Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Mittwoch, 28. Dezember 2016
Möge die Macht mit uns sein
Vor genau einem Jahr endete mein Kinojahr mit DAS ERWACHEN DER MACHT. Und weil Traditionen einfach schön sind, habe ich mich dazu entschlossen, auch das Jahr 2016 mit STAR WARS zu beenden

ROGUE ONE: A STAR WARS STORY (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Rogue One: A Star Wars Story
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Gareth Edwards
Darsteller: Felicity Jones, Diego Luna, Ben Mendelsohn, Forest Whitaker, Riz Ahmed, Donnie Yen, Mads Mikkelsen
Kinostart: 15.12.2016

Um an die Pläne des Todessterns zu gelangen, die genau offenbaren, wie man diese von Darth Vader in Auftrag gegebene Todeswaffe zerstören kann, wird die junge Jyn Erso von den Rebellen aus ihrer Gefangenschaft befreit. Zusammen mit einem Haufen Verwegener soll die Tochter des Todesstern-Konstrukteurs mit einem Himmelfahrtskommando die von ihrem Vater an einem geheimen Ort versteckten Pläne aufspüren... Da ich zu jener Generation von Kinogängern gehöre, die die ersten drei STAR WARS Filme bei ihrer jeweiligen Uraufführung im Kino erleben durfte und daher sozusagen mit diesen Filmen aufgewachsen bin, bin ich mit recht gemischten Gefühlen in den neuesten STAR WARS Streich aus dem Hause Lucasfilm gegangen. Zumal mich Teil 7 (DAS ERWACHEN DER MACHT) doch ziemlich enttäuschte, da hier neuer Wein in alten Schläuchen ausgeschenkt wurde. Trotz alledem versucht man natürlich irgendwie unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Zu meiner Überraschung war dies bei Gareth Edwards‘ Film, der sich zeitlich zwischen die Teile 3 und 4 einreiht, problemlos möglich. Hier wird zwar mit vielen Versatzstücken und Reminiszenzen gearbeitet, doch erfüllen diese dramaturgisch gesehen ihren Zweck voll und ganz und lassen bei 133 Minuten Laufzeit keine Langeweile aufkommen. Erstaunlich dabei ist, dass sich trotz des bekannten Endes der Geschichte konsequent eine Spannung aufbauen kann. Begrüßenswert ist die Tatsache, dass endlich einmal eine Frau als Heldin im STAR WARS Universum zum Zuge kommen darf. Ihren männlichen Kollegen steht Felicity Jones in nichts nach. Ein Gesicht, das man sich merken muss. Spätestens mit dem im Mai 2017 anlaufenden Film SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT wird sich Miss Jones auch noch als Charakterdarstellerin etablieren. Was die Technik angeht, so hält ROGUE ONE an der alten STAR WARS Tradition fest, Maßstäbe zu setzen. Dazu gehört hier zweifelsfrei die finale Schlacht, die wirklich atemberaubend in Szene gesetzt wurde und dank der visuellen Effekte für erhöhten Adrenalinausstoß beim Zuschauer sorgt. Doch ROGUE ONE liefert nicht nur Bombast-Effekte, sondern auch solche, die sich fast unmerklich einschleichen. So wird der bereits 1994 verstorbene britische Schauspieler Peter Cushing, fester Bestandteil des allerersten STAR WARS Films, digital reanimiert! Und das auf eine Art und Weise, dass man keinen Moment daran zweifelt, dass der Mann noch lebt. Und Cushing ist nicht der einzige digital reanimierte Charakter. Auch die unlängst verstorbene Carrie Fisher wurde reanimiert, um sie als Prinzessin Leia genauso aussehen zu lassen wie im Ur-STAR WARS von 1977. Extrem wichtiger Bestandteil aller STAR WARS Filme ist die ikonische Filmmusik, die bislang immer aus der Feder von John Williams stammte. Für ROGUE ONE allerdings wurde erstmals Michael Giacchino mit der Musik betraut. Unter Verwendung der bekannten Williamschen Leitmotive hat er einen Score geschrieben, der sich nahtlos in das musikalische STAR WARS Universum integriert, fast so, als wäre die Musik von Maestro Williams selbst komponiert worden. Beeindruckend auch die Bildqualität von ROGUE ONE – zumindest in der “IMAX with Laser”-Variante, in der ich mir den Film angeschaut habe. Wie schon jüngst bei Tarantino, so kamen auch hier Ultra Panavision 70 Optiken zum Einsatz. Auf das 3D könnte man problemlos verzichten, das bringt - wie so oft - keinen Mehrwert. Fazit: beste Unterhaltung für STAR WARS Fans der ersten Generation
Dienstag, 20. Dezember 2016
Die über die Leinwand wirbelt
Das große Finale des Jahres: die letzten beiden Pressevorführungen als Doppelpack

BOSTON (1:2.35, 5.1 + 7.1)
OT: Patriots Day
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Peter Berg
Darsteller: Mark Wahlberg, Michelle Monaghan, John Goodman, Kevin Bacon
Kinostart: 23.02.2017

Am 15. April 2013, dem Patriots Day, explodieren an der Zielgeraden des Boston Marathons zwei Bomben, die einige Menschen in den Tod reißen und zahllose schwer verletzen. In einem Wettlauf mit der Zeit versuchen die Ermittler die Täter dingfest zu machen. - Spannend und minutiös genau schildert Peter Berg den Bombenanschlag auf den Boston Marathon im Jahre 2013 und nimmt dabei überwiegend den Blickwinkel der Polizei ein. Untermalt wird die Action fast non-stop durch einen hypnotischen Score von Trent Reznor und Atticus Ross. Vieles von dem was gezeigt wird, war hierzulande wohl bislang kaum bekannt und macht umso mehr betroffen, weil er das Leid der Beteiligten unmittelbar spürbar macht. Dankenswerter Weise hält sich der Film bei der Schilderung der Verstümmelungen, die die Opfer erleiden mussten, weitgehend zurück. “Boston Strong”, der Spirit, der die Einwohner der Millionenstadt durch den Terroranschlag zusammenschweißte, wird in Bergs Film heraufbeschworen und man kann als Zuschauer dieses Gefühl nachvollziehen. In der Exposition seines Films lässt Berg die tatsächlichen Polizisten und Opfer zu Wort kommen. Freilich werden amerikanische Augen den Film vollkommen anders empfinden als europäische. Für Amerikaner sind die Sicherheitskräfte zu Helden geworden, die sie vermutlich mit großem Patriotismus im Kino feiern werden. Angesichts der jüngsten Terroranschläge in Europa darf man sich jedoch die Frage stellen, wer sich den Film in unserem Land anschauen will.

BALLERINA (1:2.35, 3D, DD 5.1)
OT: Ballerina
Verleih: Wild Bunch (Central)
Land/Jahr: Kanada, Frankreich 2016
Regie: Eric Summer, Eric Warin
Kinostart: 12.01.2017

Tanzen ist ihre große Leidenschaft. Um sie in die Tat umzusetzen büxt Waisenmädchen Félicie zusammen mit ihrem besten Freund Victor aus dem Heim aus, um an der Pariser Oper Ballettänzerin zu werden. Doch ist es ein harter und steiniger Weg, den sie vor sich hat... Es muss nicht immer nur Disney sein! Der von Eric Summer und Eric Warin realisierte Computeranimationsfilm könnte fast schon als Kampfansage gegen den US-Konzern verstanden werden. Denn was die beiden Regisseure hier nicht nur an innovativer Technik auffahren, sondern auch an Emotionen in die Geschichte hineinstecken, begeistert schlicht und ergreifend! Es darf gelacht, geweint und mitgefiebert werden, wenn Energiebündel Félicie unterlegt mit der mitreissenden Musik von Klaus Badelt tanzend über die CinemaScope-Bildwand wirbelt. Soviel Spaß gab es nicht einmal in Disneys neuestem Film VAIANA. Liebenswerte, schrullige und auch extrem fiese Charaktere sowie ausladende Bilder machen den Film für Jung und Alt zu einem exzellenten Kinovergnügen.
Montag, 19. Dezember 2016
Religion schützt vor Strafe nicht
Die letzte Pressewoche in diesem Jahr begann nicht gerade erquickend...

DER DIE ZEICHEN LIEST (1:2.55, 5.1)
OT: Uchenik
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Russland 2016
Regie: Kirill Serebrennikow
Darsteller: Pjotr Skvortsov, Victoria Isakowa, Aleksandr Gorchilin
Kinostart: 19.01.2017

Ein Schüler an einer staatlichen Schule im orthodoxen Russland konvertiert zum Christentum und beginnt sich dadurch zu radikalisieren. Aufgestachelt durch seine rebellische Art gerät bald auch schon der Lehrkörper ins Wanken... Ein etwas sperriger, unbequemer Film, den Regisseur Kirill Serebrennikow hier aus einem Theaterstück heraus entwickelt hat. Laut Presseheft handelt es sich um eine “böse Satire voll pechschwarzem Humor”. Gut zu wissen, denn ansonsten nimmt man das Werk allzu ernst, macht es doch zu keiner Zeit den Anschein satirisch zu sein! Dass der Hauptdarsteller unentwegt aus der Bibel zitiert, trägt den Film leider nicht über seine gesamte Laufzeit. Die ganze Geschichte eskaliert zwar von Minute zu Minute, aber irgendwie ist man als Zuschauer der Erzählung immer voraus. Dadurch schwindet das Interesse am Film, den man ab da eigentlich nur noch als Tortur empfindet. Vielleicht wäre es besser gewesen, den Stoff auf der Theaterbühne zu belassen.

ASSASSIN’S CREED (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Assassin’s Creed
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Justin Kurzel
Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Essie Davis, Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael K. Williams
Kinostart: 27.12.2016

Eigentlich sollte er per Todesspritze hingerichtet werden, doch zu seiner großen Überraschung erwacht Callum Lynch in einem Institut, wo er mittels einer Hightech-Maschine die Abenteuer seines Vorfahren Aguilar durchlebt, einem sogenannten Assassin, der gegen den mächtigen Templerorden kämpft... Worin liegt der Sinn der Kinoversion eines populären Videogames, wenn alle Bilder wirken, als wären sie komplett animiert? Mich persönlich hat der visuelle Stil des Films nicht überzeugt. Schon alleine deswegen nicht, weil praktisch der gesamte Film im Dunkeln abläuft. Ein Umstand, der durch lichtschluckende 3D-Shutterbrillen noch extrem verstärkt wird. Der mit vielen großen Namen werbende Cast entpuppt sich einmal mehr als Staffage für ein ödes Filmchen ohne Tiefgang. Fazit: Videospiele haben im Kino nichts zu suchen.
Freitag, 16. Dezember 2016
Kaltes Island
Mit einem Thriller und einem Drama ging die Pressewoche zu Ende

DER EID (1:2.35, 5.1)
OT: Eidurinn
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Island 2016
Regie: Baltasar Kormákur
Darsteller: Gisli Örn Gardarsson, Hera Hilmar, Baltasar Kormákur
Kinostart: 09.02.2017

Aus Sorge um seine Tochter, die mit einem halbseidenen Drogendealer liiert ist, greift der Vater zu drastischen Mitteln, um die Beziehung zu beenden... Die kargen Winterlandschaften Islands, die Baltasar Kormákur in seinem Thriller mit farbreduzierten Bildern zeigt, verbreiten Kälte und Tod. Sie passen perfekt zum Gemütszustand seines von ihm selbst gespielten Protagonisten Finnur, dem Chirurgen, der mit seinem hippokratischen Eid in Konflikt gerät. Spannend erzählter Thriller, in dem sich die Grenze zwischen Gut und Böse aufzulösen scheint.

EMPÖRUNG (1:1.85, 5.1)
OT: Indignation
Verleih: X Verleih (Warner)
Land/Jahr: USA 2015
Regie: James Schamus
Darsteller: Logan Lerman, Sarah Gadon, Tracy Letts
Kinostart: 16.02.2017

Amerika am Anfang der 1950er Jahre. Der hochbegabte Marcus, Sohn jüdischer Eltern, erhält die Möglichkeit, in Winesburg in Ohio auf das College zu gehen. Für Marcus ist es die perfekte Möglichkeit, sich aus der Überfürsorglichkeit seiner Eltern zu befreien. Doch die Begegnung mit der verführerischen Olivia sowie dem erzkonservativen Dekan Caudwell lassen ihm keine andere Wahl als zum Rebellen zu werden... Man muss sich schon auf die extrem ruhige und langatmige Inszenierung mit ihren vielen Rededuellen einlassen können, um James Schamus‘ Inszenierung des Erfolgsromans von Philip Roth genießen zu können. Hier gibt es keine schnelle, hektische Schnitte oder aufbrausende Bombastmusik, sondern elegante Bilder, hervorragendes Zeitkolorit und grandiose Darsteller.

Donnerstag, 15. Dezember 2016
Es qualmen die Schlote
Mal wieder ein gemischtes Doppel an diesem Kino-Donnerstag

SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: A Monster Calls
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Juan Antonio Bayona
Darsteller: Lewis MacDougall, Toby Kebbell, Felicity Jones, Liam Neeson, Sigourney Weaver
Kinostart: 04.05.2017

Der kleine Conor ist in einer echten Misere: seine Mutter geht von einer Krebstherapie zur nächsten, sein Vater ist weit weg, in der Schule wird er auf das Übelste gemobbt. Und jetzt soll er auch noch bei seiner bösen Großmutter einziehen. Das ist zuviel für den Jungen. Er beginnt damit, sich eine Traumwelt zu erschaffen, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Doch auch dort muss er lernen, sich seinen inneren Dämonen zu stellen... Mit einer faszinierenden Mischung aus Realfilm, CGI-Effekten und atmosphärischen Animationssequenzen bebildert Juan Antonio Bayona sein Drama über einen Jungen, der mit ansehen muss, wie seine noch junge Mutter mit dem Tod ringt. Die Wut und Trauer, die der von Lewis MacDougall hervorragend gespielte Conor mit sich herumschleppt, packt er in eine Fantasy-Welt, deren zentrale Figur ein weiser Baum ist, der dem Jungen mit Gleichnissen zur Seite steht. Felicity Jones, neuer Star am STAR WARS Himmel, verkörpert Conors Mutter und liefert damit eine beachtliche und sehr berührende Leistung ab. Ebenfalls überzeugend: Sigourney Weaver als die von Conor gehasste Großmutter. SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT ist kein Fantasy-Film, sondern eine menschliches Drama, das mit Hilfe von Fantasy-Elementen (Conors Gedankenwelt) nach einer Lösung sucht.

VOLT (1:2.35, 5.1)
Verleih: farbfilm
Land/Jahr: Deutschland, Frankreich 2016
Regie: Tarek Ehlail
Darsteller: Benno Fürmann, Sascha Alexander Gersak, Ayo
Kinostart: 02.02.2017

Deutschland in der nahen Zukunft. Die Flüchtlingskrise hat dazu geführt, dass Transitzonen eingeführt wurden, in denen die Flüchtlinge auf Einbürgerung oder Abschiebung warten. Die Stimmung brodelt. Brachiale Polizeikorps sorgen dafür, dass die Stimmung in den Zonen nicht kippt. Volt ist einer der Polizisten. Und er begeht eine folgenschwere Tat: im Gefecht tötet er einen Flüchtling. Weil es keine Zeugen gibt, behält er den Zwischenfall für sich. Doch im Laufe der Zeit werden seine Schuldgefühle immer stärker und beginnen ihn innerlich zu zerreissen... Während Benno Fürmann alias Volt bei Nacht auf seinem Motorrad durch die Gegend fährt, qualmen im Hintergrund riesige Schlote von Industrieanlagen, die durch farbige Leuchten eine surreale Ästhetik erhalten. Das sind die Bilder, die auch nach dem Ende des Films noch in den Köpfen der Zuschauer nachhallen werden. Der von Tarek Ehlail inszenierte Film lebt insbesondere von seinen Bildern, die Mathias Prause mit seiner Kamera in breitem CinemaScope einfängt. Schnell vergisst man hier, dass es sich um eine deutsche Produktion mit kleinem Budget handelt. Allerdings lässt das kleine Budget dafür an anderer Stelle schön grüßen: nämlich auf der Tonspur. Ob gewollt oder nicht – viele der Dialoge sind schlicht und ergreifend unverständlich. Entweder sind sie gegenüber der Geräuschkulisse zu leise abgemischt oder werden vom Techno-Score unterdrückt. Dennoch sollte man sich den Regisseur merken, dessen Werdegang höchst ungewöhnlich ist: erst Boxer, dann Piercingstudiobesitzer, jetzt Filmemacher. Man darf gespannt sein was der Mann als nächstes macht.
Mittwoch, 14. Dezember 2016
Die Witwe des Präsidenten
Dass sie eine durch und durch ungewöhnliche Frau war, wissen wir alle. Jetzt wagt sich ein Spielfilm an die berühmte Dame

JACKIE (1:1.66, 5.1)
OT: Jackie
Verleih: Tobis
Land/Jahr: USA, Chile 2016
Regie: Pablo Larraín
Darsteller: Natalie Portman, Peter Sarsgaard, Greta Gerwig
Kinostart: 26.01.2017

Jackie, berühmte Witwe des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, gewährt kurze Zeit nach dem Tod ihres Mannes einem Reporter ein Interview. Darin schildert sie ihre ganz persönliche Sicht auf die Tage vor und nach dem Attentat. - Es sind zwei Punkte, die bei diesem Film ganz besonders beeindrucken. Zunächst natürlich Natalie Portman in der Rolle der Kennedy-Witwe, die sie mit unglaublicher Präzision abliefert. Dazu gehört auch ihre Stimme und die Art und Weise, wie sie bestimmte Worte betont oder gar etwas in die Länge zieht. Eine echte Tour-de-Force, wie man sie von Portman immer wieder erleben darf. Punkt Zwei ist die ungewöhnliche Gestaltung des von Pablo Larrain inszenierten Films. Hier funktioniert das Gespräch von Jackie mit dem Reporter als eine Art roter Faden, der durch Rückblenden unterbrochen wird und Jackie u.a. bei den Vorbereitungen der Beerdigung oder im Gespräch mit einem Priester zeigt. Besonders eindrucksvoll gibt sich dabei die musikalische Ausgestaltung durch Mica Levi, teilweise atonal, dann wieder sehr melodisch, aber immer spannend. Zur Musik gehören natürlich auch Ausschnitte aus “Camelot”, jenem Musical, das die Kennedys ganz besonders liebten. Die makellose Bildgestaltung von Stéphane Fontaine im europäischen Breitwandformat 1:1.66 ist das Tüpfelchen auf dem berühmten i. JACKIE ist ein ungewöhnliches Porträt einer ungewöhnlichen Frau und ganz sicher kein Film für die breite Masse. Wer sich aber darauf einlassen kann, dem steht ein beeindruckender Kinoabend bevor.
Dienstag, 13. Dezember 2016
Die papierlose Toilette und andere Schweinereien
Fäkalhumor gefällig? Dann sind Sie hier genau richtig

WHY HIM? (1:1.85, 5.1 + 7.1)
OT: Why Him?
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2016
Regie: John Hamburg
Darsteller: James Franco, Bryan Cranston, Zoey Deutch
Kinostart: 12.01.2017

Ned, Boss einer kleinen aber maroden Druckerei, fährt über Weihnachten mit Frau und jüngstem Sprössling nach Stanford, um seine Tochter zu besuchen und damit endlich deren Freund und potenziellen Schwiegersohn kennenzulernen. Allerdings gerät die Begegnung mit Laird für den überfürsorglichen Papa zum Alptraum. Denn der Jungmillionär ist aus seiner Sicht alles andere als gesellschaftsfähig. Als ihm der auch noch steckt, dass er Neds Tochter heiraten möchte, brennen bei Ned erst recht die Sicherungen durch... “Warum ich?” – Das dachte sich vermutlich der digitale Projektor, als er nach etwa 45 Minuten Laufzeit seinen Dienst versagte und wir in der Pressevorführung nur noch den Ton zu den Bildern erleben durften. Nach kurzer Unterbrechung ging das Machwerk dann jedoch weiter. Also wieder in den Kinosessel und versuchen durchzuhalten. Einfach abartig schrecklich, was uns da in letzter Zeit aus den USA als Komödie verkauft wird. Derber geht’s eigentlich nimmer. Alle Pointen zielen nur auf die Regionen unterhalb der Gürtellinie. Und wenn sie treffen, dann lacht man nicht, sondern möchte vor imaginärem Schmerz eigentlich lauthals schreien. Da gibt es beispielsweise jene Szene, in der Papa auf der Toilette sitzt, um sein Geschäft zu verrichten. Keine normale Toilette, sondern eine High-Tech-Toilette. Denn schließlich praktiziert sein Schwiegersohn in spe das papierlose Haus. Statt Klopapier gibt es jede Menge Knöpfe an einem schicken Schaltpult. Welches sich natürlich auch remote per App bedienen lässt. So erhält der überforderte Papa Unterstützung von außen. Hoppla – das war der falsche Knopf! So muss die Hilfe jetzt dann doch zu Papa ins Bad, weil eine neue Software installiert werden muss. Papa sitzt natürlich nach wie vor auf dem Topf. Soll ich noch fortfahren? Anzüglichkeiten bis hin zu Tabubrüchen und Fäkalhumor sind die beherrschenden Elemente in John Hamburgs Film, für den u.a. Schauspieler Jonah Hill die Ideen lieferte. Wer soll darüber lachen? Hält man einmal Steve Martins VATER DER BRAUT dagegen, der zwar schon 20 Jahre auf dem Buckel haben dürfte, aber thematisch sehr ähnlich gelagert ist, so erkennt man schnell, was eine gute Komödie ausmacht. Hamburgs Film jedenfalls ist eine Aneinanderreihung von Peinlichkeiten, die man schnell wieder vergessen möchte. Und die Zielgruppe? Die dürfte insbesondere aus weiblichen James Franco Fans bestehen, die sich an dem zumeist nackten und tätowierten Oberkörper des Schauspielers ergötzen dürften.
Montag, 12. Dezember 2016
Emotionslos
Es scheint fast so, als ob Isabelle Huppert seit ALLES WAS KOMMT auf emotionslose Rollen abonniert ist

ELLE (1:2.35, 5.1)
OT: Elle
Verleih: MFA (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland, Belgien 2016
Regie: Paul Verhoeven
Darsteller: Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny
Kinostart: 16.02.2017

Am hellichten Tag wird Michèle, Chefin einer Videospielentwicklerfirma, in ihrem eigenen Haus von einem Maskierten überfallen und vergewaltigt. Anfangs vom Geschehen noch relativ unbeeindruckt, schaltet sie keine Polizei ein, sondern erzählt es nur ihren Freunden. Als sie plötzlich provozierende SMSe vom vermeintlichen Täter erhält, macht sie sich auf eigene Faust auf die Suche nach ihm... Auch mit fast achtzig Jahren hat es Paul Verhoeven immer noch drauf, sein Publikum zu polarisieren. Nach längerer Regie-Abstinenz präsentiert er mit ELLE die Leinwandadaptation der Novelle “OH” von Philippe Djian mit Isabelle Huppert in der Titelrolle. Verstörend hierbei die Tatsache, dass die von Huppert gespielte Geschäftsfrau ihre Vergewaltigung äußerst emotionslos aufnimmt. Mehr noch: sie geht ein an Sado-Maso grenzendes Verhältnis mit ihrem Peiniger ein! Verhoeven inszeniert wie immer sehr souverän und stets erotisch aufgeladen. Anne Dudleys Musik unterstützt das Katz- und Maus-Spiel zwischen Täter und Opfer und weckt mit ihrem Score Erinnerungen an Jerry Goldsmiths Musik zu Verhoevens BASIC INSTINCT. ELLE ist trotz der Überlänge von 130 Minuten nie langweilig, auch wenn die Suche nach dem Täter für den Zuschauer schon recht früh abgeschlossen ist.
Donnerstag, 08. Dezember 2016
Die Feindin in meinem Bett
Mit dem neuen Film von Robert Zemeckis ging die Pressewoche bereits heute zu Ende – im eiskalten Kinosaal!

ALLIED – VERTRAUTE FREMDE (1:2.35, DD 5.1)
OT: Allied
Verleih: Paramount
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Brad Pitt, Marion Cotillard, Jared Harris
Kinostart: 22.12.2016

1942 kämpfen der britische Geheimdienstoffizier Max und die französische Résistance-Kämpferin Marianne Seite an Seite, um in Casablanca einen wichtigen Nazi zu eliminieren. Die gemeinsame Tat bleibt nicht ohne Folgen: Max und Marianne werden ein Paar, heiraten in London und werden Eltern. Eines Tages jedoch wird Max durch seine Vorgesetzten mitgeteilt, dass Marianne im Verdacht steht, eine deutsche Spionin zu sein. Max hält dies zunächst für kompletten Unfug, beginnt dann aber doch zu zweifeln... Als Filmkritiker ist man ja bei Filmen immer gerne auf der Suche nach der sogenannten Metaebene, jener Ebene also, die die tiefere Bedeutung hinter den bunten Bildern darstellt. Begibt man sich jetzt bei Robert Zemeckis neuestem Film auf diese Suche, so könnte einem ziemlich schnell der Gedanke kommen, dass es sich bei diesem Film um Brad Pitts persönliche Abrechnung mit Ex-Frau Angelina Jolie handelt. Warum? Würde ich Ihnen das jetzt hier verraten, so wäre das ein unverzeihlicher Spoiler. Also lassen wir es einfach hiermit auf sich bewenden und nehmen an, dass es in diesem Kriegsdrama um Vertrauen geht und wie Misstrauen eine Beziehung zerstören kann. Allerdings ist das so träge inszeniert, dass man oft meint einen typischen TV-Film vor sich zu haben. Und einen mit einem schlechten Hauptdarsteller noch dazu. Da ist man dann schon froh, dass man Herrn Pitt wenigstens eine Charakterdarstellerin zur Seite gestellt hat. Marion Cotillard spielt die Rolle der undurchsichtigen Agentin sehr souverän und man weiß als Zuschauer nie, auf welcher Seite sie denn nun tatsächlich steht. ALLIED wird man nach dem Verlassen des Kinosaals bereits schon wieder vergessen haben. Ein Film ohne Nachhaltigkeit eben.
Dienstag, 06. Dezember 2016
Kleine Helden
Ein Mädchen, das zur See fährt, und ein Junge, der sich auf den Teufel einlässt – mein Nikolaus-Doppel

VAIANA (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Moana
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Ron Clements, John Musker
Kinostart: 22.12.2016

Vaiana, die Tochter des Häuptlings eines Eingeborenen-Stammes auf einer exotischen Insel mitten in Ozeanien, verspürt den Lockruf des Ozeans und fährt auf eigene Faust mit einem Boot hinaus auf das Meer, um jenseits des Riffs neue Fischereipfründe für ihr Volk zu erschließen. Ihre Reise führt das tapfere Mädchen zu einer Insel, auf der Halbgott Maui, ein von sich selbst ziemlich eingenommener Typ, schon seit Jahren festsitzt. Unfreiwillig steuern die beiden entgegengesetzte Charaktere einem großen Abenteuer entgegen... Spürt man beim Vorfilm zu VAIANA schon sehr deutlich den Einfluss von Pixar, so überrascht der Hauptfilm dann doch mit seinem eher klassischen Disney-Ansatz, der die Hauptfiguren immer wieder zum Gesang anstimmen lässt und damit eine Vorform des Musicals darstellt. Ein Ansatz, den ich persönlich als sehr schön empfinde, mit dem jedoch einige der Kollegen so ihre Probleme haben. In technischer Hinsicht überzeugt der von Ron Clements und John Musker realisierte Computeranimationsfilm zweifelsfrei: ob die wallende Lockenpracht des Halbgottes Maui, das lebendige Wasser (ABYSS lässt grüßen!) oder die Mimik der Personen – das alles ist wahrhaftig beeindruckend in Szene gesetzt bzw. gerechnet. Auch soundmäßig überzeugt VAIANA: Dolby Atmos gibt insbesondere die Filmmusik extrem plastisch wieder. Natürlich darf auch ein Running Gag nicht fehlen. Hier erscheint er in Gestalt eines gackernden Huhns, das immer ein wenig neben der Spur zu sein scheint. Rätselhaft bleibt, warum man sich bei Disney dafür entschieden hat, den Namen der Hauptdarstellerin von “Moana” in “Vaiana” umzutaufen. Fazit: perfektes Familienkino, das pünktlich zu Weihnachten in die Kinos kommt.

TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos, Dolby Vision)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2016
Regie: Andreas Dresen
Darsteller: Arved Friese, Justus von Dohnányi, Axel Prahl
Kinostart: 02.02.2017

Der in ärmlichen Verhältnissen aufwachsende Timm Thaler träumt schon immer von einem besseren Leben. Da macht ihm der dämonische Baron Lefuet ein unmoralisches Angebot: wenn ihm Timm sein wunderbares Lachen verkauft, würde er fortan jede Wette gewinnen. Timm lässt sich auf das Geschäft ein – und hat großen Erfolg beim Wetten. Doch ohne sein bezauberndes Lachen ist er nicht mehr der Mensch, der er einmal war... Zumindest in technischer Hinsicht dürfte der von Andreas Dresen inszenierte TIMM THALER in die deutschen Filmgeschichte eingehen: es ist die erste deutsche Produktion, die sowohl in Dolby Atmos gemischt als auch in Dolby Vision aufgenommen wurde. Natürlich können die Ton- und Bildverbesserungen nur in bislang wenigen Kinos erlebt werden, doch hatte man beim Einsatz der neuen Technologien insbesondere auch den Heimkinomarkt im Visier, wo man mit der Blu-ray bzw. 4K Blu-ray punkten möchte. Was den Film selbst angeht, so ist der recht konventionell in Szene gesetzt. Gegenüber der bekannten TV-Fassung hat man die Story an einigen Stellen sozusagen aktualisiert, um sie zeitgemäß erscheinen zu lassen. Die Buchvorlage von James Krüss hat indes nichts an ihrer Aussagekraft verloren. Was die Besetzung angeht, so gibt hier speziell Justus von Dohnanyi als Teufel in Menschengestalt eine besonders schillernde Figur ab. Arved Friese als Timm Thaler macht seine Sache auch gut, nur fehlt ihm leider noch ein bisschen Charisma.
Montag, 05. Dezember 2016
Sie tanzen durch Hollywood
Erst ein buntes Musical, danach eine abgefuckte Party

LA LA LAND (1:2.55, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: La La Land
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Damien Chazelle
Darsteller: Emma Stone, Ryan Gosling, John Legend
Kinostart: 12.01.2017

Immer wieder kreuzen sich ihre Wege: Mia, Schauspielerin, und Sebastian, Jazz-Pianist, sind in der Traummetropole Hollywood auf Job-Suche. Die anfängliche Aversion schlägt bald schon in Liebe um und die beiden werden ein Paar. Um jedoch ihre Träume verwirklichen zu können, müssen beide Opfer bringen, durch die ihre Beziehung belastet wird... Dass es sich bei diesem Film um einen Film von einem Fan für Fans handelt, merkt man gleich zu Beginn. Denn da sehen wir ein schwarzweißes CinemaScope-Logo, das links und rechts beschnitten ist, um in den 4:3-Rahmen zu passen. Erst dann erweitert sich das Bild nach links und nach rechts und Farbe kommt hinzu: das Logo erstrahlt in seiner vollen Technicolor-Pracht und sogar im waschechten CS-Format. Nicht etwa 1:2.35 oder 1:2.39, nein – im 1:2.55-Format, jenem Format, das Twentieth Century Fox bei der Einführung des neuen Systems in die Kinos brachte. Erst ein paar Jahre später wurde die Bildbreite auf 1:2.35 reduziert, um neben den vier Magnettonspuren auch noch eine Lichttonspur auf dem 35mm-Streifen unterzubringen. An solchen Dingen merkt man sofort, mit welcher Detailverliebtheit Damien Chazelle bei der Inszenierung seines Musicals vorgegangen ist. Eine weitere Referenz zum Kino der 1950er-Jahre gibt es während des Films, wenn sich Sebastian und Mia DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN in einem Kino anschauen. Und nicht etwa als Digitalkopie, sondern als Filmkopie (man sieht dies an der technischen Panne, durch die die Vorführung beendet wird!). Kameramann Linus Sandgren sorgt für eine oft entfesselte Kamera, die in vielen Sequenzen (nur) scheinbar ohne Schnitt auskommt und gibt den Bildern den Farblook der frühen CinemaScope-Filme. Seine Arbeit ist ein Gedicht! Emma Stone und Ryan Gosling geben ein wunderbares Paar ab – und sie singen ihre Somgs tatsächlich selbst! Wenn auch die Geschichte selbst ziemlich trivial ist, so ist sie dennoch wie geschaffen für diese Hommage an die großen Musicals der Fünfziger-Jahre. An den deutschen Kinokassen dürfte der Film leider Schiffbruch erleiden. Darum der Tipp, ihn sofort bei Kinostart auf einer möglichst großen Leinwand und mit einem modernen Soundsystem anzuschauen!

OFFICE CHRISTMAS PARTY (1:2.35, DD 5.1)
OT: Office Christmas Party
Verleih: Constantin
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Will Speck, Josh Gordon
Darsteller: Jason Bateman, Olivia Munn, Jennifer Aniston
Kinostart: 08.12.2016

Um ihre marode Firma noch zu retten, versuchen die Angestellten mittels einer ausufernden Weihnachtsfeier einen potenziellen Geschäftspartner ins Boot zu holen... Selten habe ich mich bei einem Film derart gelangweilt wie in Will Speck & Josh Gordons aus dem Ruder laufenden Büro-Weihnachtsfeier. Wenn gar nichts mehr geht, dann greifen die beiden sehr gerne zu Pups-Gags oder anderen Peinlichkeiten, die auf den Bereich unterhalb der Gürtellinie zielen. Wie sich eine Schauspielerin wie Jennifer Aniston in dieses Machwerk verlaufen konnte, ist weder nachzuvollziehen noch zu verzeihen. Schwamm drüber.

Freitag, 02. Dezember 2016
Mit Kindern und ohne Kinder
Kontrastprogramm: in der Doku stehen Kinder im Mittelpunkt, im Spielfilm sind sie alle spurlos verschwunden

NICHT OHNE UNS! (1:1.78, 5.1)
OT: Not Without Us
Verleih: farbfilm
Land/Jahr: Deutschland, Österreich 2016
Regie: Sigrid Klausmann
Kinostart: 19.01.2017

Vor genau drei Jahren kam Pascal Plissons Dokumentarfilm AUF DEM SCHULWEG ins Kino. Getreu dem Motto “Bildung muss erkämpft werden”, schilderte Plisson darin den teils abenteuerlichen Schulweg von vier Kindern aus vier Ländern. Sigrid Klausmann setzt dem noch eins drauf. Auch ihr Film schildert den oft mühsamen Schulweg von Kindern, doch sind es jetzt 16 Kinder aus 15 Ländern auf 5 Kontinenten. Vor laufender Kamera erzählen die kleinen Protagonisten von ihren Träumen, von ihren Ängsten, von ihren Familien und geben damit intime Einblicke in ihr Seelenleben und was sie umtreibt. Es entstehen damit oft sehr berührende Momente, die keinen Zuschauer kalt lassen dürften. Der Titel des Films steht dabei für die Zukunft der Welt und/oder der Menschheit, die nicht ohne diese Kinder stattfinden wird.


WIR SIND DIE FLUT (1:2.35, 5.1)
Verleih: Derzian Pictures
Land/Jahr: Deutschland 2016
Regie: Sebastian Hilger
Darsteller: Max Mauff, Lana Cooper, Gro Swantje Kohlhof
Kinostart: 10.11.2016

Zwei junge Wissenschaftler machen sich auf den Weg zum Küstendorf Windholm, um ein einzigartiges Phänomen zu untersuchen. Denn vor genau 15 Jahren verschwand dort das Meer und mit ihm alle Kinder des Ortes... Auch wenn es wie im vorliegenden Fall nur im Rahmen eines Diplomfilms passiert, aber es tut sich was in Sachen Genrefilm in Deutschland. Was beispielsweise bei den Amerikanern schon zur Normalität geworden ist, ist hierzulande noch immer etwas verpönt: Science-Fiction- oder Horror-Stoffe, die zu allererst der Unterhaltung dienen sollen, werden dort am laufenden Band produziert. In Deutschland hingegen ist es immer noch etwas Besonderes, wenn sich ein Filmemacher auf das Genre-Terrain wagt. Bei WIR SIND DIE FLUT ist es Sebastian Hilger, der sich als Regisseur aufmachte, einen Science-Fiction-Film zu inszenieren. Und das ist ihm durchaus gelungen. Nicht nur fasziniert der Film durch eine Geschichte, die viel Raum für Interpretationen zulässt, sondern auch durch exzellente “Production Values”. Dazu gehört vor allem die Kameraarbeit von Simon Vu, der es versteht, die Breite der CinemaScope-Bildwand nicht nur mit Panoramen des Wattenmeeres oder imposanten Drohnenperspektiven zu füllen, sondern auch für Charakterzeichnungen zu nutzen. Ergänzt werden die Bilder von den oft fast nicht wahrnehmbaren visuellen Effekten, die in Ludwigsburg entstanden. Beeindruckend auch die orchestrale Filmmusik von Leonard Petersen, die insbesondere wunderbar die Emotionen triggert. Obwohl in 5.1 gemischt, setzt der Film von Sebastian Hilger nicht sonderlich auf Surround Sound, sondern setzt diesen nur ganz behutsam und punktuell ein, was eigentlich ein bisschen schade ist. Hilgers Film verspielt damit leider etwas Potenzial. Fazit: bemerkenswerter Diplomfilm, der viele Talente zutage fördert.

Donnerstag, 01. Dezember 2016
Back to the Sixties
Zufall oder Absicht? Beide Filme im heutigen Pressedoppel entpuppten sich als Zeitmaschinen zurück in die 1960er Jahre

DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI (1:1.85, 5.1)
OT: Hymyilevä Mies
Verleih: Camino
Land/Jahr: Finnland, Schweden, Deutschland 2016
Regie: Juho Kuosmanen
Darsteller: Jarkko Lahti, Oona Airola, Eero Milonoff
Kinostart: 05.01.2017

1962. Ganz Finnland fiebert dem großen Boxkampf entgegen, in dem Landsmann Olli Mäki gegen einen Amerikaner im Federgewicht um den Weltmeistertitel kämpfen wird. Doch Ollis Gedanken sind ganz woanders: ausgerechnet jetzt hat er sich Hals über Kopf in Raija verliebt... In nichts anderem als schwarzweißem 16mm Negativfilm hat der Finne Juho Kuosmanen seinen Film realisiert, der auf einer wahren Geschichte beruht. Einer Geschichte, die man in Finnland gut kennt, die aber andersow in der Welt vollkommen unbekannt ist. Bislang jedenfalls. Mit harten Schnitten und ohne schönfärberische Filmmusik zeigt er die verschiedenen Stationen, die Boxer Olli Mäki im Vorfeld des großen Kampfes durchläuft. Das wirkt fast schon dokumentarisch, wäre da nicht die deutsche Synchronisation, die einen unmittelbar spüren lässt, dass es ein Spielfilm ist. Jarkko Lahti spielt den verliebten Boxer, dem sein Kampf eigentlich gar nicht mehr wichtig ist, jetzt wo er die Frau seines Lebens gefunden hat. Und so wird der große Tag des Boxkampfs nicht etwa zu seinem glücklichsten Tag, weil er ihn gewinnt – ganz im Gegenteil: er scheidet bereits nach der ersten Runde mit KO aus! – sondern weil er sich jetzt endlich auf sein wahres Glück konzentrieren kann!

HIDDEN FIGURES – UNERKANNTE HELDINNEN (1:2.35, 5.1 + 7.1)
OT: Hidden Figures
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Theodore Melfi
Darsteller: Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kirsten Dunst, Kevin Costner
Kinostart: 02.02.2017

Katherine, Dorothy und Janelle sind schon von Kindesbeinen an intelligenter als alle anderen Kinder. Doch sie haben die falsche Hautfarbe in dem von Rassendiskriminierung bestimmten Amerika der 1960er Jahre. Obgleich alle drei eine Anstellung bei der NASA erhalten haben, werden sie dort weit unter ihren Fähigkeiten eingesetzt. Erst als sich die NASA mit der bemannten Raumfahrt auseinandersetzt und an wichtigen Stellen im Wissenschaftlerteam Mathematiker gefordert sind, wird man auf die Fähigkeiten der jungen Frauen aufmerksam. Doch es ist noch ein weiter Weg bis zur Anerkennung auch durch die unmittelbaren Kollegen... Der von Theodore Melfi nach wahren Begebenheiten inszenierte HIDDEN FIGURES wäre ein wunderbares Double Feature zusammen mit Philip Kaufmans DER STOFF AUS DEM DIE HELDEN SIND. Denn beide Filme rekapitulieren die äußerst spannende Zeit Anfang der 1960er Jahre, in der sich die Amerikaner mit den Russen einen Wettlauf in Sachen Eroberung des Weltraums lieferten. Welche Nation würde die erste bemannte Raumkapsel in den Weltall schießen? Schildert Kaufmans kongenialer Film die Geschichte aus der Sicht der Piloten, so offenbart Melfi eine ganz andere Perspektive: die jener Menschen, die es überhaupt erst möglich machten, dass ein Mensch in eine Umlaufbahn gebracht wurde. Und das waren vornehmlich Physiker und vor allem Mathematiker. Das Besondere hierbei: drei dieser essentiell wichtigen Mathematiker waren nicht nur Frauen, sondern dunkelhäutige dazu. Und das in einem Amerika, in dem die Rassen nach wie vor extrem streng getrennt wurden. Die drei porträtierten Wissenschaftlerinnen hatten also nicht nur damit zu kämpfen, dass sie sich als Frauen in der von Männer dominierten NASA erst einmal behaupten mussten, sondern auch mit ihrer Hautfarbe, was mit zusätzlichen Repressalien am Arbeitsplatz einherging. Melfis Film setzt endlich diesen drei Frauen, ohne die sich ein Erfolg nicht eingestellt hätte, ein würdiges Denkmal. Er tut dies mit einigem Pathos, der aber angesichts der Sache durchaus gerechtfertigt ist. Neben den drei dunkelhäutigen Darstellerinnen (Taraji P. Henson als Katherine Johnson, Octavia Spencer als Dorothy Vaughn und Janelle Monáe als Mary Jackson) brilliert auch Kirsten Dunst in der undankbaren Rolle als die von Vorurteilen geprägte Vorgesetzte der Protagonistinnen. Zu guter Letzt gibt auch Kevin Costner als Chef-Wissenschaftler, der erst ganz allmählich bemerkt, wie es um schwarze Frauen bei der NASA bestellt ist, eine gute Figur ab. HIDDEN FIGURES ist emotional aufwühlendes und sehr eindrucksvolles Kino.


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