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Freitag, 30. Juni 2017 Schwache Frauen und starke Mädchen Das Pressewochenabschlussdoppel gestaltete sich überaus feminin TULPENFIEBER (1:2.35, 5.1) OT: Tulip Fever Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: Großbritannien, USA 2015 Regie: Justin Chadwick Darsteller: Alicia Vikander, Christoph Waltz, Zach Galifianakis Kinostart: 24.08.2017
Amsterdam im 17. Jahrhundert, als die ganze Stadt vom “Tulpenfieber” befallen ist und ein jeder versucht, durch
besondere Züchtungen maximalen Profit bei Versteigerungen zu erlangen. In dieser Zeit verliebt sich der junge Maler
Jan van Loos in Sophia, die Frau eines Geschäftsmanns, der bei ihm ein Porträt in Auftrag gibt. Jan und Sophia
schmieden mit Hilfe von Sophias Magd Maria einen riskanten Plan, um gemeinsam in der neuen Welt in Amerika ein
neues Leben zu beginnen... Justin Chadwicks Film erinnert ziemlich an den weitaus besseren DAS MÄDCHEN MIT
DEM PERLENOHRRING. Die Geschichte, die Zeit und die Ausstattung sind sich sehr ähnlich. Was bei Chadwicks
Film allerdings stört, ist die Hektik, die er an den Tag legt. So kann sich die große Liebesgeschichte, die der Film sein
möchte, einfach nicht so entwickeln, dass sie als bewegend empfunden werden kann. Selbst Danny Elfmans Musik
gelingt es nicht, die Emotionen richtig anzustacheln. Und die eingestreuten komödiantischen Momente (wie etwa der
Auftritt des Doktor Sorgh) wirken einfach nur deplatziert. Immerhin kann der Film ein exzellentes Darstellerensemble
und recht aufwändige Kulissen aufweisen, was ihn jedoch insgesamt leider auch nicht retten kann.
TIGERMILCH (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Ute Wieland Darsteller: Emily Kusche, Flora Li Thiemann, Luna Mijovic Kinostart: 17.08.2017
”Wir müssen üben, für später, für das echte Leben, irgendwann mal müssen wir ja wissen, wie alles geht. Wir müssen
wissen, wie alles geht, damit uns keiner was kann.” Mit diesen Worten starten Djameelah und Nini, beste Freundinnen
seit ihrer Kindheit, in die Sommerferien. Wenn sie nicht gerade dabei sind, ihre Tigermilch zu brauen (ein Gemisch aus
Schulmilch, Maracujasaft und Alkohol) oder “Scheide!”-schreiend durch Berlins Straßen zu ziehen, hängen sie mit ihren
Freunden im Freibad oder auf Partys ab. Die beiden 14jährigen Gören beschließen, nicht länger Jungfrauen zu sein und
beginnen ihr “Projekt Defloration”. Ihre potenziellen Partner haben sie auch schon ins Visier genommen. Damit alles
klappt, vollführen sie nachts auf dem Spielplatz ihrer Siedlung einen Liebeszauber – und werden prompt Zeugen eines
Mordes! Ein Ereignis, das ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird. - “Manchmal kann die Musik gar nicht
laut genug sein, damit man das Leben nicht hört”. Ninis Worten aus dem Off folgt hämmernde, laute Musik, die die
Tonspur vereinnahmt und sogleich den unbändigen Rhythmus von Ute Wielands Coming-of-Age-Drama festlegt. Die
Dynamik, die ihr Film gleich zu Beginn an den Tag legt, erinnert in gewisser Weise an Jakob Lass‘ TIGER GIRL, der
sich ebenfalls um die Freundschaft zweier junger Mädchen dreht. Mit Emily Kusche als Jameelah und Flora Li
Thiemann als Nini hat die Regisseurin einen wahren Wirbelwind von einem Duo besetzt! Die beiden 14jährigen spielen
ihre Rollen mit derart viel Power und Elan, dass ihre Dynamik förmlich auf den Zuschauerraum überschwappt. Ganz
nach dem Motto “Uns gehört die Welt!” rennen die beiden durch Berlin, liegen auf Wiesen, schmieden Pläne, knacken
Wörter (aus Nachtschicht wird Nacktschicht) und provozieren den ganzen Tag. Eine solche Energie hat man nur, wenn
man noch so jung ist wie diese besten Freundinnen. Das hat Ute Wieland großartig eingefangen. “Everything Sucks”
steht da provozierend auf Ninis Shirt, wenn sich die beiden mit Ringelstrümpfen, High Heels und fettem Make Up unter
die Nutten am Kurfürstendamm mischen und Kaugummi kauend potenzielle Freier (von den beiden “Opfer” genannt)
um ihr Geld erleichtern, noch bevor diese aus dem Auto steigen können. Fast beiläufig wird aber noch eine andere
Geschichte eingestreut, in der es um Integration geht. Nini und Jameelah leben diese Integration, ohne dass es ihnen
vielleicht bewusst ist. Denn sie kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Dass Djameelah ständig unter dem
Damoklesschwert der Abschiebung lebt, versucht Nini weitgehend zu verdrängen, was Djameelah oft zur Verzweiflung
bringt. Ute Wieland hat mit ihrer Verfilmung des Romans von Stefanie De Velasco (die im Film in einer Nebenrolle als
Krankenschwester zu sehen ist) kraftvolles, wildes Kino abgeliefert, das die Sprache der Jugend spricht.
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Donnerstag, 29. Juni 2017 Affenkrieg Endlich mal wieder ein Blockbuster, der sein Geld wert ist PLANET DER AFFEN: SURVIVAL (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: War For The Planet Of The Apes Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2017 Regie: Matt Reeves Darsteller: Andy Serkis, Judy Greer, Woody Harrelson, Steve Zahn Kinostart: 03.08.2017
Da der Filmverleiher darum bittet, dem Publikum möglichst nichts von der Story des Films zu verraten, sei nur soviel
gesagt: Caesar zieht mit ein paar seiner besten und tapfersten Freunde los, um einem psychopathischen Colonel das
Handwerk zu legen. Wie der amerikanische Originaltitel bereits erahnen lässt, gibt es Krieg. Mit einer atemberaubenden
Tonspur führt uns Regisseur Matt Reeves direkt hinein in einen Krieg zwischen den Affen und den Menschen. Ein
Krieg, der beispielhaft für wohl alle Kriege dieser Welt stehen dürfte. Das ist nicht nur großartig inszeniert, sondern
auch noch spannend dazu. Andy Serkis, der Hollywoodstar ohne Gesicht, schlüpft auch jetzt wieder in die Rolle des
Caesar, die mittels Motion Capture Technologie und VFX zum Leben erweckt wird und dieses Mal derart realistisch
wirkt, dass man wirklich denkt, ein Gorilla habe die Hauptrolle im Film übernommen. Gleiches gilt natürlich auch für
Caesars Gefährten. Reeves inszeniert seinen PLANET DER AFFEN als großes episches Kino und zitiert – ob bewusst
oder unbewusst – Filme wie HERR DER RINGE oder GESPRENGTE KETTEN. Als besonderes Bonbon liefert
Komponist Michael Giacchino einen fulminanten, großorchestralen Score alter Schule. Will heissen: es gibt tatsächlich
Themen und nicht nur Klangkörper zu hören. Nicht umsonst räumt Reeves der Musik in seinem Film viel Platz ein. Da ist
mindestens eine Oscar-Nominierung fällig! Chapeau für einen Regisseur, der es nicht nur versteht, einen handwerklich
überzeugenden Film zu machen, sondern diesen auch trotz seiner 140 Minuten Spielzeit in keiner Sekunde langweilig
werden zu lassen.
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Dienstag, 27. Juni 2017 Komödie und Tragödie Papas Liebling pubertiert und ein Weltstar sucht die Liebe – Dienstag war wieder Kinotag DAS PUBERTIER (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Leander Haußmann Darsteller: Jan Josef Liefers, Heike Makatsch, Detlev Buck, Monika Gruber, Harriet Herbig-Matten, Justus von Dohnányi Kinostart: 06.07.2017
In der Erziehung gibt es kein richtig oder falsch. Es gibt nur ein falsch. Diese Erfahrung muss der Journalist Hannes
machen, als er sich eine Auszeit nimmt, um ein Buch zu schreiben und sich ganz seinem Töchterchen Clara zu widmen,
die kurz vor ihrem 14. Geburtstag steht. Und für die hat er ehrgeizige Pläne: Sinfoniekonzerte will er mit ihr besuchen,
über Philosophie diskutieren und ihr auch sonst alles Notwendige fürs Leben mitgeben. Doch weit gefehlt. Denn ohne
dass er es bemerkt hätte, hat sich seine einst so süße Clara sich in ein unbeherrschbares Pubertier verwandelt! Frei nach
dem Motto “Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen” versucht Hannes, das Beste aus der
Situation zu machen. “Ich bin nicht verrückt – ich bin ein Vater!” rechtfertigt er seine peinlichen Maßnahmen. Ob’s was
nützt? - Leander Haußmanns Filmadaptation des Bestsellers von Jan Weiler dürfte gestandenen Eltern voll aus dem
Herzen sprechen. Denn welches Elternpaar kennt nicht jenes Grauen, das einhergeht mit der Pubertät ihrer Sprösslinge.
Wenn aus den niedlichen, süßen Kleinen plötzlich kratzbürstige Monster werden. Zumindest in seinen besten Momenten
gelingt es dem Film, hohes Identifikationspotenzial für Eltern zu schaffen, die einvernehmlich zustimmen werden: “Ja,
das haben wir auch durchgemacht!”. Im selben Atemzug werden sie dann allerdings in schallendes Gelächter verfallen
ob der Hilflosigkeit, mit der sie wie Carlas Eltern einst von einer Peinlichkeit in die nächste stolperten. Mit Jan Josef
Liefers und Heike Makatsch hat Haußmann Carlas Eltern gut besetzt und ihnen mit Detlev Buck und Monika Gruber
gleich noch ein Elternpaar zur Seite gestellt, die bereits ausreichend Erfahrungen mit dem Minenfeld Pubertät haben.
Das geht bei Buck sogar so weit, dass er freiwillig als Kriegsreporter in den Nahen Osten geht, wo ihm zwar regelrecht
die Kugeln um die Ohren fliegen, was er angesichts seines pubertierenden Sohnemanns als das geringere Übel sieht.
Harriet Herbig-Matten in der Rolle der 14jährigen Clara ist die Entdeckung des Films. Sie spielt das freche Gör mit
einer solchen Vehemenz, dass man sie einfach mögen muss, auch wenn man sie am liebsten an die Wand klatschen
würde. Und damit ist man als Zuschauer auf Augenhöhe mit Papa Liefers. Dass der Film trotz seiner angenehm kurzen
Dauer trotzdem Längen aufweist, liegt vor allem an jenen Einlagen, die man so eigentlich nur aus typisch amerikanisch
überzogenen Komödien kennt. Da klettert beispielsweise der Herr Papa des Nächtens am Haus herum, um einen Blick in
das Zimmer von Clara zu erhaschen, die zu einer Party geladen hat – mit Jungs natürlich. Die Kletteraktion führt
schließlich zu einer Begegnung mit einer Waschbärenfamilie auf dem Dach und mit einem Sturz hinab in den Garten.
Einem Chevy Chase hätte man derlei Aktionen gerne abgenommen, aber bei Papa Liefers wirkt das einfach zu albern.
Da freut man sich umso mehr über kleine, aber feine Pointen wie etwa den Gastauftritt eines Elyas M’Barek als
Traummann im wahrsten Sinne des Wortes. Oder den typischen Teenie-Talk wer wann wen warum angechattet hat und
der den Papa komplett überfordert.
DALIDA (1:2.35, DD 5.1) OT: Dalida Verleih: NFP (Filmwelt) Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Lisa Azuelos Darsteller: Sveva Alviti, Riccardo Scamarcio, Jean-Paul Rouve Kinostart: 10.08.2017
Als sie gerade dabei ist, die Welt mit ihrer Musik zu erobern, begeht Dalida mit Mitte 30 einen Selbstmordversuch. Ihr
Motiv: unerfüllte Liebe. Ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durch ihr gesamtes Leben ziehen wird. So tingelt die
leidenschaftliche Frau von einer Beziehung zur nächsten, auf der Suche nach der wahren Liebe, während sie zu einem
weltweit umjubelten Star avanciert... Würde es sich um eine fiktive Geschichte handeln, würde man Lisa Azuelos‘ Film
vermutlich schnell als banalen Herz-Schmerz-Kitsch abtun. Doch die Tatsache, dass ihr Film auf einer wahren
Geschichte beruht, relativiert alles. Am 03. Mai 2017 jährte sich Dalidas Todestag zum 30. Mal. Mit nur 54 Jahren
bereitete sie ihrem filmreifen Leben ein Ende. In ihrem Abschiedsbrief heisst es “Das Leben ist unerträglich geworden.
Bitte verzeiht mir.” Mit über 150 Millionen verkauften Tonträgern zählt die gebürtige Ägypterin zu einer der
erfolgreichsten Sängerinnen der Welt und erhielt als erste Sängerin überhaupt eine diamantene Schallplatte. Zusammen
mit Dalidas Bruder Bruno Gigliotti (unter dem Pseudonym “Orlando”) hat die Regisseurin das Drehbuch verfasst, das
auf der einzig offiziellen Biographie von Catherine Rihoit und Bruno Gigliotti beruht. Beginnend mit Dalidas
Suizidversuch Ende der 1960er Jahre wird ihr bewegtes Leben im Film auf mehreren Zeitebenen bis zu ihrem Tod im
Jahre 1987 nacherzählt. Für Azuelos‘ Film schlüpft die gebürtige Römerin Sveva Alviti in die Rolle der Dalida und
absolviert damit ihre erste große Filmrolle. Und was für eine! Sehr überzeugend porträtiert sie die Sängerin, die
Leidenschaft, Romantik und Tragik in sich vereint und stets eine Schönheit bleibt. Wie sonst der Chor in griechischen
Tragödien kommentieren die Lieder Dalidas auf der Tonspur des Films die jeweilige Lebenslage der Künstlerin. Lieder
wie “Ciao, Ciao, Bambina”, “Besame Mucho” oder “Laissez-moi danser” nehmen einen breiten Raum im Film ein, der
damit dem Lebenswerk Dalidas mehr als gerecht wird.
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Montag, 26. Juni 2017 Ein Einbrecher versucht auszubrechen Anspruch und rasante Action holten mich heute ins Kino DAS GESETZ DER FAMILIE (1:2.35, 5.1) OT: Trespass Against Us Verleih: Koch Media (24 Bilder) Land/Jahr: Großbritannien 2016 Regie: Adam Smith Darsteller: Michael Fassbender, Brendan Gleeson, Lyndsey Marshal Kinostart: 03.08.2017
Zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern, seinem Vater sowie ein paar anderen Halbseidenen lebt Chad auf
einem verwahrlosten Campingplatz. Die gesamte Familie finanziert sich durch Einbrüche, deren Drahtzieher Chads
Vater Colby ist, der auch sonst alle Fäden in der Hand hält. Doch für seine eigenen Kinder möchte Chad eine bessere
Zukunft haben: er schickt sie in die Schule. Das ist Colby schon immer ein Dorn im Auge, weil er der Ansicht ist, dass
Chads Kinder besser gleich als später in Papas Fußstapfen treten. Um sich endlich von seinem Vater lösen zu können,
hat sich Chad für seine Familie bereits eine andere Bleibe ausgeschaut, was er seinem Vater bislang verheimlicht. Der
zwingt ihn derweil, noch ein Ding für ihn zu drehen... Familie verpflichtet. Da kommt man nicht so einfach raus.
Speziell dann, wenn die ganze Sippschaft zu den kriminellen Elementen gehört. Daran kann auch Chad nichts ändern,
der eigentlich nur das Beste für seine eigenen Kinder möchte. Genau so wie sein eigener Vater nur Chads Bestes haben
möchte. Auch wenn Chad es versucht, sich gegen seinen alten Herrn durchzusetzen, wird er stets den Kürzeren ziehen.
Mit Brendan Gleeson als Colby Cutler und Michael Fassbender als Chad Cutler hat Adam Smiths ungewöhnlicher Film
eine tolle Besetzung gefunden, die den schwelenden Vater-Sohn-Konflikt wunderbar vermitteln können. Und beide
haben zumindest im Original den perfekten Slang drauf! Beeindruckend am Film ist auch die Kameraarbeit, die gleich
zu Beginn mit einer aberwitzigen Jagd auf einen kleinen Hasen zeigt, was sie kann. DAS GESETZ DER FAMILIE ist
anspruchsvolles Gangsterkino mit einer klaren Botschaft.
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Donnerstag, 22. Juni 2017 Frauen proben den Aufstand Die zweite und letzte Pressevorführung in dieser Woche bescherte mir eine vergnügliche Komödie im wohl temperierten Kinosaal DIE GÖTTLICHE ORDNUNG (1:2.35, 5.1) Verleih: Alamode (Filmagentinnen) Land/Jahr: Schweiz 2017 Regie: Petra Volpe Darsteller: Marie Leuenberger, Max Simonischek, Rachel Braunschweig Kinostart: 03.08.2017
1971 in einem kleinen Dorf in der Schweiz. Hier ist die Welt noch in Ordnung, gilt noch die “göttliche Ordnung”, die
den Frauen das Stimmrecht bei Wahlen vorenthält und auch sonst den Weiblein genau vorschreibt, wo ihr Platz in der
Gesellschaft ist: am Herd. Als sich jedoch Nora, Hausfrau und Mutter, plötzlich für die Frauenbewegung zu
interessieren beginnt, ist es bald vorbei mit Heim und Herd: sie setzt sich für das Frauenwahlrecht ein, über das die
Männer abstimmen sollen. Und mehr noch: immer mehr Frauen aus ihrem Dorf schließen sich ihr an. Das allerdings ist
den Männern ein Dorn im Auge... Wie schon in TRAUMLAND, so verlässt sich Petra Volpe auch jetzt wieder auf das
Talent der Kamerafrau Judith Kaufmann, die aufs Neue beweist, dass sich Cinemascope nicht nur für
Panoramalandschaften eignet, sondern auch die Enge einer kleinen Küche wesentlich intensiver zu vermitteln vermag.
Ergänzt werden die farbentsättigten Bilder durch einen emotionalen Orchester-Score aus der Feder von Annette Focks,
der trotzdem nicht in den Kitsch abfällt. Besonders schön anzuhören ist der Film übrigens in der Schwyzerdütschen
Originalfassung, deren Dialekt den feinen Humor noch unterstreicht. Besetzt ist der Film durch die Bank mit talentierten
Darstellerinnen, die weder zu hübsch noch zu hässlich sind und damit perfekt die Rollen der einfachen
Dorfbewohnerinnen ausfüllen. Etwas klischeehaft wirken hier allenfalls noch die Mannsbilder, was aber bestens zur
Emanzipationskomödie passt. DIE GÖTTLICHE ORDNUNG ist ein gelungener Mix aus Humor, Gefühl und
Anspruch und lohnt den Gang ins Kino.
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Dienstag, 20. Juni 2017 Ein Exzentriker Ein paar Tage aus dem Leben eines bedeutenden Künstlers stand heute im angenehm gekühlten Kino auf dem Programm FINAL PORTRAIT (1:2.35, 5.1) OT: Final Portrait Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: Großbritannien 2017 Regie: Stanley Tucci Darsteller: Geoffrey Rush, Armie Hammer, Clémence Poésy Kinostart: 03.08.2017
Paris 1964. Der amerikanische Schriftsteller James Lord soll seinem Freund, dem Künstler Alberto Giacometti, für ein
Porträt Modell stehen. Was anfangs als Arbeit für höchstens einen Nachmittag angesetzt wird, erstreckt sich aufgrund
der ständigen Unzufriedenheit des Künstlers über viele Tage hinweg... Eine gewisse mentale und auch äußerliche
Ähnlichkeit hat der von Geoffrey Rush in Perfektion gespielte Alberto Giacometti mit dem britischen Maler J.M.W.
Turner, auch wenn beide Männer in verschiedenen Jahrhunderten tätig waren. Beides waren Exzentriker, die ihr Leben
so lebten, wie sei es wollten, ohne Rücksicht auf die Gefühle Anderer. Nach einem Buch von James Lord hat Regisseur
und Drehbuchautor Stanley Tucci, selbst hochbegabter Hollywood-Mime, den Entstehungsprozess eines Porträts
inszeniert, der ebenso amüsant wie nervenaufreibend verläuft. Es passiert zwar nicht viel, wenn man den Maler und sein
Modell über die CinemaScope-Bildwand verteilt beobachtet, doch das Bisschen reicht schon aus, um sich über die
Situation köstlich amüsieren zu können. Da wird in den Pausen viel getrunken, viel herumgehurt, viel gegessen, viel
spazieren gegangen, nur um danach die ganze Arbeit wieder mit dem Korrekturpinsel rückgängig zu machen, um von
Neuem beginnen zu können. Herrlich exzentrisch!
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Donnerstag, 15. Juni 2017 Zuviel Vorschusslorbeeren Heute stand einer jener Filme auf meiner Agenda, der in den USA immerhin mit ein paar wenigen 70mm-Kopien ins Kino gebracht wurde WONDER WOMAN (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Wonder Woman Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2017 Regie: Patty Jenkins Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Robin Wright Kinostart: 15.06.2017
Eine Amazonen-Kriegerin verlässt ihr hermetisch abgeriegeltes Idyll, um sich im Ersten Weltkrieg einem Kriegsgott im
Kampf zu stellen und die Menschheit von dessen Geißel zu befreien... Auch auf die Gefahr hin, dass ich es mir jetzt mit
der gesamten DC Fangemeinde verscherze: offensichtlich bin ich den Vorschusslorbeeren zu diesem Film ziemlich auf
den Leim gegangen. Sicher wäre es besser gewesen, ich hätte im Vorfeld nichts über dieses
Superhelden-Action-Spektakel gelesen. Denn so ging ich jetzt mit den allerhöchsten Erwartungen in Patty Jenkins
Fantasyabenteuer – und wurde irgendwie enttäuscht. Immerhin: wir haben endlich einmal einen weiblichen Superhelden!
Auch an der Kernaussage des Films gibt es nichts auszusetzen: nur durch Liebe kann die Menschheit gerettet werden.
Trotzdem jedoch wird man als Zuschauer auch hier wieder mit einem äußerst düsteren Szenario konfrontiert, so wie man
es inzwischen aus praktisch allen Superhelden-Filmen kennt. Und wieder bleibt am Ende kein Stein auf dem anderen:
das Effektfeuerwerk wird auch hier gnadenlos abgefackelt. Bestimmt gibt es Filmfans, die so etwas mögen. Ich
jedenfalls langweile mich bei solchem VFX-Gewitter grundsätzlich. Apropos Langeweile: die Musik in diesem Film
(aus der Feder von Rupert Gregson-Williams) ist derart beliebig, dass sie eigentlich nur als Klangteppich
wahrgenommen werden kann und in jeden anderen Superhelden-Film genauso gut passen würde. Wohin sind all die
Filmkomponisten verschwunden, die noch in der Lage sind, einem Film durch ihre Musik echtes Profil zu geben? Nur
laut und möglichst viele Instrumente genügt nicht. Ebenfalls ungenügend vertieft erschien mir die Liebesgeschichte
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Dienstag, 14. Juni 2017 Die Hoffnungsträgerin Eine bedrückende Dokumentation stand heute auf der Tagesordnung DIL LEYLA (1:1.78, 5.1) Verleih: Essence Film Land/Jahr: Deutschland 2016 Regie: Asli Özarslan Kinostart: 29.06.2017
Leyla Imret, 26 Jahre alt, stammt aus Cizre, einer kleinen türkischen Stadt an der syrisch-irakischen Grenze und eine
Kurdenhochburg. Als sie fünf Jahre alt ist, wird ihr Vater vom türkischen Militär getötet und sie flieht nach
Deutschland. 20 Jahre später kehrt sie wieder zurück in ihre Heimat, zurück nach Cizre, wo nach wie vor ihre Mutter
lebt. Sie will etwas für ihre Heimat tun, stellt sich als Bürgermeisterin zur Wahl und fährt einen Rekordsieg ein, der sie
zur jüngsten Bürgermeisterin der Türkei macht. In ihrer Heimat wird die sympathische junge Frau als großer
Hoffnungsträger gehandelt. Regisseurin Asli Özarslan wollte diesen neuen Aufbruch in ihrem Diplomfilm an der
Filmakademie Baden-Württemberg dokumentieren und begleitete Leyla in Cizre mit der Kamera. Leylas oberstes Ziel
war es, die vom Bürgerkrieg zerstörte Stadt wieder aufzubauen. Als jedoch die Parlamentswahlen in der Türkei
anstehen, spitzt sich die Lage zu und alles ändert sich – auch Asli Özarslans Dokumentarfilm. In unkommentierten
Interviews mit Leylas Familie und Freunden in der Türkei und in Deutschland schildert sie die bedrückende Stimmung,
die sich einstellt, als Leyla plötzlich als Bürgermeisterin abgesetzt werden soll und alsbald jedes Lebenszeichen von ihr
fehlt. Özarslans Doku macht betroffen, zeigt sie doch, dass sich seit Leylas Flucht aus der Türkei nichts geändert hat und
die Aufbruchsstimmung in Cizre letztlich wieder in Schutt und Asche gelegt wird.
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Montag, 12. Juni 2017 Der zweite Frühling Eine französische Komödie stand am Anfang meiner neuen Filmwoche MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE (1:1.85, 5.1) OT: Un Profil Pour Deux Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Frankreich, Deutschland, Belgien 2017 Regie: Stéphane Robelin Darsteller: Pierre Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette Kinostart: 22.06.2017
Seit seine über alles geliebte Frau vor zwei Jahren verstorben ist, hat der Rentner Pierre seine Wohnung nicht mehr
verlassen und droht zu verwahrlosen. Um ihn wieder an das Leben heranzuführen, verdonnert ihn seine Tochter dazu,
sich mit dem Internet zu beschäftigen. Alex, der Freund ihrer Tochter, ein Autor ohne Einkommen, soll Pierre in den
Umgang mit dem Netz einlernen. Steht Pierre anfangs der Sache noch extrem skeptisch gegenüber, findet er doch
alsbald Gefallen an Dating-Portalen und hat bald auch schon einen sehr intensiven Flirt mit einer jungen Frau am
Laufen. Als die sich auch noch mit ihm treffen will, braucht der Senior wieder die Hilfe seines Lehrers: Pierre hat sich
mit Alex‘ Foto im Portal angemeldet... Kein Geringerer als der große Blonde mit dem schwarzen Schuh, Pierre Richard,
schlüpft in die Rolle des Senior im Dating-Taumel. Sichtlich gealtert und mit weißer Haartracht füllt er die Rolle
hervorragend aus. Stéphane Robelins Film ist eine Variante des berühmten “Cyrano de Bergerac”, in dem ein
wortgewandter Mann mit abstoßendem Äußeren seiner heimlichen Liebe durch einen anderen, aber Gutaussehenden den
Hof macht. Zielsicher steuert die Komödie denn auch auf ihren Höhepunkt hin: Pierres Flamme kommt zu Besuch in der
Annahme, dass er der Großvater von Alex wäre. Das ist alles schön inszeniert und gut gespielt, mit viel Sinn für
Romantik und Humor. Allerdings fällt der Film nach seinem Höhepunkt etwas ab und man merkt deutlich, dass er
bereits seinen Zenit überschritten hat. Positiv fällt im Film die Musik von Vladimir Cosma auf, die fast untrennbar mit
Pierre Richard verbunden ist und dem Film ein Siebzigerjahre Flair verpasst. Mein Tipp für ein unverfängliches
Kino-Date.
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Samstag, 10. Juni 2017 Mumifiziert Universal hat sich nicht getraut, diesen Film der Stuttgarter Presse zu zeigen. Ich habe ihn “nachgesessen” und weiß jetzt warum DIE MUMIE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos, Barco Auro 11.1, DTS:X) OT: The Mummy Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2017 Regie: Alex Kurtzman Darsteller: Tom Cruise, Sofia Boutella, Annabelle Wallis, Russell Crowe Kinostart: 08.06.2017
Während eines Anti-Terror Einsatzes im Irak stoßen der Abenteurer Nick Morton und sein Freund Vail auf eine riesige
Höhle, die offenbar das Grab einer ägyptischen Prinzessin enthält. Was die beiden noch nicht wissen: Prinzessin
Ahmanet wurde vor 2000 Jahren bei lebendigem Leib mumifiziert, weil sie den Thronfolger ermordete. Und die Gute ist
alles andere als tot... Fast 20 Jahre sind vergangen, seit Stephen Sommers die Legende der Mumie auf die große
Leinwand zurückholte und die Zuschauer mit spektakulären visuellen Effekten sowie einem brillanten Score von Jerry
Goldsmith konfrontierte. Dieser sehr erfolgreiche Film hatte sodann auch gleich ein paar Sequels zur Folge. Was vor 20
Jahren so gut funktioniert hat, das tut es ganz bestimmt auch heute, müssen sich die Verantwortlichen bei Universal
gedacht haben, als sie dieses Reboot aus der Taufe gehoben haben. Immerhin: da die Emanzipation inzwischen weiter
vorangeschritten ist, darf die böse Mumie jetzt sogar eine Frau sein! Aber was nützt das, wenn man ihr einen
vollkommen uninspiriert agierenden Tom Cruise zur Seite stellt und das Drehbuch nicht viel mehr auf die Beine stellen
kann als mit Langeweile zu gruseln? In Abwandlung einer alten englischen Weisheit war “A Waste of Time and
Mummy” der erste Gedanke, als ich mich schlaftrunken aus dem Kinosaal hinaus bewegte. Mit den beiden Teilen der
UNFASSBAREN sowie STAR TREK: INTO DARKNESS kein Regie-Neuling, sonder einer der durchaus
inszenieren kann, ist Regisseur Alex Kurtzman hier wohl einem ganz miesen Drehbuch von Jon Spaihts und Christopher
McQuarrie auf den Leim gegangen. Leider ist zu befürchten, dass es trotzdem noch Fortsetzungen dieser Schlaftablette
von Film geben wird! Verwunderlich übrigens die deutsche Altersfreigabe, die diesen doch recht brutalen Langweiler
bereits ab 12 freigibt.
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Donnerstag, 08. Juni 2017 Die Liebe geht seltsame Wege Der heutige Tag bescherte mir ein mitreißendes Stück Kino! DIE GESCHICHTE DER LIEBE (1:2.35, 5.1) OT: The History Of Love Verleih: Prokino (24 Bilder) Land/Jahr: USA 2016 Regie: Radu Mihaileanu Darsteller: Gemma Arterton, Derek Jacobi, Sophie Nélisse, Elliott Gould, Alex Ozerov Kinostart: 20.07.2017
Ein kleines Dorf in Polen kurz vor dem Zweiten Weltkrieg: Leo und Alma sind füreinander bestimmt. Leo liebt seine
Alma so sehr, dass er für seine “meistgeliebte Frau der Welt” eine Liebesgeschichte schreibt. Durch die Wirren des
Krieges jedoch werden die Beiden getrennt, das Buch geht auf eine lange Reise. Schließlich fällt das Manuskript im
neuzeitlichen New York in die Hände eines Mädchens. Auch sie heisst Alma. Noch wissen die zwei nichts voneinander,
doch das Schicksal wird sie zusammenführen... Mit dem wunderbaren Film DAS KONZERT ist der rumänische
Regisseur Radu Mihaileanu bestens in Erinnerung geblieben. Jetzt hat er einen neuen Film gemacht, der diesem
emotional unter die Haut gehenden in nichts nachsteht. Wieder gelingt es Mihaileanu durch die nicht lineare
Erzählweise, die mehrere Zeitebenen bedient, die Aufmerksamkeit der Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute
auf sein Drama zu lenken. Damit fordert er sie zwar, doch man ist ihm dankbar für ein solches Geschenk. Mit
wunderbaren Kamerafahrten ist der Film auch optisch ein Genuss. Schon allein die grandiose Eröffnungssequenz, in der
er mit Formaten spielt, begeistert. Die sinfonische Filmmusik von Armand Amar nimmt einen breiten Raum im Film ein
und unterstützt die Bilder hervorragend. Auch besetzungstechnisch bleiben keine Wünsche offen. Derek Jacobi als Leo
und Elliott Gould als Bruno geben zwei herrlich streitbare “Grumpy Old Men” ab, deren Dialoge man am besten in der
englischen Originalfassung mit jiddischem Akzent genießen sollte! Trotz seiner Länge von 135 Minuten ist der Film
kein bisschen langweilig und verdient das Prädikat “Geheimtipp”.
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Dienstag, 06. Juni 2017 Aus dem Ruder gelaufen Die erste von nur zwei Pressevorführungen in dieser Woche dauerte gerade einmal 71 Minuten THE PARTY (1:2.35, 5.1) OT: The Party Verleih: Weltkino Land/Jahr: Großbritannien 2017 Regie: Sally Potter Darsteller: Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones, Emily Mortimer, Kristin Scott Thomas, Cillian Murphy, Timothy Spall Kinostart: 27.07.2017
Die ehrgeizige Politikerin Janet hat den Zenit ihrer Karriere erreicht: man hat sie zur Gesundheitsministerin im
Schattenkabinett ernannt. Um den Erfolg zu feiern, lädt sie enge Freunde und Mitstreiter zu einer Party in ihr Stadthaus
ein. Was anfangs noch harmonisch abläuft, ändert sich spontan, als ihr Ehemann mit einer schwerwiegenden Neuigkeit
herausplatzt... Nahtlos reiht sich Sally Potters Film ein in verfilmte Theaterstücke wie DER GOTT DES
GEMETZELS und DER VORNAME – nur, dass es sich bei Potters Film um keine Theatervorlage handelt, sondern
um ein Originaldrehbuch der Regisseurin. Trotz eingeengtem Raum im CinemaScope-Format und dazu noch in
Schwarzweiß realisiert, versammelt sie eine Riege exzellenter Darsteller, die in nur 71 Minuten Spielzeit Himmel und
Hölle in Bewegung setzen. Bissig, sarkastisch und humorvoll inszeniert sie diese Party, die komplett aus dem Ruder
läuft und so ziemlich jeden Teilnehmer demaskiert. Und am Ende gar gibt es sogar noch eine Leiche.
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Montag, 05. Juni 2017 Schwulsein in Berlin Eine Dokumentation aus der Konserve eröffnete die neue Pressewoche MEIN WUNDERBARES WEST-BERLIN (1:1.78, 5.1) Verleih: Salzgeber Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Jochen Hick Kinostart: 29.06.2017
Mit einer großen Menge an Archivmaterial sowie Interviews mit Zeitzeugen (darunter Prominente wie Rosa von
Praunheim und Romy Haag) blickt Filmemacher Jochen Hick auf die schwule Szene in West-Berlin von den 1960er
Jahren bis in die Gegenwart. Offen erzählen die sich jetzt zumeist im Rentenalter befindlichen Protagonisten über ihr
Coming Out und wie sie West-Berlin für sich entdeckten. In den teils amüsanten, aber durchaus auch tragischen
Geschichten wird deutlich, wie sich das Bild der Nicht-Hetereosexuellen im Laufe der Jahrzehnte in der Öffentlichkeit
verändert hat. Ob Friseur, Visagist, Filmemacher oder Kostümbildner – sie alle blicken zurück auf eine Zeit, in der
Homosexuelle noch im Untergrund leben mussten, versteckt von der Öffentlichkeit, bis hin zu einem gewissen Grad der
Enttabuisierung in den 1980er Jahren, die durch die Präsenz von AIDS ausgelöst wurde. Es ist erstaunlich, mit welcher
Offenheit Hicks Protagonisten von ihrem Leben, ihren Lieben und ihren Neigungen erzählen. Hier war ein Regisseur
ganz offensichtlich auf Augenhöhe mit seinen Interviewpartnern und hat es verstanden, die Menschen in den Mittelpunkt
zu rücken.
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Donnerstag, 01. Juni 2017 Französisches Doppel Drei Geschwister, die ein Weingut erben, und ein schwarzes Paar, das ein weißes Baby adoptiert – mein Film-Donnerstag DER WEIN UND DER WIND (1:2.35, 5.1) OT: Ce Qui Nous Lie Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Cédric Klapisch Darsteller: Pio Marmaï, Ana Girardot, François Civil Kinostart: 10.08.2017
Jean, einst im Streit von seinem Zuhause, dem Weingut seines Vaters, weggegangen, kehrt nach zehn Jahren wieder
zurück. Der Vater liegt im Sterben, die Mutter ist vor vier Jahren bereits gestorben. Seine Geschwister Juliette und
Jérémie bewirtschaften jetzt das Weingut. Die drei Geschwister, von denen jedes seine ganze eigenen Probleme hat,
müssen erst wieder zusammenfinden, bevor entschieden werden kann, was mit dem Weingut nach Vaters Tod gemacht
werden soll. Denn um die Erbschaftssteuer zu bezahlen, fehlt das Geld...VON TRAUBEN UND MENSCHEN nannte
sich ein Dokumentarfilm, der im vergangenen Jahr in die deutschen Kinos kam. Darin ging es um die Weinlese in
Frankreich und die Menschen, die sie machen. In gewisser Weise ist Cédric Klapischs Drama die Spielfilmversion
davon. Auch in seinem Film geht es um Wein, die Weinlese, die Winzer und die vielen Probleme, die dieser Beruf mit
sich bringt. In diesem Mikrokosmos erzählt Klapisch aber auch die Geschichte dreier Geschwister, die sich über die
Jahre verloren haben und sich jetzt wieder vorsichtig annähern. Er erzählt davon, wie sich die Kinder von den
(verstorbenen) Eltern und auch Schwiegereltern abnabeln und lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen und eigene
Entscheidungen zu treffen. Das wird alles verpackt in wunderschöne Bilder, die Kameramann Alexis Kavyrchine über
die volle Breite der CinemaScope-Bildwand und die immer wieder die Erinnerungen des “verlorenen Sohnes” Jean
visualisieren. DER WEIN UND DER WIND ist entschleunigtes Kino und sollte am besten bei einem guten Glas Wein
goutiert werden.
ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH (1:2.35, 5.1) OT: Il A Déjà Tes Yeux Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Frankreich 2016 Regie: Lucien Jean-Baptiste Darsteller: Lucien Jean-Baptiste, Aïssa Maïga, Vincent Elbaz Kinostart: 13.07.2017
Als ein afrikanisches Paar, das längst schon in die französische Gesellschaft integriert wurde, ein weißes Baby adoptiert,
bereitet ihnen die Frau vom Familienamt vorurteilsbedingt große Probleme... Mehr als jenen Running Gag, der die
Reaktionen in den Gesichtern der Menschen zeigt, wenn sie realisieren, dass ein farbiges Paar ein weißes Baby
adoptiert, hat der Film fast nicht zu bieten. Der Rest ist nur noch Standard, der in anderen Filmen (wie z.B.
MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER) bereits hinlänglich (und weitaus besser) ausgeschlachtet wurde.
Allerdings sollte man diese Komödie, die vom Hauptdarsteller sogar selbst inszeniert wurde, nicht komplett verdammen,
thematisiert sie doch letztendlich das äußerst wichtige Thema Toleranz – zwar ziemlich hochstilisiert, aber immerhin.
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