Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

Wolfram Hannemann | Talstr. 11 | D-70825 Korntal | Germany | Phone: +49 (0) 711 838 06 49 | Fax: +49 (0) 711 8 38 05 18
e-mail: info (at) wolframhannemann.de

Home      Referenzen      Filmblog      Videoproduktion    Jugendschutzbeauftragter      Impressum
Filmblog Aktuell           Filmblog-Archiv           Filmtitel-Index
Donnerstag, 28. Dezember 2017
Alte Helden danken ab und neue werden geboren
Weil sich der Disney-Konzern mal wieder geweigert hat, diesen Film der Stuttgarter Presse zu zeigen, war einmal mehr Nachsitzen angesagt. Heute nun habe ich es endlich geschafft.

STAR WARS EPISODE VIII: DIE LETZTEN JEDI (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Star Wars Episode VIII: The Last Jedi
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Rian Johnson
Darsteller: Mark Hamill, Daisy Ridley, John Boyega, Oscar Isaac, Adam Driver, Carrie Fisher, Lupita Nyong'o, Andy Serkis, Domhnall Gleeson, Anthony Daniels, Peter Mayhew, Kenny Baker, Gwendoline Christie , Benicio Del Toro, Laura Dern, Kelly Marie Tran, Billie Lourd
Kinostart: 14.12.2017

Mit Episode VII: DAS ERWACHEN DER MACHT hat man bei Lucasfilm und Disney ja bereits damit begonnen, die STAR WARS Saga für eine neue Generation von Kinogängern aufzubereiten. Die Fans der ersten Generation sind mittlerweile 40 Jahre älter geworden und gehören damit nicht mehr zur Hauptzielgruppe. Man möchte jetzt eine deutlich jüngere Generation ansprechen und diese dann die nächsten 40 Jahre mit STAR WARS versorgen – solange eben, bis dann wieder eine neue Generation erobert werden soll. Damit ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Elemente in Episode VII und nun auch in Episode VIII große Ähnlichkeit mit Elementen der Ur-Trilogie haben. Die Jungen bemerken das freilich kaum, wir “alten Säcke” schon. Dass jetzt Rian Johnsons SciFi-Fantasy-Action-Spektakel trotz alledem selbst Fans der ersten Generation vorzüglich unterhält, ist einer der Stärken des Films. Da danken alte Helden ab und es werden neue geboren, so wie die von Daisy Ridley dargestellte Rey, mit der erstmals ein tougher weiblicher Jedi ins STAR WARS Universum Einzug hält. Für Carrie Fisher hingegen ist es der letzte Auftritt – sie starb nach Ende der Dreharbeiten und wird in kommenden STAR WARS-Filmen nur noch als digitale Version in Erscheinung treten. Neben den menschlichen Helden und Bösewichter wartet der Film natürlich auch wieder mit vielen Fantasy-Wesen auf, die schon seit jeher den besonderen Reiz der Filme ausmachten. So treten hier zum ersten Mal die Porgs in Erscheinung, eine überaus putzige “Outer Space”-Pinguin-Version mit riesigen Augen und heimeligen Lauten. Inszeniert ist das alles wirklich grandios mit schier unglaublichen visuellen Effekten und man wird als Zuschauer regelecht in Atem gehalten. Kritisieren könnte man allenfalls die vielen Schlachten, die den Hauptteil des Films vereinnahmen, nicht jedoch – und das ist erstaunlich – die immense Länge von 152 Minuten. Beeindruckend – zumindest in der IMAX-Version – ist die Bildqualität dieses Spektakels, das einmal mehr von John Williams‘ kongenialer Musik zusammengehalten wird. Und das in einer sehr schönen, transparenten Tonaufnahme (Shawn Murphy), die man sich unbedingt in tontechnisch anspruchsvollen Kinosälen zu Gehör führen sollte. Fazit: das letzte “Must See”-Event in diesem Kinojahr!
Sonntag, 24. Dezember 2017
Der Freund der Königin
Weil man auch Heiligabend nicht ohne Film überstehen kann...

VICTORIA & ABDUL (1:2.35, DD 5.1)
OT: Victoria & Abdul
Verleih: Universal
Land/Jahr: Großbritannien, USA 2017
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Dame Judi Dench, Ali Fazal, Eddie Izzard, Michael Gambon, Olivia Williams, Sir Simon Callow, Adeel Akhtar, Julian Wadham, Tim Pigott-Smith, Fenella Woolgar
Kinostart: 28.09.2017

Der junge Inder Abdul Karim, der als Verwaltungsangestellter in einem indischen Gefängnis arbeitet, wird aufgrund seiner Körpergröße dazu ausgewählt, Königin Victoria bei einem Abendessen im Buckingham Palace in London eine seltene indische Münze zu überreichen. Als sich ihre Blicke zufällig kreuzen, ist dies der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft, die unter keinem guten Stern steht: das gesamte Umfeld der Monarchin missbilligt die freundschaftliche Beziehung, die alsbald ein Intrigenspiel nach sich zieht... Die Rolle der über 80 Jahre alten Monarchin ist Dame Judi Dench wahrhaftig auf den Leib geschrieben. Wie keine andere britische Schauspielerin versteht sie sich darauf, die Rolle der Victoria auf ihre ganz eigene Weise sehr nuancenreich anzulegen. Energisch, verschmitzt, gerührt – hier zieht sie alle Register. Doch Stephen Frears hat auch alle anderen Rollen in seiner neuesten Regiearbeit wunderbar besetzt. Sei es nun Ali Fazal als der geheimnisvolle, weltgewandte Abdul, der zu Victorias Lehrer wird, oder sämtliche Mitglieder der königlichen Entourage – sie alle sind mit viel Gespür ausgesucht und erfüllen den von Danny Cohen exzellent fotografierten Film mit Leben. Die teilweise recht pompöse Musik von Thomas Newman trägt großen Anteil zum Gelingen der filmischen Umsetzung dieser wahren Geschichte, die erst durch die Entdeckung der Tagebuchaufzeichnungen von Abdul Karim im Jahre 2010 an die Öffentlichkeit gelangten. Wie der Eingangstitel aber sofort klarmacht, haben sich die Filmemacher dabei künstlerische Freiheiten genommen: “Based on true events...mostly”. Wer britisches Kino liebt, der sollte sich VICTORIA & ABDUL unbedingt anschauen.
Donnerstag, 14. Dezember 2017
Eine Hochzeit läuft aus dem Ruder
Endspurt in der Vorweihnachtswoche – die Pressevorführungen neigen sich dem Ende zu

DAS LEBEN IST EIN FEST (1:1.85, 5.1)
OT: Le Sens De La Fête
Verleih: Universum Film (Central)
Land/Jahr: Frankreich 2017
Regie: Eric Toledano, Olivier Nakache
Darsteller: Jean-Pierre Bacri, Jean-Paul Rouve, Gilles Lellouche
Kinostart: 01.02.2018

Max ist ein routinierter Wedding Planner, den so schnell nichts erschüttern kann. Als er jedoch vor den Toren Paris‘ eine Traumhochzeit in einem hochherrschaftlichen Haus ausrichten soll, droht die ganze Veranstaltung zum Fiasko zu werden. Nicht nur sieht sich Max mit seiner eigenen Scheidung konfrontiert, auch erkennt sein Schwager und Mitarbeiter in der Braut die große Liebe seines Lebens. Und der Fotograf überlässt die ganze Arbeit einem gewitzten Praktikanten und konzentriert sich selbst lieber auf das Büffet. Zum allem Überfluss entbrennt auch noch ein Streit zwischen Max‘ Assistentin Adele und dem Sänger James. Bald ist das Chaos perfekt... Nachdem sie mit ihrem Erstling ZIEMLICH BESTE FREUNDE eine Steilvorlage lieferten, wartete man natürlich gespannt auf den neuen Film des Regie-Duos Eric Toledano und Olivier Nakache. Das treibt natürlich die Erwartungen in astronomische Höhe und man läuft damit große Gefahr enttäuscht zu werden. Doch ganz so schlimm kommt es nicht. Im Gegenteil: DAS LEBEN IST EIN FEST entpuppt sich als eine durchaus gelungene Komödie im alten Stil. Unweigerlich erinnert man sich beim Zuschauen an den grandiosen Louis de Funes, dem die Rolle des “Wedding Planners” Max gut zu Gesicht gestanden hätte. Gespielt wird Max im Film von Jean-Pierre Bacri, der mit weit weniger Grimassen und Fuchteleien auskommt als das große Vorbild. Mit vielen wunderbaren Einfällen, die wirklich zum Lachen animieren, nimmt der Film den Zuschauer mit in den Mikrokosmos von Max‘ Hochzeitstruppe, einem kleinen, ebenso verschworenen wie zerstrittenen Haufen unterschiedlichster Charaktere. Toll gespielt auch der selbstverliebte, arrogante Bräutigam Pierre, eine Rolle, in der Benjamin Lavernhe (BIRNENKUCHEN MIT LAVENDEL) zur Hochform aufläuft. Leider ist der Film insgesamt zu lang und viele Passagen wirken extrem ausgewalzt, was die Freude an dem Werk etwas schmälert. Dennoch hebt er sich deutlich ab vom Gros französischer Komödien, mit denen deutsche Filmverleiher den Markt geradezu überschütten.

AUS DEM NICHTS (1:2.35, 5.1)
Verleih: Warner
Land/Jahr: Deutschland, Frankreich 2017
Regie: Fatih Akin
Darsteller: Diane Kruger, Denis Moschitto, Numan Acar, Ulrich Tukur
Kinostart: 23.11.2017

Ein Bombenanschlag zerstört das bisherige Leben von Katja: ihr türkischstämmiger Ehemann sowie ihr 8 jahre alter Sohn sterben dabei. Nach der Bewältigung ihrer Trauer kennt Katja nur noch ein Ziel: sie will den oder die Mörder ihrer Familie finden. Dabei muss sie feststellen, dass die Ermittlungen der Polizei sie und ihre Familie bald selbst in den Fokus rücken... Mit klarem Bezug zu den NSU-Prozessen erzählt Fatik Akin die Geschichte von Katja, einer Mutter, die von einer Sekunde auf die andere alles verliert und Gerechtigkeit verlangt. AUS DEM NICHTS präsentiert Diane Kruger in ihrer wohl bislang besten Rolle, in der sie die ganze Bandbreite von Freude über Trauer bis Wut voll auszuspielen versteht und bietet damit für den Zuschauer eine hervorragende Identifikationsfigur. Die exzellente Kameraarbeit von Rainer Klausmann und der atonale, elektronische Score von Joshua Homme machen den Film zu einem packenden und ergreifenden Thriller, der auch nach dem Ende noch nachwirkt. Wollte man AUS DEM NICHTS unbedingt kritisieren, dann höchstens aufgrund der Rolle des Strafverteidigers, den Akin bewusst mit einem ziemlich unsympathisch wirkenden Darsteller besetzt.
Dienstag, 12. Dezember 2017
Das Vorweihnachtstriple
Noch ein kurzes Aufbäumen der Pressewoche vor Weihnachten: drei auf einen Streich!

THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI (1:2.35, 5.1)
OT: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA, Großbritannien 2017
Regie: Martin McDonagh
Darsteller: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell
Kinostart: 25.01.2018

Weil der bestialische Mord an ihrer Tochter auch Monate nach der Tat noch vollkommen ungeklärt ist, entschließt sich Mildred Hayes für eine ungewöhnliche Maßnahme: mit provozierenden Sprüchen auf drei riesigen Plakatwänden, die an der Zufahrtsstraße zu ihrem Haus stehen, will sie die örtliche Polizei aus der Reserve locken. Damit setzt sie ein Räderwerk in Gang, das nicht mehr aufzuhalten ist und eine Menge Gewalt produziert... Das typisch amerikanische Kleinstadtmilieu, wo jeder jeden kennt, die schrullig-kauzigen Charaktere und eine nicht vorhersehbare Geschichte erinnern in Martin McDonaghs rabenschwarzer Dramödie auf Schritt und Tritt an die Filme der Coen-Brüder. Und das ist im überaus positiven Sinn gemeint. Mit einem exzellenten Ensemble (in Top-Form: Frances McDormand), ausladenden CinemaScope-Bildern (Kamera: Ben Davis) und einem taktgenau sitzenden Score (Musik: Carther Burwell) zelebriert McDonagh hier großartiges Kino, wie man es nicht alle Tage sieht. Ein bisschen brutal vielleicht, aber auch das gehört zum Coen-Universum mit dazu. THREE BILLBOARDS empfiehlt sich als Pflichtbesuch im Kino.

NUR GOTT KANN MICH RICHTEN (1:2.35, 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Özgür Yildirim
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Edin Hasanovic, Birgit Minichmayr, Kida Khodr Ramadan, Franziska Wulf, Peter Simonischek, Tim Wilde, Alexandra Maria Lara, Kailas Mahadevan, Leon Ullrich, Masha Tokareva
Kinostart: 25.01.2018

Fünf Jahre saß Ricky im Knast, jetzt ist er wieder draußen und will ein neues Leben beginnen. Dafür bedarf es freilich eines Startkapitals. Sein Kumpel Latif, für den er damals seinen Kopf hingehalten hat, schlägt ihm ein todsicheres Ding vor. Doch das Ding läuft vollkommen aus dem Ruder und Ricky sieht sich plötzlich mit knallharten Gangstern konfrontiert. Und nicht nur das: auch ein Polizistin, die verzweifelt Geld benötigt, um ihrer kleinen Tochter ein neues Herz zu spendieren, kreuzt Ricky Weg... Es tut sich was im deutschen Genrefilm. Und das ist gut so. Mit seinem Action-Thriller steigt Regisseur und Drehbuchautor Özgür Yildirim hinab in die Frankfurter Unterwelt, die Welt der Kleinkriminellen und der Großkiminellen. Mit atmosphärisch dichten Bildern zeichnet er das Milieu, in dem seine Protagonisten agieren. Das ist soweit alles gut gemacht und stimmig. Einzig die von Birgit Minichmayr gespielte Polizistin mit Geldproblemen wirkt alles andere als authentisch oder plausibel. So unprofessionell verhält sich keine Polizistin, auch nicht, wenn sie um das Leben ihrer kleinen Tochter bangen muss. Das bringt dann Yildirims mühsam aufgebautes Kartenhaus zum Einsturz. Etwas verstörend wirkt auch Moritz Bleibtreu, der offenbar irgendwann im Film plötzlich gläubig wird. Möglicherweise auch nur deshalb, um dem Filmtitel und dem daraus resultierenden Rap-Song Genüge zu tun? Allerdings sollte man das auch nicht überbewerten. Schließlich liefert Özgür Yildirim einen insgesamt stimmigen Genre-Film. Und genau das gilt es zu würdigen.

DIE KLEINE HEXE (1:2.35, 5.1)
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie: Michael Schaerer
Darsteller: Karoline Herfurth, Suzanne von Borsody
Kinostart: 01.02.2018

Sie ist schon 127 Jahre alt und wurde noch nie zur Walpurgisnacht auf dem Blocksberg eingeladen: die kleine Hexe, die mit ihrem sprechenden Raben Abraxas zusammen in einer kleinen Waldhütte wohnt. Weil sie so gerne mit den anderen Hexen dort oben zusammen tanzen möchte, schmuggelt sie sich einfach heimlich dazu. Doch sie wird entdeckt und von der Oberhexe dazu verdonnert, binnen eines Jahres sämtliche Zaubersprüche auswändig zu lernen. Nach Ablauf des Jahres muss sie sich einer Prüfung unterziehen, die darüber entscheidet, ob sie zukünftig auf dem Blocksberg mitfeiern darf oder nicht... Was von Michael Schaerers Realverfilmung des Kinderbuchs von Otfried Preußler in Erinnerung bleiben wird, ist die wunderschön lange und spitze Hexennase von Karoline Herfurth, die derart echt wirkt, dass es ihre eigene sein könnte. Ein kleines Meisterwerk der Maskenbildnerkunst. Aber auch sonst gibt Herfurth eine überzeugende kleine Hexe, die äußerst sympathisch daherkommt und jauchzend ihren Besen reitet. Mit seinen 103 Minuten ist der Film bezogen auf seine Zielgruppe vermutlich ein bisschen zu lang geraten. Dafür aber gibt es keine wirklich schlimmen Momente. Selbst die in Schwarz gekleidete böse Hexe Rumpumpel wirkt nicht wirklich böse, sondern eher mitleiderregend.
Freitag, 08. Dezember 2017
Freakshow
Man kann es kaum glauben: endlich mal wieder ein Musical!

THE GREATEST SHOWMAN (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: The Greatest Showman
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Michael Gracey
Darsteller: Hugh Jackman, Zac Efron, Michelle Williams
Kinostart: 04.01.2018

P.T. Barnum wächst als Sohn eines Schneiders im Amerika des 18. Jahrhunderts in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Tode seines Vaters hält er sich mit Gelegenheitsjobs gerade so über Wasser, dass er seine Frau Charity und die beiden Töchter ernähren kann. Eines Tages sieht er zum ersten Mal einen Liliputaner – und hat eine zündende Idee: warum nicht alle möglichen andersartigen Menschen versammeln und gemeinsam mit ihnen eine Kuriositätenschau aufziehen? Schon bald hat er einige dieser “Freaks of Nature” um sich geschart, Menschen, die ohne ihn weder eine Chance noch ein Zuhause haben. “Ausgelacht werdet ihr sowieso. Aber warum nicht ausgelacht werden und Geld dafür bekommen”, ist sein überzeugendes Argument. Nach Anlaufschwierigkeiten stellt sich plötzlich der Erfolg ein. Doch so manchem Bürger ist das ein Dorn im Auge... So etwas sieht man nicht alle Tage: da wirbeln Artisten durch die Luft, blicken in die Kamera und singen dabei. Oder eine Protagonistin singt ihren Song, während alle andere um sie herum in Slow Motion in die Luft springen und den Boden erst wieder beim nächsten Trommelschlag berühren. Dank modernster Tricktechnik lassen sich derartige Szenen glaubhaft umsetzen. Mit Songs der für LA LA LAND mit dem Oscar prämierten Texter Benji Pasek und Justin Paul entfacht Regie-Neuling Michael Gracey ein wahres Feuerwek an inszenatorischen Einfällen und erinnert damit in gewisser Weise an Buz Luhrmanns MOULIN ROUGE, dessen emotionale Wucht THE GREATEST SHOWMAN leider nicht ganz erreicht. So bleibt beispielsweise die aufkeimende Liebe zwischen dem von Zac Efron dargestellten Phillip Carlyle und der Trapezkünstlerin Anne (famos: Zendaya) ohne wirklichen Höhepunkt. Graceys Filmmusical ist nicht nur eine Hommage auf den Mann, der das Show Business erfunden hat, sondern eine Hommage an das Show Business selbst. “The noblest art is that of making others happy” steht als Zitat am Ende des Films. Eines von vielen klugen Zitaten, die P.T. Barnum im Laufe seines Lebens von sich gegeben hat und von denen einige im Film zu hören sind. Ob sich alles so zugetragen hat, wie es im Film gezeigt wird? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch das ist unwesentlich angesichts derart opulenter Unterhaltung, die hier vom Stapel gelassen wird und bei der sich am Ende gar zwei riesige Elefanten im Takt zur mitreißenden Musik bewegen. Nicht ganz überzeugt hat mich persönlich die Tonmischung (in der Pressevorführung gab es nur 7.1 Sound), die mir etwas gepresst vorkam. Hier könnte die Dolby Atmos Variante Abhilfe schaffen, sobald diese zur Verfügung steht. Nichtsdetotrotz: der Film sei speziell Musical-Fans ans Herz gelegt!
Donnerstag, 07. Dezember 2017
Inside Anne
Zur Wochenmitte war mal wieder eine Dokumentation angesagt

ANNE CLARK – I’LL WALK OUT INTO TOMORROW (1:1.85, 5.1)
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie: Claus Withopf
Kinostart: 25.01.2018

In den 1980er-Jahren ist sie zu einer Ikone der Musikgeschichte geworden: die britische Künstlerin Anne Clark, die mit ihrer Lyrik und den revolutionären elektronischen New Wave Punk Rock Klängen seit nunmehr 30 Jahren ihr Publikum begeistert. In seinem Dokumentarfilm versucht Claus Withopf nicht nur die Künstlerin, sondern insbesondere auch den Mensch hinter der Künstlerin zu porträtieren. Vollkommen offen erzählt sie da vor laufender Kamera über ihr Elternhaus, das von Gewalt geprägt war und davon, wie sie ihr erster Manager komplett abgezockt hat. Wir erfahren ihre Ansichten zu Religion, Sexualität, Liebe und was Poesie für sie bedeutet. Die inzwischen in Deutschland beheimatete Britin nimmt den Zuschauer mit zu ihrem Elternhaus in London und zu den Plätzen, wo für sie alles begann. Dazwischen werden immer wieder Konzertausschnitte und Video Clips präsentiert, die Anne Clark in ihrem Element zeigen. Was für Fans der Künstlerin ein Pflichtbesuch ist, könnte auch für Andere ebenso spannend sein.
Mittwoch, 06. Dezember 2017
Hilfe – ich liebe Zwillinge!
Mein Mittwochskino hielt einen filmischen Leckerbissen bereit

DER ANDERE LIEBHABER (1:2.35, DD 5.1)
OT: L’Amant Double
Verleih: Weltkino
Land/Jahr: Frankreich, Belgien 2017
Regie: François Ozon
Darsteller: Marine Vacth, Jérémie Renier, Jacqueline Bisset
Kinostart: 18.01.2018

Weil ihr kein Arzt ihre Bauchschmerzen nehmen kann, begibt sich die attraktive Chloé in psychologische Behandlung. In Paul Meyer findet sie nicht nur einen guten Therapeuten, sondern auch noch ihren Traummann. Schon nach kurzer Zeit ziehen die Beiden zusammen. Durch einen Zufall entdeckt Chloé, dass Paul einen Zwillingsbruder hat. Der gleicht ihm zwar bis aufs Haar und ist ebenfalls Therapeut, doch ist er das vollkommene Gegenteil seines Bruders: arrogant, zynisch und besitzergreifend. Dennoch fühlt sich Chloé von ihm extrem angezogen und beginnt eine Affäre, die sich bald schon als sehr gefährlich entpuppt... François Ozon goes David Cronenberg! Die Parallelen von Ozons düster-erotischem Thriller zu Cronenbergs DIE UNZERTRENNLICHEN (DEAD RINGERS) ist unverkennbar. War es bei Cronenberg Jeremy Irons, der in die Doppelrolle als Zwillingspaar schlüpfte, so ist es hier Jérémie Renier als Paul und Louis. Jetzt sind es keine Gynäkologen mehr, sondern Psychiater. In ihrer Mitte agiert die kühle Marine Vacth als Chloé, unwiderstehlich sexy, geheimnisvoll und mit attraktivem Kurzhaarschnitt. Mit gestylten, symbolträchtigen Bildern füllt Kameramann Manuel Dacosse die ganze CinemaScope-Breite und zieht den Zuschauer hinein in seine Vexierbilder. Traum und Realität vermischen sich. Einen großen Anteil an der Wirkung des Thrillers hat die Musik von Philippe Rombi, dessen elektronische Klänge stellenweise an den Bombast eines Hans Zimmer erinnern, hier jedoch wesentlich intensiver daherkommen. Fazit: unbedingt anschauen – lohnt sich!
Dienstag, 05. Dezember 2017
Ein Stier im Porzellanladen
Heute gab es zur Abwechslung mal ein Animations Double Feature

YOUR NAME – GESTERN, HEUTE UND FÜR IMMER (1:1.85, 5.1)
OT: Kimi No Na Wa
Verleih: Universum Film
Land/Jahr: Japan 2016
Regie: Makoto Shinkai
Kinostart: 11.01.2018 (limitiert)

Mitsuha lebt gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester bei ihrer Großmutter in einer ländlichen Kleinstadt Japans. Insgeheim beklagt sie ihr abgeschiedenes Dasein in der Provinz und wünscht sich ein aufregendes Leben in der Großstadt. Taki würde sich freuen, so beschaulich aufzuwachsen, denn er wohnt in der Millionen-Metropole Tokio, verbringt viel Zeit mit seinen Freunden und jobbt neben der Schule in einem italienischen Restaurant. Eines Tages scheint Mitsuha einen Traum zu haben, in dem sie sich als Junge in Tokio wiederfindet. Parallel macht Taki eine ähnliche Erfahrung: Er findet sich als Mädchen in einer Kleinstadt in den Bergen wieder, wo er noch nie zuvor war. Doch wie kommt es zu dieser schicksalhaften Verstrickung und welches Geheimnis verbirgt sich wirklich hinter den Träumen der beiden Teenager? - Poesie und Romantik bestimmen den von Makoto Shinkai inszenierten Animationsfilm über einen Körpertausch, der schließlich zur ersten großen Liebe führt. Perfekt fängt der Film jenes Gefühl ein, dass es irgendwo auf der Welt jemanden gibt, der genauso empfindet wie man selbst. Mit beeindruckender Animationstechnik jenseits gängiger Hollywood-Computeranimationen wird die Geschichte zweier Liebender erzählt, die sich von ihren Gefühlen leiten lassen um den jeweils Anderen zu finden. Auch wenn die Geschichte asiatisch-typisch am Ende etwas zu lange ausgewalzt wird, bleibt man ihr die ganze Zeit gewogen. Bestens zu empfehlen als Alternative zu Disney & Co.

FERDINAND – GEHT STIERISCH AB! (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Ferdinand
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Carlos Saldanha
Kinostart: 14.12.2017

Stier Ferdinand war schon immer anders als die anderen Stiere. Statt zu kämpfen, schätzt er lieber den Duft von Blumen! Als er jedoch eines Tages irrtümlich für ein wildes Tier gehalten wird, wird er eingefangen und von seinem Zuhause weggebracht, um schließlich als Stier für den Kampf mit Torreros herzuhalten. Doch der starke Stier mit großem Herz gibt nicht auf: gemeinsam mit ein paar schrägen Freunden plant er die Flucht... Weniger Tiefgang, dafür mehr Action – so könnte man den unter Regie von Carlos Saldanha entstandenen Computeranimationsspaß FERDINAND umreißen. Gefühle spielen hier leider nur eine etwas untergeordnete Rolle, wodurch der Film relativ beliebig wirkt. Freilich hat er ein paar großartige Sequenzen zu bieten, wenn beispielsweise unser Titelheld sich wortwörtlich als Stier im Porzellanladen wiederfindet und Verrenkungen aller Art anstellt, um ja nichts zu zerbrechen! Damit spricht Saldanha vor allem die jungen Zuschauer an, die vor allem ihren Spaß im Kino haben möchten. Und dass er damit genau richtig liegt, konnte man an den Reaktionen der Kleinen beobachten, die zur heutigen Pressevorführung eingeladen waren. In technischer Hinsicht lässt FERDINAND keine Wünsche offen. Ob Animation, Musik oder Ton – hier stimmt alles.

Montag, 04. Dezember 2017
Einer pendelt bis zum bitteren Ende
Actionkost zum Wochenauftakt

THE COMMUTER (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: The Commuter
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Jaume Collet-Serra
Darsteller: Liam Neeson, Vera Farmiga, Sam Neill, Patrick Wilson
Kinostart: 11.01.2018

Seit zehn Jahren pendelt Familienvater Michael mit dem Vorortzug an seine Arbeitsstelle bei einer Versicherung. Doch an diesem Tag soll es zum letzten Mal sein: sein Boss feuert ihn aus Kostengründen! Noch durch die Kündigung traumatisiert wird er auf dem Heimweg im Zug von einer unbekannten Frau angesprochen, die ihn um einen Gefallen bittet rein hypothetisch: er soll unter den Fahrgästen im Zug eine ganz bestimmte Person ausfindig machen. Gelingt es ihm, winken 100.000 Dollar. Zu spät erkennt Michael, dass er plötzlich Hals über Kopf in ein tödliches Komplott verwickelt wurde... Wenn Du Dich als Held beweist, dann bekommst Du sofort wieder einen neuen Job! So in etwa könnte die Quintessenz aus dem von Jaume Collet-Serra inszenierten Actioner THE COMMUTER lauten. Liam Neeson spielt ihn, diesen Pendler, der nach zehn Jahren seinen Job bei einer Versicherungsgesellschaft verliert und am Ende – wir erahnen es bereits im Frühstadium des Films! – wieder seinen alten Job bei der Polizei erhält. Zwischen Verlust des Arbeitsplatzes und dem Wiedergewinn des alten Jobs darf Neeson wieder 100 Minuten den Tausendsassa spielen, der mit jeder noch so verzweifelt erscheinenden Situation klarkommt. Wie bei solchen Filmen üblich, bleiben auch dieses Mal wieder Logik und Plausibilität auf der (Bahn)Strecke. Dabei hätte es wirklich nicht eines so raffiniert ausgetüfftelten Plots bedurft, um eine Actionszene nach der anderen abzuliefern. Aber das sind freilich diese kleinen Details, die den geneigten Fan ganz bestimmt nicht davon abhalten werden, den Film mit einem vollen Popcornbecher in der Hand anzuschauen und dem Adrenalinrausch zu frönen. Inszeniert ist die ganze Geschichte durchaus rasant. Und mehr kann man von einem Action-Film nicht erwarten. Oder etwa doch?

© 2009-2024 Wolfram Hannemann
Datenschutzerklärung
All displayed Logos and Product Names may be ©, TM or ® by their respective rights holding companies.
No infringement intended.