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Donnerstag, 28. Januar 2016 Niveau geht anders In meiner Funktion als Filmrezensent muss ich Filme wie den ersten heute anschauen. Doch welche Ausrede haben Sie? DIRTY GRANDPA (1:2.35, 5.1) OT: Dirty Grandpa Verleih: Constantin Land/Jahr: USA 2015 Regie: Dan Mazer Darsteller: Zac Efron, Robert De Niro, Julianne Hough Kinostart: 11.02.2016
Kaum ist seine Frau unter der Erde, macht sich Opa gemeinsam mit seinem Enkel auf, den Spring Break in Florida zu
beäugen. Dem missfällt das zwar sehr, weil er kurz vor seiner Hochzeit steht, aber gegen den alten Herrn, der alles
anmacht, was bei drei nicht auf einem Baum ist, ist der Jungspund vollkommen machtlos... An alle Wichser da draußen:
Opa will ficken, ficken, ficken! Finden Sie diesen Satz anstößig? Dann sollten Sie dringend davon Abstand nehmen
DIRTY GRANDPA einen Besuch abzustatten. Wenn man glaubt, schon alles im Genre der anzüglichen Komödien
gesehen zu haben, dann könnte Dan Mazers Film so etwas wie der Heilige Gral aller anzüglichen Komödien sein. Allen
Ernstes muss man sich fragen: wie tief kann das Niveau solcher Komödien noch sinken? Weil sich dieser Film nur in
verbalen Ausschreitungen ergeht, kann es nicht weiter wundern, dass er sterbenslangweilig ist. Wenn sich Opa und
Enkel fast schon am Ende plötzlich auf Familienwerte besinnen, dann könnte das unpassender nicht sein. Vielleicht
brauchte man eine Rechtfertigung für die bis dahin aufgelaufenen unerträglichen Minuten Spielzeit. Wer weiß. Wissen
will man es sowieso nicht. Das Bundesverdienstkreuz sollte demjenigen verliehen werden, der den Film bis zum Schluss
aushält und nicht vorher schon das Weite sucht. Ich persönlich war schon froh, dass nicht ganz am Schluss plötzlich ein
Titel auftaucht der sich folgender maßen liest: “Dirty Grandpa kommt zurück – als Dirty Grandma”. Das wäre
wenigstens noch ein Gag gewesen.
SUFFRAGETTE (1:2.35, DD 5.1) OT: Suffraggette Verleih: Concorde Land/Jahr: Großbritannien 2015 Regie: Sarah Gavron Darsteller: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Brendan Gleeson, Meryl Streep Kinostart: 04.02.2016
Wie viele andere Frauen arbeitet auch Maud Watts von morgens bis abends unter extrem harten Bedingungen in einer
Wäscherei im Londoner East End. Es ist die Zeit, in der Emmeline Pankhurst ihre Frauenbewegung ins Leben ruft mit
dem Ziel, Frauen Männern gleichzustellen und insbesondere auch das Wahlrecht für Frauen durchzusetzen. Durch Zufall
wird Maud plötzlich Teil dieser Bewegung, der “Suffragetten”, wie man sie nennt. Damit beginnt für sie ein harter
Kampf, dem sie ihre Familie opfern muss und möglicherweise sogar ihr Leben... Man muss sich erst einmal
vergegenwärtigen, dass sich diese Geschichte noch vor gar nicht so langer Zeit zugetragen hat. Viel schlimmer indes die
Tatsache, dass es in anderen Ländern wie beispielsweise Saudi-Arabien bis heute noch kein Frauenwahlrecht gibt.
Insofern ist die in SUFFRAGETTE erzählte Geschichte nach wie vor hochaktuell und steht stellvertretend für alle
Frauen in dieser Welt, die nach wie vor um ihre Gleichstellung mit den Männern kämpfen. Carey Mulligan verkörpert in
der Rolle der Maud Watts beispielhaft das Schicksal, das vielen “Suffragetten” widerfahren ist. Mulligan tut dies einmal
mehr sehr überzeugend und beweist aufs Neue, dass sie momentan eine der begabtesten Schauspielerinnen ist.
Farbreduzierte Bilder, die insbesondere in dunklen Szenen fast schon Schwarzweiß wirken, unterstreichen in perfekter
Weise die düstere Zeit, zu der der Film spielt. Ein wichtiger Film gegen das allzu leichte Vergessen.
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Dienstag, 26. Januar 2016 Die tickende Zeitbombe Ein kontrastreiches Doppel stand auf meinem Spielplan LOLO – DREI IST EINER ZU VIEL (1:2.35, 5.1) OT: Lolo Verleih: NFP (Warner) Land/Jahr: Frankreich 2015 Regie: Julie Delpy Darsteller: Julie Delpy, Dany Boon, Vincent Lacoste Kinostart: 17.03.2016
Als seine alleinerziehende Mutter Violette den Computerfachmann Jean-Rene kennenlernt und sich zwischen den beiden
eine ernste Liebesgeschichte anbahnt, tut ihr zwanzigjähriger Sprössling alles dafür, dass es möglichst schnell wieder
Aus ist zwischen den beiden... Eigentlich ist man von Julie Delpy Komödien mit Tiefgang gewohnt wie beispielsweise 2
TAGE NEW YORK oder FAMILIENTREFFEN MIT HINDERNISSEN. Dass sie jetzt mit LOLO den Pfad
anspruchsvoller Komödie verlässt, um in die seichten Gefilde der Komödien hinabzusteigen, erstaunt. Mit Dany Boon
an ihrer Seite hat sie damit zwar genau den richtigen Partner, doch die Schwerfälligkeit der Inszenierung zeigt deutlich,
dass Delpy mit dieser Art von Komödien nichts anfangen kann. Zu allem Überfluss gibt es zwischen den Frauen im Film
ständig extrem anzügliche Dialoge. Das mag anfangs vielleicht noch erfrischend sein, geht auf Dauer aber ziemlich auf
die Nerven. Es bleibt zu hoffen, dass die Regisseurin möglichst bald wieder zu ihrer ureigenen Form zurückfindet
NICHTS PASSIERT (1:2.35, 5.1) Verleih: Movienet (24 Bilder) Land/Jahr: Schweiz 2015 Regie: Micha Lewinsky Darsteller: Devid Striesow, Maren Eggert, Annina Walt Kinostart: 11.02.2016
Ein richtiger Familienurlaub soll es werden. Zusammen mit der minderjährigen Tochter und seiner Frau zieht es Thomas
in die Schweizer Alpen zum Skifahren. Dass er auch noch Sarah, die 15jährige Tochter seines Chefs, mitnimmt, passt
den anderen eigentlich nicht. Doch Thomas fällt das Neinsagen immer schwer und Konflikte umschifft er lieber als sich
ihnen zu stellen. Doch dort in der Bergwelt wird sein Harmoniebedürfnis auf eine harte Probe gestellt, als Sarah ihm
nach durchzechter Nacht anvertraut, dass sie vergewaltigt wurde - vom Sohn des Chalet-Vermieters... Einmal ist er
ausgerastet. Aber nur wegen dem Alkohol. Und den hat er jetzt im Griff. Das zumindest erzählt Thomas seiner
Therapeutin. Dass seine Frau weder von seinem Ausraster noch von seiner Therapie weiß, steht auf einem anderen Blatt
Papier. Er sei jetzt so geworden wie er ist, meint er. Die Therapeutin fragt: “Wie sind Sie denn?” – “Ein netter Mann”,
sagt Thomas lächelnd. Devid Striesow spielt diesen Thomas, jenen Mann, der jedes Problem mit einer kurzen
Bemerkung einfach abtut. Klare Vogel-Strauß-Taktik. Bald ist klar: hier macht eine tickende Zeitbombe Urlaub mit
seiner nichtsahnenden Familie. Striesow versteht sich wie kein anderer darauf, innere Konflikte nach außen zu
transportieren. Sichtbar für den Zuschauer, unsichtbar für die Familie, deren Vater er darstellt. Wenn er sich in der
schneebedeckten idyllischen Schweizer Bergwelt immer tiefer in ein Geflecht aus Lügen verstrickt, gar wie eine Ratte in
die Enge getrieben wird, so nimmt er den Zuschauer mit in diese ausweglose Enge, die zwangsläufig zur Explosion
führen muss. Micha Lewinsky hat mit NICHTS PASSIERT ein spannendes und exzellent fotografiertes Psychogramm
inszeniert.
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Freitag, 22. Januar 2016 Freiheitsliebend wie wilde Pferde Zum Ausklang einer relativ schwachen Pressewoche wurden wir heute mit einem echten Knaller belohnt. MUSTANG (1:2.35, 5.1) OT: Mustang Verleih: Weltkino Land/Jahr: Frankreich, Türkei, Deutschland 2015 Regie: Deniz Gamze Ergüven Darsteller: Günes Nezihe Sensoy, Doga Zeynep Doguslu, Elit Iscan Kinostart: 25.02.2016
Ein Dorf irgendwo an der türkischen Küste. Um den Beginn der Sommerferien zu feiern, tollen fünf Schwestern mit ein
paar Jungs aus ihrer Klasse im Meer herum. Ein Skandal ist die Folge. Denn das Verhalten der Mädchen wird als
schamlos empfunden. Und das hat weitreichende Folgen: ihr Onkel, bei dem die Mädchen seit dem Tod ihrer Eltern
leben, verwandelt das Haus nach und nach in ein Hochsicherheitsgefängnis. Statt Schulunterricht gibt es jetzt
Benimmunterricht. Als plötzlich auch noch Ehen arrangiert werden, beginnen die Mädchen sich gegen die ihnen
auferlegten Grenzen aufzulehnen... In einer Sequenz des Films schaffen es die Mädchen, sich aus dem Haus zu
schleichen, um gemeinsam im Stadion ein Fußballspiel anzuschauen, bei dem nur Frauen im Publikum zugelassen sind.
Diese Sequenz funktioniert im Film wie ein Befreiungsschlag und entwickelt eine schier unglaubliche Energie, das es
einem unweigerlich Freudentränen in die Augen treibt. Ein solch intensives Erleben gab es schon lange nicht mehr. Der
Freudentaumel ist natürlich nur von kurzer Dauer, denn nach dem Spiel kehren die Mädchen wieder in ihr Gefängnis
zurück – zwar gedeckt von ihrer Tante, die geradezu über sich selbst hinauswächst. Doch die brutale Realität holt die
Schwestern danach schneller ein als es ihnen lieb ist. Mit wunderbaren, oft sinnlichen Bildern, die einen krassen
Gegensatz zu den Geschehnissen im Film bilden, erzählt die junge türkische Regisseurin Deniz Gamze Ergüven von
fünf freiheitsliebenden Schwestern, die im Hier und Jetzt in der von Männern dominierten türkischen Gesellschaft um
ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen. Mit einem tollen Ensemble (allen voran die von Günes Sensoy dargestellte
Lale, die jüngste der Schwestern) gelingt es Ergüven, den Zuschauer emotional in die Geschichte einzubinden, ihn auf
die Seite der Mädchen zu holen. Durch die aktuellen Vorfälle und Diskussionen in Deutschland gewinnt ihr Film zudem
an Brisanz, zeigt er doch, dass auch heute noch in vielen Teilen der Welt die gesellschaftliche Stellung der Frau durch
ein Patriarchat mit brutalen Methoden niedrig gehalten wird. Von Gleichberechtigung kann hier keine Rede sein. Ein
großer Pluspunkt des Films ist auch seine Filmmusik von Warren Ellis, die niemals kitschig wirkt, aber dennoch sehr
einfühlsam ist und damit als Score hervorragend funktioniert. MUSTANG, der zurecht in der Kategorie “Bester
fremdsprachiger Film” für den Oscar nominiert ist, ist ein starkes Stück Kino, das man nicht verpassen sollte.
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Donnerstag, 21. Januar 2016 Von Einer, die auszog, das Leben zu lernen Heute stand der neue Film von Doris Dörrie auf dem Programm GRÜSSE AUS FUKUSHIMA (1:2.35, 5.1) Verleih: Majestic Land/Jahr: Deutschland 2016 Regie: Doris Dörrie Darsteller: Rosalie Thomass, Kaori Momoi, Nami Kamata Kinostart: 10.03.2016
Marie flieht. Aus Deutschland. Ins weit entfernte Fukushima. Sie flieht vor einer gescheiterten Beziehung und will ihrem
Leben endlich eine Bedeutung geben. Irgendeine. Denn dieses Leben ist schließlich das einzige, das sie hat. Als Clown
möchte sie die Bewohner der Notunterkünfte zum Lachen bringen. Das aber geht gehörig schief. Schließlich lernt sie die
störrische alte Satomi kennen, die letzte Geisha der Region. Die möchte ihr zerstörtes Haus wieder auf Vordermann
bringen. Marie beschließt ihr zu helfen... In tristen Schwarzweißbildern, aber in CinemaScope, erzählt Doris Dörrie in
ihrem neuen Film von zwei Frauen, die sich im Niemandsland gegenseitig stützen und voneinander lernen.
Beispielsweise wie man mit Schmerz umgeht, ihn besiegt und weit hinter sich lassen kann. Mit zwei wunderbaren
Darstellerinnen gelingt das großartig ohne je kitschig zu werden. Allenfalls verwirren die Bilder im Anschluss an den
Abspann, die mahnen, das Unglück von Fukushima niemals zu vergessen und auf Atomkraft zu verzichten. Denn diese
Bilder – so erschien es zumindest mir – hatten mit dem Film selbst nichts zu tun.
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Dienstag, 19. Januar 2016 Dramatisch und wild Das erste Presse-Triple-Feature des Jahres hielt mich heute auf Trab DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK (1:2.35, 5.1) Verleih: Universal Land/Jahr: Deutschland 2016 Regie: Hans Steinbichler Darsteller: Lea van Acken, Martina Gedeck, Ulrich Noethen Kinostart: 03.03.2016
Die jüdische Familie Frank, die während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht in Amsterdam gefunden hat, sieht sich nach
der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen in großer Gefahr und bezieht ein Versteck im Hinterhaus ihrer
Firma. Dort, abgeschottet von der Außenwelt, beginnt die jüngste Tochter der Familie, die 13jährige Anne, Tagebuch zu
führen... Die Kameraarbeit lässt keine Zweifel daran: trotz CinemaScope-Format handelt es sich hier um eine
TV-Produktion. Die vielen teilweise extremen Großaufnahmen wirken sich störend auf der Kinoleinwand aus. Das ist
insbesondere in der Eröffnungssequenz, die in Sils Maria spielt, zu beobachten. Zudem wird häufig falsch kadriert (z.B.
wird eine Person links im Bild gezeigt, ihre Dialogpartnerin auf der rechten Seite ist nicht mehr zu sehen). Störend auch
die von Geigen dominierte Filmmusik, die einfach zu dick aufträgt. Dass der Film dennoch über seine gesamte Länge
von über zwei Stunden packt, liegt an der wahren Geschichte selbst und den exzellenten Darstellern, die allesamt
überzeugend agieren. Allen voran Lea van Acken, die bereits in Dietrich Brüggemanns KREUZWEG für Furore sorgte.
Was die Sechzehnjährige hier in der Rolle der Anne Frank vom Stapel lässt zeugt von großem Talent. Ein Talent, von
dem man ganz sicher noch viel sehen wird.
FREUNDE FÜRS LEBEN (1:1.85, 5.1) OT: Truman Verleih: Ascot Elite (Universum Film) Land/Jahr: Spanien, Argentinien 2015 Regie: Cesc Gay Darsteller: Ricardo Darín, Javier Cámara, Dolores Fonzi Kinostart: 25.02.2016
Der gefeierte Schauspieler Julian möchte für seinen treuen Hund Truman ein neues Zuhause finden. Sein Jugendfreund
Tomas, der eigens von Kanada nach Madrid angereist ist, soll ihm dabei helfen. Das allerdings ist nur die Fassade der
Geschichte. In Wahrheit hat sich Julian dazu entschlossen, seine Krebstherapie abzubrechen und in sein Leben
aufzuräumen, bevor es zu spät ist... “Am Ende bleibt nur ganz wenig übrig”, sagt der Bestattungsunternehmer, als Julian
daran zweifelt, dass seine Asche in die Urne passt. Das ist einer der Momente, in dem sich der sonst ziemlich cool
gebende Todeskandidat tatsächlich Gefühle zeigt. In seiner Dramödie FREUNDE FÜRS LEBEN schildert Cesc Gay
auf amüsante und auch bewegende Weise den Abschied zweier bester Freunde, der für immer sein wird. Der mit
Ricardo Darín und Javier Cámara exzellent besetzte Film ist dabei einer der leisen Töne und begeht damit nicht den
Fehler ähnlich thematisierter amerikanischer Produktionen, die gerne aus dem Ruder laufen.
DIE WILDEN KERLE: DIE LEGENDE LEBT (1:2.35, 5.1) Verleih: Walt Disney Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Joachim Masannek Darsteller: Michael Sommerer, Aaron Kissiov, Stella Pepper Kinostart: 11.02.2016
Alles ist gut solange Du wild bleibst! Getreu diesem Motto versteht sich die Jungen-Clique um Anführer Leo als
Nachfolger der legendären wilden Kerle, die vor Urzeiten den dicken Michi beim Fußballspiel eine schwere Niederlage
bescherten. Als ihnen ein Unbekannter mit schwarzer Augenklappe eine geheimnisvolle Landkarte überreicht, merken
sie ziemlich schnell, dass sie sich bereits im Wilden-Kerle-Land befinden. Und mehr noch: sie erfahren, dass nur noch
zehn Tage Zeit sind, um eine neue Wilde Kerle Mannschaft aufzustellen, um den dicken Michi erneut zu schlagen.
Andernfalls gehört das Wilde-Kerle-Land ihm und er darf es zerstören. Unter Anleitung von Trainer Willi bereiten sich
die neuen Wilden Kerle auf ein Fußballspiel gegen Michis Mannschaft, die Galaktischen Sieger, vor... Müssen wir uns
ernsthaft Sorgen machen um deutsche Nachwuchstalente? Nach Sichtung von Joachim Masanneks Film jedenfalls
scheint die Sorge berechtigt. Und das betrifft nicht nur die kleinen “Wilden Kerle”, die tapfer beweisen, dass sie Texte
auswändig lernen können, sondern auch die inzwischen großen “Wilden Kerle” von einst. Hier wird so lieblos und
gekünstelt agiert, dass man von Talent eigentlich nicht mehr reden möchte. Es scheint fast so, als hätte man für diesen
Film die erstbesten Jungdarsteller verpflichtet – etwas, was in amerikanischen Filmen in dieser Art und Weise nicht zu
beobachten ist. Die einzig überzeugenden Jungdarsteller sind die bösen Kontrahenten der wilden Kerle, also jene
Grufti-Clique, gegen die die Kleinen antreten müssen. Doch die darstellerischen Künste sind nicht das einzige Problem
im mittlerweile sechsten Teil der Saga. Da ist die Rede davon, dass man für etwas kämpfen soll, wofür man bereit ist zu
sterben. Zu sterben? Für einen jugendfreien Film ist das eigentlich starker Tobak, den man so eigentlich nicht stehen
lassen sollte. Die Filmemacher tun es aber – leider. Was ansonsten ein ordentlicher Kinderfilm hätte werden können, der
kindliche Phantasie, die Begeisterung für Fußball, Freundschaft, Solidarität und die Erkenntnis, dass Mädchen Jungs
ebenbürtig sind, unter einen Hut bringt. Unterlegt wird der flott inszenierte Film mit ein paar mitreißenden Songs, die
quasi die Meta-Ebene des Films kommentieren und dankenswerterweise sogar in Deutsch gehalten sind, damit die
Botschaft auch von den Kleinsten verstanden werden kann. Kleine Beobachtung am Rande: es gibt ein Siegerthema in
der Filmmusik, das sehr an Vangelis‘ CHARIOTS OF FIRE erinnert. Zufall? Vermutlich war das Vangelis-Thema
Bestandteil des Temp Tracks. Fazit: aufgrund des fehlenden Schauspieltalents sowie der grenzwertigen Botschaft nur
bedingt für Kinder zu empfehlen.
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Montag, 18. Januar 2016 Helium Hell Bereits zum vierten Mal quietscht es auf der Leinwand: die Streifenhörnchen schlagen wieder zu! ALVIN UND DIE CHIPMUNKS: ROAD CHIP (1:1.85, DD 5.1 + 7.1) OT: Alvin And The Chipmunks: The Road Chip Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2015 Regie: Walt Becker Darsteller: Jason Lee, Kimberly Williams-Paisley, Josh Green Kinostart: 28.01.2016
Die kleinen wuscheligen Chipmunks tun einmal mehr genau das, was sie am besten können: Chaos anrichten! Weil die
flauschigen Streifenhörnchen glauben, dass sich ihr Produzent und Ziehvater in Miami mit genau jener Dame verloben
möchte, deren halbwüchsiger Sohn ihnen das Leben ziemlich schwer macht, beschließen sie in einer konzertierten
Aktion ihm nach Miami zu folgen, um die Verlobung zu verhindern. Zu allem Übel müssen sie sich nicht nur mit dem
Quälgeist zusammentun, sondern haben bald auch noch einen überehrgeizigen Air Marshal an den Fersen kleben...
Überdosis Helium gefällig? Dann sind sie hier genau richtig! Ob man als erwachsener Mensch jedoch tatsächlich 90
Minuten lang die quirligen Viecher mit den heliumgepowerten Stimmchen aushalten kann, bleibt abzuwarten. Wer sein
Kind im Manne noch bewahrt hat, der dürfte weniger Probleme mit dem kleinen Trio haben. Neben vielen Späßen (u.a.
spielen sie Golf, klauen einen Ring und machen aus einem Passagierflug eine Arche Noah), die sich die
Streifenhörnchen erlauben, gibt es auch immer wieder genug Zeit, um einen “Show Act” einzulegen. Dann singen (oder
besser: gurgeln) und tanzen die aufrecht gehenden Plüschtiere, was das Zeug hält. Und dass das dann auch alles echt
aussieht, dafür sorgt Weta Digital, jene neuseeländische VXF Schmiede, ohne die Peter Jacksons HERR DER RINGE
und HOBBITs nicht das geworden wären was sie sind. Allerdings überstrapaziert der Film seine Zuschauer durch das
ewig in die Länge gezogene Ende. Weitaus störender als der Film selbst allerdings ist dessen deutsche Tonspur. Da
klingt tatsächlich alles so, als wäre ein Teppich zwischen Synchronsprecher und Mikrofon. Alles ist extrem dumpf.
Nicht einmal die Musik entfaltet sich richtig über die acht zur Verfügung stehenden Tonkanäle. Sorry, aber für eine
solche Schlamperei bedarf es keiner Dolby Surround 7.1 Tonspur!
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Freitag, 15. Januar 2016 Der Guerilla-Schreiber Zum Wochenausklang wurde mal wieder ein Stück Filmgeschichte abgearbeitet TRUMBO (1:1.85, 5.1) OT: Trumbo Verleih: Paramount Land/Jahr: USA 2015 Regie: Jay Roach Darsteller: Bryan Cranston, Diane Lane, Helen Mirren, Elle Fanning, John Goodman Kinostart: 10.03.2016
Anfang der 1940er Jahre wird es für den erfolgreichen Drehbuchautor Dalton Trumbo sehr unangenehm. Wie viele
seiner Kollegen so wird auch er das Ziel der Hetzjagd auf Kommunisten, von denen sich das paranoide Amerika
unterwandert fühlt. Trumbo, der Konfrontation nicht scheut, kommt schließlich hinter Gittern. Doch Trumbo ist ein
Kämpfer, der sich nicht unterkriegen lässt... Für echte Filmkenner ist Dalton Trumbo ein Begriff. Der Mann war eine
Ikone unter den Drehbuchschreibern Hollywoods. Er lieferte unter anderem die Drehbücher zu Stanley Kubricks
SPARTACUS und Otto Premingers EXODUS. Es waren die ersten Filme, die ihn nach vielen Jahren Untergrundarbeit
erstmals wieder im Vorspann als Autor nannten. Denn Amerikas Hexenjagd auf Kommunisten in Hollywood hatte ganze
Arbeit geleistet. Jay Roach porträtiert in seinem Biopic jenen Mann, den die Kommission zur Untersuchung
antiamerikanischer Umtriebe nicht nur ins Gefängnis werfen ließ, sondern ihn auch dazu zwang, heimlich und unter
verschiedenen Pseudonymen Drehbücher zu schreiben. Sein Film stellt auch klar, dass es ohne Trumbos Frau, die ihm
den Rücken freihielt, sowie ohne seine drei Kinder, die ihn bei seiner Guerilla-Tätigkeit unterstützten, nicht möglich
gewesen wäre. Bryan Cranston spielt ihn, den Whiskey trinkenden und oft in der Badewanne arbeitenden
Schreibbesessenen, der sich nie hat unterkriegen lassen. Und er spielt ihn mit großer Sorgfalt, was man anhand der
während des Abspanns gezeigten Originalfotos und -ausschnitten gut beurteilen kann. Mit viel Liebe zum Detail
schildert Roachs Film die strapaziösen Jahre des in Ungnade gefallenen Schreibers. So lässt er viele bekannte
Filmschaffende – Schauspieler, Regisseure, Produzenten und andere Drehbuchautoren – Trumbos Weg kreuzen. Man ist
teilweise verblüfft ob deren Ähnlichkeit mit den Vorbildern. Den Darsteller des jungen Kirk Douglas lässt er in Close
Ups in der berühmten Arena-Szene aus SPARTACUS schließlich sogar digital einarbeiten! Herrlich ironische
Gastauftritte haben John Goodman als B-Film-Produzent Frank King (eine Rolle, die ihm vermutlich sein Auftritt in Joe
Dantes MATINEE beschert hat) und Christian Berkel als Otto Preminger mit starkem österreichisch-deutschem Akzent.
TRUMBO ist ein beschämender Blick in ein dunkles Kapitel nicht nur Hollywoods, sondern auch ganz Amerikas. Für
Filmfans Pflicht, für alle Anderen eher uninteressant.
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Donnerstag, 14. Januar 2016 Familienbande und Mobbingopfer Dass nicht alles immer so ist wie es scheint zog sich wie ein roter Faden durch unser heutiges Pressedoppel EL CLAN (1:2.35, 5.1) OT: El Clan Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: Argentinien, Spanien 2015 Regie: Pablo Trapero Darsteller: Guillermo Francella, Peter Lanzani, Lili Popovich Kinostart: 03.03.2016
Buenos Aires zu Beginn der 1980er Jahre. Nach außen hin gibt sich Familie Puccio als ganz gewöhnliche, fast schon
spießige Familie. Doch im Untergrund brodelt es gewaltig. Denn in Wirklichkeit entführen sie gemeinschaftlich gut
betuchte Menschen und erpressen Lösegelder – und schrecken dabei auch keine Sekunde vor einem Mord zurück... Die
interessantesten Geschichten schreibt das Leben selbst. Und so ist es schier unglaublich, dass Pablo Traperos
Thriller-Drama auf einer wahren Geschichte beruht, die sich Anfang der 1980er Jahre in Argentinien zugetragen hat.
Man könnte fast darüber lachen, mit welcher Gemütsruhe Vater Puccio jener Arbeit nachgeht, die ihm und seiner
Großfamilie den Lebensunterhalt sichert: das Entführen von Menschen mit erpresserischer Absicht. Guillermo Francella
verkörpert den Fiesling, der sich keiner Schuld bewusst ist. Denn was in der Diktatur ganz normal war, das sollte auch in
der Demokratie kein Problem darstellen – wenn man nur die richtigen Leute kennt. Wie sehr sein Sohn Alejandro, der
Rugby-Star, darunter leidet, verkennt bzw. ignoriert er komplett. Immer wieder setzt Trapero fetzige Songs aus jener
Zeit als sarkastischen Kommentar zu den ungeheuren Geschehnissen ein und schneidet einmal sogar zwischen einer
heftigen Liebesszene und der Ermordung einer Geisel hin und her.
LENALOVE (1:2.35, 5.1) Verleih: Alpenrepublik Land/Jahr: Deutschland 2016 Regie: Florian Gaag Darsteller: Emilia Schüle, Jannik Schümann, Sina Tkotsch Kinostart: 22.09.2016
Die 16jährige Lena und Nicole sind beste Freundinnen “forever”. Das ändert sich jedoch ziemlich schnell, als eine fiese
Mitschülerin damit beginnt, einen Keil zwischen die beiden zu treiben. So arrangiert sie, dass sich Nicole mit Lenas
Schwarm Tim in flagranti erwischen lässt. Gedemütigt und frustriert wendet sich Lena an ihren vermeintlichen
Chatpartner Noah. Hinter dem steckt allerdings jemand ganz anderes als Lena vermutet und so nimmt ein perfides Spiel
seinen Anfang... Mit seinem psychologischen Thriller stellt Regisseur und Drehbuchautor Florian Gaag unter Beweis,
dass er etwas vom Filmemachen versteht. Bildgestaltung, Tonebene, Filmmusik und Schnitt zeugen von hoher
Handwerkskunst und stehen darin aktuellen Hollywood-Produktionen in nichts nach. Verbesserungsbedarf gibt es
allerdings beim Drehbuch. Das hat zwar richtig gute Ansätze zum Thema Cyber-Mobbing, driftet gegen Ende aber
leider allzu sehr in einen überkonstruierten und damit alles andere als authentischen Thriller ab. Die mühsam aufgebaute
Spannung zerbricht hier jäh. Das ist umso bedauerlicher, da der Film unter technischen Aspekten richtig famos gestaltet
ist.
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Mittwoch, 13. Januar 2016 Kunst in schweren Zeiten Zur Wochenmitte wurden wir heute in der Presse mit einem ungewöhnlichen Dokumentarfilm konfrontiert FRANCOFONIA (1:1.78, 5.1) OT: Francofonia Verleih: Piffl Land/Jahr: Deutschland, Frankreich, Niederlande 2015 Regie: Alexander Sokurow Darsteller: Louis-Do de Lencquesaing, Benjamin Utzerath, Johanna Korthals Altes Kinostart: 25.02.2016
Mit unterschiedlichen filmischen und erzählerischen Mitteln entwirft Regisseur Alexander Sokurow eine Collage über
den Louvre während der deutschen Besatzungszeit. Im Mittelpunkt seiner oft eigenwilligen Mischung aus
Dokumentarmaterial und inszenierter Szenen stehen der damalige Direktor des französischen Nationalmuseums, Jacques
Jaujard, und der Leiter des sogenannten “Kunstschutzes” der Wehrmacht, Franziskus Graf Wolff-Metternich. Anfangs
sind die beiden Männer ganz klar Kontrahenten, doch das Fortschreiten der Geschichte lässt sie zu Komplizen werden.
Ihr vorrangigstes Ziel: die Kunstschätze des Louvre vor der Vernichtung zu retten. Dem renommierten Kameramann
Bruno Delbonnel gelingen faszinierende Bilder, die kaum von Archivmaterial zu unterscheiden sind. Die Tonspur
offenbart eine Vielzahl von Geräuschen, die die orchestrale Filmmusik ergänzen. Ganz sicher kein Film für die breite
Masse, aber einer für Kunstinteressierte.
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Dienstag, 12. Januar 2016 Zwei Väter und ein Schiffbrüchiger Mit dem Zweiten sieht man besser: nachdem sich der erste Film als bisheriger Jahrestiefstpunkt entpuppte, war der zweite Film umso erfreulicher. DADDY’S HOME – EIN VATER ZUVIEL (1:1.85, DD 5.1) OT: Daddy’s Home Verleih: Paramount Land/Jahr: USA 2015 Regie: Sean Anders, John Morris Darsteller: Mark Wahlberg, Will Ferrell, Linda Cardellini Kinostart: 21.01.2016
Wie gerne würde Brad seinen Stiefkindern ein richtiger Daddy sein. Er tut alles dafür, dass ihn die beiden Kinder seiner
Frau als solchen akzeptieren. Just in dem Moment, als sich Brad am Ziel glaubt, taucht der wahre Vater auf. Von Stund
an buhlen die beiden Männer mit allen erdenklichen Tricks um die Gunst der Kleinen... Relativ lieblos bemüht sich
diese amerikanische Komödie um die Gunst der Zuschauer, die einmal mehr mit dem Vergleich von Penislänge und
Klötengröße zu Punkten versucht. Das ist freilich nicht nur ziemlich peinlich, sondern auch geschmacklos. Besonders
dann, wenn auf Biegen und Brechen versucht wird, den vermeintlichen Gag in die Länge zu ziehen. Jeder weiß: in der
Kürze liegt die Würze. Doch Sean Anders und John Morris, Regisseure dieses primitiven Machwerks, haben davon
offenbar noch nichts gehört. Fazit: der erste Tiefpunkt des neuen Filmjahres. ROBINSON CRUSOE (1:2.35, 3D, DD 5.1) OT: Robinson Crusoe Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Belgien, Frankreich 2015 Regie: Vincent Kesteloot Kinostart: 04.02.2016
Robinson Crusoes Geschichte ist ja hinlänglich bekannt. Weit weniger bekannt ist aber die Geschichte, die die
Inselbewohner zu erzählen haben – nämlich die Tiere. Allen voran der farbenprächtige Papagei Dienstag, der schon
immer vermutete, dass es da draußen noch mehr gibt als nur diese eine Insel, auf der er lebt. Gemeinsam mit seinen
anderen zwei- und vierbeinigen animalischen Freunde hilft er dem Engländer zu überleben. Und das ist weiß Gott auch
nötig! - Warum richtig gute 3D-Filme fast nur aus Belgien stammen, bleibt ein Rätsel. Fakt ist, dass Vincent Kesteloots
computeranimierter Filmspaß mit beeindruckenden Effekten aufwartet, die für das Tragen der schweren 3D-Brillen
entschädigt. Aber auch sonst unterhält Kesteloots Film vorzüglich und dürfte vor allem Kindern großen Spaß bereiten.
Ein weiterer Beweis dafür, dass gute Animationsfilme nicht unbedingt aus den USA kommen müssen.
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Montag, 11. Januar 2016 Kammerspiel in eisiger Kälte Die neue Pressewoche begann gleich mit einem Blockbuster THE HATEFUL EIGHT (1:2.76, DD 5.1, auch 70mm) OT: The Hateful Eight Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: USA 2015 Regie: Quentin Tarantino Darsteller: Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh Kinostart: 28.01.2016
Auf der Flucht vor einem Blizzard stranden zwei Kopfgeldjäger samt einer Gefangenen und dem Kutscher in einer
einsamen Berghütte, wo sie auf weitere vier Reisende treffen. Während draußen der Sturm tobt wird den Gästen nach
und nach klar, dass sie alles andere als rein zufällig hier aufeinandertreffen... Da ist es also, das Magnum Opus des
begeisterten Zelluloid-Fans Quentin Tarantino. Acht Filme hat es gebraucht, bis er sich seinen Traum erfüllen konnte
und einen Film komplett auf 65mm-Negativfilm drehen durfte. Und nicht nur das: sogar im breitesten aller
Aufnahmeverfahren – Ultra Panavision 70, das dank seiner anamorphotischen Linse ein Bildseitenverhältnis von 1:2.76
zaubert. Es war eine Herkulesaufgabe, genügend Kinos zu finden, die bereit waren, die von Tarantino favorisierte
70mm-Kopie seines Films zu zeigen. Immerhin fanden sich in Deutschland vier Kinos, die weder Mühen noch Kosten
scheuten, Ultra Panavision 70 zu präsentieren: das Savoy in Hamburg, der Zoo-Palast in Berlin, die Lichtburg in Essen
und natürlich die Schauburg in Karlsruhe. Wer die Möglichkeit hat, den Film in der 70mm-Version zu sehen, sollte
davon auch tatsächlich Gebrauch machen. Belohnt wird der Besuch dort mit einer um acht Minuten längeren
“Roadshow”-Fassung des Films, die zudem noch mit einer Ouvertüre und einer Pause ausgestattet ist – ganz in der
Tradition der Blockbuster-Filme der sechziger Jahre. Nach der heute in der Pressevorführung gezeigten digitalen
Fassung (mit kleinen schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand) zu urteilen, haben Tarantino und seine
Kameramann Robert Richardson ganze Arbeit geleistet, um den Film optisch beeindruckend zu gestalten. Zwar gibt es
ein paar wirklich prächtige Schneelandschaften zu bestaunen, die sich schier endlos über die Bildwand erstrecken. doch
der größte Teil des Films spielt sich in einer kleinen Hütte ab. Wer jetzt meint, dass man dafür kein Ultra Panavision
benötigen würde, der irrt. Mit Bravour zeigt Richardson, dass auch in der kleinsten Hütte das superbreite
Aufnahmeverfahren wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Tarantino kann seinen Schauspielern damit unheimlich viel
Raum zur Entfaltung geben. Es ist fast so, als würde man von den vorderen Reihen aus auf eine Theaterbühne schauen.
Die Geschichte, die auf dieser Bühne erzählt wird, ist bestes Tarantino-Kino. Das bedeutet nicht nur Plot-Twists und
interessante Dialoge, sondern auch jede Menge Blut und Gewalt. Zart Besaitete muss man hier warnen: der Regisseur
geht damit nicht zimperlich um. Aber immer mit einem Augenzwinkern. So bleibt der in Kapitel unterteilte Film von
Anfang bis Ende spannend und lässt nie Langeweile aufkommen. Was die Musik angeht gibt es hier ein Unikum: es ist
Tarantinos erster Film, für den er eigens eine Filmmusik komponieren ließ. Und nicht von irgend jemandem, sondern
von Ennio Morricone, jenem Maestro, den er in seinen früheren Filmen immer wieder auf der Tonspur zitierte. Letzteres
tut Tarantino übrigens auch jetzt wieder, indem er ein Stück verwendet, das Morricone für den Film EXORZIST 2
komponierte. Viel Originalmusik enthält THE HATEFUL EIGHT nicht und das, was für den Film komponiert wurde,
ist laut bestens informierten Kreisen Musik, die Morricone für John Carpenters DAS DING AUS EINER ANDEREN
WELT komponierte und welches vom Regisseur abgelehnt wurde. Ein Rätsel bleibt indes, warum Morricone heuer mit
dem Golden Globe für die “Beste Filmmusik” belohnt wurde. Dennoch: THE HATEFUL EIGHT unterhält bestens –
vor allem im 70mm-Format!
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Freitag, 08. Januar 2016 Puppenspiel Mit einem Horrorfilm neigte sich die erste Pressewoche des neuen Jahres dem Ende zu THE BOY (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Boy Verleih: Capelight (Central) Land/Jahr: USA 2016 Regie: William Brent Bell Darsteller: Lauren Cohan, Rupert Evans, Ben Robson Kinostart: 18.02.2016
Um ihrer unschönen Vergangenheit zu entfliehen, heuert die junge Amerikanerin Greta als Nanny bei einem alten
Ehepaar in England an. In deren abgelegenen, hochherrschaftlichen Villa soll sie sich um den achtjährigen Sohn Brahms
kümmern. Sie staunt nicht schlecht als sie feststellen muss, dass es sich bei Brahms um eine Porzellanpuppe handelt!
Wider aller Vernunft lässt sie sich jedoch auf den Deal ein. Als das alte Ehepaar ganz plötzlich verreisen muss und
Greta alleine zurücklässt, beginnt die Puppe ein seltsames Eigenleben zu entwickeln... Wie kann sich eine erwachsene
Frau auf eine Porzellanpuppe einlassen? Eine berechtigte Frage, die sich der geneigte Zuschauer hier stellen wird und
die vom Drehbuch nicht gerade überzeugend beantwortet wird. Wem das bis dahin bereits zu skurril ist, der wird große
Mühe haben, sich auf den Rest des Films einzulassen. Das haben andere Horrorstreifen zum Thema Puppe einfach
besser gelöst. Gute Noten hingegen gibt es hier für Bild und Ton. Mühelos schwebt die Kamera durch die verwinkelten
Räume des alten Herrschaftshauses, in dem es nur wenig Licht gibt. Oder sie konzentriert sich auf Detailaufnahmen, die
bei entsprechender Ausleuchtung angsteinflößend wirken wie beispielsweise die weit aufgerissenen Augen der
Porzellanpuppe, die sodann den Zuschauer förmlich anstarren. Angsteinflößend auch das ein oder andere Geräusch, das
Dank moderner Mehrkanaltontechnik auch mal von der Seite oder von hinten das Ohr des Zuschauers erreicht und so
Unbehagen verursacht. Gemessen an der handwerklichen Qualität von THE BOY lässt sich leicht erahnen, was
Regisseur William Brent Bell tatsächlich machen könnte, würde man ihm ein richtig gutes Drehbuch anbieten. So aber
bleibt der Film nicht mehr als Routine, die echte Horrorfans kaum vom Hocker hauen dürfte. Die geplante
FSK-Freigabe ab 12 Jahren indes erscheint trotzdem etwas grenzwertig, gewährt sie doch auch schon Kindern (in
Begleitung der Eltern) Zutritt zu diesem Film. Zwar sieht man kein Blut während des Showdowns, doch die Brutalitäten
sind heftig.
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Donnerstag, 07. Januar 2016 Kollektives Schämen Neues Jahr, neue Filme. Die erste Pressevorführung des Jahres war eine Fantasy-Geschichte DIE HÜTERIN DER WAHRHEIT – DINAS BESTIMMUNG (1:2.35, DD 5.1 + Atmos) OT: Skammerens Datter Verleih: Polyband (24 Bilder) Land/Jahr: Dänemark, Tschechien, Island 2015 Regie: Kenneth Kainz Darsteller: Rebecca Emilie Sattrup, Jakob Oftebro, Maria Bonnevie Kinostart: 18.02.2016
Wenn sie einem Menschen in die Augen schaut, weiß sie sofort, für welche Sünden und Schwächen er sich schämt. Wie
bereits ihre Mutter, von Beruf Beschämerin, so besitzt auch die junge Dina dieselben übernatürlichen Kräfte. Diese will
sich der Thronfolger Fürst Drakan zunutze machen, um das Verbrechen, das er begangen hat, dem Prinzen Nicodemus
in die Schuhe zu schieben. Doch weder Dinas Mutter noch Dina selbst gehen auf sein böses Spiel ein. Damit bringt sich
Dina plötzlich in Lebensgefahr und ist schon bald ganz allein auf sich gestellt... Das Setting in dieser
Fantasy-Geschichte ist wirklich nichts Neues: ein kleines Fürstentum im tiefsten Mittelalter. Erdfarben und Dunkelheit
dominieren hier die Bilder, Aberglaube und Vorurteile beherrschen das Leben. Neu allerdings ist die Tatsache, dass das
vornehmlich an Kinder adressierte Werk recht brutal zur Sache geht. Fast schon etwas zu brutal. Der böse Fürst lässt
jeden umbringen, der ihm quer kommt und legt dabei auch selbst Hand an. Richtig böse wirkt der aber trotzdem nicht,
eher etwas zurückgeblieben. Mit seinen 96 Minuten fühlt sich der Film länger an. Das liegt vermutlich an den manchmal
in die Länge gezogenen Szenen, etwa wenn Dina und ihre Freundin geknebelt und gefesselt auf einem Wagen liegen und
abwechseln auf eines der beiden Mädchen geschnitten wird - mehrfach wohlgemerkt. Was an dem nicht sonderlich
spannenden Film besonders verstört: sein Ende. Denn das kommt so überraschend, dass offenbar nicht einmal genügend
Zeit vorhanden war, sämtliche Konflikte aufzulösen. So bleibt am Schluss die Frage offen, was denn mit all den
Menschen im Dorf passiert, denen die Flucht ins Hochland nicht gelang? Das Drehbuch zumindest interessiert sich für
diese spannende Frage leider nicht. Eine Frage, die sich aber ganz bestimmt junge Zuschauer stellen werden. Laut
Presseheft handelt es sich bei DIE HÜTERIN DER WAHRHEIT um die teuerste dänische Filmproduktion aller
Zeiten. Doch wohin ist das viele Geld geflossen? Ganz sicher nicht in die visuellen Effekte, die ganz am Schluss des
Films das Dorf im Hochland als Dänemarks preisgünstige Antwort auf die Elbenhochburg aus dem HERRN DER
RINGE präsentiert. Immerhin fasziniert der Film mit einer netten Idee: wenn sich die Menschen den Dingen stellen,
derer sie sich schämen, kommen sie schnell wieder zur Vernunft. Und so ist am Ende kollektives Schämen angesagt.
DILWALE (1:2.35, DD 5.1 + Atmos) OT: Dilwale Verleih: Rapid Eye Movies (Rekord-Film) Land/Jahr: Indien 2015 Regie: Rohit Shetty Darsteller: Shah Rukh Khan, Kajol, Kriti Sanon Kinostart: 07.01.2016
Als sein Bruder Veer ausgerechnet die kleine Schwester seiner ersten großen Liebe und späteren Todfeindin heiraten
will, muss sich Raj zwangsläufig seiner Vergangenheit stellen... Leide ich an Übersättigung oder waren die
Bollywood-Filme mit Ikone Shah Rukh Khan schon mal besser? Ich tippe auf Letzteres. Rohit Shetty setzt in
DILWALE sehr stark auf Klamotte und lässt Gefühlen nur selten Platz auf der Leinwand. Das ist sehr schade, zumal ja
mit Shah Rukh Khan und Kajol eines der Traumpaare des zeitgenössischen indischen Kinos hier seine
Wiedervereinigung feiert. Auch die Song & Dance Einlagen lassen zu wünschen übrig, weil sie einfach nicht mitreißend
genug inszeniert sind. Zudem leidet die Bildästhetik unter Unschärfen, farbübersättigten und teilweise ruckeligen
Bildern. Last but not least lässt die Geschichte eine extrem wichtige Frage einfach offen: wie mutiert man vom eiskalten
Gangster zum sauberen, höchst erfolgreichen Geschäftsmann, ohne dass man je für seine Taten gerade stehen muss? Aber
vielleicht übertreibe ich es jetzt auch. Denn so etwas interessiert den geneigten Masala-Fan ganz und gar nicht.
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Mittwoch, 06. Januar 2016 Ein Mann in der Wildnis Weil ich aus terminlichen Gründen letztes Jahr auf die Pressevorführung verzichten musste, habe ich mal wieder einen Film “nachgesessen”. THE REVENANT – DER RÜCKKEHRER (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Revenant Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2015 Regie: Alejandro González Iñárritu Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Will Poulter Kinostart: 06.01.2016
Durch einen Grizzly schwer verletzt wird der Fährtensucher Hugh Glass von seinen Gefährten in der winterlichen Kälte
Montanas zurückgelassen. Alleine der Gedanke daran sich an dem Mann zu rächen, der seinen Sohn, ein Halbblut,
getötet hat, verleiht ihm einen extrem starken Überlebenswillen... Die schier unglaublichen Bilder, die Alejandro
González Iñárritus Kameramann Emmanuel Lubezki liefert, schreien geradezu nach der größtmöglichen zur Verfügung
stehenden Bildwand. Sie sind so klar, dass hier kein 3D benötigt wird, um grandiose Tiefenwirkung sowie maximalen
Realismus zu erzeugen. Diese Bilder sind es auch, die den Betrachter zweieinhalb Stunden lang in ihren Bann schlagen
und damit storymäßige Unstimmigkeiten vergessen lassen. Lubezki ist damit Oscar-Kandidat par excellence.
Oscar-verdächtig auch das extrem plastisch angelegte Sounddesign des Films, das alle zur Verfügung stehenden Mittel
einsetzt, um den Zuschauer mitten ins Geschehen zu ziehen. Wie bereits in seinem Vorgängerfilm BIRDMAN setzt
Regisseur Iñárritu auch in THE REVENANT auf viele Einstellungen, die ohne Schnitt auskommen und steigert
dadurch den Realismus des Films. Mit dem unter extrem schwierigen Bedingungen entstandenen Film schuf er ein
wahrhaftes Meisterwerk, das existentielles Drama und Rachegeschichte zugleich ist. Leonardo DiCaprios ungleicher
Zweikampf mit einem Grizzly lässt keinen kalt und dürfte in die Filmgeschichte eingehen. So geht Kino. Unbedingt
anschauen! Aber eine Warnung an zart Besaitete: der Film ist nichts für Euch!
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