben Foster, Chris O'Dowd, Guillaume Canet, Dustin Hoffman Kinostart: 08.10.2015 Aufgrund einer Sperrfristvereinbarung gibt es die Kurzkritik zu diesem Film erst ab 13.09.2015 DER SOHN DER ANDEREN (1:2.35, DD 5.1) OT: Le Fils De L’Autre Verleih: Film Kino Text Land/Jahr: Frankreich 2012 Regie: Lorraine Levy Darsteller: Emmanuelle Devos, Pascal Elbé, Jules Sitruk Kinostart: 17.09.2015
Der Schock sitzt tief, als zwei Familien erfahren, dass ihre fast 18 Jahre alten Söhne bei der Geburt versehentlich
vertauscht wurden. Das Prekäre dabei: eine Familie sind Israelis, die andere Palästinenser. Konflikte gären jetzt nicht
nur zwischen, sondern auch innerhalb der Familien. Einzig die tatsächlich Betroffenen, Joseph und Yacine, bewahren
einen kühlen Kopf und gehen aufeinander zu... Der noch immer bestehende Konflikt zwischen Palästinensern und
Israelis bildet die Basis für diese emotional sehr aufwühlende Geschichte. “Bin ich noch Jude?” fragt Joseph seine
Eltern, als er erfährt, dass er in Wahrheit Sohn palästinensischer Eltern ist. Wird unsere Identität einzig und allein durch
die Geburt bestimmt oder zählt auch (oder sogar nur) das Umfeld, in dem wir aufwachsen? Dieser Kernfrage sowie der
Frage nach Toleranz geht Regisseurin Lorraine Levy in ihrem packenden und gut besetzten Drama nach. Sehenswert.
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Donnerstag, 20. August 2015 Die Royals brechen aus Zwei Prinzessinnen inkognito in London und ein aus dem Ruder laufendes Familienfest hielten mich heute vom Arbeiten ab A ROYAL NIGHT – EIN KÖNIGLICHES VERGNÜGEN (1:2.35, 5.1) OT: A Royal Night Out Verleih: Concorde Land/Jahr: Großbritannien 2015 Regie: Julian Jarrold Darsteller: Sarah Gadon, Emily Watson, Jack Reynor, Bel Powley Kinostart: 01.10.2015
Julian Jarrolds Film würde sich gut eignen, um als Double Feature zusammen mit THE KING’S SPEECH gezeigt zu
werden. Geht es in Letzterem um die Rede des Königs zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, so ist es jetzt dessen
Rede zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Freilich ist diese Rede hier nur Aufhänger dafür, um eine ganz andere
Geschichte der königlichen Familie zu erzählen – inspiriert von einer wahren Geschichte. Sarah Gadon in der Rolle der
Elizabeth und Bel Powley als ihre jüngere Schwester Margaret geben darin ein tolles Prinzessinnengespann, das sich
nach dem richtigen Leben sehnt und wenigstens einmal in ihrem noch jungen Leben den royalen Mief hinter sich lassen
möchte. Und welche Nacht würde sich besser eigenen als der 8. Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkriegs. Ganz
London liegt sich in den Armen, feiert, tanzt, singt und erfreut sich des Lebens. Doch König und Königin (brillant:
Rupert Everett und Emily Watson) sind nicht sonderlich angetan vom Wunsch ihrer Töchter mit dem Volk mitzufeiern.
Da bedarf es schon etwas Überredungskunst seitens Elizabeths, die damit bereits den Beweis antritt, ihr zukünftiges Amt
bestens ausfüllen zu können. Doch Mama und Papa sorgen natürlich für ein paar Fallstricke: zwei Soldaten werden
abgestellt die jungen Damen zu eskortieren. Bei all dem Jubel und Freudentaumel in der Stadt allerdings eine schwierige
Aufgabe, insbesondere wenn man derart lebhaft ist wie Margaret. So passiert es natürlich, dass die Prinzessinnen ihre
Beschützer hinter sich lassen und die beiden Schwestern sich auch noch gegenseitig aus den Augen verlieren. Während
Margaret von einem Herrn mit eindeutigen Absichten abgeschleppt wird, landet Elizabeth in den Armen eines in
Ungnade gefallenen Fliegersoldaten... Wieviel von dieser Geschichte tatsächlich wahr ist, werden wir sicher nicht
erfahren. Doch das macht nichts. Denn die Geschichte fühlt sich authentisch an: da wachsen zwei Mädels wie in einem
Kloster hinter dicken Palastmauern auf und bekommen das richtige Leben nie zu Gesicht. Logisch, dass die Teenager
großen Nachholbedarf haben. Während die Jüngere sich Hals über Kopf in das Nachtleben stürzt, macht sich die Ältere
bereits tiefschürfende Gedanken über ihr Leben und das ihrer Eltern. Vor allem im Kontakt mit dem Flieger Jack wird
ihr klar, dass sie in ihrem Palast das wahre Leid der Menschen nie mitbekommen hat. Aufwändig inszeniert Julian
Jarrold das London jener denkwürdigen Nacht, lässt es lebendig werden. Mit seinen farbreduzierten Bildern sorgt
Kameramann Christophe Beaucarne für genau das richtige Quentchen Nostalgie. Alles in diesem Film ist "“very british”
und damit höchst amüsant. Zu befürchten ist, dass die deutsche Synchronfassung hier kontraproduktiv wirken wird.
Denn wenn Margaret am nächsten Morgen nach ihren Eskapaden ihren Vater fragt, was denn ein Puff sei, so ist das im
englischen Original unschlagbar: “By the way, what is a Knocking Shop?” A ROYAL NIGHT ist bestes
Unterhaltungskino.
FAMILIENFEST (1:1.85, Stereo) Verleih: NFP (Filmwelt) Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Lars Kraume Darsteller: Hannelore Elsner, Günther Maria Halmer, Michaela May, Lars Eidinger, Jördis Triebel Kinostart: 15.10.2015
Als sich die gesamte Familie zu Ehren des 70. Geburtstags des Vaters, einem bekannten Pianisten, in dessen Villa
einfindet, dauert es nicht lange, bis dessen patriarchisches Verhalten die Feier vollkommen aus dem Ruder laufen lässt...
“Was müssen wir denn noch alles ertragen”, fragt man sich bereits nach kurzer Zeit. Denn FAMILIENFEST vereinigt
wohl so ziemlich alles, was es an Problemen in einer Familie geben kann. Das wirkt einfach zu konstruiert. Das ist so,
als würde man alle Filme mit dem Thema “Familienzusammenkunft” zu einem einzigen Film vereinen. Das ist dann
einfach “over the top” – zuviel des Guten. Immerhin liefert das Ensemble durchweg gute Leistungen ab. Der
Musikeinsatz (speziell Vivaldi, wenn ich nicht irre) erinnert an andere Filme und wirkt damit so, als hätte man die Idee
von eben dort geklaut. Gemeint ist damit die Art und Weise, wie die Zeit zwischen zwei “Pointen” mit Musik überbrückt
wird. Der sehr unpräzise Ton und die extrem kurzen Endtitel (es fehlte insbesondere die Nennung der verwendeten
Musikstücke) lassen darauf schließen, dass man uns in der heutigen Pressevorführung eine unfertige Version gezeigt hat.
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Mittwoch, 19. August 2015 Als die Welt noch in Ordnung war Heute habe ich mal wieder einen Film nachgesessen, den uns der Filmverleih nicht als Pressevorführung zeigen wollte CODENAME U.N.C.L.E. (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Man From U.N.C.L.E. Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2015 Regie: Guy Ritchie Darsteller: Henry Cavill, Armie Hammer, Alicia Vikander Kinostart: 13.08.2015
1963. Es herrscht kalter Krieg zwischen Amerika und Russland. Doch notgedrungen müssen deren Top-Agenten
Napoleon Solo und Illya Kuryakin zusammenarbeiten, um einem Wahnsinnigen das Handwerk zu legen. Der nämlich ist
gerade dabei, eine Atombombe zu bauen. Mit Hilfe seiner in Ost-Berlin lebenden Tochter Gaby Schmidt wollen die
Agenten an ihn herankommen. Alles läuft nach Plan, doch die Rivalität zwischen den beiden Agenten macht dem
Ganzen immer wieder einen Strich durch die Rechnung... In den sechziger Jahren war die Welt noch in Ordnung.
Zumindest für Geheimagenten. Denn der kalte Krieg zwischen den USA und Russland sorgte dafür, dass die immer jede
Menge Arbeit hatten. Vor diesem Hintergrund war auch die beliebte amerikanische TV-Serie “Solo für O.N.K.E.L.”
angesiedelt, die Mitte der 1960er Jahre auch über deutsche Fernsehschirme flimmerte. Gesehen habe ich diese Serie
leider nie, denn dafür – so das Argument meiner Eltern damals – war ich noch zu jung. Nachgeholt habe ich dieses
Versäumnis auch nicht, da es einfach zu viel Neues gab, als ich dann alt genug war – wofür auch immer. So war der
Kinofilm jetzt also mein erstes Zusammentreffen mit Napoleon Solo und Illya Kuryakin. Und um es gleich vorweg zu
sagen: es hat sich gelohnt. Anfangs hatte ich allerdings größte Bedenken, denn Guy Ritchie startet seine actionreiche
Spionagegeschichte sehr gemächlich. Da gibt es zwar ziemlich am Anfang schon eine Verfolgungsjagd durch das
nächtliche Ost-Berlin, doch ebbt der Film danach ziemlich schnell wieder ab. Zumindest empfindet man das heutzutage
so, wenn Filmemacher in Nostalgie schwelgen und ihren Film entschleunigen. Mit viel Witz und Situationskomik geht
es jetzt ans Werk, um die Rivalität zwischen Solo und Kuryakin herauszuarbeiten. Ritchies Film kommt langsam in
Fahrt und wenn er uns spätestens beim Abstecher nach Rom seinen ersten kleinen Plot Twist serviert, dann hat er uns
bereits in der Hand. Mit viel Liebe zum Zeitkolorit (wir haben ja schließlich das Jahr 1963) lässt Ritchie seinen Film auf
seinen fulminanten Höhepunkt zusteuern, der wiederum von weiteren geschickt platzierten Plot Twists durchsetzt ist.
Untermalt werden die Bilder oft von Italo-Western-Musik (will er es hier mit Tarantino aufnehmen?), Jerry Goldsmiths
packende Melodie zur TV-Serie indes ertönt nur einmal ganz kurz aus dem Autoradio. Schade, aber man kann ja nicht
alles haben. Was die Besetzung angeht, so sind sowohl Henry Cavill als Solo sowie Alicia Vikander als Fräulein
Schmidt gut getroffen. Nur mit Armie Hammer als Illya Kuryakin tat ich mich etwas schwer – in dieser Rolle wirkte
TV-Star David McCallum irgendwie charismatischer. Optisch zumindest. Fazit: wer Action mit viel Witz und Ironie
gepaart mag, der sollte sich in die Hände von Solo und Kuryakin begeben.
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Dienstag, 18. August 2015 Eine Überdosis Hysterie Eine Komödie kann echt lustig sein, sie muss es aber nicht... FRENCH WOMEN – WAS FRAUEN WIRKLICH WOLLEN (1:2.35, DD 5.1) OT: Sous Les Jupes Des Filles Verleih: Alpenrepublik (Tobis) Land/Jahr: Frankreich 2014 Regie: Audrey Dana Darsteller: Vanessa Paradis, Géraldine Nakache, Laetitia Casta, Isabelle Adjani Kinostart: 03.09.2015
Episodenhafter Film über eine Gruppe von Frauen in Paris, von denen jede ihre ganz eigenen Probleme mit der Liebe
hat. Erst einmal tief durchatmen! Ich glaube, dass ich nach Sichtung dieser französischen Komödie eine Überdosis
Hysterie abbekommen habe. Im Presseheft wird die Regisseurin zitiert: “Auslöser für diesen Film war...das Bedürfnis zu
zeigen, dass wir Mädels das Publikum auch zum Lachen bringen können...”. Gegenfrage meinerseits: “Warum tut ihr es
dann nicht?”. Das Frauenheer, das uns Audrey Dana hier präsentiert wirkt leider dermaßen abschreckend, dass man sich
wünscht, solchen Frauen nie in die Hände zu fallen. Schenkt man den Worten von Frau Dana Glauben, so ist das alles
natürlich ganz anders gemeint. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass hier stundenlang hysterisch
herumgekreischt und das Wort “Schlampe” vorwärts und rückwärts abgenudelt wird. Logisch – in einer Komödie darf
man die Figuren auch mal überzeichnen. Allerdings sollte das dann lustig sein. Im vorliegenden Fall ist es genau das
aber nicht. So fühlen sich dann die 116 Minuten Spielzeit gefühlt wie drei Stunden an. Schade, dass man Isabelle Adjani
ausgerechnet in diesem Film wieder einmal zu Gesicht bekommt. Frauen aus Fleisch und Blut sind mir viel lieber als
diese Rasselbande, die hier vom Stapel gelassen wird. Dass ausgerechnet dieser Film in Frankreich zum Kassenhit
wurde, lässt nur einen Schluss zu: ich verstehe die Franzosen nicht. Zur Versöhnung sei noch erwähnt, dass der Schluss
des Films mit einem Flash Mob aufwartet: tanzen, das können sie, die Frauen!
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Montag, 17. August 2015 Ein DJ auf der Überholspur Heute gab es mal wieder etwas auf die Ohren... WE ARE YOUR FRIENDS (1:1.85, DD 5.1 + Atmos) OT: We Are Your Friends Verleih: Studiocanal Land/Jahr: USA 2015 Regie: Max Joseph Darsteller: Zac Efron, Emily Ratajkowski, Wes Bentley Kinostart: 27.08.2015
Tagsüber hängt Cole mit seinen Freunden im Los Angeles Valley ab, nachts versucht er sich als DJ zu bewähren und
hofft auf die große Chance. Der charismatische und sehr erfolgreiche DJ James wird auf ihn aufmerksam und nimmt ihn
unter seine Fittiche. Cole sieht sich schon auf der Gewinnerspur. Doch als er sich in James‘ Freundin verliebt, droht
alles aus dem Ruder zu laufen... Insbesondere für Menschen fortgeschrittenen Alters dürfte sich Coles Welt als
vollkommen fremdartig anfühlen. Die Welt der DJs scheint eine ganz eigene zu sein, eine ohne Erdung. Max Josephs
extrem flott geschnittener Film richtet sich an junge Zuschauer, die mit Techno aufgewachsen sind und die sich in der
Club-Szene zuhause fühlen. Als Erwachsener tut man sich ziemlich schwer, dem Film Inhalt abzuringen. Was hier
gezeigt wird, hat mit dem wirklichen Leben nicht viel zu tun. Hier ist vieles einfach nur Fassade, die mit lautstarken
Rhythmen untermauert wird. Immerhin bietet der Film eine ausgeklügelte Tonspur und nutzt alle Möglichkeiten
moderner Tonanlagen, um den Zuschauer in die DJ-Welt zu entführen. Dafür braucht es natürlich ein tontechnisch
adäquates Kino. Hat man das zur Verfügung, so sollte man sich einfach dem hämmernden Bass hingeben und nicht
großartig nachdenken. Inszenatorische Höhepunkte sind zwei Sequenzen, in denen gezeigt wird, wie Cole einen Track
produziert. Eine Art Lehrstück für DJs.
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Mittwoch, 12. August 2015 The Birth of the Gangsta Raps Sie kamen, sahen und sangen – die letzte Pressevorführung in dieser Woche thematisierte ein Stück junger amerikanischer Musikgeschichte STRAIGHT OUTTA COMPTON (1:2.35, DD 5.1) OT: Straight Outta Compton Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2015 Regie: F. Gary Gray Darsteller: O'Shea Jackson jr., Corey Hawkins, Jason Mitchell Kinostart: 27.08.2015
Ende der 1980er Jahre entwickeln fünf junge Schwarze im amerikanischen Compton eine vollkommen neue Art von
Musik. Unter den Fittichen eines Musikproduzenten stellt sich schon bald ein immenser Erfolg ein. Doch nicht nur
künstlerische Differenzen, auch Probleme mit der Polizei und dem FBI drohen den Musikclan zu zerbrechen... Großes
Lob: die knapp zweieinhalb Stunden Spielzeit des Films merkt man ihm nicht an. Gebannt sitzt man als Zuschauer im
Kinosaal und will nur noch wissen wie sich die ganze Geschichte weiterentwickelt. Die basiert auf einer wahren
Geschichte und ist gerade mal 25 Jahre alt. Regisseur F. Gary Gray zeigt die Geburtsstunde des sogenannten “Gangsta
Raps”, der von Ice Cube, Dr. Der, Eazy-E, DJ Yella und MC Ren ins Leben gerufen wurde – als künstlerischer
Ausdruck des Lebensgefühls, mit dem junge Schwarze (oder korrekter: Niggas) im von Gewalt und Drogen dominierten
Armenviertel von Crompton aufwachsen. Leider ist der so prägnante Duktus der Straßensprache in der deutschen
Synchronisation bis auf die wichtigsten Schimpfworte komplett verschwunden, nur die Raps sind im Original (teilweise
deutsch untertitelt) belassen. Damit wird der Film leider einem sehr wichtigen Element beraubt. Dass er dennoch in der
deutschen Version funktioniert, dürfte an der stimmigen Inszenierung liegen. Dabei kann sich F. Gary Gray auf sein
junges Ensemble verlassen, das seine Rollen sehr authentisch wirken lässt. Als Sahnehäubchen fungiert Paul Giametti
als Musikproduzent, der genau weiß, wie das Business funktioniert und dieses Wissen kompromisslos für sich ausnutzt.
Großen Anteil am Gesamtkonzept hat natürlich die Musik, die perfekt im 5.1 Tonformat abgemischt wurde und den
Kinosaal ab und zu zum Beben bringt. Chefkameramann Matthew Libatique gelingen atmosphärisch starke Bilder mit
einer großen Portion Authentizität. Wer Gangsta Raps mag und auf unzensierte Texte steht, dem sei STRAIGHT
OUTTA COMPTON sehr empfohlen.
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Dienstag, 11. August 2015 Neulich im Schwabenland Eine hausgemachte schwarze Komödie stand heute auf dem filmischen Speisezettel SCHMIDTS KATZE (1:1.85, 5.1) Verleih: MFA (Filmagentinnen) Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Marc Schlegel Darsteller: Michael Lott, Christiane Seidel, Michael Kessler Kinostart: 24.09.2015
Der introvertierte Werner Schmidt sortiert tagsüber gelangweilt Klobürsten im Baumarkt. Zur Hochfom läuft er nur
nachts auf, wenn er heimlich Autos in die Luft sprengt! Eines Nachts sprengt er dummerweise eine Insassin gleich mit in
die Luft! In seiner Not nimmt er die junge Frau einfach im Kofferraum seines Autos mit nach Hause. Was er (noch)
nicht weiß: der Unbekannten kommt das ganz recht, muss sie sich doch vor ein paar bösen Buben verstecken, die ein
ominöses Video von ihr wollen. Werner sieht sich plötzlich zwischen allen Fronten... Schon wieder eine schwäbische
Komödie – und wieder sprechen sie kein richtiges Schwäbisch! Was mit DIE KIRCHE BLEIBT IM DORF als neues
Erfolgsrezept eingeführt wurde (und mit dem Fortsetzungsfilm kläglich scheiterte), soll nun mit Marc Schlegels schwarz
angehauchter Komödie fortgeführt werden. Allerdings verspricht der Titel des Films zuviel: hier geht es leider nicht ab
wie Schmidts Katze! Der Witz bleibt oft auf der Strecke oder läuft einfach ins Leere. Es fällt irgendwie schwer, sich auf
die Protagonisten einzulassen. Diese bleiben die ganze Zeit auf Distanz. Weder freut man sich noch leidet man mit
ihnen. Warum Werner gerne Autos in die Luft jagt, bleibt ein großes Geheimnis. Ebenso, was denn nun auf dem von den
bösen Buben so begehrten Video zu sehen ist. An der Stelle unterläuft dem Drehbuch dann sogar ein Fehler: das Video
ist auf einem Stick gespeichert, Kopien jederzeit einfach und bequem machbar. Schade – einfach nicht zu Ende gedacht.
Der einzig waschechte Schwabe in diesem Film ist ein dicker Polizist, gespielt von Georg Alfred Wittner mit
unverfälschtem Dialekt. Schade, dass man aus den beiden Hauptfiguren nicht auch solche Schwaben gemacht hat. Das
wäre viel lustiger als das Hochdeutsch, das Michael Lott alias Werner und Christiane Seidel alias Sybille sprechen.
Interessant übrigens die musikalische Untermalung: Komponistin Jasmin Reuter parodiert gekonnt gängige Scores wie
z.B. das MISSION: IMPOSSIBLE-Thema oder den RAIDERS-Marsch.
Nachtrag vom 21.08.2015: der Produzent des Films, Matthias Drescher, hat meine Kurzrezension wie folgt kommentiert
- ein herzliches Dankeschön dafür!
"..und wieder sprechen sie kein richtiges Schwäbisch!" "Richtiges" Schwäbisch gibt es nicht, denn der Dialekt ist so vielfältig wie das Land. Schon in Schorndorf klingt es anders als in Stuttgart als in Reutlingen als auf der Alb... und mit den Badenern fang ich gar nicht erst an, denn wenn deren Dialekt als Schwäbisch verunglimpft wird, wird es gefährlich. Die Schwaben sind sich ohnehin untereinander uneins, wer den schönsten und reinsten Dialekt spricht. "Der einzig waschechte Schwabe ... ist ... Georg Alfred Wittner mit unverfälschtem Dialekt" Neben Georg Alfred Wittner ist Franziska Traub eine waschechte Schwäbin mit waschechtem Schorndorfer Dialekt, denn dort ist sie aufgewachsen und in Stuttgart geboren. Michael Kessler hat das Schwäbisch mit der Muttermilch aufgesogen, denn seine Mutter ist eine waschechte Stuttgarterin. Er war es auch, der uns überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, nicht Hochdeutsch zu produzieren. Denn beim dritten oder vierten Casting-Take meinte er, "soll ich mal auf Schwäbisch?", und der hat uns dann so umgehauen, dass fortan jeder seinen Heimatdialekt nehmen konnte: Desiree Nick berlinert Tom Gerhardt spricht kölsch Volker Zack Michalowski sächselt Alexander Fennon spricht wienerisch (das Wienerisch des 12. Bezirks und Proletariats) Michael Lott und Christiane Seidel sprechen hochdeutsch mit leicht nordischer Note. Die Dialekte im Film sind also so vielfältig wie im echten Leben. “..es bleibt ein Geheimnis, was auf dem Video zu sehen ist..” Genau!, das bleibt ein Geheimnis. Sollte aber ein Filmkritiker nicht seinem Leser verraten, sondern vielmehr feststellen, dass wir uns eines alten filmisch-dramaturgischen Kunstgriffs bedient haben. Denn das Video auf einem Stick ist unser "MacGuffin", den wir uns beim alten Hitchcock abgeschaut haben |
Freitag, 07. August 2015 Die Sterbehelfer Zum Ausklang der Woche mal wieder israelisches Kino – herrlich! AM ENDE EIN FEST (1:1.85, 5.1) OT: Mita Tova – The Farewell Party Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Israel, Deutschland 2014 Regie: Sharon Maymon, Tal Granit Darsteller: Ze'ev Revach, Levana Finkelstein, Aliza Rosen Kinostart: 24.09.2015
In einem Seniorenheim in Jerusalem sammeln sich einige Senioren (darunter ein Tierarzt und ein Polizist) um den
72jährigen Tüftler Yehezkel, um gemeinsam seinen besten Freund Max von dessen schwerem, unheilbaren Leiden zu
erlösen. Damit auch alles vermeintlich legal vonstatten geht, entwirft Yehezkel einen Apparat, mit dem sich ein
Sterbender selbst töten kann. Max‘ Erlösung ist ein voller Erfolg. Doch damit nicht genug: plötzlich ist die Sterbehilfe
leistende Rentner-Gang in aller Munde und der nächste Todeskandidat wartet schon auf seine Erlösung... Drei alte
Herren und eine alte Dame marschieren in Formation den hellen Gang eines Krankenhauses entlang, fest dazu
entschlossen, ihren Plan in Bezug auf Sterbehilfe in die Tat umzusetzen. Sagt einer der Männer: “Wir dürfen nicht
auffallen”. Just in dem Moment stolpert der etwas tüttelige Rentner über den Abfallkorb aus Metall, der an der Seite des
Ganges steht, und produziert ein unheimlich lautes Geräusch. Nicht auffallen? Fehlanzeige! Es sind diese kleinen Gags
in Sharon Maymons und Tal Granits Film, die uns trotz seines ernsten Themas immer wieder zum Lachen bringen.
Damit ist den beiden Regisseuren der Spagat zwischen schwarzer Komödie und ernstem Drama perfekt gelungen.
Perfekt auch die Besetzung, die nicht nur in puncto Alter alles andere als geizt. Die lassen auch tatsächlich die Hüllen
fallen – allerdings so inszeniert, dass es nicht wehtut, sondern köstlich unterhält. Bei solchen Zutaten ist man mehr als
gewillt, sich auch mit der ernsten Thematik des Films auseinanderzusetzen. Die Geschichte von Tüftler Yehezkel und
seiner zunehmend an Demenz leidender Frau Levana ist äußerst berührend inszeniert und wirft die Frage nach einem
selbstbestimmten und damit würdevollem Sterben auf. Gedanken, die man nach dem Kinobesuch ganz sicher mit nach
Hause nehmen wird. Großes Kino.
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Donnerstag, 06. August 2015 Denn er wusste was er tat Was gibt es Schöneres als Filme über das Filmemachen. Vor allem wenn sie in den 1950er-Jahre angesiedelt sind LIFE (1:2.35, 5.1) OT: Life Verleih: SquareOne/Universum (DCM) Land/Jahr: Großbritannien, Deutschland 2015 Regie: Anton Corbijn Darsteller: Dane DeHaan, Robert Pattinson, Sir Ben Kingsley Kinostart: 24.09.2015
Wer kennt nicht jene ikonischen Schwarzweißbilder von James Dean, die 1955 im LIFE-Magazin erschienen sind und
aus Dean einen Superstar machten. LIFE ist die Geschichte der Entstehung dieser Bilder. Geschossen hat sie Dennis
Stock, ein freier Fotojournalist, der 1955 Dean zufällig auf einer Party kennenlernt und sein großes Potenzial erkennt.
Doch Dean ist anders als alle anderen Schauspieler, ein Exot in Los Angeles. Stock muss viel Überzeugungsarbeit
leisten, bevor Dean auf seinen Vorschlag eingeht, für das LIFE-Magazin zu posieren. Und er ist hochgradig nervös, weil
er auf die Rolle in DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN hofft, dafür aber zur Marionette von Jack Warner
mutieren soll... Wenn schöne alte und hochpolierte Cadillacs auf nächtlicher Straße durch das Bild fahren, dann haben
Ausstatter und Szenenbildner wieder ganze Arbeit geleistet. Denn in LIFE ist viel Liebe zum Detail in Ausstattung und
Szenenbild geflossen, um das Jahr 1955 wieder zum Leben zu erwecken. Das geht sogar so weit, dass auf den großen
Leuchttafeln der Premierenkinos das Wort “CinemaScope” fast genauso groß zu sehen ist wie der Filmtitel selbst – wie
das eben so war damals kurz nach Einführung dieser revolutionären Kinotechnik. Schon von daher ist Anton Corbijns
Film ganz sicher kein Film für die breite Masse, sondern eher für Film-Gourmets, die sich auch ein bisschen in der
Filmgeschichte auskennen. Speziell das Wissen um James Dean und seine Filme ist hier gefragt. Regisseure wie
Nicholas Ray oder Elia Kazan tauchen hier ebenso auf wie der von Ben Kingsley dargestellte Patriarch Jack Warner
oder die Schauspielerin Pier Angeli, mit der James Dean eine Liebesbeziehung unterhielt. Dane DeHaan als James Dean
ist zweifelsohne eine Entdeckung. Zu sehen war DeHaan zwar schon in einigen Filmen (u.a. in THE PLACE BEYOND
THE PINES), doch dürfte diese Rolle seine bislang stärkste sein. Robert Pattinson gibt den LIFE-Fotografen Dennis
Stock und könnte mit dieser Rolle endlich das ihm immer noch anhaftende TWILIGHT-Image loswerden. Das
Zusammenspiel der beiden ist perfekt, mit dem Mut zur Langsamkeit und vielleicht sogar mit einer erotischen
Komponente. Passendes Zeitkolorit gibt es nicht nur im Bild, sondern auch auf der Tonspur. Neben ein paar Rock’n
Roll Einlagen ist vor allem dezenter Jazz zu hören. Die Kameraarbeit der Dänin Charlotte Bruus Christensen, die erst
kürzlich mit ihrer Fotografie für AM GRÜNEN RAND DER WELT beeindruckte, orientiert sich an den
CinemaScope-Filmen der 1950er Jahre. Sie nutzt die breite des Bildes sehr geschickt und platziert beispielsweise in
einer Szene Dean und Stock an gegenüberliegenden Enden eines langen Tisches – der Eine am linken Rand des Bildes,
der Andere am rechten. Wer wahre Geschichten und entschleunigtes Kino mag und ein Faible für stimmige Details hat,
der ist bei LIFE genau richtig aufgehoben.
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Mittwoch, 05. August 2015 Goldgräberstimmung Zur Wochenmitte mal wieder eine Doku. CAPITAL C (1:1.85, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland, USA 2014 Regie: Jörg Kundinger, Timon Birkhofer Kinostart: 24.09.2015
Es herrscht Goldgräberstimmung bei den Jungunternehmern. Noch nie zuvor in der Geschichte war es so leicht wie
heute an Geld zur Verwirklichung einer Geschäftsidee zu gelangen. Crowdfunding ist das Zauberwort, das
Unternehmerherzen höher schlagen lässt. In ihrem Dokumentarfilm begleiten Jörg Kundinger und Timon Birkhofer drei
Kreative, die sich mittels Crowdfunding das notwendige Kapital besorgen, um ihre unternehmerischen Ideen in die Tat
umzusetzen: ein Games-Entwickler, ein Spielkartendesigner und ein Designer für Flaschenüberzieher. Alle drei
Geschichten sind natürlich Erfolgsgeschichten. Fast so, als handele es sich bei dieser Dokumentation um ein
Werbefilmchen für Crowdfunding. Dass das Crowdfunding auch Schattenseiten hat, spielt hier leider nur eine
untergeordnete Rolle, wird nur in Nebensätzen erwähnt. Ergänzt werden die Erfolgsgeschichten durch markige
Statements von Wirtschaftsexperten, die in höchsten Tönen vom neuen Wunderkind Crowdfunding schwärmen. Hier
fehlt den Filmemachern offenbar die notwendige Distanz, wurde ihr Film selbst auch u.a. mit Crowdfunding finanziert.
Zu wünschen ist den beiden Regisseuren zumindest, dass sie das notwendige Kapital zusammenbekommen, das
erforderlich ist, um wenigstens ein ordentliches DCP in die Kinos zu bringen. Die uns heute bei der Pressevorführung
gezeigte Blu-ray jedenfalls spottete jeder Beschreibung.
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Dienstag, 04. August 2015 Szenen einer Ehe und andere Probleme Ein packendes Ehe-Drama und eine schwarz gefärbte Komödie standen heute auf dem Stundenplan 45 YEARS (1:1.85, 5.1) OT: 45 Years Verleih: Piffl Land/Jahr: Großbritannien 2015 Regie: Andrew Haigh Darsteller: Charlotte Rampling, Tom Courtenay, Dolly Wells Kinostart: 10.09.2015
Eine Woche vor Geoff und Kates großer Feier anlässlich ihres 45. Hochzeitstages erreicht Geoff ein Schreiben, in dem
ihm mitgeteilt wird, dass die Leiche von Katya, Geoffs erster großer Liebe, nach nunmehr 45 Jahren im Gletschereis in
den Schweizer Alpen gefunden wurde. Mit zunehmender Sorge beobachtet Kate, dass Geoff diese Nachricht mehr
beschäftigt, als er zugeben möchte. Schließlich wird ihre gesamte Ehe auf den Prüfstand gestellt... Szenen einer Ehe.
Einer alten Ehe. Charlotte Rampling und Tom Courtenay spielen dieses Ehepaar, das schon seit 45 Jahren miteinander
verheiratet ist und durch einen unerwarteten Brief aus dem Gleichgewicht gerüttelt wird. Plötzlich wird ihr trautes Heim
zunehmend von Misstrauen und Eifersucht erfüllt. War Sie nur Lückenbüßerin, weil seine große Liebe verunglückte?
Andrew Haigh verzichtet in seinem Drama gänzlich auf Filmmusik und schafft dadurch eine authentische Atmosphäre,
in der er seine beiden großartigen Darsteller ihren Konflikt austragen lässt. 45 YEARS ist faszinierendes
Schauspielerkino, das sich an ein reiferes Publikum wendet und von Anfang bis Ende fesselt.
DIE KLEINEN UND DIE BÖSEN (1:2.35, 5.1) Verleih: Movienet (24 Bilder) Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Markus Sehr Darsteller: Christoph Maria Herbst, Peter Kurth, Anneke Kim Sarnau Kinostart: 03.09.2015
Bewährungshelfer Benno sieht in dem Kriminellen Hotte eine Herausforderung. Um jeden Preis will er verhindern, dass
Hotte das Sorgerecht für die beiden minderjährigen Kinder bekommt. Denn die kleine Jenny hätte Benno selbst gerne
adoptiert. Damit das auch gelingt, sorgt Benno dafür, dass Hotte bald schon wieder auf Bruch geht, um ihn dann auf
frischer Tat zu erwischen. Doch er hat Hotte unterschätzt: der will sich tatsächlich um seine Sprösslinge kümmern!
Benno zieht jetzt alle Register... Schwarze Komödien sind immer begrüßenswert. Und wenn es dann sogar eine
heimische Produktion ist, dann umso mehr. Was an Markus Sehrs Komödie allerdings gleich von Anfang an stört, ist die
Ernsthaftigkeit, die dieser Komödie anhaftet. Man könnte durchaus sagen, es handelt sich um ein Drama.
Dementsprechend hat die im Film gezeigte Brutalität gleich eine ganz andere, sehr unliebsame Dimension. Da mag man
dann einfach nicht mehr lachen, sondern macht sich stattdessen Sorgen um das Schicksal der Protagonisten. Womit wir
bei den Darstellern wären: die sind nämlich durchweg richtig gut. Peter Kurth nimmt man die Rolle des Ex-Knackis mit
Ballermann-Shirt wirklich ab, genauso wie man Christoph Maria Herbst den unterkühlten und auf den eigenen Vorteil
bedachten Bewährungshelfer abnimmt. Aber auch die Nebenrollen passen hier alle wunderbar. Ob die Frau vom
Jugendamt, der Kollege des Bewährungshelfers oder der “Wiener”, ein mit breitestem Österreichisch agierender
Autoschieber. Exzellent die Kameraarbeit von Leah Striker, die wieder einmal ihr gutes Gespür für CinemaScope
demonstriert. Fazit: ein Unterhaltungsfilm mit Abstrichen.
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Montag, 03. August 2015 Superhelden treffen auf Sümpfe Erst ging’s in ein Superheldenspektakel und danach dann in die Sümpfe – mein Film-Montag. FANTASTIC FOUR (1:2.35, DD 5.1 + Atmos) OT: Fantastic Four Verleih: Constantin Land/Jahr: USA 2015 Regie: Joshua Trank Darsteller: Kate Mara, Miles Teller, Jamie Bell Kinostart: 13.08.2015
Schon in der Schule träumt Reed davon, einen Teleporter zu bauen, mit dessen Hilfe man in Sekundenschnelle von Ort
A zu Ort B gelangen kann. Als er schließlich Student ist, scheint sein Traum wahr zu werden: seine Apparatur
funktioniert. Was er allerdings noch nicht wusste: sie taugt nur dazu, Menschen in ein Paralleluniversum zu
transportieren. Gemeinsam mit seinen Kollegen unternimmt er die erste Reise dorthin. Leider kommt es zu einem Unfall
mit fatalen Folgen... Es gibt sicher nicht viele Mainstream-Filme, deren Handlung auf die Rückseite einer Briefmarke
passen würde – in Großschrift. FANTASTIC FOUR ist einer dieser Filme. Softgetränk trinkende, Popcorn essende und
smartphonierende Zuschauer werden dabei die Gewinner sein. Sie brauchen keine Angst zu haben, beim Simsen oder
Surfen womöglich wichtige Handlungspassagen zu verpassen – solche gibt es hier (leider) nicht. Was für Marvelisten
möglicherweise noch durchgeht, wird en gemeinen Kinogänger zu Tode langweilen. Effektegewitter hauen heute
niemanden mehr vom Hocker. Darum der Tipp für alle, die gerne etwas mehr aus ihrem Leben machen: verpasst diesen
Film – unbedingt!
MAGIE DER MOORE (1:1.85, 5.1) Verleih: Polyband (24 Bilder) Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Jan Haft Kinostart: 24.09.2015
Mit neuester Digitaltechnik haben Jan Haft und sein Kameramann Kay Ziesenhenne an 500 Drehtagen an 80 Drehorten
in Deutschland, Finnland, der Tschechischen Republik, Schweden, Slowakei, Dänemark und Norwegen verschiedene
Moore und deren Bewohner beobachtet. Aus den über 250 Stunden Filmmaterial hat Jan Haft am Schneidetisch einen
90minütigen Film erstellt, der mit atemberaubenden Aufnahmen zu punkten vermag. Zeitlupen und Zeitraffer bestimmen
viele der exquisiten Einstellungen, die den Tieren, Gräsern und Pflanzen in der Moorlandschaft auf die Pelle rücken.
Unterlegt mit einer aufwändig gestalteten Musik (Jörg Magnus Pfeil, Siggi Mueller), einem dazu passenden Kommentar
aus dem Off (gesprochen von Axel Milberg) sowie einem sehr plastischen Sounddesign, wird die Bildwand zum Fenster
in geheimnisvolle Moorlandschaften. Man erfährt nicht nur wissenswertes über Insekten, Vögel oder Bären, sondern
auch über die Wichtigkeit von Mooren, jener Landschaftsform, die in Europa auf dem Rückzug ist. Trotzdem kann der
Dokumentarfilm nicht über die gesamte Laufzeit Aufmerksamkeit generieren. Nach etwa der Hälfte beginnen sich
Wiederholungen Bahn zu brechen. Dann kann man sich nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass der Film mit Hinblick
auf ein 45minütiges TV-Format produziert wurde. Nichtsdestotrotz spektakuläre Unterhaltung der etwas anderen Art.
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