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Freitag, 30. Oktober 2015 Kommt ein Banker auf eine Insel... Vollkommen überraschend hatte Warner endlich einmal wieder zu einer Pressevorführung eingeladen. Für jeden anwesenden Journalisten gab es sogar einen eigenen Security-Menschen! HIGHWAY TO HELLAS (1:2.35, 5.1) Verleih: Warner Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Aron Lehmann Darsteller: Christoph Maria Herbst, Adam Bousdoukos, Akilas Karazisis Kinostart: 26.11.2015
Banker Jörg Geissner wird im Auftrag seiner Bank auf die griechische Insel Paladiki geschickt. Er soll vor Ort
recherchieren, ob der Kredit, den seine Bank der Insel gewährte, tatsächlich dafür verwendet wird, aus der Insel ein
zweites Galapagos zu machen. Insbesondere das Krankenhaus und das Elektrizitätswerk möchte er dafür in Augenschein
nehmen. Doch die Inselbewohner, die den Kredit natürlich für andere Zwecke eingesetzt haben, sind ein gewieftes Volk
und wissen ganz genau, wie man den Deutschen beeindrucken kann... Der Film beginnt zwar mit einem Knall, doch
danach herrscht wohltuende Ruhe. Der Knall, so erzählt uns der Bürgermeister von Paladiki, ist das Ende der
Geschichte. Einer guten Geschichte, die er uns rückblickend erzählt. Alles beginnt mit der Ankunft des Bankers auf der
Insel. Es ist ein Bild für Götter, wenn Christoph Maria Herbst in der Rolle des steifen, sehr ordentlichen
Bankangestellten Jörg Geissner im dunklen Anzug und mit Rollkoffer durch die menschenleeren Straßen des kleinen
Ortes zieht und mit seinem Smartphone per Navi-App seine gebuchte Unterkunft sucht. Herbst füllt diese Rolle, die
ganz das Gegenteil seines Strombergs ist, ideal aus. Seine griechischen Gastgeber sind da ganz anders drauf: locker
lässig und immer einen Ouzo im Gepäck. Allen voran Adam Bousdoukos als Supermarktbesitzer Panos – der perfekte
Deutsch-Grieche. Was diese deutsche Komödie von anderen deutschen Komödien unterscheidet ist ihre Ruhe. Da wird
nicht ständig lauthals gestritten oder sich in Fäkalhumor ergangen – hier geht es fast schon gemütlich zu. Eben so wie
man das von einer griechischen Insel erwartet. Trotzdem wartet Aron Lehmanns Film mit ein paar wunderbaren Lachern
auf. Dazu gehört beispielsweise das Elektrizitätswerk auf der Insel, das es ja eigentlich gar nicht gibt, aber für den
angereisten Banker als Attrappe entsteht – mitsamt der typischen Turbinengeräusche, die freilich von Einheimischen
heimlich generiert werden. Die Mixtur aus ein bisschen Culture Clash, ein bisschen Melancholie, ein bisschen aktueller
Politik und beschaulichen Locations machen durchaus Laune. Zumindest für diejenigen, die sich darauf einlassen
können.
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Donnerstag, 29. Oktober 2015 Zwei Brüder und die Trapp-Familie In beiden Filmen heute gab es Berge zu sehen. Das war aber auch schon die einzige Schnittmenge STURE BÖCKE (1:2.35, 5.1) OT: Hrútar / Rams Verleih: Arsenal Land/Jahr: Island 2015 Regie: Grímur Hákonarson Darsteller: Sigurdur Sigurjónsson, Theódór Júlíusson, Charlotte Bøving Kinostart: 31.12.2015
Die Brüder Gummi und Kiddi sind beide Schafzüchter und ihre Farmen liegen nur ein paar Schritte voneinander entfernt
in einem abgelegenen Tal in Island. Doch schon seit 40 Jahren haben sie kein Wort mehr miteinander gewechselt. Als
bei ihren Schafherden die gefürchtete Traberkrankheit entdeckt wird, werden sie gezwungen, alle ihre Schafe zu töten.
Während sich Kiddi dem Alkohol hingibt, behält Gummi heimlich ein paar Schafe zurück und beginnt in seinem Keller
mit deren Zucht. Doch dies bleibt nicht unentdeckt. Um die Schafe und damit ihre Existenz zu retten, müssen die Brüder
jetzt gezwungenermaßen an einem Strang ziehen... Grímur Hákonarsons depressives und gleichzeitig skurriles Drama
endet mit einem der ausdrucksstärksten Bilder seit langem. Mit welchem sei hier natürlich nicht verraten. Er macht dem
Zuschauer damit jedoch klar, dass sämtliche Familienfehden einfach gegenstandslos werden im Angesicht
lebensbedrohender Situationen. Warum sich die Brüder seit 40 Jahren aus dem Weg gehen, erfährt man nicht, da es auch
vollkommen nebensächlich ist. In ihrer bitteren Notlage vergeben sie sich gegenseitig – nicht mit Worten, sondern durch
Taten. Kameramann Sturla Brandt Grovlen, der mit VICTORIA ein Stück deutscher Filmgeschichte geschrieben hat,
liefert atemberaubende CinemaScope-Bilder für den Bruderzwist in der wilden isländischen Natur. Sehenswertes
Arthaus-Kino!
DIE TRAPP FAMILIE – EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK (1:1.85, 5.1) OT: The Trapp Family - A Life Of Music Verleih: Concorde Land/Jahr: Deutschland, Österreich 2015 Regie: Ben Verbong Darsteller: Rosemary Harris, Matthew Macfadyen, Eliza Bennett, Yvonne Catterfeld Kinostart: 12.11.2015
Österreich Ende der 1930er Jahre. Agathe von Trapp ist das älteste von sieben Geschwistern, die nach dem frühen Tod
der Mutter gemeinsam mit ihrem Vater, einem im Ruhestand befindlichen Kapitän und Kriegsheld, in einer großen Villa
bei Salzburg lebt. Es gefällt ihr sehr, dass sie als die Älteste auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen muss und auch
sonst für Recht und Ordnung im Hause sorgen muss. Als ihr Vater die Novizin Maria als Kindermädchen einstellt und
sich wenig später auch noch in sie verliebt und gar ehelicht, fühlt sie sich ausgestoßen und reagiert Maria gegenüber mit
Ablehnung. Die Begegnung mit der Sängerin Lotte Lehmann entfacht in Agathe wieder ihre Liebe zur Musik und führt
schließlich zur Versöhnung mit Maria. Doch ein Schatten fällt über das Land: der Anschluss an Deutschland steht kurz
bevor... In verklärten, farbbetonten Bildern, die ständig von schwülstiger sinfonischer Kitschmusik (eingespielt von den
Prager Philharmonikern) unterlegt sind, versucht der Film verzweifelt etwas viel Größeres zu sein, als er tatsächlich ist.
Denn der nach der wahren Lebensgeschichte der Agathe von Trapp inszenierte Film wirkt wie ein großes
TV-Event-Movie, das man am besten zur Weihnachtszeit konsumiere sollte. Die Bildgestaltung wirkt eng, indem sie
Halbtotale oder Großaufnahmen favorisiert. Es wird viel geredet und sehr viel weniger gesungen, was angesichts des
Filmtitels etwas verblüfft. Dazu eine höchst überflüssige Rahmenhandlung, in der Oma Agathe ihrer ausbüxenden
Enkeltochter die Geschichte ihrer Familie erzählt. Gewiss: mit der amerikanischen Musicalversion THE SOUND OF
MUSIC sind wir bereits ziemlich verwöhnt, wenn es um die Trapp Family Singers geht. Da muss man dann bei einer
dramatischen Neuauflage gewisse Abstriche in Kauf nehmen. Dass im neuen Film die Geschichte nicht nur aus einer
anderen Perspektive, sondern auch etwas anders erzählt wird, geht vollkommen in Ordnung. Nicht in Ordnung aber ist
die auf TV-Niveau reduzierte Gestaltung. Mein Tipp: fernbleiben.
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Mittwoch, 28. Oktober 2015 Gott lebt in Brüssel Heute war es endlich wieder soweit – eine Offenbarung. Besser geht es diese Woche nicht mehr. DAS BRANDNEUE TESTAMENT (1:2.35, 5.1) OT: Le Tout Nouveau Testament Verleih: NFP (Filmwelt) Land/Jahr: Belgien, Frankreich, Luxemburg 2015 Regie: Jaco van Dormael Darsteller: Pili Groyne, Benoît Poelvoorde, Catherine Deneuve, Yolande Moreau Kinostart: 03.12.2015
Irgendwie haben wir es insgeheim ja alle schon lange vermutet: Gott (Benoît Poelvoorde) ist ein richtiger Kotzbrocken,
der es liebt, den Menschen fiese Streiche zu spielen. Anders kann man sich das Chaos auf Erden auch nicht erklären.
Neu indes dürfte sein, dass der alte Herr mitten in Brüssel lebt. Von seinem antiken Computer, der inmitten eines
riesigen Büros mit meterhohen Aktenschränken steht, lenkt er die Geschicke der Menschen. Oder besser: die
Ungeschicke. Dazu gehören seine Tausenden von Geboten, wie z.B. dass ein Marmeladenbrot grundsätzlich mit der
Marmeladenseite auf den Boden fällt. Und das ist noch eines der harmlosen Gebote. Frau Gott (herrlich: Yolande
Moreau) hat im Haushalt nichts zu melden. Sie ist nur für das Putzen zuständig. Sein Sohn hat das enge Zuhause schon
lange verlassen und kam nicht mehr zurück. Gott will ihn auch gar nicht mehr haben, hat der doch das genaue Gegenteil
gepredigt: Liebe Deinen Nächsten statt Hasse Deinen Nächsten! Aber es gibt da auch noch das Töchterchen Ea, die
ihren Bruder JC nennt und ihren Vater zum Kotzen findet. Als sich die Gelegenheit ergibt, schleicht sie sich in das
göttliche Büro und sendet sämtliche Sterbedaten per SMS an die Erdenbewohner. Mit ihrem Sterbedatum konfrontiert,
ändern sich die Menschen komplett. Ea beschließt sie zu aufzusuchen, um sechs weitere Apostel zu finden, die dem
Neuen Testament ein kräftiges Upgrade verpassen... Jaco van Dormaels Komödie ist ein Wahnwitz von einem Film!
Seit Jean-Pierre Jeunets AMELIE gab es keinen vergleichbaren Film, der vor Ideenreichtum nur so sprudelt. Hier geben
sich Slapstick-Elemente und schwarzer Humor die Klinke in die Hand und liefern ganz nebenbei tiefschürfende
Gedanken. Und dazu Bilder, die vor Einfallsreichtum nur so strotzen. Wenn Ea aus dem Off berichtet, dass die Stimme
ihres ersten Apostels so klang wie 30 Männer, die Walnüsse knacken, dann werden genau diese 30 Männer bebildert,
wie sie an einem unendlich langen Tisch im Akkord Walnüsse knacken. Am Ende des Films nickt man zustimmend: es
wurde wahrhaftig Zeit, das Neue Testament umzuschreiben! Mein Geheimtipp für Dezember – unbedingt anschauen!
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Dienstag, 27. Oktober 2015 Der Griff nach den Sternen Mit einem “Fuck You!” auf den Lippen lässt es sich wohl am besten Kochen – die Quintessenz aus dem heutigen Film. IM RAUSCH DER STERNE (1:2.35, 5.1) OT: Burnt Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: USA 2015 Regie: John Wells Darsteller: Bradley Cooper, Lily James, Jamie Dornan, Alicia Vikander, Sienna Miller, Uma Thurman, Emma Thompson, Daniel Brühl, Matthew Rhys Kinostart: 03.12.2015
Einst war Adam Chefkoch in einem der angesagtesten und mit Sternen prämierten Gourmet-Tempel von Paris. Doch
durch Drogen und Alkohol bedingt folgte sein Fall. Jetzt ist er wieder clean und will an seinem dritten Stern arbeiten –
mitten in London. Er will das Restaurant seines alten Freundes Tony zur Top-Adresse machen. Zu Tonys Küchenteam
gehört Helene, die die gleiche Leidenschaft für das Kochen hat wie Adam. Klar, dass das nicht lange gutgehen kann...
Man darf sich schon ein bisschen darüber wundern, dass ein Mime vom Kaliber eines Bradley Cooper sich einen
ziemlich belanglosen Film wie IM RAUSCH DER STERNE geangelt hat. Gibt es tatsächlich keine richtig
interessanten Drehbücher mehr? Kaum vorstellbar. Immerhin darf Cooper als arroganter Chefkoch das Essen kreuz und
quer durch seine Gourmet-Küche werfen und seine Angestellten in Grund und Boden stampfen, ohne dass sich diese
wehren würden. Vermutlich war es genau dieser “Arschloch-Faktor”, der Cooper gereizt hat, die Rolle zu übernehmen.
Erschreckend dabei ist, dass der Erfolg dem Chefkoch auch noch recht gibt. Eine sehr zweifelhafte Moral, die hier als
das größte aller Ziele propagiert wird. Die wirklichen Höhepunkte in John Wells Film sind die flott geschnittenen
Koch-Sequenzen, die dafür sorgen, dass man im Anschluss an den Film das nächstgelegene Restaurant aufsucht. Aber
bitte keine Sterne-Küche! Noch eine Anmerkung zur heutigen Pressevorführung: Während des Films habe ich mich
ständig gefragt, warum denn das Bild so suboptimal aussieht. Von guten Schwarzwerten war das nämlich meilenweit
entfernt. Als mich dann während des Abspanns plötzlich der Titel “End Crawler continues” angrinste, war mir mit einem
Schlag alles klar: man zeigte uns heute wieder einmal eine Arbeitsfassung und nicht das Endprodukt! Den Sinn einer
solchen Vorführung werde ich nie begreifen. Meine Kollegen scheinen sich da weit weniger daran zu stören – die sind
eben nicht so kritisch wie ich. Schade eigentlich.
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Montag, 26. Oktober 2015 Wenn Gangsterbrüder auf einen Kirchenchor treffen Das heutige Doppelprogramm hatte eine Neuverfilmung und eine Fortsetzung im Angebot LEGEND (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Legend Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Großbritannien 2015 Regie: Brian Helgeland Darsteller: Tom Hardy, Emily Browning, David Thewlis Kinostart: 07.01.2016
Reggie und Ronnie Kray sind Zwillingsbrüder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während Reggies
Temperament nie mit ihm durchgeht, brennt bei Ronnie ziemlich schnell die Sicherung durch. Gemeinsam ist den
Brüdern jedoch ihr Handwerk: im London der 1960er-Jahre verdienen sie sich ihre Brötchen als Gangster. Rivalitäten
mit anderen Gangstern bestimmen das Tagesgeschäft. Während sich der grenzdebile Ronnie nur für Jungs interessiert,
macht der smarte Reggie der hübschen Frances den Hof – der Beginn einer zerstörerischen Liebe... Die Kray-Zwillinge
galten im London der 1960er-Jahre als die Könige der Unterwelt. Bereits 1990 inszenierte Peter Medak einen Krimi
(DIE KRAYS), in dessen Mittelpunkt er die beiden Kray-Brüder stellte. Jetzt versucht sich Brian Helgeland an dem
skrupellosen Zwillingspaar. Er lässt seine Geschichte aus der Sicht von Frances erzählen, die sich in Reggie Kray, den
besonneneren der beiden Brüder verliebte und ihn später sogar heiratete. Damit beginnt Helgelands Film eigentlich
bereits mittendrin. Der Aufstieg der Krays zu den Herrschern der Londoner Unterwelt ist also bereits vollzogen, wenn
der Film beginnt. Vielleicht ist es genau dieser Umstand, der dem Spannungsbogen etwas entgegenwirkt. Helgelands
Film ist zwar nicht langweilig, doch er liefert auch keine richtigen Höhepunkte – es fehlt eindeutig an Dynamik. Tom
Hardy hingegen liefert in seiner Doppelrolle eine beeindruckende Performance ab. Zu guter Letzt wird das London der
1960er-Jahre von Produktionsdesigner Tom Cvonroy und Kameramann Dick Pope vorbildlich reaktiviert. Fazit: keine
zu hohen Erwartungen hegen.
WIE AUF ERDEN (1:2.35, 5.1) OT: Så Ock På Jorden Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: Schweden 2015 Regie: Kay Pollak Darsteller: Frida Hallgren, Niklas Falk, Jakob Oftebro Kinostart: 03.12.2015
Nach dem Tod ihres geliebten Dirigenten gebärt Lena in einer stürmischen Nacht dessen Kind. Als Geburtshelfer ist
Pastor Stig zur Stelle, der jedoch angesichts leerer Kirchenbänke zum Alkoholiker geworden ist. Der will aber Lena
dazu überreden, in seiner Kirche zu singen, damit wieder viele Menschen zum Gottesdienst kommen. Lena lehnt
zunächst ab. Als dann jedoch ihre alte Liebe Bruno auftaucht und als Organist Händels Hallelujah in just dieser Kirche
aufführen möchte, ändert sie ihre Meinung: sie möchte das Projekt selbst stemmen – mit allen verfügbaren Chorstimmen
und Instrumenten... Kay Pollaks Fortsetzungsfilm zu seinem Kinoerfolg WIE IM HIMMEL aus dem Jahre 2005 setzt
nur wenige Monate nach dem Ende des ersten Films an. Wer den ersten Film nicht kennt, der wird Probleme haben, der
Geschichte zu folgen. Doch bereits die übertrieben dramatische Eingangssequenz macht klar, dass der neue Film in
keiner Art und Weise an die Qualität des ersten Films heranreichen wird. Die Protagonisten sind zwar noch dieselben,
doch die Charaktere haben an Tiefe verloren. So verkommt Stig, der Pastor der Gemeinde, zu einer Karikatur, die
eigentlich nur noch herumschreit. Und Lena beginnt eine Affäre mit einem jungen Typ, der aus einem Katalog stammen
könnte. Ihr brutaler Ex-Mann darf auch ein oder zweimal auftreten, verschwindet dann aber unmotiviert aus dem
Drehbuch. Wenn am Ende dann Lenas Chor und das Orchester Händels Hallelujah in perfekter Art und Weise darbieten,
dann wirkt das angesichts der zuvor gezeigten Proben einfach nur noch lächerlich. Fazit: WIE AUF ERDEN ist ein
Fortsetzungsfilm, den es besser nicht gegeben hätte.
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Freitag, 23. Oktober 2015 Das Florett sticht nicht Die letzte Pressevorführung der Woche war relativ enttäuschend – hat man alles schon mal gesehen. DIE KINDER DES FECHTERS (1:2.35, 5.1) OT: Miekkailija / The Fencer Verleih: Zorro (24 Bilder) Land/Jahr: Finnland, Deutschland, Estland 2015 Regie: Klaus Härö Darsteller: Märt Avandi, Ursula Ratasepp, Hendrik Toompere Kinostart: 17.12.2015
Estland 1952. Der ehemalige Fechter Endel taucht auf seiner Flucht vor der sowjetischen Geheimpolizei als Sportlehrer
an der Schule eines kleinen Küstenstädtchens unter. Als er einen Club ins Leben ruft, in dem er seinen Schülern das
Fechten beibringen möchte, hat er zwar deren Sympathien voll auf seiner Seite, eckt jedoch mit der Schulleitung an.
Dort sieht man Endels Fechtkurs als mit dem Regime nicht vereinbar. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz gelingt es
ihm, den Fechtclub weiterzuführen – bis Leningrad mit einem Turnier lockt. - Der auf einer wahren Geschichte
beruhende Film krankt vor allem daran, dass man als Zuschauer immer ganz genau weiß, was als nächstes passieren
wird. Überraschungsmomente bleiben damit aus, Langeweile nimmt deren Platz ein. Mit aufbrausender Musik wird
versucht, die Geschichte höchst emotional aufzubereiten. Das jedoch gelingt nur bedingt, da stets altbekannte Klischees
bemüht werden. Kameratechnisch gibt es nichts zu meckern, das ist alles gut gelöst. Allerdings gibt es beim Schnitt ein
paar weniger schöne Effekte, beispielsweise wenn es zum ersten Kuss zwischen dem Fechter und seiner Freundin
kommt. Da wird hin und her geschnitten, statt dies mit einer einzigen Einstellung zu zeigen. Der Film erhält dadurch ein
Tempo, das er gar nicht brauchen kann. Sowohl die erwachsenen Darsteller als auch die Kinderdarsteller liefern gute
Leistungen ab. Fazit: mit Einschränkungen sehenswert.
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Donnerstag, 22. Oktober 2015 Jane Austen goes Japan Die Geschichten der heutige Pressefilme waren in Japan und Amerika angesiedelt. UNSERE KLEINE SCHWESTER (1:1.85, 5.1) OT: Umimachi Diary Verleih: Pandora Land/Jahr: Japan 2015 Regie: Hirokazu Kore-eda Darsteller: Haruka Ayase, Masami Nagasawa, Kaho Kinostart: 17.12.2015
Drei Schwestern erfahren nach dem Tod ihres Vaters von ihrer kleinen Schwester, die aus dessen dritter Ehe stammt,
und nehmen sie in ihrer Wohngemeinschaft auf. Anfängliche Verunsicherung zwischen den Schwestern weicht im Lauf
der Zeit familiärer Vertrautheit... Den nach einem sogenannten “Manga” entstandenen Film könnte man durchaus als die
japanische Antwort auf Jane Austen bezeichnen – auch wenn sich die hier gezeigte Geschichte in der Gegenwart abspielt
und nicht - so wie bei Austen - in einer längst vergangenen Zeit. Es passiert eigentlich nicht viel in dieser Geschichte,
die aber auf seltsame Weise dennoch sehr berührt. Farbreduzierte Bilder, ein orchestraler, gut eingesetzter Score sowie
ein überzeugendes Ensemble machen Hirokazu Kore-eda zurückhaltend erzählter Story zu einem bewegenden Film, der
insbesondere weibliches Publikum ansprechen dürfte.
MISTRESS AMERICA (1:1.85, DD 5.1) OT: Mistress America Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2015 Regie: Noah Baumbach Darsteller: Greta Gerwig, Lola Kirke, Matthew Shear Kinostart: 10.12.2015
Ihr Studium in New York hat sich Tracy eigentlich ganz anders vorgestellt: die Vorlesungen sind langweilig, Partys gibt
es nicht, der Literarische Zirkel hat an ihr kein Interesse und ihr Kommilitone entscheidet sich für ein extrem
eifersüchtiges Weibchen. Alles ändert sich, als sich Tracy mit ihrer zukünftigen Stiefschwester Brooke trifft, einer
30jährigen mit dem Kopf voller Ideen und einer Wohnung am Times Square. Schnell lässt sich die Studentin in den
Bann der umtriebigen Brooke ziehen... Was Noah Baumbachs Komödie auszeichnet ist das vor Spielfreude
überschäumende Ensemble, das seinen Mikrokosmos mit Leben erfüllt und gewitzte Dialoge Schlag auf Schlag folgen
lässt. Lola Kirke als frustrierte Studentin Tracy ist eine Entdeckung. Mit ihrer relativ tiefen Stimme und der extrem
zurückhaltenden Körpersprache hinterlässt sie einen nachhaltigen Eindruck und macht Appetit auf ein schnelles
Wiedersehen. Greta Gerwig, die gemeinsam mit Baumbach für das Drehbuch verantwortlich zeichnet und den Film auch
mitproduziert hat, gibt sehr überzeugend die flippige Brooke, die Tausende von Ideen hat, aber letztendlich nichts auf
die Reihe kriegt. Als Duo funktionieren die beiden Frauen so perfekt, dass man sich Sorgen machen muss um die
anderen Figuren, die von den beiden hier gestreift werden. Wer flotte Dialoge, gutgelaunte Darsteller und auch
Situationskomik mag, der ist in diesem Film richtig aufgehoben.
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Mittwoch, 21. Oktober 2015 Von Freundschaft, Hip-Hop und grünen Almen Sie sind zwar selten, doch tauchen sie immer mal wieder auf: Triple Features ICH UND EARL UND DAS MÄDCHEN (1:2.35, DD 5.1) OT: Me And Earl And The Dying Girl Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2015 Regie: Alfonso Gomez-Rejon Darsteller: Thomas Mann, RJ Cyler, Olivia Cooke Kinostart: 19.11.2015
Sein letztes Highschooljahr will Greg möglichst unauffällig hinter sich bringen. Das geht am besten, indem man es allen
immer recht zu machen versucht und Freundschaften möglichst meidet. Einzige Ausnahme: sein Kumpel Earl, mit dem
er gerne Filmklassiker neu interpretiert. Eines Tages besteht seine Mutter darauf, dass Greg Zeit mit Schulkameradin
Rachel verbringt, bei der Leukämie diagnostiziert wurde. Widerwillig lässt er sich darauf ein, obwohl auch Rachel
eigentlich gar kein Interesse daran hat. Was beide anfangs für unmöglich hielten, bricht sich plötzlich Bahn: eine
Freundschaft entsteht... Was sich anfangs noch als recht abgegriffenes Thema anhört – eine Krebskandidatin und ein
Mitschüler gehen eine Freundschaft ein – entpuppt sich sehr schnell als ziemlich originell inszenierte Dramödie. Da geht
es um das Erwachsenwerden, Freundschaft, Liebe, Tod und – Film! Schon die flippige Kameraarbeit (in einer Szene
dreht sie sich gar um 90 Grad, um dann eine Parallelfahrt zu beginnen!) und der flotte Schnitt machen aus dem Film
einen Hingucker. Dazu dann eine Besetzung, die bis in die Nebenrollen handverlesen ist. Obendrein ist die Geschichte
mit unheimlich vielen Filmzitaten gespickt, sei es auf der Tonebene (Bernard Herrmanns VERTIGO lässt grüßen) oder
auch auf der Bildebene (die Spoofs von Filmklassikern macht großen Spaß!). Hier bekommt man als Zuschauer ein prall
gestopftes Füllhorn origineller Einfälle geboten, die auch dann noch nicht erschöpft sind, wenn man meint, der Film sei
zu Ende. Nach seinem Regie-Debüt mit WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD erweist sich Regisseur Alfonso
Gomez-Rejon ein weiteres Mal als souveräner Filmemacher, von dem ganz sicher noch viel erwarten kann.
BLACKTAPE (1:1.85, 5.1) Verleih: Camino Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Sékou Neblett Kinostart: 03.12.2015
Sékou Neblett möchte eine Dokumentation über die deutsche Hip-Hop-Szene machen und trifft dabei auf den Namen
eines Rappers, der offenbar der Ursprung der ganzen Szene gilt: Tigon. Gemeinsam mit dem Insider Marcus Staiger
macht er sich auf die Suche nach dem Geheimnisvollen und macht spektakuläre Entdeckungen... Man muss schon mit
geübtem Augen hinschauen um zu erkennen, dass es sich bei Sékou Nebletts Film nicht etwa um einen Dokumentarfilm
handelt, sondern vielmehr um ein “Mockumentary”, also einen Spielfilm, der nur so tut als wäre er eine Dokumentation.
Damit läuft der Film natürlich Gefahr, dass er von großen Teilen des Publikums für bare Münze genommen wird.
Insider der deutschen Hip-Hop-Szene werden möglicherweise die Einzigen sein, die den Schwindel erkennen und viel
Spaß dabei haben werden. Die Machart gibt sich recht hipp mit vielen Flashes und verwackelten Bildern, doch nervt
dieser Stil irgendwann einfach nur noch. Dann erscheinen die 88 Minuten Spielzeit wesentlich länger.
HEIDI (1:2.35, DD 5.1) Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Deutschland, Schweiz 2015 Regie: Alain Gsponer Darsteller: Anuk Steffen, Bruno Ganz, Quirin Agrippi Kinostart: 10.12.2015
Weil ihre Stiefmutter eine Arbeitsstelle in Frankfurt antritt, gibt sie das Waisenkind Heidi in die Obhut ihres Großvaters,
der auf einer einsamen Alm in den Schweizer Bergen lebt. Der verschlossene und grantige Alte will Heidi eigentlich
sofort wieder loswerden. Doch mit ihrem überaus freundlichen Wesen schließt sie der Almöhi bald schon ins Herz.
Heidi verlebt jetzt ihre glücklichsten Tage. Doch ihre Stiefmutter sorgt dafür, dass das kleine Mädchen zu einer
wohlhabenden Pflegefamilie nach Frankfurt gebracht wird, um dort Spielkameradin für die im Rollstuhl sitzende Klara
zu sein. Doch Heidi befällt alsbald große Sehnsucht nach ihrem Großvater und der Alm... Johanna Spyris
Kinderbuchklassiker wurde bereits mehrfach verfilmt. Jetzt liefert Alain Gsponer sozusagen die erste Verfilmung des
neuen Jahrtausends. Mit einem Drehbuch von Petra Volpe (TRAUMLAND) entstand hier eine farbenprächtige Version
in grandioser Naturkulisse, die man als überwiegend gelungen bezeichnen darf. Mit Bruno Ganz als Almöhi und Anuk
Steffen als Heidi wartet der Film mit einer wirklich perfekten Besetzung auf. Das kleine Mädchen schließt man sofort
ins Herz und kann auch nachvollziehen, dass sich das steinerne Herz des kautzigen Großvaters in Windeseile erweichen
lässt. Das vom Geißenpeter in die Welt gesetzte Gerücht, dass der einmal jemanden umgebracht haben soll, wird leider
nicht weiter thematisiert. Vielleicht bleibt das ja einer Fortsetzung vorbehalten? Niki Reiser liefert die passende
Orchestermusik zum Film, die mich während des Schauens dazu animiert hat zu erraten, mit welchem Temp Track die
Rohschnittfassung wohl unterlegt war. Deutliche Anklänge an ein Stück aus AMELIE waren zu vernehmen und auch
ein bisschen Rachel Portman. Aber ich will mich hier nicht in Mutmaßungen ergehen, sondern den Film so wie er ist als
Familienfilm weiterempfehlen.
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Dienstag, 20. Oktober 2015 Vom gesellschaftlichen Wandel Nach einem wunderbaren Widescreen Wochenende kam mir das Bild bei der heutigen Pressevorführung ziemlich klein vor EPHRAIM UND DAS LAMM (1:1.85, 5.1) OT: Lamb Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Frankreich, Deutschland, Äthiopien 2015 Regie: Yared Zeleke Darsteller: Rediete Amare, Kidist Siyum, Rahel Teshome Kinostart: 26.11.2015
Nach dem Tod seiner Mutter sucht sich Ephraims Vater einen Job in der großen Stadt und lässt den 9jährigen bei der
armen Verwandtschaft. Sein einziger Freund ist sein Lamm, das einmal seiner Mutter gehörte. Als sein Cousin
beschließt, das Lamm beim anstehenden Fest zu schlachten, schmiedet Ephraim einen Plan, um sein Lamm zu retten: er
kocht Samosas, um sie auf dem Markt zu verkaufen. In der rebellischen Tsion findet er eine Verbündete... In einer
grandiosen Landschaft angesiedelt erzählt Yared Zeleke in seinem Debütfilm vom gesellschaftlichen Wandel, der sich
ganz allmählich in Äthiopien vollzieht. Und er tut dies an zwei Beispielen. So lässt er seinen Protagonisten Ephraim
kochen, eine Arbeit, die traditionell ausschließlich den Frauen in Äthiopien vorbehalten ist. Und er zeigt Tsion als
junge Frau, die lieber Zeitung liest, um die Probleme der Welt zu verstehen, als dass sie Essen bereitet. Leider überzeugt
Zelekes Inszenierung noch nicht ganz. So ist etwa die eingesetzte Filmmusik oftmals nur ein störendes Geklimper. Fazit:
bedingt empfehlenswert, wenn man sich nicht speziell für das filmisch noch unerschlossene Äthiopien interessiert.
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Donnerstag, 15. Oktober 2015 Blick in den Abgrund Als Auftakt zum “Widescreen Weekend” in Bradford habe ich mir Robert Zemeckis neuesten Film in digitalem IMAX gegönnt THE WALK (1:2.35, DD 5.1) OT: The Walk Verleih: Sony Pictures Land/Jahr: USA 2015 Regie: Robert Zemeckis Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Sir Ben Kingsley, Ben Schwartz Kinostart: 22.10.2015
1974 plant der Drahtseilartist Philippe Petit den größten Coup seiner Karriere: er will zwischen den noch nicht
fertiggestellten Türmen des New Yorker Twin Towers balancieren. Gemeinsam mit einer Handvoll Helfern macht er
sich an den Guerilla-Akt... Wer James Marshs beeindruckenden, oscarprämierten Dokumentarfilm über Philippe Petits
waghalsigen Drahtseilakt bereits kennt, könnte Robert Zemeckis‘ Spielfilmversion als kalten Kaffee empfinden. Zu
konstatieren ist, dass Zemeckis‘ Film bei weitem nicht den Thrill der Dokumentation erreicht. Allerdings weiß Zemeckis
dies geschickt mit spektakulären Bildern zu kompensieren. Die wirken so unglaublich echt – insbesondere durch die
frappierenden Perspektiven – dass man keinen Augenblick daran zweifelt, der Film könnte woanders als an
Originalschauplätzen aufgenommen worden sein. Doch die Twin Towers gibt es seit jenem verheerenden Terrorakt
leider nicht mehr. Und so greifen hier die Tricktechniker ganz tief in die Trickkiste, um Schwindelgefühle beim
Zuschauer hervorzurufen. Das Experiment gelingt – insbesondere in der IMAX-Version, die ich mir in Bradford
angeschaut habe. Was mich persönlich an Zemeckis‘ Inszenierung aber stört ist die Tatsache, dass er “seinen” Philippe
Petit alias Joseph Gorden-Levitt ständig zum Publikum sprechen lässt. Damit bringt sich der Film um ein großes Stück
Spannung. Wer nicht schwindelfrei ist, der sollte lieber auf diesen Film verzichten.
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Dienstag, 13. Oktober 2015 Prüfungen und Scheinwelten Die letzten beiden PVs für mich in dieser Woche – morgen geht es auf nach Bradford zum Widescreen Weekend! DER GROSSE TAG (1:2.35, DD 5.1) OT: Le Grand Jour Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: Frankreich 2015 Regie: Pascal Plisson Kinostart: 10.12.2015
Der 11jährige Albert träumt in Kuba von einer Karriere als Boxer. Die 11jährige Deegii aus der Mongolei möchte
unbedingt Zirkusakrobatin werden. Der 19jährige Tom aus Uganda möchte die Prüfung zum Wildhüter absolvieren.
Und die 15jährige Nidhi aus Indien hofft, sich durch die Teilnahme an einem Mathematikwettbewerb für ein
Ingenieursstudium zu qualifizieren. Alle Vier haben ein Ziel vor Augen: die Prüfung zu bestehen. - Als eine Art
Dokumentarfilm mit Spielhandlung könnte man Pascal Plissons Film bezeichnen. Spielhandlung deswegen, weil alles
offensichtlich inszeniert wurde. Die handelnden Personen indes sind echt. Vier Jugendliche in vier Ländern begleitet
Plisson kameratechnisch bei ihrer Vorbereitung auf eine Prüfung, den “großen Tag”, der das Leben der jungen
Protagonisten nachhaltig verändern wird. Jedes der Kinder kommt dabei aus einfachen bis einfachsten Verhältnissen.
Das Bestehen ihrer Prüfungen wäre für sie der Startpunkt in ein besseres Leben. Plisson inszeniert das alles als großes
Kino – in CinemaScope und mit großer Orchestermusik. Vielleicht sogar etwas “over the top”. Ein “Gschmäckle” kriegt
sein Film spätestens durch die Episode in der Mongolei, wo ein 11jähriges Mädchen knallhart auf die Prüfung zur
Zirkusakrobatin vorbereitet wird. Da bekommt man schon alleine vom Hinsehen Rückenschmerzen ob derer
Gelenkigkeit und man beginnt sich zu fragen, ob ein kleines Mädchen sich tatsächlich freiwillig diesem Drill
unterordnet. Plisson schneidet seinen Film zwischen den vier Geschichten hin und her und versucht so, eine
dramaturgische Verdichtung bis zum “großen Tag” zu erreichen. Das gelingt allerdings nur ansatzweise. Ob der Film
Kindern tatsächlich Mut macht, ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und beharrlich sowie mit großer Ausdauer
darauf hinzuarbeiten, bleibt abzuwarten.
GOD OF HAPPINESS (1:2.35, 5.1) Verleih: Kinostar Land/Jahr: Deutschland, Frankreich, Georgien 2015 Regie: Dito Tsintsadze Darsteller: Lasha Bakradze, Nadeshda Brennicke, Tina Meliava Kinostart: 23.06.2016
Giorgi, georgischer Auswanderer, schlägt sich als Filmkomparse in Stuttgart durch das Leben und vermittelt nebenbei
seinen afrikanischen Mitbewohner Ngudu für Schäferstündchen an zahlungskräftige Damen. Als sich seine Tochter, die
er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, zu Besuch anmeldet, will er ihr mit aller Macht ein glückliches Leben
vorgaukeln. Doch seine Tochter ist nicht auf den Kopf gefallen... Viele der atmosphärischen CinemaScope-Bilder
wirken so, als würde der Regisseur einfach mal ein paar Sachen ausprobieren, ohne sie in den Kontext des Films zu
stellen; sie wirken losgelöst vom Rest. Und der kommt ziemlich gekünstelt daher. Situationen, Charaktere und Dialoge
erscheinen teilweise recht absurd. Dabei wäre das Thema des Films durchaus interessant. Da geht es um Scheinwelten,
die es gleich in doppelter Hinsicht zu sehen gibt: einmal durch Dreharbeiten zu einem Film, die immer wieder gezeigt
werden; das andere Mal durch das inszenierte Familienidyll, das der Vater seiner Tochter vorgaukelt.
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Dienstag, 06. Oktober 2015 Onkel und Nichte Viel Warmherziges gab es heute im Presse-Doppel – ein gelungener Kinotag. FAMILIENBANDE (1:2.35, 5.1) OT: You’re Ugly Too Verleih: Pandora Land/Jahr: Irland 2015 Regie: Mark Noonan Darsteller: Lauren Kinsella, Aiden Gillen, Erika Sainte Kinostart: 19.11.2015
Weil ihre Mutter vor wenigen Wochen gestorben ist, kommt die 11jährige Stacey in die Obhut ihres Onkels Will. Der
aber kam erst vor Kurzem auf Bewährung aus dem Gefängnis frei. Falls er es schafft, für die Kleine gut zu sorgen, so
könnten ihm die letzten sechs Monate seiner Strafe erlassen werden. Will nimmt Stacey mit zu einem weit entfernten
Caravanpark. Dort sind die beiden gegenseitig aufeinander angewiesen – Er auf Sie mehr als umgekehrt. Warum er ins
Gefängnis musste, verrät Will nicht. Doch seine aufgeweckte Nichte weiß nicht nur wie sie ihren Onkel mit der
hübschen Nachbarin verkuppeln kann, sondern auch woher man Informationen bekommt... Man schließt sie sofort ins
Herz, die kleine und ziemlich vorlaute Stacey. Gespielt wird sie ganz wundervoll von der 2002 geborenen Lauren
Kinsella. Ihr Filmpartner Aidan Gillen in der Rolle des eher verschlossenen und einsilbigen Onkels ist das perfekte
Pendant. Er muss sich von seiner Nichte erklären lassen, wie das so funktioniert in der Welt, wie man Frauen
abschleppt, auch wenn die schon verheiratet sind. Mark Noonan inszeniert seinen Film mit tristen, erdfarbenen Bildern,
die hervorragend die Stimmungslage der Protagonisten widerspiegeln. Und er findet ein Ende, das man als
Hollywood-geschädigter Zuschauer in der Form ganz sicher nicht erwarten würde. Mein Geheimtipp in dieser
Kinowoche.
HALLOHALLO (1:2.35, 5.1) OT: Hallå Hallå Verleih: Kool Land/Jahr: Schweden, Norwegen 2014 Regie: Maria Blom Darsteller: Maria Sid, Johan Holmberg, Ann Petrén Kinostart: 19.11.2015
Obwohl ihr Ex schon eine neue Freundin hat, trauert Disa ihrer Beziehung noch immer hinterher. Nur ihre beiden
Töchter halten sie noch bei der Stange. Und Disa kann sich nicht wehren. Gar nicht. Wofür sich sogar ihre kleinen
Töchter für sie schämen. Ein Kampfsportkurs soll ihr helfen, sich wehren zu lernen. Gleichzeitig lernt sie Kent kennen,
einen Hansdampf in allen Gassen – mit vier geschiedenen Ehen und jeder Menge Kinder... Man möchte am liebsten
schreien, wenn man sieht, wie sich Disa selbst immer in den Hintergrund drängt und wirklich alles mit ihr machen lässt,
anstatt wenigstens einmal lauthals ihrem Ärger Luft zu machen. Das gilt zumindest für jene Disa, die Maria Sid zu
Anfang der von Maria Blom inszenierten Tragikomödie darstellt. Je weiter der Film aber fortschreitet, desto mehr ändert
sich Disas Charakter, bis sie ganz am Ende des Films tatsächlich Freunde gefunden hat, die zu ihr stehen. Loslassen und
endlich einmal tun, was man wirklich will – ein Thema, dem Blom in ihrem Film auf ebenso witzige wie gefühlvolle
Weise nachspürt. Gute Unterhaltung mit Tiefgang.
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Montag, 05. Oktober 2015 Adolf und das Internetz Bestsellerverfilmung und verstörende Bilder gaben sich heute die Klinke in die Hand ER IST WIEDER DA (1:1.85, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: David Wnendt Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann Kinostart: 08.10.2015
Nachdem er 70 Jahre tot war, kommt der “Führer” Adolf Hitler plötzlich wieder zu sich und befindet sich im Jahre
2014. Und wird zum angesagten Medien-Star... Mit seiner Mischung aus Spielfilm und Mockumentary lässt sich
Regisseur David Wnendt nicht immer in die Karten schauen. So lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die eine
oder andere Szene gestellt oder tatsächlich echt ist. Damit bleibt einem natürlich ziemlich oft das Lachen im Halse
stecken. Und zu Lachen gibt es viel in diesem Film nach dem Bestseller von Timur Vermes. Beispielsweise wenn sich
Herr Hitler von einem jungen Goth-Mädel das Internet erklären lässt – pardon: das Internetz, im Führerjargon. Oliver
Masucci mimt ihn, de Führer. Und er macht das sehr überzeugend. Da darf dann der Fühere ab und zu sogar menscheln.
Seine klare politische Botschaft schickt Wnendt leider erst während der Endtitel in die Welt. Zu einem Zeitpunkt also,
an dem fast niemand mehr im Kino ist. Schade. Denn wenn Adolf hier angesichts der aktuellen rechtsradikalen
Zwischenfälle in Deutschland sagt “Mit diesem Material lässt sich arbeiten”, wird einem wirklich angst und bang.
HASRET – SEHNSUCHT (1:1.85, 5.1) OT: Hasret – Desire Verleih: Piffl Medien Land/Jahr: Türkei, Deutschland 2015 Regie: Ben Hopkins Darsteller: Isa Çelik, Bilge Güler, Serhat Saymadi Kinostart: 26. 11.2015
Mit dem Auftrag, einen Dokumentarfilm mit möglichst vielen Zeitrafferaufnahmen zu erstellen, wird ein kleines
Filmteam nach Istanbul geschickt. Dort angekommen vermischen sich Realität und Träume bald miteinander... Ben
Hopkins erzählt die Geschichte eines an Depressionen leidenden Regisseurs, der seine Aufgabe aus den Augen verliert
und viel lieber die dunklen und geheimnisvollen Seiten Istanbuls aufspürt als gelackte Touristikbilder einzufangen.
Etwas verstörend zwar, aber immer spannend inszeniert.
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Sonntag, 04. Oktober 2015 Wer sich in Gefahr begibt... Mit einem belanglosen Bergdrama habe ich mich heute im IMAX-Kino gelangweilt EVEREST (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Everest Verleih: Universal Land/Jahr: USA, Großbritannien 2015 Regie: Baltasar Kormákur Darsteller: Jason Clarke, Josh Brolin, John Hawkes, Jake Gyllenhaal, Martin Henderson, Michael Kelly, Keira Knightley, Emily Watson, Sam Worthington Kinostart: 17.09.2015
1996 versuchen mehrere Bergsteigerteams, die Spitze des Everest zu erklimmen. Als sie auf dem Rückzug allerdings in
einen Sturm geraten, geht ein Kampf auf Leben und Tod los... Der nach einer wahren Begebenheit inszenierte Film von
Baltasar Kormákur beweist aufs Neue den alten Spruch “Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um”. Warum
allerdings ausgerechnet diese Bergsteigerkatastrophe als Filmstoff verwendet wird, bleibt ein Rätsel. Genauso gut hätte
man einen spektakulären Autounfall auf der A8 verfilmen können. Kormákurs Film bleibt fast immer an der Oberfläche,
Charaktere werden nicht vertieft. Top-Stars wie Keira Knightley oder Jake Gyllenhaal werden in Nebenrollen weit unter
Wert verheizt, Hauptsache, das Plakat kann mit ihren Namen werben. EVEREST ist ein Film, den man mit dem Ende
der großen Popcorn-Tüte auch gleich wieder vergessen haben wird. Da hilft auch die Präsentation im IMAX-Kino nicht
viel.
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Freitag, 02. Oktober 2015 Verbrechen im Namen der Kirche Zum Wochenausklang gab es starken Tobak mit aktuellem Bezug. EL CLUB (1:2.35, 5.1) OT: El Club Verleih: Piffl Land/Jahr: Chile 2015 Regie: Pablo Larraín Darsteller: Roberto Farias, Antonia Zegers, Alfredo Castro Kinostart: 05.11.2015
Den vier Herren, die zusammen mit einer Nonne in jenem abgelegenen Haus an der chilenischen Nordküste leben, geht
es eigentlich richtig gut. Fast könnte man meinen, sie genießen in dieser Abgeschiedenheit ihren wohlverdienten
Ruhestand. Tagsüber scheffeln sie mit Hunderennen einen Haufen Geld, abends sitzen sie zusammen bei Alkohol und
warmen Mahlzeiten. Nichts deutet darauf hin, dass die vier Herren in Ungnade gefallene Priester sind, die die
katholische Kirche zur Buße in dieses verlassene Haus “entsorgt” hat. Es braucht ein ganzes Weilchen, bis man als
Zuschauer diesen Sachverhalt erkennt. Spätestens wenn ein Obdachloser vor dem Haus Stellung bezieht und lauthals
erzählt, wie er von Priestern über Jahre hinweg missbraucht wurde. Pablo Larrain zeichnet kein besonders gutes Bild
von dieser katholischen Kirche, sondern präsentiert hier stellvertretend für die gesamte Priesterschaft Verbrecher. Buße
tun? Diesen Typen kommt so etwas gar nicht in den Sinn. Als ihnen durch die Anwesenheit von Padre Matias, der den
Selbstmord des kürzlich hinzugekommen Padres klären soll, das Aus ihrer idyllischen Gemeinschaft droht, greifen sie zu
ziemlich extremen Maßnahmen, um den Status Quo zu erhalten. Passend zum Thema des Films kleidet Larrain seinen
Film in extrem kontrastarme, farblose und dunkle Bilder und inszeniert damit eine Art DER NAME DER ROSE. Ein
interessanter Film, der besonders für Kirchengegner Wasser auf die Mühlen sein dürfte.
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