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Dienstag, 30. August 2016 Beziehungen – zweimal anders Eine Frau entdeckt mit über 70 die Liebe nochmal neu. Eine andere Frau verliebt sich in einen Zwerg. Mein Kinotag. HINTER DEN WOLKEN (1:2.35, 5.1) OT: Achter De Wolken Verleih: Pandora Land/Jahr: Belgien 2016 Regie: Cecilia Verheyden Darsteller: Chris Lomme, Jo De Meyere, Charlotte De Bruyne Kinostart: 20.10.2016
Kaum ist Emmas Mann, mit dem sie 50 Jahre verheiratet war, unter der Erde, meldet sich plötzlich ihre alte Jugendliebe,
der Schriftsteller Gerard, wieder bei ihr. Anfänglich noch auf Abstand bedacht, lässt sie sich aber dennoch auf ein
Liebesabenteuer mit ihm ein. Nur ihre Enkelin weiht sie in ihr Geheimnis ein. Als jedoch ihre Tochter durch Zufall
davon erfährt, muss sie sich Vorwürfe anhören. Emma kommt in große Gewissensnöte... Feinfühlig und mit großartigen
Schauspielern thematisiert der von Cecilia Verheyden nach einem Theaterstück von Michael De Cock inszenierte Film
ein nach wie vor gesellschaftliches Tabu. Darf eine Frau im vorgerückten Alter direkt nach dem Tode ihres Gatten eine
neue Liebesbeziehung beginnen? Der Film macht es sich nicht einfach mit diesem schwierigen Thema, lässt seine
Protagonistin zwischen Euphorie und Selbstzweifeln mäandern. Brecht Goyvaerts CinemaScope-Bilder und Steve
Willaerts Filmmusik machen den Film zu einem ganz besonderen Erlebnis, über das es sich nachzudenken lohnt. Und
wir lernen etwas über “Retro-Sex” und “Reality-Check”! Fazit: bestes Arthaus-Kino.
MEIN ZIEMLICH KLEINER FREUND (1:2.35, 5.1) OT: Un Homme A La Hauteur Verleih: Concorde Land/Jahr: Frankreich 2016 Regie: Laurent Tirard Darsteller: Jean Dujardin, Virginie Efira, Cédric Kahn Kinostart: 01.09.2016
Durch einen dummen Zufall lernt die junge und geschiedene Rechtsanwältin Diane den wortgewandten Architekten
Alexandre kennen, der ihr sogleich unverhohlen den Hof macht. Allerdings gibt es ein kleines Problem – im wahrsten
Sinne des Wortes: Alexandre ist ein Gnom! Nichtsdestotrotz beginnt Diane eine Affäre mit dem Herzensbrecher und
muss alsbald feststellen, dass ihre Umwelt nicht sonderlich begeistert reagiert... Laurent Tirards Komödie, die von
einem spanischen Film inspiriert wurde, hat einen ernsten Hintergrund: wie geht man damit um, wenn der oder die
Liebste behindert ist – körperlich wie geistig? Und vor allem: wie geht man selbst damit um, wenn man sich in jemanden
verliebt, der so ganz anders ist als “normale” Menschen? Im vorliegenden Film ist es die Kleinwüchsigkeit ihres neuen
Freundes und Liebhabers, mit der Diane (gespielt von Virginie Efira, die bereits BIRNENKUCHEN MIT
LAVENDEL bereicherte) in der Gesellschaft aneckt. Allerdings fällt es Diane vergleichsweise einfach, damit
umzugehen, hat sie es doch schließlich mit einem Jean Dujardin im Kleinformat zu tun, der darüber hinaus auch noch
ein höchst erfolgreicher Architekt ist! Mit einer solchen Konstellation – Sie die gutaussehende Blondine, Er der
gutaussehende Charmeur par excellence – ist der Film natürlich alles andere als ehrlich und muss als kleines Märchen
eingestuft werden. Aber vielleicht sind genau das die Ambitionen dieses Films, der eigentlich nur ein bisschen
unterhalten möchte. Nicht alle Gags im Film zünden richtig. Speziell das Abendessen, bei dem Diane ihren kleinen
Lover ihren Eltern vorstellt und sich Dianes Vater als Hörgeschädigter mit grenzdebiler Aussprache entpuppt, wirkt
nicht lustig, sondern allenfalls extrem peinlich. Respekt gebührt allemal den faszinierenden visuellen Effekten, die Jean
Dujardin sehr überzeugend auf 136cm schrumpfen und mit normal großen Personen perfekt interagieren lassen. Fazit:
muss man nicht gesehen haben.
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Sonntag, 28.09.2016 Einer lehnt sich auf Angesichts eines neuen Hitzerekords habe ich mich einfach im klimatisierten Kino verbarrikadiert und einen Film nachgesessen, der uns nicht in der Presse gezeigt wurde MOHENJO DARO (1:2.35, DD 5.1) OT: Mohenjo Daro Verleih: Rapid Eye Movies Land/Jahr: Indien 2016 Regie: Ashutosh Gowariker Darsteller: Hrithik Roshan, Pooja Hegde, Kabir Bedi, Arunoday Singh Kinostart: 25.08.2016
Angesiedelt im Jahre 2016 – wohlgemerkt: vor Christi Geburt! – erzählt Ashutosh Gowarikers Filmepos von einem
mutigen Mann, der sich ganz alleine gegen den Herrscher der großen Stadt Mohenjo Daro erhebt und damit der
Bevölkerung Freiheit und Wohlstand bringt. – Es darf ruhig geschmunzelt werden, wenn Muskelpaket Hrithik Roshan in
der Rolle des Sarman am Anfang in einer engen Flussschlucht gegen ein springendes Riesenkrokodil kämpft. Man fühlt
sich irgendwie an Odysseus erinnert. Diese Eröffnungssequenz hat echten Trash-Faktor und will deshalb nicht so recht
zum Rest des Films passen. Wobei der Rest auch nicht gerade überwältigend ist. Die ganze Geschichte wirkt ziemlich in
die Länge gezogen. Immerhin gibt es zwei Song & Dance Sequenzen, aber auch die sind leider nur Mittelmaß. Fazit:
typisch indisches Blockbuster-Kino, das nicht zum Mitdenken animiert.
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Mittwoch, 24. August 2016 Diese Familie stresst! Erst Mittwoch, doch die Pressewoche ist schon vorbei DIE WELT DER WUNDERLICHS (1:2.35, 5.1) Verleih: X Verleih (Warner) Land/Jahr: Deutschland, Schweiz 2016 Regie: Dani Levy Darsteller: Katharina Schüttler, Ewi Rodriguez, Peter Simonischek, Hannelore Elsner Kinostart: 13.10.2016
Mimi weiß schon nicht mehr wo ihr der Kopf steht: ihr kleiner Sohn stresst dank ADHS gewaltig in der Schule, ihr
Ex-Mann säuft und führt ein Lotterleben, ihre Mutter möchte sterben und ihr Vater ist manisch depressiv! Mitten in
ihren Mega-Stress platzt plötzlich die Einladung zu einer Casting-Show in die Schweiz. Mimi sieht die Chance, endlich
mal ganz alleine für sich etwas zu tun – doch da hat sie die Rechnung ohne die Familie gemacht... Gute Nerven braucht
man schon, um Dani Levys Tragikomödie genießen zu können. Nerven wie Mimi Wunderlich alias Katharina Schüttler,
die Probleme magisch anzuziehen scheint. Da wird viel geschrien, laut debattiert und es fliegen die Fetzen – schon fast
zuviel für einen angenehmen Kinoabend. Zumindest ich bin leider nicht warm geworden mit diesem Film, der sich nicht
ganz schlüssig ist, ob er Drama oder Komödie sein möchte. Stress machen im Film nicht nur die Wunderlichs, sondern
auch der Song-Teppich, der über viele Szenen des Films in zu hohem Pegel gelegt wurde. Und da wir gerade beim Ton
sind: auffallend oft scheinen Bild und Ton leider nicht exakt synchron zu sein. Möglicherweise wurde da bei der
DCP-Erstellung etwas nachlässig gearbeitet.
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Dienstag, 23. August 2016 Wie man Vorurteile überwindet Heute wurde uns feines norwegisches Kino kredenzt WELCOME TO NORWAY (1:2.35, 5.1) OT: Welcome To Norway Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Norwegen 2016 Regie: Rune Denstad Langlo Darsteller: Anders Baasmo Christiansen, Henriette Steenstrup, Olivier Mukuta Kinostart: 13.10.2016
Um seine finanziellen Sorgen ein für alle Mal zu beenden, will Primus sein verwahrlostes Hotel in einem norwegischen
Kaff als Flüchtlingsunterkunft vermarkten. Doch seine großen Pläne werden angesichts fehlender Türen, einem maroden
Stromnetz sowie diplomatischen Verwicklungen der Flüchtlinge untereinander auf eine harte Probe gestellt... Anfangs
bezeichnet er die Flüchtlinge, die ihm großen Reichtum bescheren sollen, noch ziemlich abfällig als “Neger”. Doch im
Verlauf von Rune Denstad Langlos Tragikomödie erweist sich der gescheiterte Hotelier zunehmend als Mensch und
schließt sogar Freundschaft mit Abedi, dem sprachgewandten “Vorzeige-Neger”. Mit viel Witz, schwarzem Humor und
noch mehr Warmherzigkeit führt der Film geschickt vor Augen, was es mit Vorurteilen gegenüber Asylanten auf sich
hat. Und dass ein wenig Menschlichkeit mehr wiegt als alles Geld dieser Welt. Das alles wunderbar angesiedelt in der
Kälte Norwegens. Ein Film, der nicht nur gut unterhält, sondern auch zum Nachdenken animiert. Mit Anders Baasmo
Christiansen, der norwegischen Antwort auf William H. Macy, in der Hauptrolle bestens besetzt.
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Montag, 22. August 2016 Hassliebe In beiden Filmen standen heute Männerfreundschaften im Mittelpunkt, die auf harte Proben gestellt werden MEINE ZEIT MIT CÉZANNE (1:2.35, DD 5.1) OT: Cézanne Et Moi Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: Frankreich 2016 Regie: Danièle Thompson Darsteller: Guillaume Gallienne, Guillaume Canet, Alice Pol Kinostart: 06.10.2016
Als Schüler lernen sie sich im Frankreich des 19. Jahrhunderts kennen: Paul, Sohn eines Fabrikanten, und Émile, Sohn
italienischer Einwanderer. Von Stund an sind sie unzertrennlich. Gemeinsam wollen sie die Welt aus den Angeln heben
– Paul als Maler, Émile als Schriftsteller. Es zieht sie nach Paris, wo sie in den Künstlerkreisen verkehren, sich die
Frauen teilen und auch sonst auf Konventionen pfeifen. Während Paul immer noch versucht, seinen Durchbruch als
Maler zu erreichen, stellt sich bei Émile hingegen der Erfolg wesentlich schneller ein. Doch genau das belastet die
Freundschaft... Mit seinen traumhaften Bildern, eingefangen von Kameramann Jean-Marie Dreujou in ausladendem
CinemaScope und exquisiten Farben, wird Danièle Thompsons Film dem Werk des französischen Malers Paul Cézanne
mehr als gerecht. Jenem Impressionisten also, dessen jahrzehntelange Freundschaft zu dem Schriftsteller Émile Zola von
Zuneigung und Eifersucht gleichermaßen geprägt war. “Ich wünschte ich könnte so gut malen wie Du schreiben kannst”,
sagt Cézanne einmal zu seinem Freund Zola, sieht aber nicht, dass auch Zola unter einem Zwang nach Perfektion leidet.
Gespielt werden die beiden Künstler von zwei wunderbaren Darstellern. Guillaume Gallienne gibt sich in der Rolle des
Paul ebenso rebellisch wie labil, Guillaume Canet als Émile erfolgreich und doch immer mit sich hadernd. Mit etlichen
Zeitsprüngen schildert der Film die fast schon als Hassliebe zu bezeichnende Freundschaft der beiden Männer über
einen Zeitraum von nahezu 50 Jahren. Erwähnenswert an Danièle Thompsons Film ist auch die Musik von Eric Neveux,
die den schönen Bildern den Feinschliff gibt (und die von Bond-Komponist John Barry inspiriert sein könnte).
BEN HUR (1:2.35, 3D, DD 5.1) OT: Ben Hur Verleih: Paramount Land/Jahr: USA 2016 Regie: Timur Bekmambetow Darsteller: Jack Huston, Toby Kebbell, Nazanin Boniadi Kinostart: 01.09.2016
Einst waren sie wie Brüder, doch jetzt gehen sie im Streit auseinander: der Jude Judah Ben Hur und der Römer Messala.
Obgleich er unschuldig ist, verbannt Messala seinen Jugendfreund auf die Galeeren und inhaftiert seine Familie, um in
dem von Römern besetzten Judäa ein Exempel zu statuieren. Doch Ben Hur sinnt auf Rache... Timur Bekmambetows
Remake des legendären Filmklassikers erklimmt ohne Umweg die Spitzenposition der Top 10 der Remakes, die die
Welt nicht braucht. Und nicht nur das: der Film ist unterirdisch schlecht. Dass die Romanvorlage den Untertitel “A Tale
of the Christ” trägt, merkt man Bekmambetows Version kaum an. Seine Jesus-Geschichte wird derart in den Hintergrund
gedrängt, dass man den Eindruck hat, dass die Drehbuchschreiber größte Mühe hatten, die christlichen Inhalte im Film
unterzubringen. Viele Handlungsdetails wurden im Vergleich mit William Wylers 1959er-Verfilmung abgeändert. So
rettet Ben Hur nicht etwa dem Befehlshaber der Galeere, auf der er Sklavendienste verrichten muss, das Leben,
woraufhin dieser mit nach Rom nimmt, adoptiert und zum Wagenlenker ausbilden lässt. Hier wird Ben Hur nach dem
Untergang seiner Galeere an Land gespült und von Scheich Ilderim aufgenommen. Eine Wagen zu lenken lernt er nie,
kann es aber natürlich in der entscheidenden Sequenz im Film. Die größte Überraschung im Film ist jedoch sein Ende:
da reitet er zusammen mit Messala der Sonne entgegen. Fehlt nur noch die Titeleinblendung “Und wenn sie nicht
gestorben sind...”. Bei so viel Abänderung gegenüber Wylers Meisterwerk wundert man sich, dass die Kulissen beim
Wagenrennen penibel genau aus Wylers Fassung übernommen wurden – inklusive der Delfine, mit denen die Runden
angezeigt werden. Richtige Charaktere gibt es in der Neuverfilmung leider nicht, eher Abziehbilder oder gar
Comicfiguren. Und was die Bildqualität angeht: es gab schon lange mehr keine solch flauen Bilder mehr im Kino zu
sehen. Leute, schaut Euch einfach nochmal die mit 11 Oscars ausgezeichnete Version von William Wyler an. Da weiß
man was ein guter Film ist. Um Timur Bekmambetows Machwerk gilt es einen großen Bogen zu machen.
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Freitag, 19. August 2016 Da gibt es was auf die Ohren! Heute war mal wieder eine kleine Dienstreise angesagt – nach Karlsruhe SUICIDE SQUAD (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos / auch in IMAX) OT: Suicide Squad Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2016 Regie: David Ayer Darsteller: Will Smith, Margot Robbie, Jared Leto Kinostart: 18.08.2016
Um einer Welle von Gewaltverbrechen entgegenzutreten, rekrutiert die US-Regierung einige der schlimmsten
Verbrecher. Gegen das Versprechen einer Hafterleichterung nimmt der Trupp als “Suicide Squad” den Kampf gegen die
übermächtigen Gegner auf... Auch wenn ich damit gegen den Strom schwimme: David Ayers visuell-akustischer
Overkill hat mir großen Spaß gemacht! Nicht nur weil Margot Robbie in der Rolle der Harley Quinn ihr ganzes
Potenzial als “Goth Chick” ausspielen darf und damit praktisch den restlichen Cast an die Wand spielt, sondern
insbesondere auch wegen der exzellenten Tonspur! Ich habe mich bei diesem “Nachsitzer” (Filmverleiher Warner
weigert sich leider noch immer beharrlich, seine Filme der Stuttgarter Presse zu zeigen!) ganz bewusst für ein Screening
im IMAX-Kino entschieden. Dort ist zwar das Bild aufgrund seines 1:2.35-Bildformats nicht leinwandfüllend, dafür
aber macht das der 12-Kanal-Ton mehr als wett. Die Tonspur ist eine echte Achterbahnfahrt und nutzt die im Kinosaal
verbauten Subwoofer fast bis zur Schmerzgrenze. Bei allem Respekt – aber das schafft kein Heimkino. Und der Film
selber? Drücken wir uns mal etwas zurückhaltend aus: etwas wirr das Ganze. Aber wer so wie ich sein Hirn vor
Filmbeginn vorsorglich deaktiviert, dem stehen 123 überbordende Filmminuten bevor!
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Donnerstag, 18. August 2016 Gefangen im eigenen Image Die letzte Pressevorführung der Woche wartete mit einem Psychodrama auf AUF EINMAL (1:2.35, 5.1) Verleih: MFA Land/Jahr: Deutschland, Niederlande, Frankreich 2016 Regie: Asli Özge Darsteller: Sebastian Hülk, Julia Jentsch, Hanns Zischler Kinostart: 06.10.2016
Karsten, Banker aus gutem Hause, hat die Abwesenheit seiner Freundin ausgenutzt und eine Party geschmissen.
Nachdem alle weggegangen sind, bleibt nur noch die geheimnisvolle Anna zurück. Zwischen den beiden kommt es zu
Intimitäten. Doch plötzlich liegt Anna leblos am Boden. Karsten versucht Hilfe im nahe gelegenen Krankenhaus zu
bekommen, doch das ist geschlossen. Erst jetzt ruft er den Notarzt. Doch warum erst jetzt? Diese Frage lässt Karstens
wohlgeordnetes Leben außer Kontrolle geraten, nachdem der Arzt nur noch den Tod der jungen Frau feststellen kann...
Nach MEN ON THE BRIDGE und LIFELONG hat die gebürtige Türkin Asli Özge ihren ersten deutschen Kinofilm
inszeniert und zeichnet gleichzeitig auch für das Drehbuch verantwortlich. Ihr Film beginnt mit einem
Shakespeare-Zitat: “An sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.” Diesen Leitspruch
unterfüttert die Regisseurin in den folgenden 112 Minuten. Zum überwiegenden Teil ist der Psychothriller als
Kammerspiel in CinemaScope inszeniert. Alle wichtigen Szenen spielen in geschlossenen Räumen. Nur ab und zu
entlässt Özge ihren Protagonisten ins Freie. Aber auch dort scheint er gefangen: inmitten eines kleinen Städtchens
umgeben von Bergen. Eine ausgeklügelte Farbdramaturgie lässt das alles noch enger und eingeschränkter erscheinen.
Sebastian Hülk spielt ihn, diesen Banker, der sich im Laufe des Films vom einen Extrem zum anderen verwandelt – ein
Guter, der böse wird. Hülk ist die perfekte Besetzung für diese Rolle – ein Typ, dem man alles zutraut. Im Positiven wie
im Negativen. Asli Özge erklärt im Interview: “Ich wollte einen Film über die Gesellschaft machen. Warum hat Karsten
im entscheidenden Moment nicht richtig gehandelt? Das ist die zentrale Frage. Die Antwort liegt in dem inneren Druck,
unter dem er steht. Mir scheint, wir kennen alle dieses Problem: Man will sein Image in der Gesellschaft schützen, seine
Position nicht verlieren, nicht zum Talk of the Town werden. Wenn man wie Karsten in einer kleinen Stadt als Sohn
eines bekannten Bürgers lebt, ist es erst recht essentiell, sich “richtig” zu benehmen.” Leider entwickelt der Film nicht
die Intensität, die er haben könnte. Viele Szenen sind zu lang geraten (beispielsweise das Mittagessen in der Familie)
und man hat den Eindruck, dass sie nicht zielführend eingesetzt werden. Fazit: interessantes deutsches Kino mit
Einschränkungen
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Dienstag, 16. August 2016 Der lange Tod Ein deutsches Drama lockte mich heute mal wieder in den Kinosaal JONATHAN (1:2.35, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2016 Regie: Piotr J. Lewandowski Darsteller: Jannis Niewöhner, André M. Hennicke, Julia Koschitz, Barbara Auer Kinostart: 06.10.2016
Jonathan kümmert sich nicht nur um den familiären Bauernhof, sondern auch um seinen mit Krebs kämpfenden Vater.
Seine Mutter hatte er kaum gekannt, sie starb bei einem Unfall. Seine Tante Martha ist keine große Hilfe und sie scheint
seinen Vater zu verachten. Da kommt die junge Pflegerin Anka als rettender Engel auf den Hof und entfacht bei
Jonathan Liebesgefühle. Als dann auch noch der Jugendfreund des Vaters plötzlich vor der Tür steht, wird ein lange
gehütetes Familiengeheimnis aufgedeckt... Es wird mal wieder gestorben im deutschen Film. Und hier dauert es leider
besonders lang. Das große Familiengeheimnis, das es zu lösen gilt bevor Papa von dannen geht, ist eigentlich gar kein
Geheimnis. Zumindest nicht für den Zuschauer, der bei genauem Hinsehen alles Wesentliche schon erahnen kann.
Schauspielerisch überzeugen vor allem die beiden jungen Darsteller Jannis Niewöhner und Julia Koschitz, obgleich
Koschitz‘ Rolle als Pflegekraft irgendwie nicht von dieser Welt zu sein scheint. Schlechte Noten gibt es für Barbara
Auer, die Burghardts Schwester spielt. Sie redet kaum und darf auch sonst nicht viel tun. Auch sie passt leider nicht so
recht in die ganze Szenerie. JONATHAN erweist sich als allzu künstliches Kino.
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Montag, 15. August 2016 Mutti lässt die Sau raus Zum Wochenbeginn zügelloses US-Kino BAD MOMS (1:2.35, DD 5.1 + 7.1) OT: Bad Moms Verleih: Tobis Land/Jahr: USA 2016 Regie: Jon Lucas, Scott Moore Darsteller: Mila Kunis, Kristen Bell, Kathryn Hahn Kinostart: 22.09.2016
Amy hat alles im Griff: Familie, Job, ja sogar den Hund. Doch die vielen Termine wachsen ihr über den Kopf. Leider ist
ihr Mann keine große Hilfe. Stattdessen erwischt sie ihn beim Online-Sex! Kurzerhand wirft sie ihn aus dem Haus und
beschließt, auf alle Regeln zu pfeifen und lässt es sodann mit zwei Freundinnen so richtig krachen. Doch der strengen
Übermutter Gwendolyn passt das ganz und gar nicht und so steht ein Schlagabtausch der heimtückischen Art bevor... In
ihrer recht derben Komödie greifen Jon Lucas und Scott Moore das Problem der Supermütter auf. Also jener Frauen, die
nicht nur die Kinder Tag und Nacht versorgen, sondern auch noch einem stressigen Job nachgehen und darüber hinaus
auch noch ihrem Ehemann eine treue Geliebte sind. Dass solche Frauen am liebsten einmal ihre Kinder an die Wand
klatschen, ihren Job an den Nagel hängen und ihren Mann vor die Tür setzen möchten, ist nachvollziehbar. Gesagt –
getan. So nehmen sich die drei Protagonistinnen im Film eine Auszeit von allen Verpflichtungen und lassen mal wieder
so richtig die Sau raus! Leider tun sie das ohne je ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ihre Dialoge führen fast immer zu
einem Ort unterhalb der Gürtellinie. Frei nach dem Motto: was Männern recht ist, kann Frauen nur billig sein.
Allerdings hat diese Art von Humor nichts mit guter Unterhaltung zu tun. Wie auch, wenn man allein schon vom
Zuhören rot wird im Gesicht. Aber es gibt ja durchaus ein Zielpublikum für solch anrüchige Wortduelle. Immerhin kann
man dem Film eine brillante Machart nicht absprechen: die Bilder (oft besonders schön in Slo-Mo) und die kraftvolle
Tonspur überzeugen. Fazit: nur bedingt empfehlenswert.
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Samstag, 13. August 2016 Paranormales Doppel Heute habe ich mir mal zwei “Nachsitzer” (= Filme, die der Presse in Stuttgart nicht gezeigt wurden) reingezogen GHOSTBUSTERS (1:1.85 & 1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Ghostbusters Verleih: Sony Pictures Land/Jahr: USA 2016 Regie: Paul Feig Darsteller: Kristen Wiig, Melissa McCarthy, Leslie Jones Kinostart: 05.08.2016
Vier Frauen gründen in New York eine Firma, die sich auf Geisterjagd spezialisiert. Zunächst von allen verspottet,
werden die wackeren Mädels dann aber doch gebraucht, als eine wahre Geisterflut über die amerikanische Metropole
hereinbricht... Gleich vorweg: einen Kultfilm neu zu verfilmen ist und bleibt ein “No Go”. Wenn es aber trotzdem
passiert, so versucht man zumindest die persönlichen Erwartungen gleich von Anfang an herunterzuschrauben. Im Fall
von Paul Feigs Neuinterpretation der GHOSTBUSTERS hat aber auch das nicht viel genützt. Die Gags der jetzt aus
rauen bestehenden Geisterjäger wollen einfach nicht zünden. Die beste Figur macht dabei noch Kate McKinnon als
Jillian Holtzmann, eine Art weiblicher Daniel Düsentrieb – zwar vollkommen durchgeknallt, aber immer total cool.
Wenn sich dann Dan Aykroyd, Bill Murray und sogar Sigourney Weaver Gastauftritte im neuen Film gönnen, denkt man
erst recht mit Wehmut an Ivan Reitmans Filmhit aus dem Jahre 1984. Wenigstens optisch wäre die Neuauflage durchaus
brauchbar, jedoch macht die eingesetzte 3D-Technik hier einen Strich durch die Rechnung. Denn der im Scope-Format
(1:2.35) produzierte Film wird im “Flat”-Container ausgeliefert. Sprich: bei der Projektion wird das Bild mit schwarzen
Balken am oberen und unteren Bildrand gezeigt. Bei bestimmten 3D-Effekten werden diese dann zusätzlich in den
schwarzen Balken platziert, was beim Zuschauer den Eindruck erwecken soll, dass die Effekte aus der Leinwand
heraustreten. Gleiches hatte auch Disney bei einigen ihrer Filme ausprobiert. Was für ein Schmarn! Letztendlich wird
der Zuschauer um sein Großbildvergnügen gebracht. Einzig die Vorführung in einem IMAX-Kino macht hier Sinn.
Doch davon gibt es hierzulande gerade mal drei Stück.
CONJURING 2 (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Conjuring 2 Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2016 Regie: James Wan Darsteller: Vera Farmiga, Patrick Wilson, Frances O'Connor, Franka Potente Kinostart: 16.06.2016
Im Auftrag der Kirche reisen Lorraine und Ed Warren nach England, um dort einer Familie zu helfen, deren Haus
offenbar von einem Dämon bewohnt wird. Das auf paranormale Phänomene spezialisierte Ehepaar begibt sich damit in
große Gefahr... Basierend auf einem tatsächlichen Fall, der sich Ende der 1970er Jahre im englischen Enfield zugetragen
hat, inszeniert James Wan seine 135minütige Achterbahnfahrt des Grauens. Der sich mit SAW in den Horrorhimmel
katapultierte Wan versteht es vorzüglich, mit exzellenter Kameraarbeit und einer ausgefeilten Tonspur (bestens geeignet
für Dolby Atmos Häuser) den düsteren Horror im Kinosaal zu verbreiten. Mit wohl platzierten Schockeffekten sorgt er
dafür, dass immer wieder mal ein Rucken durch das Publikum geht. Und Wan beweist zugleich, dass es dafür keiner
Splattersequenzen bedarf. Für anspruchsvolle Horrorfans unbedingt empfehlenswert.
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Donnerstag, 11. August 2016 Hochzeit mit Hindernissen Die zweite und letzte Pressevorführung in dieser Woche hat mich nicht überzeugt MIKE AND DAVE NEED WEDDING DATES (1:2.35, 5.1 + 7.1) OT: Mike And Dave Need Wedding Dates Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2016 Regie: Jake Szymanski Darsteller: Zac Efron, Adam DeVine, Anna Kendrick, Aubrey Plaza Kinostart: 01.09.2016
Die Brüder Mike und Dave sind zwar ganz nette Kerls, doch ihr Übereifer dem anderen Geschlecht gegenüber hat schon
so manches Fest ruiniert. Als die Hochzeit ihrer kleinen Schwester bevorsteht, nimmt die Familie die Beiden in die
Pflicht: jeder von ihnen muss zur Hochzeit in Begleitung einer gesellschaftsfähigen Dame erscheinen. Mime und Dave
haben eine brillante Idee: über das Internet laden sie Mädels zum “Vorstellungsgespräch” ein. Tatiana und Alice
erhalten den Zuschlag. Doch die Brüder wissen noch nicht, was sie sich damit eingebrockt haben... Es wird mal wieder
unglaublich viel geredet in dieser amerikanischen Komödie. So viel in der Tat, dass am Ende vom Humor nicht mehr
viel übrig bleibt. Und der beschränkt sich leider auf die üblichen Anzüglichkeiten. Verbale Kraftausdrücke und explizite
sexuelle Anspielungen sowie Aktionen bestimmen den Charakter des Films, der angeblich auf einer wahren Geschichte
beruht – “oder so ähnlich”, wie anfangs zu lesen ist. Es ist bedauerlich, dass sich Darsteller wie Zac Efron oder Anna
Kendrick für derart pubertäre Späße inzwischen nicht schon zu schade sind. Aber wie heisst es doch immer: “We did it
for the money!”. Abschließend noch ein kleiner Hinweis für Tonfreaks: etwa ab Minute 80 wandert der Center-Kanal in
der 7.1-Version nach vorne links und bleibt dort bis zum Schluss. Zu hoffen bleibt, dass der Filmverleih rechtzeitig zum
Filmstart ein technisch einwandfreies DCP an die Kinos ausliefert.
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Montag, 08. August 2016 Ein Mann für alle Fälle Die erste von nur zwei Pressevorführungen in dieser Woche versorgte uns mit reichlich Action MECHANIC: RESURRECTION (1:2.35, 5.1) OT: Mechanic: Resurrection Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: USA 2016 Regie: Dennis Gansel Darsteller: Jason Statham, Jessica Alba, Tommy Lee Jones, Michelle Yeoh Kinostart: 25.08.2016
Ex-Auftragskiller Arthur Bishop hat sich schon lange zur Ruhe gesetzt und genießt ein unbeschwertes Leben in Rio de
Janeiro. Doch seine Vergangenheit holt in Form seines Erzfeindes Riah Crain wieder ein: der entführt Bishops neue
Freundin Gina und verlangt, dass er für ihn drei Auftragsmorde begehen soll. Nach außen hin lässt sich Bishop auf das
Spiel ein. In Wirklichkeit aber arbeitet er intensiv an einem ausgeklügelten Plan, um Gina zu befreien... Fünf Jahre ist es
schon her, seit die Söhne des berühmten Produzententeams Winkler/Chartoff Jason Statham in der Rolle des Arthur
Bishop auftragskillend über die Kinoleinwände jagten. Jetzt geht es also in die zweite Runde. Und die ist auch nicht
wesentlich intelligenter als Runde Eins. Wieder erweist sich der Protagonist als unüberwindbare Ein-Mann-Armee, mit
allen Wassern gewaschen und stets mehr Kugeln im Magazin als der übermächtige Gegner. Vollkommen spannungslos
bewegt sich Statham blitzschnell (dem Schnittmeister sei Dank) durch die Szenerie, tüftelt hochintelligente Mordpläne
aus und hat ganz beiläufig auch noch viel Zeit fürd Knutschen und Bumsen. Was für ein Tausendsassa! Wer einen
solchen Film in vollen Zügen genießen möchte, sollte unbedingt sein Hirn an der Kinokasse abgeben. Denn Nachdenken
verdirbt den Spaß an der Sache. Schade eigentlich, dass sich ausgerechnet Dennis Gansel als Regisseur für diesen
No-Brainer hergegeben hat. Denn mit Filmen wie DIE WELLE oder WIR SIND DIE NACHT hat der gebürtige
Hannoveraner hinreichend bewiesen, dass er weitaus mehr kann als ihm die Produzentenallianz Winkler/Chartoff hier
angeboten hat. Vollkommen undankbar auch die Rolle von Tommy Lee Jones, der weit unter seinem Potenzial
eingesetzt wird und zu einer tristen Nebenrolle verkommt.
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Freitag, 05. August 2016 Fabelhaft geht anders Mit dem Tiefpunkt der Woche endete die Pressewoche ABSOLUTELY FABULOUS – DER FILM (1:2.35, 5.1) OT: Absolutely Fabulous: The Movie Verleih: Fox Land/Jahr: Großbritannien 2016 Regie: Mandie Fletcher Darsteller: Jennifer Saunders, Joanna Lumley, Julia Sawalha Kinostart: 08.09.2016
Die PR-Tanten Edina und Patsy sehen die große Chance Super-Model Kate Moss als Klientin zu gewinnen. Auf einer
angesagten Eröffnungsfeier wollen sie sie ködern. Das Ganze endet jedoch mit einem Sprung ins kalte Wasser: aus
Versehen schubst Edina das Model in die Themse! Der sich daraus ergebende Shitstorm zwingt die
Möchte-Gern-High-Society-Damen heimlich auszuwandern. Und so tauchen die Tratschtanten plötzlich in Canes auf
und mischen die gesamte Riviera auf... Als bekennender Fernsehverweigerer kann ich ja eigentlich gar nicht mitreden,
wenn es um die Kinoversion einer äußerst erfolgreiche TV-Serie handelt. Doch schaue ich mir das Ergebnis jetzt
vollkommen unvoreingenommen an, so beschleicht mich der Gedanke, dass ich mit meiner TV-Kost-Ablehnung
womöglich nicht falsch liege. Fans der Serie werden mich dafür hassen – das finde ich aber fair. Den wichtigsten Satz
im ganzen Film gibt es erst nach dem Abspann (wenn also außer mir niemand mehr im Kinosaal sitzt...): da quatscht ein
älterer Herr direkt in die Kamera und fordert die Zuschauer dazu auf, sich lieber Katzenvideos anzuschauen als die
gerade eben gesehene Kino-Soap! Recht hat der Mann – einen solch unerträglichen Film habe ich schon seit langem nicht
mehr gesehen. 90 Minuten verschwendete Lebenszeit, die ich nie wieder zurückbekommen werde. Aber das ist halt das
Schicksal der Filmkritiker. Als zahlender Kinogast hat man das ja selber im Griff. Und meine Kritik soll ja helfen, die
richtige Kaufentscheidung zu treffen. Wen die vollkommen oberflächliche Modewelt interessiert und sich daran ergötzt,
wie sie vom Duo Saunders und Lumley duch den Kakao gezogen wird, der findet vielleicht noch ein paar brauchbare
Gags in diesem knallbunten Tohuwabohu, das sich hier auf der Kinoleinwand entfaltet. Viel Glück dabei!
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Donnerstag, 04. August 2016 Einsame Entscheidung Anspruchsvolles Kino vom Feinsten – made in Germany. Mein persönlicher Favorit dieser Pressewoche 24 WOCHEN (1:2.35, 5.1) Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Deutschland 2015 Regie: Anne Zohra Berrached Darsteller: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, Johanna Gastdorf Kinostart: 22.09.2016
Astrid, eine erfolgreiche Kabarettistin, und ihr Lebensgefährte und Manager Markus freuen sich schon auf ihr zweites
Kind. Nach einer Routineuntersuchung trübt sich ihre Freude jedoch: das Kind wird mit Down-Syndrom zur Welt
kommen. Für Astrid und Markus ist es zunächst ein Schock. Doch je mehr sie sich mit dem Thema auseinandersetzen,
desto mehr weicht ihre Angst und sie beschließen, das Kind trotzdem auszutragen. Doch das Schicksal meint es nicht
gut mit dem Paar: das Ergebnis einer weiteren Untersuchung stürzt die beiden in große Verzweiflung und droht die
Beziehung auseinanderzubrechen... Dass dieses Drama richtig unter die Haut geht, liegt in erster Linie an den wirklich
großartigen Darstellern. Julie Jentsch liefert in der Rolle der Astrid eine schauspielerische Tour-de-Force ab. Die innere
Zerrissenheit der Protagonistin ob ihrer Entscheidung für oder wider das Kind spiegelt sich mit allen Facetten in Jentsch
Gesicht und macht es damit dem Zuschauer sehr leicht, sich in ihre Gedankenwelt zu versetzen. Der mehr für seine
komischen Rollen bekannte Bjarne Mädel gibt als Astrids Freund einen exzellenten dramatischen Einstand. Die
Gespräche zwischen den beiden wirken sehr überzeugend und könnten tatsächlich teilweise improvisiert sein, was dem
Ganzen hohe Authentizität gibt. Unterstützt wird diese Authentizität dadurch, dass die Rollen der Ärzte, Schwestern und
Hebammen mit echten Ärzten, Schwestern und Hebammen besetzt wurden (wie es schon Andreas Dresen in seinem
Film HALT AUF FREIER STRECKE gemacht hat). Ihre Dialoge fühlen sich allesamt echt und ungekünstelt an und
verleihen dem ergreifenden Drama eine zusätzliche Dimension. Hochachtung gebührt Regisseurin Anne Zohra
Berrached, Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg, nicht nur für ihre Darstellerführung, sondern auch für
ihren Umgang mit der Filmmusik. Diese gibt es zwar, doch verzichtet Komponistin Jasmin Reuter auf bewährte Tränen
erzeugende Streicherpassagen wie man es in Hollywood allzu gerne macht. Stattdessen setzt sie auf sparsam eingesetzte
Akzente, die eine verklärte, sehnsuchtsvolle Stimmung zur Folge haben – jene Stimmung, die man als die Vorfreude des
Paares auf sein Kind interpretieren könnte. Authentisch sind auch die Bilder, die Berrached von Friede Clausz im
CinemaScope-Format und entsättigten Farben einfangen lässt. Da gibt es viel Handkamera und Close-Ups, aber keine
optischen Schnörkel. Auf Hochglanz wird bewusst verzichtet. 24 WOCHEN ist großes Kino, das alleine durch seine
große Glaubwürdigkeit zu Tränen rührt und für so manchen Zuschauer vermutlich unerträglich sein könnte.
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Mittwoch, 03. August 2016 Von Einem, der ausbricht Zur Wochenmitte mal wieder exzellente Ware HEDIS HOCHZEIT (1:2.35, 5.1) OT: Inhebbek Hedi Verleih: Arsenal Land/Jahr: Tunesien, Belgien, Frankreich 2016 Regie: Mohamed Ben Attia Darsteller: Majd Mastoura, Rym Ben Messaoud, Sabah Bouzouita Kinostart: 22.09.2016
Hedis Leben ist fremdbestimmt. Entscheidungen trifft seine Mutter für ihn. So hat sie ihm auch seine Braut ausgesucht,
die er in ein paar Tagen heiraten soll. Doch während einer Dienstreise trifft er die attraktive Rym, die in Hotels
Touristen unterhält. Die beiden beginnen eine heftige Affäre, die Hedis Welt auf den Kopf stellt... Majd Mastoura spielt
diesen Hedi, einen erwachsenen Mann, der noch immer unter der Fuchtel seiner bestimmenden Mutter steht.
Entscheidungen werden über seinen Kopf hinweg getroffen – ob es nun um den Job geht oder um die Heirat mit einem
Mädchen, das er nicht einmal liebt. Immer geht es nur um das Wohl seiner Mutter. Erst die Begegnung mit der Tänzerin
Rym entfacht in ihm Leidenschaft und fördert seine eigenen Wünsche zutage. In seinem Film schildert Regisseur
Mohamed Ben Attia Hedis Ablösung von der Mutter und seinen Bruch mit Konventionen auf sehr spannende Weise. Da
bedarf es weder einer großen Filmmusik noch atemberaubende visuelle Effekte. Vielmehr lebt Ben Attias Film von
seiner Authentizität und dem (teils minimalistischen) Spiel seiner Darsteller. Lohnendes Arthaus-Kino.
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Dienstag, 02. August 2016 Liebe kann Wände einreissen Im Kino ging es heute zweimal nach Frankreich – der Liebe und des Weines wegen MIT DEM HERZ DURCH DIE WAND (1:2.35, 5.1) OT: Un Peu, Beaucoup, Aveuglément! Verleih: Pandastorm (Neue Visionen) Land/Jahr: Frankreich 2015 Regie: Clovis Cornillac Darsteller: Mélanie Bernier, Clovis Cornillac, Lilou Fogli Kinostart: 29.09.2016
Eine an Minderwertigkeitskomplexen leidende Pianistin muss feststellen, dass ihr neu bezogenes Apartment derartig
hellhörig ist, dass nicht nur ihr Nachbar, ein einsiedlerischer Spieleerfinder, alles von ihr mitbekommt, sondern auch
umgekehrt. Doch die beiden arrangieren sich nach anfänglichen Schwierigkeiten damit. Und mehr noch: ohne je
einander gesehen zu haben, beginnen die Zwei eine Beziehung – durch die Wand. Voller Symbolik erzählt Regisseur
und Hauptdarsteller Clovis Cornillac seine Geschichte als romantische Komödie und bestätigt damit einmal mehr, dass
Frankreich momentan Lieferant Nummer Eins für derartige Sujets ist. Die Darsteller sind gut ausgewählt und allesamt
extrem sympathisch und sie füllen die Hauptgeschichte wie auch die Subplots mit Leben aus. Einzig die Figur des
Vaters der jungen Pianistin wirkt etwas deplatziert in dieser sonst sehr heiteren Beziehungsgeschichte.
VON TRAUBEN UND MENSCHEN (1:1.78, 5.1) OT: Vendanges Verleih: Film Kino Text (Filmagentinnen) Land/Jahr: Frankreich 2014 Regie: Paul Lacoste Kinostart: 01.09.2016
Paul Lacoste beobachtet mit seiner Dokumentarfilmkamera einen bunt zusammengewürfelten Haufen von
Saisonarbeitern bei der Traubenlese in einer kleinen Weinregion östlich von Toulouse. Die sich zu Beginn der Saison
noch vollkommen fremden Menschen werden im Laufe der Zeit zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Gegenseitiges
Foppen steht während der Arbeit ebenso auf dem Programm wie das Austauschen ihrer ganz persönlichen Probleme.
Einige der Arbeiterinnen und Arbeiter nimmt Lacoste etwas genauer ins Visier, wodurch man als Zuschauer viel über
die Beweggründe der einzelnen Personen erfährt. Für die Einen ist es die entschleunigte Arbeit im Freien und im
Rhythmus mit der Natur, für die Anderen wirtschaftliche Notwendigkeit. Mit seinen nur 77 Minuten Spielzeit hat der
Film genau die richtige Länge, um sich darauf einzulassen.
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Montag, 01. August 2016 Beamtenmikado Nicht jede Komödie ist zwangsläufig witzig DER VOLLPOSTEN (1:2.35, 5.1) OT: Quo Vado? Verleih: Weltkino Land/Jahr: Italien 2015 Regie: Gennaro Nunziante Darsteller: Checco Zalone, Eleonora Giovanardi, Sonia Bergamasco Kinostart: 22.09.2016
Checco Zalone ist nichts heiliger als seine Festanstellung bei Väterchen Staat, wo er als Beamter in einem Provinznest
die Landesverwaltung für Jagd und Fischerei inne hat. Doch im Zuge einer Reformation des zu teuer gewordenen
Beamtenapparats steht der korrupten Angeboten stets offen gegenüberstehende Checco plötzlich vor der Wahl
Kündigung mit Abfindung oder Versetzung. Da er so sehr an seiner Festanstellung hängt, wählt er die Versetzung – und
landet plötzlich in der Arktis... Gennaro Nunziantes Beamtensatire brachte es in seinem Heimatland Italien auf 10
Millionen Zuschauer. Und 10 Millionen können sich nicht irren – oder etwa doch? Was man als italienische Antwort auf
den französischen Erfolg WILLKOMMEN BEI DEN SCH’TIS bezeichnen könnte ist leider nur punktuell witzig. Wo
das Drehbuch nicht mehr weiter weiß – so scheint’s – wird italienische Schnulzenmusik hochpegelig in den
Zuschauerraum abgegeben in der Hoffnung, dass das dann alle irgendwie total lustig finden. Wirklich lustig indes sind
nur die Anspielungen auf den korrupten italienischen Beamtenstaat, deren Mitglieder stets darum bemüht sind, das Beste
für sich selber herauszuschlagen – auf Kosten der Steuerzahler natürlich. Hauptdarsteller Checco Zalone hat leider auch
nicht das Charisma der “Sch’tis”-Besetzung und so versucht sich die Komödie mit allerlei Absurditäten über Wasser zu
halten, die einfach nur als vollkommen blöde empfunden werden. Man muss schon arg viel Lambrusco getrunken haben,
wenn man hier lauthals lachen kann.
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