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Samstag, 29.07.2017 Am Vorabend eines Völkermordes Opulent ausgestattetes Liebesdrama stand heute auf dem Programm THE PROMISE – DIE ERINNERUNG BLEIBT (1:2.35, DD 5.1) OT: The Promise Verleih: Capelight Land/Jahr: USA 2016 Regie: Terry George Darsteller: Oscar Isaac, Charlotte Le Bon, Christian Bale Kinostart: 17.08.2017
1914. Der Apotheker Michael Boghosian verlässt sein armenisches Dorf, um in Konstantinopel Medizin zu studieren.
Um es finanzieren zu können, lässt er sich auf ein Eheversprechen ein, das ihm im Gegenzug viel Geld seitens des
zukünftigen Schwiegervaters einbringt. In Konstantinopel lernt Michael die schöne Ana kennen, ebenfalls eine
Armenierin, die sich als Künstlerin verdient und mit dem amerikanischen Journalisten Chris Myers liiert ist. Michael
und Ana verlieben sich ineinander. Doch am Horizont ziehen bereits dunkle Wolken auf: es ist der Vorabend des Ersten
Weltkrieges... Wie einst David Lean in DOKTOR SCHIWAGO, so erzählt auch Terry George in seinem Film von
einer Dreiecksgeschichte vor dem Hintergrund großer politischer Umwälzungen. Zusammen mit Kameramann Javier
Aguirresarobe inszeniert er sein Historiendrama über den Völkermord an den Armeniern vor atemberaubender Kulisse
äußerst imposant. Mit großer Musik (Gabriel Yared) unterlegt er die tragische Liebesgeschichte zwischen Michael und
Ana und schafft so großes Gefühlskino. Das funktioniert anfangs richtig gut, doch wird zum Ende hin leider etwas
übertrieben. Mit Oscar Isaac, Charlotte Le Bon und Christian Bale in den Hauptrollen hat George sein Liebesdreieck gut
besetzt. Dass sich der Film am Ende dann zu einem politischen Statement hinreissen lässt, in dem es heisst, dass sich die
türkische Regierung bis heute nicht zum Völkermord bekennt, will nicht so recht zur Liebesgeschichte passen und wirkt
damit leider etwas aufgesetzt.
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Freitag, 28. Juli 2017 Sie hält die Fäden in der Hand Heute zeigte uns eine Blondine, was ein Bond nicht (mehr) kann ATOMIC BLONDE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos, Auro 11.1) OT: Atomic Blonde Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2017 Regie: David Leitch Darsteller: Charlize Theron, James McAvoy, Sofia Boutella, Bill Skarsgård, John Goodman, Toby Jones, Eddie Marsan, Daniel Bernhardt, James Faulkner, Johannes Haukur Johannesson, Til Schweiger Kinostart: 24.08.2017
Berlin kurz vor dem Mauerfall. MI6-Agentin Lorraine Broughton soll eine brisante Liste sicherstellen, die in die Hände
der Russen gefallen ist. Die große Blonde mit dem sinnlichen Äußeren geht frisch ans Werk, steckt viel ein und teilt
noch mehr aus! - David Leitchs Kinoadaption der Graphic Novel von Antony Johnston und Sam Hart gehört definitiv
zur Gattung “Style over Substance”, also jener Art von Filmen, denen es mehr auf das “Wie” als auf das “Warum”
ankommt. Es wundert also nicht, dass sich der Plot als recht dünn (und dazu relativ unglaubwürdig) erweist. Aber das ist
hier auch gar nicht wichtig. Hier geht es um die Machart. Und die ist verdammt cool! Das fängt schon damit an, dass
man gleich zu Beginn sämtliche Blessuren auf Lorraines nacktem Körper bestaunen darf, die sie sich im Verlauf des
Films holen wird. Wenn ihr Körper in ihrer Wohnung mit Blick auf den Big Ben genüsslich in eine Badewanne voller
Eiswürfel eintaucht und David Bowie auf der Tonspur zu “Putting Out The Fire” aus dem Film CAT PEOPLE
anstimmt (ja, auch Tarantino verwendete diesen Song in INGLORIOUS BASTERDS!), legt das den visuellen und
akustischen Stil fest, mit dem Leitchs Film die nächsten 115 Minuten vortrefflich unterhalten wird. Charlize Theron als
die blonde Top-Agentin hält dabei zu jeder Sekunde die Fäden fest in der Hand, auch wenn das anfänglich noch nicht
ganz zu durchschauen ist. Und sie schlägt sich dazu besser als jeder James Bond! Dass Lorraine zudem nicht auf eine
einzige Geschlechterrolle fixiert ist, sondern sich als bisexuell outet, passt natürlich wie die Faust aufs Auge zu einem
Film, in dem es um Doppel- oder gar Triple-Agenten geht! Ihre Sexszene mit Partnerin Sofia Boutella dürfte zum
Erotischten gehören, was in letzter Zeit über Kinoleinwände flimmerte. Auch da kann ein Bond nicht mithalten. Das
alles wird auf der Tonspur von treibenden Technorhtyhmen unterlegt und mit fetzigen Songs als perfektes Zeitkolorit
ausgeschmückt. Der Film dürfte insbesondere in der Dolby Atmos Fassung ein Ohrenschmaus sein (die
Pressevorführung wurde uns leider nur in der abgespeckten 7.1 Variante gezeigt). Eine kleine Warnung an zart
Besaitete: der Film ist ziemlich gewalttätig. Die vorhin erwähnten Blessuren haben ja schließlich ihre Ursache. Aber
dennoch machen die toll choreographierten Fights, von exzellenter Kameraarbeit eingefangen, einfach Spaß.
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Donnerstag, 27. Juli 2017 Dreh Dich nicht um... ...der Golem geht um – zumindest in der heutigen Pressevorführung. THE LIMEHOUSE GOLEM – DAS MONSTER VON LONDON (1:2.35, 5.1) OT: The Limehouse Golem Verleih: Concorde Land/Jahr: Großbritannien 2016 Regie: Juan Carlos Medina Darsteller: Bill Nighy, Olivia Cooke, Douglas Booth Kinostart: 31.08.2017
Scotland Yard Inspektor John Kildare soll eine Reihe grausiger Morde in London aufklären, die dem “Limehouse
Golem”, ein der Phantasie der Bevölkerung entsprungenem Ungeheuer, zur Last gelegt werden. Als die Schauspielerin
Lizzie Cree unter dem Verdacht festgenommen wird, ihren Gatten vergiftet zu haben und dieser alsbald bei Kildares
Ermittlungen zu den Verdächtigen gehört, beginnt ein gnadenloser Wettkampf mit der Zeit. Wird es Kildare gelingen,
die Wahrheit zu lüften noch bevor Lizzie am Galgen hängt? - Atmosphärisch dicht erzählt Juan Carlos Medina seine
Serienkiller-Geschichte vom Kaliber eines Jack the Rippers gleich auf mehreren Zeitebenen. Dunkle Gassen, die nur
ganz wenig vom Gaslicht erleuchtet sind, spielen darin ebenso eine Rolle wie die minimal ausgeleuchteten Wohnungen,
die zum Schauplatz grausamer Ritualmorde werden. Der exzellenten Kameraarbeit von Simon Dennis ist es zu
verdanken, dass gerade jene grausamen Morde nicht explizit gezeigt werden und sich die Kamera nicht in Blutfontänen
suhlt, sondern das Ganze oft ziemlich dezent abläuft und nur durch Sound Design und Musikeinsatz ihre abstoßende
Wirkung erhält. Bis in Nebenrollen hinein hat Medina seinen Film hervorragend besetzt. Bill Nighy mimt den
ermittelnden Inspektor von Scotland Yard, der quasi als Bauernopfer ins Renen geschickt wird, gewohnt souverän.
Olivia Cooke gibt die rätselhafte Lizzie Cree, von deren Unschuld der Inspektor überzeugt ist. Und Eddie Marsan
schlüpft (kaum zu erkennen) in die Rolle des Theaterdirektors, der ein dunkles Geheimnis birgt. Besonderes
Schmankerl: sogar der alte Karl Marx gehört zu den Hauptverdächtigen! Ein ausgeklügeltes “Whodonit” als “Period
Piece” verpackt, das auch Genre-Fans gefallen dürfte.
ALIBI.COM (1:1.85, 5.1) OT: Alibi.com Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Philippe Lacheau Darsteller: Philippe Lacheau, Elodie Fontan, Julien Arruti Kinostart: 03.08.2017
Greg und sein Partner Augustin leiten ein florierendes Unternehmen: Alibi.com, das seinen Klienten in allen
Lebenslagen Alibis beschafft - vornehmlich Männern, die gerne Seitensprünge machen! Als Greg die attraktive Florence
kennenlernt und sich in sie verliebt, tut er alles, damit sie nichts von seinem Gewerbe erfährt. Denn die Schöne
verabscheut insbesondere Männer, die lügen. Damit aber setzt der Jungunternehmer ein Räderwerk in Gang, das bald
schon zu eskalieren droht... Schon wieder eine Komödie aus Frankreich! Aber leider eine am unteren Ende der Skala.
Lachen kann man hier nur gelegentlich, insbesondere wenn Haustiere nicht politisch korrekt behandelt werden. Doch die
überwiegende Zeit versprüht diese Möchtegern-Screwball-Komödie extreme Langeweile und man wird den Eindruck
nicht los, dass ihren Machern noch während des Drehs Tausende von neuen Ideen kamen. Der Film wirkt ziemlich
inhomogen und komplett überladen und schlägt gerne unter die Gürtellinie. Wer’s mag...
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Mittwoch, 26. Juli 2017 Sieben Schwestern Heute kamen Noomi Rapace Fans voll auf ihre Kosten – gleich sieben Rollen spielt sie im neuen Film WHAT HAPPENED TO MONDAY (1:2.35, 5.1) OT: Seven Sisters Verleih: Splendid Land/Jahr: Großbritannien 2017 Regie: Tommy Wirkola Darsteller: Noomi Rapace, Glenn Close, Willem Dafoe Kinostart: 12.10.2017
In einer nahen Zukunft. Um das Überbevölkerungsproblem in den Griff zu bekommen, gilt die streng überwachte
Ein-Kind-Politik. Da jedoch gleichzeitig genmanipulierten Lebensmittel zu einem radikalen Anstieg von
Mehrlingsgeburten führten, werden die “überschüssigen” Geschwister vom Kinder-Zuteilungsbüro eingefroren.
Aufgrund dieser Umstände leben die sieben Settman-Schwestern versteckt in einer großen Wohnung, vom Großvater
nach den sieben Tagen der Woche benannt und heimlich betreut. Jede von ihnen darf nur an einem Tag in der Woche
nach draußen und spielt stets dieselbe Rolle: Karen Settman. So soll das Überleben aller sieben Geschwister ermöglicht
werden. Doch eines Tages kehrt Monday nicht mehr zurück... Seit er seine kongenialen Zombie-Komödien DEAD
SNOW und DEAD SNOW 2 in die Kinos brachte, geht man bereits mit ganz bestimmten Erwartungen in einen Film
von Tommy Wirkola. So passiert es natürlich sehr leicht, dass man unter Umständen enttäuscht wird, weil einfach die
Erwartungen viel zu hoch angesetzt wurden. So passiert in seinem neuen Film, in dem er die attraktive Noomi Rapace
dank digitaler Technik gleich in sieben Rollen besetzt! WHAT HAPPENED TO MONDAY ist keine schwarze
Komödie mehr, sondern eine ernste Dystopie, die sich thematisch noch am ehesten mit dem grandiosen GATTACA
vergleichen lässt. Allerdings vertieft Wirkola den guten Ansatz nicht sonderlich, sondern konzentriert sich auf Thrill und
Action, die daraus resultieren. Das ist ein wenig schade, macht dies den Film dadurch leider etwas beliebig. Die vielen
kleineren Fehler, die sich in die Inszenierung einschleichen, verdeutlichen die Absicht, hier einen reinen SciFi-Thriller
ohne nachhaltige Wirkung abliefern zu wollen. Hätte jemand Anderer als Wirkola diesen Film realisiert, so hätte man
vermutlich gar nicht erst darüber nachgedacht. Vielleicht ist Tommy Wirkola einfach noch nicht reif für einen ernsten
Film.
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Dienstag, 25. Juli 2017 Alles Glück dieser Erde... ...liegt auf dem Rücken der Pferde. Ostwind bekommt Konkurrenz ROCK MY HEART (1:2.35, 5.1) Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Hanno Olderdissen Darsteller: Anna Lena Klenke, Dieter Hallervorden, Milan Peschel Kinostart: 28.09.2017
Die 17jährige Janna lebt seit ihrer Geburt mit einem Herzfehler. Ops hat sie schon hinter sich, einer weiteren verweigert
sie sich. Stattdessen lebt sie lieber so, als wäre jeder Herzschlag ihr letzter und versucht, das Leben voll auszukosten,
auch wenn es manchmal fast ins Auge geht. Alles ändert sich, als sie dem Vollbluthengst “Rock My Heart” begegnet,
der großes Zutrauen zu ihr fasst – im Gegensatz zu seinem Herrn Paul Brenner, der den Hengst kaum bändigen kann.
Ausgerechnet von ihm hängt Brenners weiteres Schicksal ab. Denn gewinnt “Rock My Heart” ein wichtiges
Galopprennen, könnte der alte Paul seine Schulden tilgen und seinen Reitstall behalten. Da hat Paul die zündende Idee:
er überredet Jana, “Rock My Heart” beim Rennen zu reiten. Jana willigt ein, verschweigt ihm aber ihre Krankheit...
Damit auf deutschen Leinwänden nicht immer nur Ostwind gen Sonnenuntergang reitet, gibt es jetzt auch noch Rock My
Heart. Auch auf seinem Rücken liegt das ganze Glück der Erde. Und das sprichwörtlich: wenn sich Anna Lena Klenke
auf den Rücken ihres Pferdes legt, dann scheint die Welt in Ordnung. Hanno Olderdissens Film läuft zwar nach
bewährtem Muster ab, doch gelingt es seinem Film wesentlich besser als OSTWIND, den Zuschauer zu vereinnahmen.
Nicht nur ist seine Geschichte weitaus dramatischer als jene im neuen OSTWIND-Film, auch seine Hauptdarstellerin
kann besser spielen. Es ist erstaunlich, welche Ausdruckskraft Nachwuchstalent Anna Klenke bereits an den Tag legen
kann. Gute Figur macht auch Dieter Hallervorden in der Rolle des Rennstallbesitzers Paul Brenner – wieder eine
dramatische Rolle, die dem ausgedienten Komiker gut zu Gesicht steht. Künstlich dagegen wirkt leider Anneke Kim
Sarnau als Pauls Tochter Sabine. Sie erweist sich nicht als ein authentischer Charakter, sondern als eine Drehbuchfigur.
Filmmusikalisch bietet ROCK MY HEART dem anderen Pferdefilm die Stirn. Die eingesetzten Songs vertiefen die
Gefühle, die auf der Leinwand dargestellt werden und der Score (Komponist: Tobias Wagner) triumphiert vor allem
beim großen Pferderennen gegen Ende des Films. ROCK MY HEART richtet sich vor allem an junge Mädchen, bei
denen der Film gut ankommen wird.
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Montag, 24. Juli 2017 Schöne neue Welt Der Auftakt der Pressewoche brachte uns dem gläsernen Bürger ein Stück näher THE CIRCLE (1:2.35, 5.1) OT: The Circle Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: USA, Vereinigte Arabische Emirate 2017 Regie: James Ponsoldt Darsteller: Tom Hanks, Emma Watson, Bill Paxton Kinostart: 07.09.2017
Mae Holland ist überglücklich: ihre beste Freundin hat ihr ein Vorstellungsgespräch bei der angesagtesten Firma auf der
ganzen Welt, “The Circle”, beschafft. Und das Beste: sie wird tatsächlich als Kundenbetreuerin angeheuert. Geblendet
von der Hochglanzfassade der Internetfirma, stellt die 24jährige nichts davon in Frage. Im Gegenteil: als sie vom
Firmengründer Eamon Bailey für ein bahnbrechendes Experiment vorgeschlagen wird, willigt sie ein. Was sich anfangs
noch als wahnsinnig “hipp” darstellt, gerät jedoch immer mehr zu einem Alptraun... Dave Eggers veröffentlichte seinen
Roman, auf dem der Film basiert, im Jahre 2013. Hätte man das Buch damals direkt verfilmt, hätte es vermutlich eine
wesentlich stärkere Wirkung gehabt als jetzt. Denn schaut man sich James Ponsoldts Film an, muss man feststellen, dass
die Realität die Fiktion inzwischen weitestgehend eingeholt hat. Damit mutet Ponsoldts Verfilmung als viel zu spät an.
Mit Konzernen wie Facebook und Google, die gerade in den letzten Jahren intensiv darum bemüht sind, den gläsernen
Bürger zu kreieren, ist THE CIRCLE fast schon traurige Wirklichkeit. Und genau da setzt das Hauptproblem des Films
an: er ist nicht spannend, weil wir alle schon wissen, was möglich ist und auch, was als nächstes passieren wird. Ein
weiteres Problem ist Emma Watson in der Rolle der Mae Holland: man nimmt ihr den fulminanten Aufstieg in der
Hierachie des Circle einfach nicht ab. Zu guter Letzt entlässt uns der Film dann auch noch mit einer Lösung, die man so
einfach nicht akzeptieren kann, da sie viel zu banal ist. Was an der Verfilmung zweifellos gefällt, ist das
Produktionsdesign, das die “coole” Welt im Inneren des Circle als paradiesisch darstellt. Nur wer genau hinsieht,
bemerkt, dass die dort arbeitenden Menschen nur virtuelle Beziehungen unterhalten – ein furchtbares Phänomen, mit
dem wir jetzt bereits leben. Danny Elfmans Filmmusik mit Anklängen an Philip Glass unterstreicht die Wirkung dieser
schönen neuen Welt, von der sich speziell junge Menschen beeindrucken lassen, ohne sie je in Frage zu stellen. Als
Pluspunkt fungiert auch Tom Hanks in der Rolle des charismatischen Eamon Bailey, einem echten Seelenfänger, den
Hanks wie kein zweiter spielt.
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Donnerstag, 20. Juli 2017 Bergauf Pressetechnisch war heute schon wieder Wochenende AMELIE RENNT (1:2.35, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland, Italien 2017 Regie: Tobias Wiemann Darsteller: Mia Kasalo, Samuel Girardi, Susanne Bormann, Denis Moschitto, Jasmin Tabatabai, Jerry Hoffmann Kinostart: 21.09.2017
Sie ist erst 13, aber hasst das Leben: Amelie leidet schon immer unter Asthma. Etwas dagegen zu tun kommt für sie gar
nicht erst in Frage. Sie will sich von niemandem etwas sagen lassen – am wenigsten von ihren Eltern. Doch als Amelie
ein weiteres Mal einen fast tödlichen Asthmanfall hat, wird sie von ihren Eltern in eine Spezialklinik nach Südtirol
gebracht. Aber auch dort behält die kleine Göre ihren eigenen Kopf und macht sich heimlich aus dem Staub. Während
alle aufgeregt nach ihr suchen, besteigt sie mit ihrem Zufallsgefährten, dem 15jährigen Bart, den höchsten Berg in der
Gegend... Kameramann Martin Schlecht liefert die eindrucksvollen CinemaScope-Bilder der Südtiroler Bergwelt, die
Tobias Wiemanns Film zu einem Augenschmaus machen. Mit ihrer Filmmusik unterstreichen die Komponisten Tobias
Kuhn und Markus Perner nicht nur die prächtigen Bergpanoramen, sondern auch die Gefühlslage der kleinen Amelie.
Der beschwerliche Weg hinauf auf den Gipfel wird ihr am Ende nicht nur eine völlig neue Sicht auf das Leben geben,
sondern ihr gleichzeitig auch einen treuen Freund bescheren. Mia Kasalo und Samuel Girardi spielen die Teenager, die
gemeinsam den Berg erobern. Leider sind ihre Dialoge oft ziemlich vernuschelt, so dass man nicht alles versteht, was
die beiden sagen. Das ist zwar ein bisschen schade, aber tut dem überaus positiven Eindruck dieses Jugendfilms keinen
Abbruch. Für Spannung, Humor und kleine Lebensweisheiten wird hier bestens gesorgt.
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Dienstag, 18. Juli 2017 Schwangeres Duo und geteiltes Indien Der zweite Film machte den ersten heute wieder wett WIE DIE MUTTER, SO DIE TOCHTER (1:2.35, 5.1) OT: Telle Mère, Telle Fille Verleih: Prokino (24 Bilder) Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Noémie Saglio Darsteller: Juliette Binoche, Camille Cottin, Lambert Wilson Kinostart: 14.09.2017
Seit Mado von ihrem Mann geschieden ist, durchlebt sie eine zweite Pubertät – sie verhält sich wie ein Teenager. Das
geht ihrer 30jährigen Tochter Avril gehörig auf die Nerven, zumal sich Mama bei ihr und ihrem Freund Louis in der
Wohnung eingenistet hat. Doch alles soll nun anders werden. So hofft das zumindest Avril, als sie im familiären Kreis
die frohe Botschaft verkündet, dass sie schwanger ist. Keine Frage also, dass Mama ausquartiert werden soll. Die aber
macht Avril einen gehörigen Strich durch die Rechnung, als sie selbst schwanger wird – von ihrem Ex! - Was ist nur los
mit den französischen Komödien, die derzeit massenweise in die deutschen Kinos strömen? Da ist leider in den
wenigsten Fällen ein neuer MONSIEUR CLAUDE oder sind gar neue SCH’TIS zu entdecken. So wie in Noémie
Saglios Komödie, die thematisch verwandt ist mit Nadège Loiseaus DAS UNERWARTETE GLÜCK DER FAMILIE
PAYAN, in der ebenfalls um eine reife Frau geht, die ungewollte schwanger wird. WIE DIE MUTTER, SO DIE
TOCHTER kommt quasi kaum über die nette Grundidee des Films hinaus. Und was da um diese Idee herum so
entwickelt wird, wirkt ziemlich albern. Juliette Binoche als Mutter mit Teenagerallüren trägt den Film auch nur bedingt.
DER STERN VON INDIEN (1:2.35, DD 5.1) OT: Viceroy’s House Verleih: Tobis Land/Jahr: Großbritannien 2017 Regie: Gurinder Chadha Darsteller: Hugh Bonneville, Gillian Anderson, Michael Gambon, Manish Dayal, Sir Simon Callow, Om Puri, Lily Travers, Huma Qureshi, Marcus Jean Pirae, Simon Williams, Sarah-Jane Dias Kinostart: 10.08.2017
Delhi 1947. Lord Mountbatten kommt mit seiner Familie nach Indien, um im Auftrag der britischen Regierung den
Rückzug des Empires vom indischen Kontinent abzuwickeln und das Land in die Unabhängigkeit zu führen. Der Hindu
Jeet wird zum persönlichen Diener Mountbattens in den Palast gerufen. Dort trifft er zufällig seine große Liebe Aalia
wieder, eine Muslima, die inzwischen einem Anderen versprochen wurde. Als Mountbatten die Teilung Indiens in
Indien und Pakistan verkündet, kommt es zu schweren Unruhen, während der sich die Liebenden aus den Augen
verlieren... Mit Filmen wie KICK IT LIKE BECKHAM und LIEBE LIEBER INDISCH hat sich Gurinder Chadha
bereits einen Namen gemacht für witzige Filmstoffe mit indischem Flair. Mit DER STERN VON INDIEN bleibt sie
zwar dem Heimatland ihrer Vorfahren treu, doch realisierte sie damit einen äußerst dramatischen Stoff. Vor dem
Hintergrund des in die Geschichte eingegangenen “Mountbatten-Plans”, mit dem sich die britische Besatzungsmacht aus
Indien zurückzog und gleichzeitig das Land in zwei unabhängige Staaten, nämlich Indien und Pakistan, teilte, erzählt sie
eine Liebesgeschichte zwischen einem Hindu und einer Muslima. So vermittelt die Regisseurin dem Zuschauer hautnah,
was die Entzweiung des Landes für jeden einzelnen Menschen darin bedeutete. In gewisser Weise ist es auch die
Geschichte ihrer Großmutter, der ein ähnliches Schicksal widerfuhr wie dem muslimischen Mädchen in ihrem Film. Wie
es sich für einen historischen Stoff in einem exotischen Land gehört, liefert Kameramann Ben Smithard opulente Bilder,
die zwar an das typische Bollywood-Kino angelehnt sind, aber nie in Kitsch ausarten. A.R. Rahman, der John Williams
der indischen Filmmusik, komponierte den Score, der die Bilder auf der Tonspur perfekt unterstützt. Chadhas Film ist
spannender und zugleich ergreifender Geschichtsunterricht in der Tradition eines David Lean – natürlich eine Nummer
kleiner.
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Freitag, 14. Juli 2017 Mädchen mit Pferden Heute bließ mir mal wieder Ostwind ins Gesicht... OSTWIND – AUFBRUCH NACH ORA (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Katja von Garnier Darsteller: Hanna Binke, Lea van Acken, Amber Bongard, Marvin Linke, Nicolette Krebitz, Thomas Sarbacher, Martin Feifel, Tilo Prückner, Jannis Niewöhner, Cornelia Froboess Kinostart: 27.07.2017
Ein immer wiederkehrender Traum veranlasst Mika, zusammen mit ihrem Pferd Ostwind nach Andalusien zu reisen, um
die geheimnisvolle Stätte “Ora” zu finden, die in irgendeiner Weise mit Ostwind verbunden zu sein scheint. Auf ihrer
Suche lernt sie die forsche Samantha und ihren Vater kennen und gerät in einem Familienstreit zwischen die Fronten.
Und alles hat mit den Wildpferden zu tun, die immer wieder in dieser Gegend gesehen werden... Alles Glück dieser Erde
liegt auf dem Rücken der Pferde – auch noch im dritten Teil der OSTWIND Saga. Katja von Garnier, die auch die
ersten beiden Teile inszenierte, weiß genau, auf welche Bilder ihre Zielgruppe steht: da reitet Mika auf Ihrem Pferd
Ostwind in Slow Motion durch die Landschaft, getragen von Annette Focks wunderschöner Musik. Da schmilzt jedes
Mädchenherz dahin – garantiert! Apropos Musik. Im Gegensatz zum ersten Teil der Reihe, der fast ausschließlich mit
der Orchestermusik von Annette Focks unterlegt war, dominieren jetzt Songs die Tonspur des Films. Gerade so, als
gelte es, den Soundtrack zum Film verkaufen zu müssen. Das ist irgendwie ein bisschen schade. Immerhin passen die
Songs aber zu Mikas Gefühlslage. Gespielt wird die junge Pferdenärrin wieder von Hanna Binke, die früher mit
Nachnamen Höppner hieß. Leider muss man ihr eine gewisse Emotionslosigkeit nachsagen. Da ist Nachwuchstalent Lea
van Acken ganz anders drauf. Die Rolle der burschikosen Samantha spielt sie sehr überzeugend. Was die Handlung
angeht: die trägt zwar märchenhafte Züge, doch dürfte sie damit bei der Zielgruppe richtig liegen.
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Donnerstag, 13. Juli 2017 Politisch nicht korrekt Ein Kinderfilm mit fragwürdiger Botschaft ließ mich heute meine Stirn runzeln MAX – AGENT AUF VIER PFOTEN (1:1.85, 5.1) OT: Max 2: White House Hero Verleih: Kinostar Land/Jahr: USA 2017 Regie: Brian Levant Darsteller: Zane Austin, Francesca Capaldi, Lochlyn Munro Kinostart: 27.07.2017
Weil der russische Präsident zum Staatsbesuch ins Weiße Haus kommt, wird Militärhund Max eingesetzt, um die
Sicherheit zu erhöhen. Von Stund an schließen TJ, der kleine Sohn des amerikanischen Präsidenten, und Max
Freundschaft. Die Dritte im Bunde ist Alex, die kleine Tochter des russischen Präsidenten. Gemeinsam kommt das Trio
einem Verbrecher auf die Spur, der offenbar einen Anschlag vorbereitet. Weil die Erwachsenen ihnen nicht glauben
wollen, beschließen TJ und Alex, gemeinsam mit Max dem Übeltäter das Handwerk zu legen... Es ist schon
erschreckend, mit welchen Methoden vornehmlich amerikanischen Kindern (oder sollen wir besser gleich sagen:
westlichen Kindern) vermittelt wird, wer Freund und wer Feind ist. Zumindest als Erwachsener fühlt man sich hier
gleich wieder in die Zeit des Kalten Krieges zurückversetzt. Und wenn sich dann am Ende auch noch ein als Amerikaner
getarnter Russe als der Böse entpuppt, dann rückt Brian Levant mit seinem Kinderfilm gleich wieder das Feindbild
zurecht, das die unbedarften Kleinen verinnerlichen werden. Insofern hat Levants Film, der als Fortsetzung des 2015 in
die Kinos gekommenen Films MAX – BESTER FREUND. HELD. RETTER dient, alles andere als pädagogisch
wertvoll. Alleine schon die Tatsache, dass der russische Präsident von Anfang an als Karikatur angelegt wird,
wohingegen der US-Präsident selbstverständlich ganz normal erscheint, ist mehr als fragwürdig. Passend zu dem
gesamten Dilemma versagt dann auch noch die deutsche Synchronisation in zumindest einer Szene des Films: da sieht
man den kleinen Sohn des amerikanischen Präsidenten vor einer Hütte lauernd, in der sich der russische Koch befindet
und Selbstgespräche führt – in verständlichem Deutsch. Der Junge zückt sein Tablet und lässt das Gesagte mittels einer
App in eine ihm verständliche Sprache übersetzen – in Deutsch. Aber warum sich mit solchen Kleinigkeiten aufhalten,
wenn schon das Gesamtkonzept nicht stimmt. Wenn Max die Hilferufe seines Herrchen vernimmt und in seinem Käfig
wild umherspringt, dann sieht das nicht nach fulminanter Action aus, sondern riecht ziemlich nach Tierquälerei! Was in
Brian Levants Film extrem aufgesetzt und erzwungen wirkt, kam beispielsweise in Serien wie LASSIE sehr viel
natürlicher herüber. Klares Urteil bei diesem Film: ich rate dringend davon ab!
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Mittwoch, 12. Juli 2017 Die Mischung macht‘s! Mit einem furiosen Action-Feuerwerk verbrachte ich meinen Vormittag VALERIAN – DIE STADT DER TAUSEN PLANETEN (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos, DTS:X) OT: Valerian And The City Of A Thousand Planets Verleih: Universum Film (Walt Disney) Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Luc Besson Darsteller: Dane DeHaan, Cara Delevingne, Clive Owen, Kris Wu, Mathieu Kassovitz Kinostart: 20.07.2017
Man schreibt das 28. Jahrhundert. Im Auftrag ihres Kommandanten reisen die Spezialagenten Valerian und Laureline
zur intergalaktischen Mega-Metropole Alpha, der Heimat von 17 Millionen Einwohnern aus Tausenden verschiedener
Spezies. Die Beiden sollen dort einer geheimnisvollen Bedrohung auf den Grund gehen, die in der Mitte der Stadt
erwächst. Eine gefährliche Mission, die den Draufgänger Valerian allerdings nicht daran hindert, seiner attraktiven
Partnerin Laureline schöne Augen zu machen. Die aber zeigt ihm bislang nur die kalte Schulter. Bislang... Es ist
eigentlich bezeichnend, dass aus der Comic-Vorlage “Valerian & Laureline” schlicht “Valerian” wird und damit keine
Nennung von Laureline im Titel trägt. Dabei ist es doch gerade diese weibliche Figur, die eigentlich den ganzen Laden
schmeisst! Mit einer Powerfrau als Protagonistin ist Frankreichs Kultregisseur Luc Besson mal wieder voll in seinem
Element. Klar kennt man sämtliche Zutaten dieses Sci-Fi-Fantasy-Epos, das von STAR WARS über AVATAR bis hin
zu HARRY POTTER reicht – doch die Mischung macht’s! Auch wenn der Film mit 137 Minuten ein bisschen zu lang
anmutet, unterhält er einfach nur prächtig. Sei es mit dem ständigen Schlagabtausch zwischen Valerian und Laureline
oder mit der grandiosen Action oder den innovativen visuellen Effekten. Besson demonstriert perfekt, dass sich visuell
bombastisches Kino und eine gute Geschichte mit interessanten Charakteren nicht ausschließen und dass so etwas sogar
in Europa realisiert werden kann. Zwar unter Zuhilfenahme führender amerikanischer und neuseeländischer VFX
Studios, aber als eigenständiges europäisches Produkt. Der Film dürfte insbesondere Zuschauer im Alter zwischen 12
und 25 Jahren ansprechen, aber selbst mich in meinem vorgerückten Alter hat der Film angesprochen. Alexandre
Desplat liefert die passende Musik zum Spektakel, die sich dank Dolby Atmos akustisch besonders schön ausbreitet.
Wer genau hinhört, wird bestimmt erkennen, welche Musikstücke Besson als Temp Track eingesetzt hat. Da waren
Anklänge an JURASSIC PARK ebenso zu vernehmen wie Elemente aus den STAR WARS Filmen (allesamt aus der
Feder von John Williams übrigens). Fazit: fulminante Kinounterhaltung für Junge und jung Gebliebene.
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Dienstag, 11. Juli 2017 Gestrandet Ein Dokumentarfilm stand heute auf dem Programm ALS PAUL ÜBER DAS MEER KAM – TAGEBUCH EINER BEGEGNUNG (1:1.85, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Jakob Preuss Kinostart: 31.08.2017
Eigentlich weiß man gar nicht mehr, ob das Filmteam Paul oder Paul das Filmteam gefunden hat. Letztendlich spielt es
auch gar keine Rolle mehr in Jakob Preuss‘ berührendem und im Laufe der Zeit immer persönlicher werdenden
Dokumentarfilm über einen Afrikaner, der der Armut wegen aus seinem Land flieht und sein Glück in Europa versuchen
will. Diese Flucht ist freilich alles andere als trivial. So lernen wir den sympathischen Paul in einem wilden Camp an der
Küste Marokkos kennen, einem Sammelbecken für Menschen aus allen Teilen Afrikas, die ins gelobte Land nach
Spanien übersetzen wollen. Dafür braucht es Schleuser mit Booten, denn sonst landet man automatisch auf der falschen
Seite jenes überdimensionalen Grenzzauns, der Europa gen Süden abschottet. In seinem Film dokumentiert Preuss alle
Stationen des jungen Schwarzen aus Kamerun, bis er irgendwann tatsächlich in Spanien aufschlägt – nach grauenvoller
Überfahrt. Gibt sich der Film anfangs noch ziemlich distanziert, so wird er jedoch immer persönlicher. Preuss stellt sich
die Frage, inwiefern er als Filmemacher überhaupt eingreifen darf oder soll. Wenn Pauls Schicksal nicht einmal den
Zuschauer im Kino kalt lässt, wie ergeht es da erst recht dem dokumentierenden Filmemacher! So wird Preuss letzten
Endes Pauls Helfer und führt exemplarisch vor, wie man Flüchtlingen tatsächlich begegnen sollte. Denn die müssen
nicht nur Sprachbarrieren überwinden, sondern auch gesellschaftliche und kulturelle. Ob man es glaubt oder nicht: in
Eisenhüttenstadt, jener Stadt, der Paul als Asylsuchender zugeteilt wird, droht der ganze Asylprozess an einem einzigen
Euro zu scheitern. Kein anderes Bild könnte Pauls Kampf mit der deutschen Asylbürokratie deutlicher demonstrieren.
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Montag, 10. Juli 2017 Wo nur Leistung zählt Eine düstere Dystopie eröffnete die neue Pressewoche JUGEND OHNE GOTT (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Alain Gsponer Darsteller: Fahri Yardim, Jannis Niewöhner, Alicia von Rittberg, Anna Maria Mühe, Emilia Schüle, Jannik Schümann, Rainer Bock Kinostart: 31.08.2017
Die Gesellschaftsordnung in einer nahen Zukunft teilt die Menschen in Gewinner und Verlierer ein. Will man nicht zu
den Verlierern gehören, die ausnahmslos niedere Tätigkeiten verrichten, muss man dafür bereits in der Jugend die
Weichen stellen und sich um ein Stipendium an der Rowald Universität bemühen. Diese veranstaltet einmal im Jahr eine
Art “Boot Camp”, in dem sich die besten Schüler miteinander messen müssen. Zack ist einer der Schüler. Nadesh wirft
gleich ein Auge auf den introvertierten Tagebuchschreiber, muss aber schon bald feststellen, dass der viel mehr an
einem geheimnisvollen Mädchen interessiert ist, das als sogenannte Illegale in den Wäldern lebt. Als plötzlich Zachs
Tagebuch verschwindet, überstürzen sich die Ereignisse und ein Mord geschieht... Frei basierend auf dem
gleichnamigen Roman von Ödön von Horvath aus dem Jahre 1937, entwirft Alain Gsponer eine düstere Zukunftsvision,
in der die Menschen in nutzbringend und leistungsschwach eingeteilt werden. Gefühle werden weitestgehend eliminiert,
die Menschen überwacht. Nach außen hin eine ideale Welt, nach innen jedoch alles andere als ideal. Mit seinem
Kameramann Frank Lamm packt Gsponer die in vier Versionen erzählte Geschichte in packende CinemaScope-Bilder
und formt seinen Film damit für die große Bildwand. Allerdings nutzt sich die Idee der unterschiedlichen Perspektiven
irgendwann ab und man wünscht sich das Ende herbei. Die Besetzung des Films liest sich wie ein Who is Who der
angesagtesten Jungstars des deutschen Films. Trotzdem gelingt es Jannis Niewöhner als Zack und Emilia Schüle als Ewa
leider nicht, deren “Liebe auf den ersten Blick” glaubwürdig darzustellen. Das geht einfach alles viel zu schnell!
Nachdem wir mit amerikanischen Dystopien in den vergangenen Jahren regelrecht bombardiert wurden (man erinnere
sich an HUNGER GAMES oder MAZE RUNNER), wirkt JUGEND OHNE GOTT zudem irgendwie verspätet.
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Sonntag, 09. Juli 2017 Im Einklang mit der Natur Ein Dokumentarfilm aus der Schweiz spürt einer alternativen Lebensweise nach EINFACH LEBEN (1:1.78, 5.1) Verleih: Eigenverleih d. Regisseurs Land/Jahr: Schweiz 2016 Regie: Hans Haldimann Kinostart: 13.07.2017
Auf Steckdosen haben sie absichtlich verzichtet. Denn es soll ein Ort der Ruhe sein, ohne Laptops und Musikgeräte.
Strom gibt es nur für das Licht. Alles Andere geht mit Handarbeit. So funktioniert das in der kleinen Genossenschaft
mitten in den Tessiner Bergen, deren Mitglieder ihr Leben vollkommen autark von der Außenwelt gestalten. Der
Schweizer Filmemacher Hans Haldimann dokumentiert in seinem Film EINFACH LEBEN (ein doppeldeutiger Titel!)
den mühseligen, harten Alltag, den Ulrico, Sanna und Katharina hier oben freiwillig absolvieren. Man möchte im
Einklang mit der Natur leben und sich den Zwängen der modernen Gesellschaft bewusst entziehen. Mit Ackerbau und
Viehzucht versorgt sich die kleine Gemeinschaft selbst, die aber Besuchern jederzeit offensteht – wenn man sich
entsprechend einbringt. Ob eine ganze Schulklasse zu Gast ist oder ein junger Mann, der einen etwas anderen Urlaub
verbringen möchte – sie alle werden in diesen natürlichen Mikrokosmos integriert. Haldimann beobachtet mit seiner
Kamera alle Arbeiten, die anfallen: Kochen, Waschen, Heuen, Melken, Pflügen, Ernten, Schnee Schippen, Feuer
machen, Backen. Viel Zeit für Freizeit gibt es hier oben nicht, so scheint es. Einzig ein kleines Intermezzo mit Gitarre
und Trommel wird als Entspannung präsentiert. Unkommentiert lässt Haldimann die idyllischen Bilder für sich selber
sprechen und lässt die Hauptverantwortlichen von ihren Beweggründen erzählen. Sanna beispielsweise hat die Welt
schon gesehen und braucht die Zivilisation nicht mehr. Und Ulrico, ehemals Lehrer, mochte den durch die Schuluhr
vorgegebenen Takt nicht mehr, den er stets als Unterbrechung empfunden hat. Katharina schließlich ist es, die aus der
Genossenschaft aussteigt, um sich ihren Lebenstraum, Bäuerin zu sein, zu erfüllen. Doch man trennt sich nicht etwa im
Streit, sondern kann sich immer noch in die Augen schauen. Haldimanns Film könnte sehr lehrreich sein für all
diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, selbst auszusteigen. Man muss schon Willens sein, hart zu arbeiten, um hier
in der freien Natur bestehen zu können. Die Konflikte, die dabei entstehen können, kaschiert der Film leider
weitestgehend. Dabei wäre doch aber genau das hoch interessant.
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Samstag, 08. Juli 2017 Zwei Grus sind einer zuviel Die extreme Hitze draußen nutzte ich für eine kleine Flucht ins kühle Kino, um einen Film nachzusitzen ICH – EINFACH UNVERBESSERLICH 3 (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos, DTS:X, Auro 11.1) OT: Despicable Me 3 Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2017 Regie: Kyle Balda, Pierre Coffin, Eric Guillon Kinostart: 06.07.2017
Seinen Job als Geheimagent hat Gru zwar verloren, dafür aber einen Zwillingsbruder gewonnen: Dru hat zwar noch
Haare auf dem Kopf, ist aber zu seinem Leidwesen noch kein waschechter Ganove so wie Gru einer war. So überredet er
seinen Bruder, ihm das kriminelle Handwerk beizubringen und ein gemeinsames großes Ding zu drehen. Anfangs noch
zweifelnd, lässt sich Gru schließlich darauf ein, sieht er doch jetzt seine Chance, dadurch genau jenen Gangster
unschädlich zu machen, dem er den Verlust seines ehrlichen Jobs zu verdanken hat... Was ist nur mit den Minions
passiert? Plötzlich reden sie (zwar für uns unverständlich) Bände und haben offenbar die Schadenfreude abgelegt. Dabei
war Letztere doch genau jenes Element, das ihren Charakter ausmachte und das uns am meisten amüsiert hat. Natürlich
ist es niedlich, die kleinen ein- und zweiäugigen gelben Wesen in schwarzweiß gestreifter Sträflingskleidung zu sehen,
aber dafür gibt es kaum etwas zu lachen. Das ist extrem schade, waren es doch gerade diese oft fiesen Charaktere, denen
die “ICH – EINFACH UNVERBESSERLICH!”-Reihe ihren Erfolg verdankt. Stattdessen schleicht sich recht schnell
Langeweile in den dritten Teil der Reihe um Gru, Lucy und ihre drei Adoptivkinder. Was uns im ersten Teil noch
zutiefst gerührt hat, nämlich die Grus Herz erweichenden Kinder, wird im neuen Film auch nur ansatzweise erreicht.
Wenn beispielsweise Gru vergeblich versucht, seiner Kleinsten zu erklären, dass es gar keine Einhörner gibt. Mit nur
ganz wenigen richtigen Gags und zu wenig Emotionen lässt sich kein Blumentopf gewinnen. So enttäuscht der dritte
Teil leider mehr als er unterhält.
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Freitag, 07. Juli 2017 Zwei Brüder und eine schwangere Oma Zum Wochenausklang ein französisches Double Feature EIN SACK VOLL MURMELN (1:2.35, DD 5.1) OT: Un Sac De Billes Verleih: Weltkino Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Christian Duguay Darsteller: Dorian Le Clech, Batyste Fleurial, Patrick Bruel Kinostart: 17.08.2017
Frankreich im Jahr 1942. Durch die deutsche Besatzung wird die Lage für Juden in Paris immer bedrohlicher. Die
jüdische Familie Joffo beschließt daher, nach Südfrankreich zu fliehen. Um möglichst wenig aufzufallen, schickt Papa
Roman seine beiden jüngsten Söhne allein auf den äußerst gefahrvollen Weg in den Süden. Für die beiden Brüder
Joseph und Maurice beginnt damit das Abenteuer ihres Lebens... Das Besondere an Christian Duguays Geschichte aus
dem Zweiten Weltkrieg ist die Perspektive. Denn anders als in gängigen Filmen wird der Krieg hier nicht aus der Sicht
von Erwachsenen geschildert, sondern aus der von Kindern. Dem Film gelingt es ihre Gefühle zu vermitteln, wenn sie
von einer Stunde auf die andere fliehen sollen, ohne überhaupt den gesamten Kontext zu kennen. Damit bleibt Krieg für
sie etwas nicht richtig Greifbares, solange sie nicht direkt mit dem tatsächlichen Schrecken konfrontiert werden. Der
nach einer wahren Geschichte entstandene Film ist mit den Nachwuchstalenten Dorian Le Clech in der Rolle des
10jährigen Joseph und Batyste Fleurial in der Rolle des älteren Bruders Maurice gut besetzt. Insbesondere Dorian Le
Clech gelingt es sehr überzeugend, die Wandlung vom verspielten Kind zum verängstigten Kind und schließlich zum
extrem tapferen und verantwortungsbewussten Menschen sehr mitreissend darzustellen. Die Filmmusik aus der Feder
von Armand Amar unterstützt die farbentsättigten Bilder emotional perfekt, ohne dabei kitschig zu werden.
DAS UNERWARTETE GLÜCK DER FAMILIE PAYAN (1:2.35, 5.1) OT: Le Petit Locataire Verleih: Wild Bunch Land/Jahr: Frankreich 2016 Regie: Nadège Loiseau Darsteller: Karin Viard, Philippe Rebbot, Hélène Vincent Kinostart: 20.07.2017
Die Payans sind eine wahre Chaos-Familie und Mama Nicole ihr Manager. Papa Jean-Pierre ist arbeitslos; Tochter
Arielle ist äußerlich zwar erwachsen, doch im Inneren noch ein Teenager und selbst Mutter einer kleinen Tochter, um
die sie sich kaum kümmert; Sohn Vincent ist als U-Boot-Matrose auf hoher See; und dann ist da noch Omilein, Nicoles
pflegebedürftige Mutter. So hat Nicole als Berufstätige eigentlich schon mehr Stress als genug am Hals. Und dann auch
noch das: was die 49jährige zunächst als Wechseljahre interpretiert, stellt sich als Schwangerschaft heraus! Weil ihr der
Arzt absolute Ruhe verordnet, sind jetzt die anderen Familienmitglieder im Haushaltsmanagement gefragt. Allerdings
fängt das Problem schon bei der Waschmaschine an... Was 2012 als Kurzfilm entstand, mündete 2016 in Nadège
Loiseaus ersten abendfüllenden Spielfilm. Vielleicht wäre es aber besser gewesen, es bei dem mehrfach preisgekrönten
Kurzfilm zu belassen. Denn “Der kleine Untermieter” (so der ins Deutsche übersetzte Originaltitel des Films) plätschert
mehr als nur einmal so vor sich hin, ohne sich wesentlich weiterzuentwickeln. Da gibt es zwar hin und wieder einen
Lacher (der zumeist auf das Konto der Oma geht, die des Öfteren in einen “Standby-Modus” fällt), aber das ist für einen
ganzen Abend leider nicht ausreichend. Letztendlich ist die Geschichte dann auch noch ziemlich vorhersehbar, was der
Komödie nicht sonderlich hilft. Karin Viard macht stets gute Figur in der Rolle der ungewollt Schwangeren, wird aber
von Filmpartner Philippe Rebbot als ihr arbeitsunwilliger Gatte glatt an die Wand gespielt. Mit Kassengestell auf der
Nase und trübem Blick vermittelt er wunderbar das genaue Gegenteil der “Wonder Woman” an seiner Seite. Als etwas
unpassend erweist sich die Filmmusik, deren Rhythmus und satter Bass ein Fremdkörpergefühl aufkommen lässt. Wer
schon lange keine (gute) Komödie mehr im Kino gesehen hat, dem könnte Loiseaus Film noch am ehesten gefallen.
Allerdings wird man sie wohl nach dem Kinoabend schnell wieder vergessen.
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Donnerstag, 06. Juli 2017 In einem fremden Land Der Mittagsglut entkam ich heute durch Flucht in ein klimatisiertes Kino WESTERN (1:1.85, 5.1) Verleih: Piffl Land/Jahr: Deutschland, Österreich, Bulgarien 2017 Regie: Valeska Grisebach Darsteller: Kinostart: 24.08.2017
Ein Trupp von Arbeitern wird auf Montage in unerschlossenes Land in Bulgarien geschickt, um dort die Vorarbeiten für
ein Wasserkraftwerk durchzuführen. Während Meinhard versucht, sich mit Einheimischen auf natürliche Weise
anzufreunden, benimmt sich sein Chef nicht sonderlich respektvoll den Menschen gegenüber. Zwischen den Männern
kommt es zu einem erbitterten Konkurrenzkampf... Wer Filme mag, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch von ihrer
Machart her vollkommen gegen “normale” Sehgewohnheiten schwimmen, ist bei Valeska Grisebachs Film ganz sicher
richtig aufgehoben. Ihre Darsteller wirken sehr authentisch und vermitteln den Eindruck, dass es sich allesamt um Laien
handelt. Es gibt weder schnelle Schnitte, noch geschönte Bilder, noch eine Filmmusik. Grisebachs Film ist auf das
Wesentlichste reduziert: Menschen, Blicke, Worte. Letzteres in gleich mehreren Sprachen. Durch die Untertitelung der
jeweils fremden Sprache entgeht man als Zuschauer dem Problem mit der Sprachbarriere, dem die deutschen Arbeiter in
Bulgarien ausgesetzt sind. Das ist eigentlich ein bisschen schade. Die Laufzeit von fast zwei Stunden erweist sich als ein
kleines Problem zumindest für Menschen wie mich, die mit den hier verwendeten minimalistischen Stilmitteln nicht
klarkommen. Trotzdem: seid mutig und geht ins Kino.
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Mittwoch, 05. Juli 2017 Dicker Mann in kleinem Wohnwagen Mein Mittwochsfilm führte mich auf einen Campingplatz LUCKY LOSER – EIN SOMMER IN DER BREDOUILLE (1:2.35, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2017 Regie: Nico Sommer Darsteller: Peter Trabner, Annette Frier, Emma Bading, Kai Wiesinger Kinostart: 10.08.2017
Obwohl sich Claudia schon vor neun Jahren von ihm getrennt hat und inzwischen mit Thomas zusammenlebt, ist Mike
noch immer über beide Ohren in sie verknallt. Sein tristes Dasein wird noch trister, als ihm die Wohnung genommen
wird und plötzlich seine 15jährige Tochter Hannah zu ihm ziehen möchte. Um ihr den Verlust der Wohnung nicht
offenbaren zu müssen, leiht er sich einen heruntergekommenen Wohnwagen und macht mit Hannah Urlaub auf einem
Campingplatz. Und wie durch ein Wunder steht plötzlich auch noch Hannahs Freund Otto auf der Matte – mit
eindeutigen Absichten. Als ob das noch nicht genug wäre, trifft auch Claudia auf dem Campingplatz ein – ohne Thomas.
Jetzt wittert Loser Mike seine zweite Chance... Wenn nur die ganze Dramödie so lustig wäre wie ihr Untertitel... Dabei
fängt die ganze Geschichte mit einer so wunderbaren Einstellung an: da steht Peter Trabner als Mike nur mit einer
Unterhose bekleidet in seinem Wohnzimmer. Und schnell wird klar, warum es dafür das CinemaScope-Format braucht –
seinem Bauch ist es geschuldet! Leider fehlt es dem restlichen Film an weiteren derart amüsanten Bildern. Und die
Story? Die zieht sich ein bisschen wie Kaugummi. Wirklich Komisches passiert hier selten. Ganz im Gegenteil:
eigentlich wird der Film immer ernster. Da sollte man sich tunlichst nicht vom Filmplakat täuschen lassen. Immerhin
gibt Peter Trabner hier einmal mehr eine richtig gute Performance. Der Loser steht im wirklich gut. Trabner, geübt im
Impro-Film, hat vermutlich nicht nur Text auswändig gelernt, sondern er scheint die Rolle auch etwas zu improvisieren,
was dem Film eine angenehme Frische verleiht. Bemerkenswert: Vater Mike kauft seiner minderjährigen Tochter
Kondome für ihr erstes Mal. Das sieht man ganz gewiss nicht in vielen Filmen. Dass sich der Lover nicht nur als
wesentlich älter als Mikes Tochter entpuppt, sondern zudem noch als Farbiger, den Papa auch noch gegen einen
fremdenfeindlichen Übergriff verteidigt, wirkt dann doch ziemlich aufgesetzt.
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Dienstag, 04. Juli 2017 Rechtspopulisten, Kriegsverbrecher und Migranten Das heutige Presse-Triple hatte es in sich DAS IST UNSER LAND! (1:2.35, 5.1) OT: Chez Nous Verleih: Alamode (Filmagentinnen) Land/Jahr: Frankreich, Belgien 2017 Regie: Lucas Belvaux Darsteller: Emilie Dequenne, André Dussollier, Guillaume Gouix Kinostart: 24.08.2017
Eine junge Krankenpflegerin kommt dem Wunsch eines befreundeten Arztes nach und stellt sich für dessen Partei als
Bürgermeisterin zur Wahl. Viel zu spät jedoch muss sie erkennen, dass sie lediglich zur Marionette einer
rechtspopulistischen Partei geworden ist. Packend inszenierter Polit-Thriller mit unübersehbarer Anlehnung an den
Aufstieg des “Front National”. In den Hauptrollen perfekt besetzt, mit surreal wirkender Filmmusik unterlegt und
großartig bebildert. Einziger kleiner Wermutstropfen: die extreme Naivität der Hauptdarstellerin nimmt man ihr nicht
ab. Trotzdem als Kinotipp höchst empfehlenswert.
PARADIES (1:1.33, 5.1) OT: Ray Verleih: Alpenrepublik Land/Jahr: Russland, Deutschland 2016 Regie: Andrej Konchalowski Darsteller: Julia Wjsotskaja, Christian Clauß, Philippe Duquesne, Peter Kurth Kinostart: 27.07.2017
Ein deutscher Gestapo-Mann, ein französischer Polizeibeamter und eine russische Konzentrationslagerinsassin erzählen
ihre jeweilige Sicht auf Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs. Andrej Konchalowski inszeniert seinen Film als
Collage aus Interviewsequenzen und Spielhandlung. In den Interviewsequenzen sitzen seine drei Protagonisten jeweils
einzeln an einem Tisch und sprechen zur Kamera, erzählen ihre Lebens- und Leidensgeschichte, so als würden sie
verhört werden. Das alles ist auf alt getrimmt, im klassischen Stummfilmformat und Schwarzweiß, mit Bildsprüngen und
Tonfehlern. Erst am Ende des Films wird klar, wem die drei Figuren ihre Lebensgeschichte beichten. Die Sequenzen mit
den Spielhandlungen sind zwar auch in derselben Technik realisiert, aber ohne die Bild- und Tonfehler. Konchalowskis
Film entzieht sich damit üblichen Sehgewohnheiten, spart aber nicht mit extrem drastischen Bildern, um das Grauen der
NS-Herrschaft zu verdeutlichen. Ein unbequemer, sperriger Film, der nachhaltig wirkt.
DIE MIGRANTIGEN (1:2.35, 5.1) Verleih: Camino Land/Jahr: Österreich 2017 Regie: Arman T. Riahi Darsteller: Aleksandar Petrovic, Faris Rahoma, Brigitte Kren, Josef Hader Kinostart: 07.09.2017
Benny, ein arbeitsloser Schauspieler, und Tito, ein vor der Insolvenz stehender Unternehmer, sind beste Freunde und
gestandene Österreicher mit Migrationshintergrund, der jedoch kaum mehr wahrnehmbar ist. Der Zufall will es, dass
ausgerechnet die beiden Mittelpunkt einer TV-Doku über den ethnisch durchmischten Rudolfsgrund in Wien werden
sollen, da man sie für Asylanten hält. Die Aussicht auf eine hohe Gage spornt die beiden zu Höchstleistungen an, um
nicht aufzufliegen. Mit Hilfe eines echten Asylanten schlüpfen die beiden in ihre neuen Rollen. Zumindest versuchen sie
es... Mit herrlichem Wiener Schmäh und österreichischem Ausländer-Jargon nimmt Arman T. Riahi in seiner Komödie
die zunehmende Vermischung zwischen Österreichern und Migranten aufs Korn. Dabei entwickelt der Film seine
schönsten Momente immer dann, wenn sich die Protagonisten als Migranten versuchen und deren an Gangsta-Rap
erinnernde Sprache sowie die dazugehörige Körperhaltung imitieren – was natürlich fast immer auf höchst amüsante
Weise scheitert. Leider gelingt es dem Film nicht immer, die Ausgangsidee über die gesamte Lauflänge auf gleichem
Level zu halten. Wer österreichischen Humor (und Josef Hader) mag, dem sei der Film empfohlen.
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Montag, 03. Juli 2017 Hüttenzauber Ein verschlafener Montagmorgen – und dann auch noch ein verschlafener Film! HAMPSTEAD PARK – AUSSICHT AUF LIEBE (1:2.35, 5.1) OT: Hampstead Verleih: Splendid (24 Bilder) Land/Jahr: Großbritannien 2017 Regie: Joel Hopkins Darsteller: Brendan Gleeson, Diane Keaton, Lesley Manville Kinostart: 24.08.2017
Eine Witwe mit Geldsorgen lernt durch Zufall einen Obdachlosen kennen, der sich unweit ihrer Wohnung im
Hampstead Park in London niedergelassen hat und dort in einer selbstgebauten Hütte lebt. Als sie erfährt, dass sich der
Einsiedler einer Zwangsräumung ausgesetzt sieht und er ihr alles andere als unsympathisch ist, beschließt sie, ihm zu
helfen... Angelehnt an die wahre Geschichte eines Freigeistes, der so lebte wie er leben wollte, erzählt Joel Hopkins in
seiner Sozialkomödie davon, wie sich zwischen einer Witwe und einem Obdachlosen eine Liebesgeschichte anbahnt.
Leider plätschert der Film relativ langweilig vor sich hin und Stephen Warbecks einfallslose Filmmusik lädt trotz ihres
nervenden Charakters zum Schlummern ein. Ein bisschen mehr Pfeffer und Salz wäre hier von Nöten gewesen. Denn die
beiden Hauptdarsteller alleine, beides Hochkaräter, können den Film leider auch nicht reißen, zumal beide extrem
zurückhaltend spielen. Wo bleiben hier die kantigen, skurrilen Engländer, die schon so manche Komödie gerettet
haben? Überhaupt: es stellt sich überhaupt kein England-Feeling ein. Und das ist sehr schade.
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Sonntag, 02. Juli 2017 Hahn im Korb Heute habe ich mal wieder einen Film nachgesessen, für den der deutsche Filmverleiher die Pressevorführung in Stuttgart verweigerte DIE VERFÜHRTEN (1:1.66, DD 5.1) OT: The Beguiled Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2017 Regie: Sofia Coppola Darsteller: Colin Farrell, Elle Fanning, Kirsten Dunst, Nicole Kidman, Angourie Rice, Oona Laurence, Addison Riecke, Wayne Pére, Emma Howard Kinostart: 29.06.2017
Die Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg. In einem abgelegenen Mädcheninternat scheint die Zeit stillzustehen
zwischen Unterricht, Handarbeiten und Beten. Doch eines Tages taucht plötzlich ein verwundeter Nordstaaten-Soldat
auf. Die Mädchen und Frauen beschließen, den Verletzten im Haus aufzunehmen und seine Wunde zu versorgen. Als er
wieder zu Kräften kommt, beginnt er auf subtile Weise damit, sich das Vertrauen jeder Einzelnen zu gewinnen. Damit
aber treibt er einen Keil zwischen die Mädchen... Sehr subtil und ganz langsam schleicht sich das Grauen in Sofia
Coppolas Film, dem Remake eines Don Siegel Films aus dem Jahre 1971, in dem seinerzeit Clint Eastwood die Rolle
des verwundeten Soldaten spielte. Die idyllischen Außenaufnahmen mit sich durch die Baumwipfel brechenden
Sonnenstrahlen stehen dabei im Kontrast zu den Vorgängen im Mädcheninternat abspielt. Einzig das in weiter Ferne
noch ganz leise wahrnehmbare Kanonendonnern stört dieses Idyll, das eigentlich keines ist. Der auf Negativfilm
gedrehte und im europäischen Breitwandformat 1:1.66 kadrierte Film verzichtet weitgehend auf Filmmusik und wenn sie
dann doch mal ertönt, so extrem zurückhaltend und mehr atmosphärisch als emotional. Aus dieser ungewöhnlichen
Inszenierung heraus entwickelt der Film seine Spannung, die ihn letztendlich sogar gefühlt kürzer erscheinen lassen als
er tatsächlich ist.
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