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Donnerstag, 27. September 2018 Ein neuer Verehrer und eine Reise in die Vergangenheit Noch schnell ein kleines Doppelprogramm, bevor es dann in der Karlsruher Schauburg richtog großes Kino gibt JULIET, NAKED (1:2.35, 5.1) OT: Juliet, Naked Verleih: Prokino (Fox) Land/Jahr: USA, Großbritannien 2018 Regie: Jesse Peretz Darsteller: Rose Byrne, Ethan Hawke, Chris O'Dowd Kinostart: 15.11.2018
Annie und Duncan sind schon lange ein Paar, aber ihre Liebe ist ohne jede Leidenschaft. Duncans einziges Interesse gilt
dem Rockstar Tucker Crowe, der vor Urzeiten nur ein einziges Album produziert hat. Der Zufall will es, dass
ausgerechnet Annie mit genau diesem Rocker eine E-Mail-Freundschaft beginnt... Zwar gibt es im Film ein paar wenige
schöne Momente, doch fehlt es ihm insgesamt leider ziemlich an Pep. Die Geschichte ist weitgehend vorhersehbar,
wodurch sich der Film nur für solche Zuschauer empfiehlt, die sich nicht gerne überraschen lassen.
DER DOLMETSCHER(1:1.85, 5.1) OT: Tlmocník Verleih: Film Kino Text Land/Jahr: Slowakei, Tschechien, Österreich 2018 Regie: Martin Sulík Darsteller: Jirí Menzel, Peter Simonischek, Zuzana Maurery Kinostart: 22.11.2018
Eigentlich wollte der 80jährige Ali Ungar Rache für seine Eltern nehmen, die im Holocaust ermordet wurden. Doch er
findet nur den Sohn jenes Offiziers, der dafür verantwortlich war. Georg Graubner stellt sich als Schwerenöter und
Bonvivant heraus und ist damit das genaue Gegenteil von Ali. Georg aber packt die Gelegenheit beim Schopfe und
heuert Ali an, ihn als Dolmetscher zu begleiten, um in der Slowakei endlich das dunkle Kapitel in der Geschichte seines
Vaters aufzuklären. Die beiden Männer begeben sich auf eine intensive Zeitreise... Mit Jirí Menzel und Peter
Simonischek hat Martin Sulik zwei bemerkenswerte Darsteller gefunden, die diese Geschichte einer
Vergangenheitsbewältigung überzeugend tragen. In der Konstellation Opferkind und Täterkind müssen beide im Laufe
des Films feststellen, dass sie im jeweils Anderen endlich den Zuhörer gefunden haben, den sie schon ein Leben lang
suchen.
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Mittwoch, 26. September 2018 Der Racheengel und die Bloggerin Gemischtes Doppel beim heutigen Pressetermin PEPPERMINT: ANGEL OF VENGEANCE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1) OT: Peppermint Verleih: Universum Film Land/Jahr: USA 2018 Regie: Pierre Morel Darsteller: Jennifer Garner, John Gallagher Jr. Kinostart: 29.11.2018
Nachdem ihre kleine Tochter und ihr Ehemann von brutalen Gangstern erschossen wurden und die Justiz versagt, die
Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen, beschließt Riley North selber zu handeln. Ob korrupter Richter oder
Kartellboss – ein jeder bekommt jetzt sein Fett ab... Schon wieder ein Racheengel! Und was für einer. Zugegeben –
Jennifer Garner sieht toll aus in ihren engen Klamotten und Tank Top. Aber das Drehbuch geht etwas zu weit, indem es
aus einer Frau, die gnadenlos Selbstjustiz ergreift und Leichenberge aufhäuft, schon fast eine Heilige macht. Das
Quartier im Elendsviertel, in dem sie untergetaucht ist, ist seit ihrer Ankunft dort von Kriminalität befreit! Sie ist einfach
nur ein Gutmensch, der auch gerne zwischendurch mal einem alkoholkranken Vater seinen Erziehungsauftrag nochmal
klar macht – mit vorgehaltener Knarre natürlich. Regisseur Pierre Morel inszeniert seinen Rachethriller ohne viel
Schnickschnack, aber auch ohne große Spannung. Da gibt es nichts zu verpassen, wenn man zwischendurch mal ein
Nickerchen hält. Aber ganz unter uns: für einen solchen Film ist die Lebenszeit einfach zu kurz.
NUR EIN KLEINER GEFALLEN (1:2.00, DD 5.1 + 7.1) OT: A Simple Favor Verleih: Studiocanal Land/Jahr: USA 2018 Regie: Paul Feig Darsteller: Anna Kendrick, Blake Lively, Henry Golding Kinostart: 08.11.2018
Eigentlich sollte Stephanie nur einen Abend lang auf den kleinen Sohn ihrer besten Freundin Emily aufpassen. Doch
jetzt fehlt von ihr schon seit fünf Tagen jedes Lebenszeichen. Weder ihr Mann noch ihr Arbeitgeber weiß von ihrem
Verbleib. Mittels ihrem Vlog bittet Stephanie alle ihre Follower um Mithilfe. Tatsählich erhält sie ein paar nützliche
Hinweise. Allerdings beginnt die gutgläubige Single-Mom bald schon daran zu zweifeln, dass sie die wahre Emily
tatsächlich gut kennt... Unterstützt von einer exzellenten Tonspur, die viele französische Pop-Songs enthält (eine
Anspielung auf den französischen Thriller DIE DIABOLISCHEN, der hier Pate stand), wagt Regisseur Paul Feig den
Spagat und vereint sowohl Komödie als auch knallharten Thriller in seinem Film. Der Spagat gelingt: NUR EIN
KLEINER GEFALLEN unterhält prächtig mit seinen nicht vorhersehbaren Plot Twists und einer zu Hochform
auflaufenden Anna Kendrick (unbedingt im Original anschauen!). Auch wenn der Film zum Ende hin ein wenig zu viele
Purzelbäume schlägt, überwiegt der überaus positive Eindruck. Der Gang ins Kino lohnt.
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Dienstag, 25. September 2018 Eine fatale Liebe Polens Beitrag zum Auslands-Oscar stand heute auf meinem Kinoplan COLD WAR – DER BREITENGRAD DER LIEBE (1:1.37, 5.1) OT: Zimna Wojny Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Polen 2018 Regie: Pawel Pawlikowski Darsteller: Joanna Kulig, Tomasz Kot, Borys Szyc Kinostart: 22.11.2018
Wiktor, ein begabter Komponist, und Zula, eine seiner Studentinnen, beginnen eine Liebesaffäre zur Zeit des polnischen
Wiederaufbaus. Die beiden beschließen, sich in den Westen abzusetzen. Doch Zula taucht zum verabredeten Zeitpunkt
nicht auf. Wiktor setzt sich alleine ab. Jahre später treffen sich die beiden in Paris wieder.. Die auf altes
Stummfilmformat kadrierten Schwarzweißbilder reflektieren den inneren Zustand der fatalen Liebe zwischen Zula und
Wiktor: kalt und eingeengt wirken sie. Sie können nicht miteinander leben, aber auch nicht ohneeinander. Diese
Zerrissenheit dominiert Pawel Pawlikowskis intensives Liebesdrama vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Ein
existentielles Drama mit Sogwirkung. Auf der Tonebene glänzt der Film mit einem geradezu spektakulären und sehr
dynamischen Soundtrack. COLD WAR ist bestes Arthouse-Kino.
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Montag, 24. September 2018 Erinnerungen und Havannas Eine volle Pressewoche eröffnete heute mit einem gemischten Doppelprogramm REMEMORY (1:2.35, 5.1) OT: Rememory Verleih: Kinostar Land/Jahr: Kanada, USA 2017 Regie: Mark Palansky Darsteller: Peter Dinklage, Julia Ormond, Martin Donovan, Anton Yelchin Kinostart: 08.11.2018
Kurz vor dem Launch seines bahnbrechenden Apparats, mit dem man Gedanken in Bild und Ton aufnehmen und
wiedergeben kann, wird der Wissenschaftler Gordon Dunn tot aufgefunden. Der kleinwüchsige Modellbauer Sam
Bloom gibt sich Dunns Witwe gegenüber als jemand aus Gordon Dunns Vergangenheit aus und entwendet heimlich das
Gerät, um auf eigene Faust das Rätsel zu lösen... Wer Douglas Trumbulls überragenden Sci-Fi-Thriller PROJEKT
BRAINSTORM kennt, dem kommt Mark Palanskys REMEMORY wie die Arme-Leute-Version dieses Films vor.
Palanskys Film bietet zwar ein paar gute Ansätze zum Thema “Erinnerungen auf Video aufzeichnen”, aber er kriegt
nicht so richtig die Kurve, hat nicht den richtigen Biss. Zu oft läuft sein Film in einer Art Endlosschleife und liefert am
Ende eine fast schon zu erwartende Lösung. Für die visuellen Effekte war offensichtlich kein großes Budget vorhanden,
die wirken ziemlich billig, Was also bleibt von REMEMORY? Vermutlich nur Anton Yelchin, der einmal mehr in
seiner letzten Filmrolle zu sehen ist.
DER TRAFIKANT (1:2.35, 5.1) Verleih: Tobis Land/Jahr: Österreich, Deutschland 2018 Regie: Nikolaus Leytner Darsteller: Simon Morzé, Johannes Krisch, Bruno Ganz Kinostart: 01.11.2018
Österreich 1937. Der 17jährige Franz Huchel tritt auf Geheiss seiner Mutter eine Lehrlingsstelle als Trafikant in Wien
an. Bei Otto Trsnjek lernt Franz alles, was er als Tabakverkäufer wissen muss. Und er lernt Professor Sigmund Freud
kennen, der Stammkunde bei Trsnjek ist. In ihm findet Franz einen guten Zuhörer und einen sachkundigen Berater,
wenn es um die Liebe geht. Die setzt Franz ziemlich zu, als er die hübsche Anezka kennenlernt und wieder aus den
Augen verliert. Aber er ist fest entschlossen, sie wieder zu finden. Mit dem Einmarsch von Hitlers Truppen in Österreich
ändert sich jedoch alles... Mit atemberaubenden Bildern im CinemaScope-Format zieht Kameramann Hermann
Dunzendorfer den Zuschauer förmlich in diesen dramatischen Film hinein. Es sind teils wunderschöne, aquarellfarbene
Bilder, dann wieder alptraumhafte, düstere Bilder, mit denen Nikolaus Leytner seinen Film nach dem Roman von
Robert Seethaler inszeniert. Es ist die Coming-of-Age-Geschichte eines jungen Mannes, der nicht nur seine ersten und
vor allem bitteren Erfahrungen mit der Liebe machen muss, sondern nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche
Reich auch Zivilcourage beweisen muss. Auch wenn in der Geschichte zwischendurch immer wieder Humor aufblitzt
(insbesondere durch die Person des Sigmund Freud), sollte man sich nicht täuschen lassen: die Grundstimmung ist
äußerst depressiv und alles andere als Wohlfühlkino. Und er ist im Grunde genommen hochaktuell, wenn man sich die
derzeitige politische Lage vergegenwärtigt. Anspruchsvolles Kino zum Nachdenken.
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Donnerstag, 20. September 2018 Der Unruheständler Zweite und letzte Pressevorführung in dieser Woche JOHNNY ENGLISH – MAN LEBT NUR DREIMAL (1:2.35, 5.1) OT: Johnny English Strikes Again Verleih: Universal Land/Jahr: Großbritannien 2018 Regie: David Kerr Darsteller: Rowan Atkinson, Ben Miller, Olga Kurylenko, Emma Thompson Kinostart: 18.10.2018
Als ein Hackerangriff auf den Britischen Geheimdienst sämtliche Geheimagenten enttarnt, sieht sich die
Premierministerin dazu gezwungen, längst im Ruhestand befindliche Agenten wieder zu rekrutieren, um den Hacker
dingfest zu machen. Dumm nur für alle Beteiligten, dass ausgerechnet Johnny English als Einziger übrigbleibt, um den
Fall zu lösen. Gott helfe England! - Auch der dritte Film der JOHNNY ENGLISH Reihe macht wieder klar, dass
Rowan Atkinson mehr ein Mann der kurzen Sketche und weniger ein Mann für einen abendfüllenden Spielfilm ist.
Dennoch kann mit ein paar herrlichen Pointen auftrumpfen, die fast allesamt in die Kategorie “Retro” gehören. Denn
Johnny English setzt gerne auf umweltverpestende Ölschleudern und nicht etwa auf Elektroautos, lehnt Handys ab und
wirft stattdessen lieber Unmengen von Kleingeld in das Münztelefon oder vergisst in Windeseile seinen eben spontan
ausgedachten Decknamen. Die wohl schönste Sequenz im Film kommt ziemlich am Anfang des Films. Darin trifft
English auf drei noch wesentlich ältere bis vergreiste Geheimagenten, die von den guten alten technischen Tricks
schwärmen und die English in seiner Trotteligkeit aus Versehen auslöscht. Leicht verdaubare Agentenkomödie mit
Durchhängern.
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Dienstag, 18. September 2018 Russ‘n Roll! Ein Musikfilm bildete den Auftakt zu einer sehr mageren Pressewoche LETO (1:2.76, 5.1) OT: Leto Verleih: Weltkino Land/Jahr: Russland 2018 Regie: Kirill Serebrennikow Darsteller: Yoo Teo, Irina Starshenbaum Kinostart: 08.11.2018
Leningrad Anfang der 1980er-Jahre. Es herrscht Sommer. Bei den jungen Leuten kursieren Alben von Bowie, Blondie
oder Lou Reed – natürlich im Verborgenen. Doch die Underground-Rock-Szene brodelt. Mike und seine Frau Natascha
sind Teil dieser Szene. So lernen sie Victor kennen, einen charismatischen Musiker. Gemeinsam werden sie den Rock’n
Roll vorbei an staatlich kontrollierten Konzerten in der Sowjetunion für immer verändern... Regisseur Kirill
Serebrennikow nimmt die Geschichte der russischen Rock-Band “Kino” als Basis für einen berauschenden Film, der das
Lebensgefühl der russischen Jugend kurz vor der Perestroika einfängt. Immer wieder wagt er es, mit
amerikanisch-britischem Rock seinen Film durch überlagerte Animationen in einen mitreissenden Video-Clip zu
verwandeln. Viele Szenen kommen ohne Schnitte aus und die überwiegend schwarzweißen Bilder nutzen das
Scope-Format. Nur ab und zu schleicht sich etwas Farbe in den Film, mal ganz dezent, mal knallig bunt. Trotz seiner
Länge von 128 Minuten ist man überrascht, dass der Film schon zu Ende ist. Noch eine kleine Anmerkung zum
Bildformat. Hier wählten Kirill Serebrennikow und sein Kameramann Vladislav Opelyants dasselbe Aspect Ratio, das
Quentin Tarantino für THE HATEFUL 8 verwendete. Was aber bei Tarantino technische Gründe hatte (Stichwort:
Ultra Panavision), ist hier künstlerischen Aspekten geschuldet. Denn wann immer Serebrennikows seine Bilder mit
Animationen bereichert, ragen diese teilweise in die schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand hinein. Den sich
dadurch ergebenden Effekt der räumlichen Erweiterung nutzte auch Disney bereits bei einigen 3D-Filmen.
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Samstag, 15. September 2018 Das Böse haust im Kloster Es war an der Zeit, mal wieder zwei Filme nachzusitzen, die sich die Filmverleiher nicht trauten, der Stuttgarter Presse zu zeigen PREDATOR – UPGRADE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Predator Verleih: Fox Land/Jahr: USA 2018 Regie: Shane Black Darsteller: Jacob Tremblay, Olivia Munn, Boyd Holbrook Kinostart: 13.09.2018
Als der kleine Sohn eines in Ungnade gefallenen Soldaten in den Besitz eines Pakets gelangt, in dem sein Vater die
Überreste der Ausrüstung eines außerirdischen Predators beiseite geschafft hat, lädt er damit ungewollt weitere
Predatoren ein... Etwas mehr als 30 Jahre ist es inzwischen her, dass Arnold Schwarzenegger mit einer kleinen
Söldner-Gruppe Jagd auf den ersten Predator der Filmgeschichte machte. Der von John McTiernan inszenierte
Action-Film avancierte im Lauf der Zeit zu einem Kultfilm, insbesondere auch Dank der faszinierenden Tonspur, die
ganz bewusst auf die in den Kinos installierten Subwoofer setzte. Nach ein paar nicht nennenswerten Fortsetzungen und
Variationen, die es ins Kino geschafft haben, versucht jetzt der renommierte Drehbuchautor Shane Black das
PREDATOR Franchise gefühlt wieder dort aufzugreifen, wo es einmal angefangen hat: mit einem kleinen Trupp
tapferer Soldaten, die sowohl gegen die Aliens als auch gegen ihre Vorgesetzten antreten müssen. Black, der zusammen
mit Fred Dekker nicht nur das Drehbuch verfasst hat, sondern auch Regie führt, gewinnt dem Genre ganz neue Aspekte
ab. Denn sein kleines Söldner-Heer könnte ein Ableger des DRECKIGEN DUTZENDS sein, das Robert Aldrich Ende
der 1960er-Jahre über die Leinwand schickte. Diese Jungs sind echt durchgeknallt, was sie unglaublich sympathisch
macht, und sie generieren damit jede Menge Lacher. So macht dann auch die Action richtig Laune. Um
Missverständnissen vorzubeugen: PREDATOR – UPGRADE bleibt natürlich einer jener Filme, für die man das Hirn
auch Zuhause lassen kann. Umso größer der Spaßfaktor. Wer sich die volle Dröhnung geben möchte, der sollte sich den
Film entweder in einem Kino mit Dolby Atmos anschauen bzw. anhören oder in das teurere Ticket für die
IMAX-Präsentation investieren.
THE NUN (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Nun Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2018 Regie: Corin Hardy Darsteller: Taissa Farmiga, Demián Bichir, Bonnie Aarons Kinostart: 06.09.2018
1952 reisen ein Exorzist und eine Nonne in spe im Auftrag des Vatikan nach Rumänien, um dort in einem abgelegenen
Kloster den Suizid einer Nonne zu untersuchen. Bald schon müssen sie feststellen, dass sie es dort mit einer sehr starken
und extrem Bösen Präsenz zu tun haben... Das Böse hat also seinen Ursprung in einem katholischen Kloster – ein
Schelm, wer Böses dabei denkt. Corin Hardys Horrormär erzählt die Vorgeschichte zur erfolgreichen
CONJURING-Serie. Doch im Gegensatz zu den vorherigen hochspannenden Filmen erweist sich THE NUN bei
genauerem Hinschauen als echter Trash. Die Darsteller und auch der Kameramann geben zwar ihr Bestes, dem
Publikum bei dieser Geisterbahnfahrt kalte Schauer über den Rücken zu jagen, aber das Drehbuch macht dem gekonnt
einen Strich durch die Rechnung. Die Handlung des Films und insbesondere die Handlungsweisen der Protagonisten
sind so hanebüchen und lächerlich. Das Einzige – und jetzt kommt’s! – was diesen Film noch zusammenhält, ist seine
exquisite Tonspur. Hier haben ich die Tontechniker wirklich große Mühe gegeben, um die Vorzüge von Dolby Atmos
richtig auszukosten. Ob es ein kleines, fieses Geräusch von ganz hinten rechts ist oder lautes Gepolter an der Decke –
hier möchte man wirklich nicht alleine im dunklen Kinosaal sitzen. Die plastische Tonmischung bringt auch den
fulminanten orchestralen Score von Abel Korzeniowski erst richtig zur Geltung. Da können herkömmliche 5.1- und
7.1-Fassungen nicht mithalten. Alternativ empfiehlt sich THE NUN natürlich auch in der IMAX-Version, die hier
insbesondere lautstärkemäßig noch eine Schippe drauflegen wird.
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Freitag, 14. September 2018 Das Familienessen und der Karrieretag Zum Wochenende gleich zwei Komödie im Doppelpack DER VORNAME (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2018 Regie: Sönke Wortmann Darsteller: Justus von Dohnányi, Florian David Fitz, Caroline Peters, Christoph Maria Herbst, Janina Uhse, Iris Berben Kinostart: 18.10.2018
Was als gemütliches Abendessen mit Familie und Freunden geplant war, nimmt eine vollkommen unerwartete
Wendung, als der Bruder der Gastgeberin ankündigt, dass er sein ungeborenes Kind Adolf taufen werde. Das ist
besonders für seinen Schwager, einen Literaturprofessor, ein großer Affront. Was niemand weiß: das Ganze sollte nur
ein Scherz sein... Vor genau sechs Jahren brachten die Regisseure Alexandre de la Patellière und Matthieu Delaporte
ihren Film DER VORNAME in die Kinos, der vom Bröckeln der bürgerlichen Fassade erzählt. Jetzt hat Sönke
Wortmann den Stoff neu verfilmt. Spielte damals alles in Frankreich, so ist es jetzt eine große Wohnung in Bonn, die
zum Schauplatz der großen Schlacht wird. Es ist eine Schlacht der Worte, die hier von einem exquisiten Ensemble
vorgetragen wird. Viele Missverständnisse und ebenso viele streng gehütete Geheimnisse machen aus den Verwandten
und Freunden einen wilden Haufen Unberechenbarer. Eben ganz aus dem Leben gegriffen. Wortmanns Film macht
natürlich dann besonders viel Spaß, wenn man das französische Original nicht kennt. Wie dort so nutzt auch Wortmann
in seinem Film geschickt das Scope-Format sowie ein agile Kamera, um den Bühnencharakter der Geschichte
weitgehend zu minimieren.
CAREER DAY MIT HINDERNISSEN (1:2.35, 5.1) OT: A Happening Of Monumental Proportions Verleih: Kinostar Land/Jahr: USA 2017 Regie: Judy Greer Darsteller: Common, Allison Janney, Jennifer Garner, Kathie Holmes Kinostart: 25.10.2018
Es ist Tag X: “Career Day”, an dem Schüler ihre arbeitenden Eltern mit in den Unterricht bringen dürfen, um sie vor der
ganzen Klasse etwas über ihren Beruf erzählen zu lassen. Blöd nur, dass ausgerechnet an diesem Tag Patricias Daddy
seinen Job verliert. Kommen noch ein depressiver Lehrer, ein ebenso desillusionierter wie verliebter Schüler, ein
Kotzbrocken von Chef sowie ein toter Gärtner namens Kevin dazu – und fertig ist der alles andere als perfekte “Career
Day”. - Mehrere ineinander greifende Geschichten verknüpft Filmschauspielerin Judy Greer in ihrem Regie-Debüt zu
einer schwarzhumorigen Komödie, die eigentlich viel flotter sein könnte als sie es hier ist. Das liegt am Timing, das
nicht immer den Punkt trifft. Dennoch kann sie mit ein paar richtig witzigen Einlagen auftrumpfen und schüttelt am
Ende gar noch Keanu Reeves in einem Gastauftritt als kleinen Trumpf aus dem Ärmel.
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Donnerstag, 13. September 2018 Schmerzende Herzen Der heutige Doppelpack hatte eine Draödie aus den USA und ein Drama aus Deutschland im Gepäck KRYSTAL (1:1.85, 5.1) OT: Krystal Verleih: Kinostar Land/Jahr: USA 2017 Regie: William H. Macy Darsteller: Rosario Dawson, Nick Robinson, T.I. Kinostart: 18.10.2018
Der mit einem kranken Herzen lebende Taylor verliebt sich Hals über Kopf in die attraktive Krystal. Um ihr nahe zu
sein, schließt er sich der Gruppe Anonymer Alkoholiker an, der auch seine Angebetete angehört... William H. Macys
dritte Regiearbeit fürs Kino ist nicht unbedingt ein schlechter Film, aber eben auch kein besonders interessanter. Die
Inszenierung ist ziemlich bieder, sieht man einmal ab von den kurzen “Effekteinlagen”, wenn Taylors Wahrnehmung des
Satans visualisiert werden. Dass sich die Mutter eines 16jährigen, im Rollstuhl sitzenden Sohnes, ausgerechnet auf einen
18jährigen einlässt, erscheint indes ein wenig weit hergeholt. KRYSTAL ist maximal TV-Kost, für die man nicht
unbedingt ein Kino aufsuchen muss.
DIE DEFEKTE KATZE (1:1.85, 5.1) Verleih: Alpenrepublik (Filmperlen) Land/Jahr: Deutschland 2018 Regie: Susan Gordanshekan Darsteller: Pegah Ferydoni, Hadi Khanjanpour, Henrike von Kuick Kinostart: 04.10.2018
Liebe auf den ersten Blick ist es gewiss nicht. Doch die im Iran lebende Mina und der Deutsch-Iraner Kian lassen sich
auf eine arrangierte Ehe ein. Mina, studierte Elektroingenieurin, hat nicht nur Probleme mit der deutschen Sprache,
sondern auch mit der deutschen Kultur, die ihr ziemlich fremd erscheint. Auch ihr Mann Kian, ein Arzt, ist ihr
vollkommen fremd. Trotzdem hoffen beide auf eine glückliche Ehe... Susan Gordanshekan behutsam erzählter Film
zeichnet sich neben ihren wunderbaren Hauptdarstellern Pegah Ferydoni und Hadi Khanjanpour vor allem durch die
exzellente Kameraarbeit von Julian Krubasik sowie die kristallklare Filmmusik von Sebastian Fillenberg aus. Ein
unaufdringliches Sounddesign rundet den überaus positiven Gesamteindruck bei dieser sehr authentisch wirkenden
Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Integration ab. Kino, das lohnt.
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Mittwoch, 12. September 2018 Schuld war nur der Bossa Nova Noch ein Dokumentarfilm. Knapp über 90 Minuten, unterhaltsam und spannend. Also, geht doch. WO BIST DU, JOAO GILBERTO? (1:1.85, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Schweiz, Deutschland, Frankreich 2018 Regie: Georges Gachot Kinostart: 22.11.2018
Mit seinem Dokumentarfilm wandelt Filmemacher Georges Gachot auf den Spuren des Oscar-Gewinners
SEARCHING FOR SUGARMAN, wird doch in beiden Filmen jeweils nach einem Musiker gesucht, der von der
Bildfläche verschwunden ist. In Gachots Fall ist es João Gilberto, der Erfinder des weltberühmten Bossa Nova. Der
Deutsche Marc Fischer war von dessen gefühlvoller Musik derart angetan, dass er sich nach Rio aufmachte, um ihn zu
finden. Ohne Erfolg. Seine Bemühungen mündeten in ein Buch, das kurz nach Fischers Freitod veröffentlicht wurde und
das nun die Grundlage für Gachots Suche bildet. Der ebenfalls vom Bossa Nova verzauberte Filmemacher trifft sich mit
den Weggefährten Fischers, die alle auch Weggefährten des großen João Gilberto sind oder waren. Im Laufe des Films
entsteht so das Porträt eines Musikers, der die musikalische Welt veränderte, aber der unerkannt und im Verborgenen
bleiben möchte. Spannend wie in einem Detektivfilm baut sich nach und nach das Bild dieses Künstlers auf, der nicht
gefunden werden möchte. Ob Gachot mehr Erfolg vergönnt ist als Fischer sei hier nicht verraten. Wer es wissen möchte,
dem sei dieser Kinofilm wärmstens empfohlen.
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Dienstag, 11. September 2018 Bücher und noch viel mehr Heute hielt mich eine mehr als dreistündige Doku im Kinostuhl fest EX LIBRIS: DIE PUBLIC LIBRARY VON NEW YORK (1:1.85, Mono) OT: Ex Libris: New York Public Library Verleih: Kool (Filmagentinnen) Land/Jahr: USA 2017 Regie: Frederick Wiseman Kinostart: 24.10.2018
Mit seinen 89 Jahren dürfte Frederick Wiseman nicht nur einer der ältesten, noch aktiven Dokumentarfilmer sein,
sondern der Filmemacher überhaupt. Dem neuesten Opus merkt man das Alter seines Schöpfers jedenfalls zu keiner
Sekunde an. Wobei Opus hier eigentlich der falsch gewählte Begriff ist – Epos kommt dem Film wesentlich näher. Denn
mit einer Laufzeit von 197 Minuten ohne Pause erfordert er vom Zuschauer eine große Portion Sitzfleisch und eine noch
größere Blase! Aber anders als bei einem überlangen Spielfilm (jüngstes Beispiel: WERK OHNE AUTOR mit 188
Minuten ohne Pause) kann man sich bei Wisemans Film durchaus zwischendurch einfach mal die Beine vertreten oder
das Örtchen aufsuchen: man verpasst nichts Wesentliches. Was aber genau zeigt Wiseman in seinem Film? Wir werden
Zeuge von internen Diskussionen über Budget- und Angebotsfragen, von Lesungen, von literarischen Gesprächen, von
Führungen usw. Dabei werden alle Dependencen der NYPL gezeigt, jeweils durch Stimmungsbilder aus New York
getrennt. Es wird schnell klar, dass diese Bibliothek sich nicht nur als reine Buchausleihmaschine versteht, sondern als
einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl. Hier werden Menschen dazu animiert zu forschen und sich zu bilden. Man
unterstützt den Breitbandausbau und bietet ausleihbare Hot Spots an, stellt Überlegungen zur Inklusion an oder
diskutiert über die Einbindung von Obdachlosen. Der Film ist eine Hohelied auf die Institution der Bibliothek in all
ihren Ausprägungen ein damit natürlich ein Muss für jeden Bücherfan.
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Montag, 10. September 2018 Der letzte Mensch Eine recht gut bestückte Pressewoche begann mit einem Drama über eine Ausnahmesituation IN MY ROOM (1:1.85, 5.1) Verleih: Pandora Land/Jahr: Deutschland, Italien 2018 Regie: Ulrich Köhler Darsteller: Hans Löw, Elena Radonicich, Michael Wittenborn Kinostart: 08.11.2018
Viel Freude gibt es nicht in Armins Leben. Als Kameramann baut er nur Mist, bei den Frauen will es nicht mehr so recht
klappen. Und im Elternhaus liegt gerade seine geliebte Großmutter im Sterben. Am Morgen nach hrem Tod erwacht er
in seinem Auto, das er irgendwo unter einer Brücke geparkt hat. Alles ist wie ausgestorben. Erst ganz allmählich wird
ihm klar, dass er der einzige Mensch weit und breit ist. Die anfängliche Panik weicht bald einem Gefühl grenzenloser
Freiheit... Ein wenig erinnert Ulrich Köhlers existentielles Drama an Filme wie QUIET EARTH oder DIE WAND, in
denen jeweils nur ein einziger Mensch auf Erden weilt. Was machen mit soviel Freiheit, die man plötzlich hat, wenn
man feststellt, dass man offenbar der letzte Mensch ist? Und was geschieht mit dieser Freiheit, wenn plötzlich noch ein
anderes menschliches Wesen auftaucht? Durch die Begegnung von Armin mit Kirsis entdeckt er zum ersten Mal (oder
vielleicht auch endlich wieder) die Liebe. Doch auch im vermeintlichen Paradies ist nicht alles immer nur einfach. Denn
sowohl Armin als auch Kirsis schleppen ihre Vergangenheit nach wie vor mit, was letztendlich auch hier zu Konflikten
führt. Köhlers Film wird sich bestimmt nicht jedem erschließen, denn er endet nicht in einer Aufklärung der seltsamen
Situation, in der sich die Protagonisten wiederfinden. Die stellt sich erst nach der Hälfte des Films ein. In der ersten
Hälfte widmet sich Köhler ganz der Charakterisierung von Armin, zeigt ihn bei seiner Arbeit, am Totenbett seiner
Großmutter, beim missglückten One-Night-Stand usw. Damit ergibt sich eine Zweiteilung des Films, die man natürlich
mögen muss. Endzeitthrillerverwöhnte Zuschauer könnten da auf eine falsche Fährte gelockt und am Ende enttäuscht
werden. Doch alleine schon die Tatsache, dass es keine Filmmusik gibt, ist ein Indiz dafür, dass es eben in eine ganz
andere, intellektuellere Richtung geht.
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Freitag, 07. September 2018 Eine Totgeglaubte taucht wieder auf Ein Schweden-Krimi verabschiedete mich heute ins verdiente Wochenende INTRIGO – TOD EINES AUTORS (1:2.35, 5.1) OT: Intrigo: Death Of An Author Verleih: Fox Land/Jahr: Schweden, USA, Deutschland 2018 Regie: Daniel Alfredson Darsteller: Benno Fürmann, Sir Ben Kingsley, Veronica Ferres Kinostart: 25.10.2018
Um seinen ersten Roman beurteilen zu lassen, reist David zu Alex Henderson, einem renommierten Romanautoren. Auf
dessen abgeschieden liegendem Haus irgendwo auf einer Insel in Griechenland beginnt David seinen Entwurf
vorzulesen. Darin geht es um ein Paar, das nach acht Jahren Ehe vor der Trennung steht, weil Eva einen neuen
Liebhaber hat. Im letzten gemeinsamen Urlaub manipuliert der Ehemann das Auto, mit dem seine Frau später offenbar
in den Tod fährt. Doch weder das Auto noch die Frau werden gefunden. Drei Jahre später ist es ein Husten während
eines Konzerts im Radio, das den Ehemann alarmiert: es ist das Husten seiner Frau. Henderson braucht nicht lange um
herauszufinden, dass Davids Roman autobiographisch ist. Doch da ist noch mehr: David soll de letzten Roman des unter
mysteriösen Umständen verschwundenen Bestsellerautoren Germund Rein übersetzen. Für David verdichten sich die
Anzeichen, dass sein Verschwinden und das seiner Frau in Zusammenhang stehen. Weiß Henderson womöglich etwas? -
INTRIGO – TOD EINES AUTORS ist der erste von gleich drei Romanen aus der Feder von Schwedens Erfolgsautor
Håkan Nesser, die jetzt fürs Kino verfilmt wurden. INTRIGO – DEAR AGNES und INTRIGO – SAMARIA werden
im kommenden Jahr folgen. Nach Sichtung der ersten Verfilmung hält sich die Vorfreude auf die anderen beiden leider
in recht schmalen Grenzen. Im Falle von TOD EINES AUTORS krankt es vor allem daran, dass praktisch die gesamte
Handlung in Form eines Sprechers aus dem Off erzählt wird, zu der Regisseur Daniel Alfredson und sein Kameramann
Pawel Edelman die passenden Bilder suchen. Ganz streng genommen ist es quasi eine Art Hörbuch mit Bildern.
Dadurch entwickelt der Film überhaupt keine Geschwindigkeit, sondern quält sich bis zum bitteren Ende. Das ist
höchstens Sonntagabend TV-Kost, aber keine Unterhaltung für die große Leinwand. Was die Darsteller angeht, so fällt
hier ganz besonders Ben Kingsley auf – aber negativ. Er wirkt hier fast schon wie eine Parodie seiner selbst und man
ahnt, dass er beim Dreh womöglich tatsächlich betrunken war. Vielleicht ist hier die englische Originalfassung, die uns
in der heutigen Pressevorführung gezeigt wurde, mal ausnahmsweise von Nachteil. Zu guter Letzt ist die ganze
Geschichte, die hier aufgerollt wird, derart hanebüchen, dass es einem die Freude auf das Finale nimmt. Aber so ist das
vermutlich bei einem Schweden-Krimi-Autoren wie Håkan Nesser.
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Mittwoch, 05. September 2018 Wo der Lehrer zum Schüler wird Zur Wochenmitte eine Doku mit wirklich putzigen Protagonisten DAS PRINZIP MONTESSORI – DIE LUST AM SELBER-LERNEN (1:1.85, 5.1) OT: Le Maître Et L'enfant Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Frankreich 2017 Regie: Alexandre Mourot Kinostart: 06.09.2018
Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht? Solche Regeln gelten nicht in Frankreichs ältestem
Montessori-Kinderhaus, das Filmemacher Alexandre Mourot stellvertretend für alle Einrichtungen dieser Art besuchte.
Auslöser war das Heranwachsen seiner kleinen Tochter, die sobald sie laufen konnte, alles auf eigene Faust entdecken
wollte. Was treibt dieses kleine Wesen eigentlich an? Mourot war fasziniert davon, welche Fortschritte sie machte, wenn
man sie einfach gewähren ließ. Eine Idee, die Maria Montessori vor bereits 100 Jahren hatte, als sie ihre ganz eigene
Kinderpädagogik entwickelte. Der Drang zu lernen ist allen Kindern inhärent, war eine ihrer Thesen. Mit einfühlsam
beobachtender Kamera zeigt der Film auf ebenso beeindruckende wie rührende Weise, dass dem tatsächlich so ist.
Kaum zu glauben, wie konzentriert und emsig die Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren ihrer “Arbeit” im Kinderhaus
nachgehen. Da wird gebacken, gekocht, gelesen, geschält, gerechnet, geschnitten oder gepuzzled, dass es eine wahre
Freude ist – und ohne Anweisung durch die Erzieher. Jedes Kind hat dabei seinen ganz eigenen Rhythmus, entwickelt
seine ganz eigene Energie – soziales Verhalten inklusive: die Älteren helfen den Jüngeren. Mourots Film bleibt stets auf
Augenhöhe mit den Kindern und lässt den Zuschauer teilhaben an deren Alltag im Kinderhaus. Statt profaner
Interviewpassagen gibt es Stimmen aus dem Off, die Montessoris Erkenntnisse vertiefen. Das klingt zwar ziemlich
trocken und erinnert ein wenig an TV-Dokus, doch die geradezu intimen Einblicke in den Alltag der Kleinen
entschädigen für alles. Der langsame Schnitt und die zurückhaltende Filmmusik laden zum Beobachten ein, machen den
Zuschauer zum Schüler. Ganz im Sinne von Montessori, die sagte, dass eigentlich das Kind der Führer sein sollte auf
dem Weg hin zu einer besseren Gesellschaft.
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Dienstag, 04. September 2018 Überleben in der Eiswelt Der richtige Film für einen warmen Tag NANOUK (1:2.35, 5.1) OT: Ága Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Bulgarien, Deutschland, Frankreich 2018 Regie: Milko Lazarov Darsteller: Mikhail Aprosimov, Feodosia Ivanova, Sergei Egorov Kinostart: 18.10.2018
In der Eiswüste des sibirischen Nordens liegt Jakutien. Es ist die Heimat von Sedna und Nanouk, die hier in einer
einfachen Jurte-Hütte leben ganz wie ihre indigenen Vorfahren. Leben tun die beiden in der Eiseskälte durch die Jagd.
Doch die Tiere werden immer seltener und die Temperaturen steigen. Ihre Tochter Ága ist schon vor langer Zeit
fortgegangen. Ihre Eltern haben es ihr nie verziehen. Doch als Sedna merkt, dass sie nicht mehr lange zu leben hat,
beginnt ein Umdenkprozess... Die von Kaloyan Bozhilov in ausladendem CinemaScope kadrierten Bilder könnten
durchaus zu den besten Bildern gehören, die man seit THE REVENANT im Kino zu sehen bekam (und es ist kein
Zufall, dass eines der Stücke von Ryuichi Sakamoto, die er für Inarritus Film komponierte, hier erklingt!). In epischen,
statischen Einstellungen scheinen oft die Figuren in der grandiosen Eislandschaft zu verschwinden. Gleichzeitig strahlen
sie eine majestätische Ruhe aus. In dieser Welt ticken die Uhren ganz anders. Minutiös schildert Regisseur Milko
Lazarov den harten Alltag des alten Jakuten-Paares. Das ist fast schon Balsam für unsere gestresste Großstadtseele.
Doch auch hier gilt das Gut der Familie als das höchste. Und das gilt es zu erhalten. Aussöhnung und Vergebung sucht
man auch in diesem unwirtlichen Teil der Welt, um in Frieden sterben zu können. Bildgewaltiges Arthouse-Kino.
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Montag, 03. September 2018 Weibliche Vorbilder #Metoo bekommt Verstärkung #FEMALE PLEASURE (1:1.85, 5.1) Verleih: X Verleih Land/Jahr: Schweiz, Deutschland 2018 Regie: Barbara Miller Kinostart: 08.11.2018
Fünf Frauen aus unterschiedlichen Ländern und vollkommen verschiedenen Kulturen erzählen davon, was es bedeutet,
Frau zu sein. Da ist die in London lebende Leyla Hussein aus Somalia, die als Kind einer Genitalverstümmelung zum
Opfer fiel und sich jetzt aktiv gegen diese Grausamkeit einsetzt. Die japanische Manga-Künstlerin Rokudenashiko muss
sich in ihrem Land vor Gericht verantworten, weil sie ihre Vagina künstlerisch verwertet. Doris Wagner trat als junge
Frau in einen erzkatholischen Orden ein und wurde dort von einem Pater mehrfach missbraucht. Deborah Feldman
entsprang einer ultraorthodoxen jüdischen Familie in New York und wurde mit 17 Jahren zwangsverheiratet. Und
Vithika Yadav schließlich wuchs in einer tradiotionellen hinduistischen Familie im nordindischen Rajasthan auf und
kämpft jetzt mit ihrer Internetplattform “Love Matters” für sexuelle Aufklärung und gegen sexuelle Übergriffe auf
Frauen und Mädchen in Indien. Was Regisseurin Barbara Miller aus ihren über Sexualität offen redenden
Protagonistinnen herauskitzelt ist die Erkenntnis, dass überall auf der Welt Religion und kirchliche Institutionen
offenkundig alleine dem Zweck dienen, Frauen zu unterdrücken. Zitate aus dem Koran, der Bibel und anderen heiligen
Schriften bekräftigen diese deprimierende Tatsache. Es handelt sich um patriarchalische Machtstrukturen, die seit
Generationen beibehalten werden und nicht hinterfragt werden dürfen. Miller präsentiert mit “ihren” Frauen wahre
Heldinnen, die aus dem System ausgebrochen sind, weil sie es mit ihrem gesunden Menschenverstand hinterfragt haben.
Und diese Frauen geben nicht auf, setzen sich für andere Frauen ein und versuchen, die jeweilige Gesellschaft durch
Aufklärung umzuprogrammieren. Das aber geht oft nur mit Repressalien einher. Umso mehr gebührt diesen Frauen
Hochachtung und Bewunderung. Sie sind echte Vorbilder. Millers Dokumentarfilm lässt einen nicht kalt. Der gut
fotografierte, gut geschnittene und mit einer faszinierenden Filmmusik ausgestattete Film lohnt das Anschauen.
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