Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Dienstag, 30. Oktober 2018
Kino mit Schlummerwirkung
Das erste Screening der Woche hat mich leider gar nicht überzeugt...

DAS KRUMME HAUS (1:2.35, 5.1)
OT: Crooked House
Verleih: Fox
Land/Jahr: Großbritannien 2017
Regie: Gilles Paquet-Brenner
Darsteller: Glenn Close, Christina Hendricks, Gillian Anderson, Max Irons, Terence Stamp
Kinostart: 29.11.2018

Ein Detektiv wird von seiner ehemaligen Geliebten angeheuert, um den angeblichen Mord an ihrem Großvater aufzuklären. Ein schwieriger Fall, denn in dem hochherrschaftlichen Haus hatte ein jeder ein Motiv, den alten Herrn ins Jenseits zu befördern... Spätestens seit der recht erfolgreichen Neuverfilmung von MORD IM ORIENT EXPRESS sind Agatha Christie Krimis wieder angesagt. Und so lanciert Regisseur Gilles Paquet-Brenner die Verfilmung eines weiteren Romans der berühmten Engländerin im Fahrwasser von Kenneth Branaghs Kabinettstückchen. Nur ganz wenig bekannte Namen in der Darstellerriege und vollkommen unbekannte Namen in der Crew-Liste lassen darauf schließen, dass hier versucht wurde zu sparen. Und sparen ist genau das richtige Wort in diesem Zusammenhang. Denn DAS KRUMME HAUS kann man sich ohne Bedenken sparen! Die Inszenierung ist so langweilig, dass jeder Sonntagabend-TV-Krimi dagegen wie ein Meisterwerk der Spannung erscheint! Wirklich schade um das Geld, das hier alles andere als eine nachhaltige Wirkung hat. Ein langweiliges “Whodunit”, das zum Einschlafen animiert.
Sonntag, 28. Oktober 2018
Wenn aus Porno Horror wird
Sie lag schon lange auf dem Stapel – jetzt habe ich endlich Zeit gefunden, mir die Blu-ray “reinzuziehen”

SKIN CREEPERS (1:2.35, 5.1)
Verleih: Starcloser
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie: Ezra Tsegaye
Darsteller: Nicolas Szent, Nicolas Artajo, Barbara Prakopenka, Dieter Landuris
Kinostart: 18.10.2018

Zwei erfolglose Filmemacher möchten mit einem Porno den Durchbruch schaffen. Das Low Budget Projekt gerät allerdings kräftig ins Wanken, als die eigens aus den USA eingeflogene Hauptdarstellerin plötzlich von einem Dämon in Besitz genommen wird... Mit einem Budget von gerade einmal 50.000 Euro und ohne jedwede Fördergelder haben sich Regisseur Ezra Tsegaye und Produzent Sebastian Wolf daran gemacht, “den deutschen Underground- und Genre-Film international zu machen und verrückte Ideen auf die Leinwand zu bringen”. So liest man es im Marketing-Flyer, der dem Screener beigelegt war, den Ezra Tsegaye höchstpersönlich an ausgewählte Filmjournalisten verschickte. Nach Sichtung des Materials bin ich zwiegespalten: einerseits zeugt das Drehbuch von einer spätpubertären Phase der Filmemacher, andererseits überzeugt die Realisierung in technischer Hinsicht. Allerdings gibt es hier Punkteabzug für die Tonmischung, die allzu oft dazu neigt, die Dialoge durch Filmmusik und Geräuschkulisse zu übertönen. Auch sind ab und an Asychronitäten zwischen Lippenbewegungen und Dialogen zu konstatieren. SKIN CREEPERS hätte vielleicht ein richtig schräges B-Movie werden können, würde es nicht mit extremen Längen kämpfen. Auch wenn das Ganze oft als Komödie verstanden werden möchte – Langeweile treibt einem hier das Lachen gleich wieder aus. Zudem sieht man dem Werk sein geringes Budget fast in jeder Einstellung an: Großaufnahmen der Protagonisten dominieren das CinemaScope-Bild, während die Geräuschkulisse ständig versucht, einem die Anwesenheit von viel mehr Menschen vorzugaukeln. Man muss jedoch eingestehen, dass die Kameraarbeit (Johannes Funk) (auch unter gelungenem Einsatz von Drohnen) handwerklich überzeugt. Hier wird versucht, das Größtmögliche aus dem geringen Budget herauszuholen. Das gilt im Übrigen auch für die Filmmusik (Simone Cilio), bei der sich der Komponist richtig austoben durfte. Dass er dabei etwas über das Ziel hinausgeschossen ist und viel zu viel Musik ablieferte, steht auf einem anderen Blatt Papier. Zusammenfassend kann man sagen, dass es durchaus erfreulich ist, dass sich hier junge Filmemacher vom Fördersystem losgesagt haben, um eigene Ideen ohne Kompromisse zu realisieren. Aber vielleicht wären sie gut beraten gewesen, für ihr erstes Independent-Projekt ein besseres Drehbuch zugrunde zu legen.
Samstag, 27. Oktober 2018
Willkommen zurück, lieber Michael!
Die Fortsetzung zu einem Kultfilm ist immer problematisch. Erst recht, wenn diese 40 Jahre später entsteht

HALLOWEEN (1:2.35, 5.1)
OT: Halloween
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2018
Regie: David Gordon Green
Darsteller: Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andi Matichak
Kinostart: 25.10.2018

Genau 40 Jahre nach jener verhängnisvollen Halloweennacht, in der Michael Myers das Städtchen Haddonfield heimsuchte und die Bevölkerung dezimierte, kehrt der Psycho wieder an den Schreckensort zurück. Was Myers nicht weiß: Laurie Strode, Überlebende des Massakers, wartet bereits auf ihn... 40 Jahre sind vergangen, seit John Carpenter mit seinem Lehrstück in Sachen subjektiver Kameraführung Horrorfans weltweit im Sturm eroberte. Wer kennt nicht das berühmte Synthesizer-Leitmotiv, das zum Sinnbild für Suspense wurde – vom Regisseur selbst kreiert. Und natürlich erinnern wir uns an Jamie Lee Curtis‘ ersten großen Kinoauftritt, der ihr den Titel “Scream Queen” einbrachte. Das alles war 1978. Jetzt also inszenierte David Gordon Green eine Fortsetzung zu diesem Klassiker. Außer der einprägsamen Musik ist auch wieder Jamie Lee Curtis mit an Bord. Und weil sie inzwischen eine alte, ergraute Lady geworden ist, übernimmt ihre Filmnichte jetzt jene Rolle, die sie im Ur-Film inne hatte. Ob das funktioniert? Nein, tut es leider nicht. Angesichts einer derart biederen und spannungslosen Inszenierung denkt man wehmütig an die nach wie vor faszinierende Steadycam-Arbeit in John Carpenters Originalfilm, die wahrhaftig neue Maßstäbe setzte. Und ob man als Fan des alten Films Laurie Strode wirklich als eine Art Fräulein Rambo sehen möchte, darf durchaus bezweifelt werden. Was die Gewalt angeht, so verzichten die Filmemacher dankenswerterweise auf zu explizite Darstellung. Wie schon im Ur-Film, so läuft auch hier fast alles im Dunkeln ab. Fazit: Die 2018er-Version von HALLOWEEN kann man getrost auf die Liste jener Filme setzen, auf die man getrost verzichten kann.
Freitag, 26. Oktober 2018
Horror provoziert
Kurz nachgereicht: die einzigen beiden Filme des diesjährigen Fantasy Filmfests, die ich mir angeschaut habe

MANDY (1:2.35, 5.1)
OT: Mandy
Verleih: Koch Films (Drop-Out Cinema)
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Panos Cosmatos
Darsteller: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache
Kinostart: 01.11.2018 (limitiert)

Als eine Gruppe von Religionsfanatikern die Frau eines Baumfällers auf brutalste Weise tötet, geht dieser auf einen gnadenlosen Rachefeldzug. Panos Cosmatos‘ Rachethriller wirkt ziemlich verstörend und erinnert ein wenig an Rob Zombies DAS HAUS DER 1000 LEICHEN. Extrem dunkle Bilder dominieren das Werk, das nur in der zweiten Hälfte augenzwinkernd so richtig zur Sache geht. Die Filmmusik stammt aus der Feder von Johann Johannsson, jenem Komponisten, der Anfang des Jahres überraschend verstarb. Der voll elektronische Score versucht mit viel Bombast a la Hans Zimmer den Horror der Geschichte zu vertiefen und erinnert immer wieder an die Synthi-Scores der 1980er Jahre. Wirklich sehenswert in diesem überlangen und oft langweilenden Machwerk ist eigentlich nur Nicolas Cage, weil man ihn in einer solch blutverschmierten Rolle noch nie gesehen hat. Die dargestellte Gewalt wird sicherlich dafür sorgen, dass der Film auf dem Index landet

CLIMAX (1:2.35, 5.1)
OT: Climax
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Frankreich 2018
Regie: Gaspar Noé
Darsteller: Adrien Sissoko, Alaia Alsafir, Alexandre Moreau
Kinostart: 06.12.2018

Am Tag vor ihrer USA-Tournee feiert eine französische Tanzgruppe ausgelassen in einer Turnhalle. Die Jungs versuchen bei den Mädels zu landen, die Mädels bei den Jungs, die Jungs bei den Jungs und die Mädels bei den Mädels. Was noch niemand von ihnen ahnt: in den servierten Sangria wurden harte Drogen gemischt... Gaspar Noés neuestes Werk ist einmal mehr eine Tour de Force und nicht weniger als eine interessante Erfahrung. Was passiert bei Drogenkonsum? Mit brachialer Tonspur (Achtung: dieser Film muss laut gespielt werden!) und irrwitziger Kamera, die fast ohne Schnitt auskommt und gern auch mal Kopf steht, schildert der Film recht exzessiv die Folgen von LSD und Co. Wenn die Party ganz allmählich in eine unangenehme Sex-Orgie ausufert, zieht Noé auch Mittel des Experimentalfilms heran, um zum titelgebenden Höhepunkt zu kommen. Da rollen die Endtitel gleich zu Beginn über die Leinwand, Haupttitel werden irgendwo in der Mitte platziert, noch andere Titel gar spiegelverkehrt. Und den eigentlichen Filmtitel gibt es erst ganz am Schluss.
Mittwoch, 24. Oktober 2018
Zwei auf gleichem Weg
Deutschlands derzeit angesagtesten SchauspielerInnen vereint in einem Film – mein Mittwochabend

25 KM/H (1:2.35, 5.1)
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Markus Goller
Darsteller: Bjarne Mädel, Lars Eidinger, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jella Haase, Jördis Triebel, Sandra Hüller, Wotan Wilke Möhring
Kinostart: 31.10.2018

Zwei Brüder, die sich nach Jahren der Trennung bei der Beerdigung ihres Vaters zum ersten Mal wieder sehen, beschließen aus einem Impuls heraus, ihren als Jugendliche geschmiedeten Plan sofort in die Tat umzusetzen: mit ihren alten Mofas vom Schwarzwald bis an die Ostsee zu fahren. Die Begegnungen mit anderen Menschen bringt die sich inzwischen entfremdeten Brüder ganz allmählich wieder zusammen... Auch wenn über dem Film eine leichte Melancholie liegt, ist unverkennbar, dass die beiden Protagonisten Bjarne Mädel und Lars Eidinger mit großem Spaß bei der Sache sind. Frei nach dem Motto “Der Weg ist das Ziel” müssen sie sich als ungleiches Brüderpaar zusammenraufen, um die Verletzungen und auch die Trauer zu überwinden, die sie während ihrer nahezu 20jährigen Trennung erfahren haben. Mit typischen Männergesprächen versuchen sie sich wieder anzunähern – eine wahrhaftige Sisyphosarbeit. Loslassen, über den eigenen Schatten springen und gemeinsam Spaß haben – alles Dinge, die die Brüder auf ihrer Tour quer durchs Land erst wieder lernen müssen. Amüsante und traurige Momente wechseln sich in Markus Gollers Road Movie ständig ab und der Soundtrack der Reise sorgt immer für die richtige Stimmung. Trotzdem fehlt ein wenig das Salz in der Suppe. Vielleicht ist der Film mit knapp zwei Stunden Spielzeit einfach etwas zu lang geraten.

Dienstag, 23. Oktober 2018
Die den Wolf jagt
Mit einem cineastischen Highlight ging die gestern erst begonnene Pressewoche auch gleich wieder zu Ende

SIBEL (1:2.35, 5.1)
OT: Sibel
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland, Türkei, Luxemburg 2018
Regie: Cagla Zencirci, Guillaume Giovanetti
Darsteller: Damla Sönmez, Erkan Kolçak Köstendil, Emin Gursoy
Kinostart: 27.12.2018

Die 25jährige Sibel lebt mit ihrer jüngeren Schwester und ihrem Vater, dem Bürgermeister, in einem kleinen Dorf in den bewaldeten Bergen am Schwarzen Meer. Von Geburt an ist sie stumm, kann sich aber mit der in ihrem Dorf geprägten Pfeiffsprache verständigen. Wenn sie nicht emsig auf den Feldern arbeitet, hilft sie der verwirrten Einsiedlerin Narin Holz hacken. Im Dorf will niemand etwas mit der Behinderten zu tun haben. Mit der Jagd auf den vermeintlich im Wald herumstreunenden Wolf hofft sie, Anerkennung bei den anderen zu finden. Eines Tages trifft sie im Wald auf einen jungen Deserteur. Er ist der erste Mensch, der sie mit ganz anderen Augen wahrnimmt. Sibels Leben steht an einem Wendepunkt... Ihr Blick ist glasklar, ihre Augen tiefgründig: die erste Einstellung im Film zeigt Sibel in Großaufnahme und im Breitformat. Das Signal ist eindeutig: hier ist eine entschlossene junge Frau, die ihren Weg gehen wird. Damla Sönmez spielt diese junge Heldin, die in ihrem Dorf als Außenseiterin gilt und gerade deswegen nicht jenem strengen Reglement unterworfen ist, dem alle anderen Frauen der Dorfgemeinschaft unterliegen. Alte Traditionen gelten für sie nicht. Wenn sie am Ende des Films erhobenen (und vor allem unbedeckten!) Hauptes ihre Schwester zum Schulbus begleitet und eines der arbeitenden Mädchen zu ihr hinüberblickt, wird klar, dass sie einen Anfang gemacht hat: sie wird zum Vorbild. Mit diesem starken Bild geht der Film in die mit pulsierendem türkischem Rap unterlegten Endtitel über. Was für ein Finale! Der von Cagla Zencirci und Guillaume Giovanetti inszenierte und von Eric Devin atemberaubend fotografierte Film empfiehlt sich als kleines Meisterwerk, das mit Hoffnung aus dem Kino entlässt. Diesen Film sollten Sie nicht verpassen.

Montag, 22. Oktober 2018
Schauspielerinnen im Iran
Die erste von nur zwei Pressevorführungen in dieser Woche nach mich mit auf einen Road Trip durch den Iran

DREI GESICHTER (1:1.85, 5.1)
OT: Se Rokh
Verleih: Weltkino
Land/Jahr: Iran 2018
Regie: Jafar Panahi
Darsteller: Behnaz Jafari, Jafar Panahi, Marziyeh Rezaei
Kinostart: 26.12.2018

Der bekannten iranischen Schauspielerin Behnaz Jafari wird die verstörende Videobotschaft eines jungen Mädchens zugestellt, das angeblich Suizid begeht, weil ihr Elternhaus ihr die Ausbildung zur Schauspielerin untersagt. Gemeinsam mit dem befreundeten Regisseur Jafar Panahi macht sich Behnaz auf, die junge Frau zu suchen... Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – das sind die DREI GESICHTER, die der iranische Filmemacher Jafar Panahi in seinem Film vereint. Da ist die längst aus dem Filmgeschäft ausgestiegene Tänzerin Sharhrzad, die jetzt in einem abgeschiedenen Bergdorf nur noch Bilder malt. Oder Behnaz Jafari, eine sehr bekannte und noch immer angesagte Schauspielerin. Und zu guter Letzt die junge Marziyeh, die auf eine Ausbildung zur Schauspielerin hofft. Aus diesen drei Geschichten entsteht das Bild der langen, kurvenreichen Straße, die als Metapher für alle Einschränkungen steht, die Menschen davon abhält, ihren Weg zu gehen. Panahi entwickelt daraus ein kleines Road Movie voll leisen Humors, ohne Filmmusik und mit teils beeindruckender Kameraarbeit, das insbesondere die gesellschaftlichen Restriktionen seines Heimatlandes Iran anprangert.
Sonntag, 21. Oktober 2018
Beklemmendes Kammerspiel
Es war mal wieder an der Zeit einen Film nachzusitzen. Es hat sich gelohnt.

THE GUILTY (1:2.35, 5.1)
OT: Den Skyldige
Verleih: NFP (Filmwelt)
Land/Jahr: Dänemark 2018
Regie: Gustav Möller
Darsteller: Jakob Cedergren, Jessica Dinnage, Omar Shargawi
Kinostart: 18.10.2018

Polizist Asger, ein Hitzkopf, der normalerweise Streife fährt, ist zum Dienst in der Notrufzentrale verdonnert worden. Missmutig absolviert er seine Stunden. Da erreicht ihn der mysteriöse Hilferuf einer Frau, die behauptet, entführt worden zu sein. Mit zittriger Stimme tut sie so, als würde sie mit ihrer kleinen Tochter telefonieren, weil ihr Entführer offenbar im Auto neben ihr sitzt. Der Anruf setzt in Asger sämtliche Polizeiinstinkte in Gang. Wie kann er der bedrängten Frau helfen? Am Telefon beginnt ein Wettlauf mit der Zeit... Mit THE GUILTY inszeniert Regisseur Gustav Möller einen Thriller im Kammerspielformat, in dessen Mittelpunkt Jakob Cedergren als Polizist Asger steht. Mit Bravour mimt er einen gereizten Heißsporn, der mit aller Macht versucht, einen Fall zu lösen – vielleicht um damit seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die sich gerade um seine Hals zu legen droht. Was genau da passiert ist, warum Asger von der Streife in die Notrufzentrale versetzt wurde, bleibt lange Zeit offen. Die Stärke von Möllers Film liegt in den Bildern, die er nicht zeigt. Einzig Asgers Gesicht beherrscht die Leinwand in farbentsättigtem CinemaScope, alles andere erfahren wir als Zuschauer nur akustisch – die dazugehörigen Bilder entstehen nur im Kopf des Zuschauers. Dass das so wunderbar funktioniert, ist vor allem dem ausgezeichneten Sounddesign zu verdanken. Stimmen und Geräusche, die über die Telefonverbindungen auf die Tonspur des Films gelangen, werden so zu einem Hörspiel im Film. Filmmusik gibt es kaum und wenn, so macht sie sich nur als düstereres Grummeln bemerkbar. THE GUILTY ist packendes Kino mit der Note “Geheimtipp”.
Donnerstag, 18. Oktober 2018
Mit Pfeil und Bogen
Die letzte Pressevorführung in dieser Woche hatte ein echtes Highlight parat

GEGEN DEN STROM (1:2.35, 5.1)
OT: Kona Fer I Stríð / Woman At War
Verleih: Pandora
Land/Jahr: Island 2018
Regie: Benedikt Erlingsson
Darsteller: Halldóra Geirhardsdottir, Jóhann Sigurðarson, Davíð Þór Jónsson, Charlotte Bøving, Hilmir Snær Guðnason
Kinostart: 13.12.2018

Halla ist eine Frau mit Zivilcourage: weil sie durch ein großes Aluminiumwerk die unberührte isländische Flora und Faune bedroht sieht, kämpft sie als Umweltaktivistin dagegen an und sabotiert das Werk genau dort, wo es am meisten wehtut – sie kappt einfach die Stromzufuhr. Die Polizei ist der “Bergfrau”, wie sie genannt wird, zwar auf den Fersen, aber Halla weiß, wie man sich erfolgreich versteckt. Alles ändert sich, als Hallas Adoptionsantrag nach einer Wartezeit von vier Jahren plötzlich bewilligt wird und ein kleines Mädchen in der Ukraine auf sie wartet... Mit seinem Film VON MENSCHEN UND PFERDEN wurde der isländische Filmemacher Benedikt Erlingsson auch einem deutschen Publikum bekannt. Jetzt also legt er mit GEGEN DEN STROM nach – und erfindet damit gleichzeitig eine neue Art von Film. Ein Film, in dem die Musiker, die die Filmmusik spielen, stets ins Bild rücken – sei es mitten in einer grünen Landschaft, in einem kleinen Besprechungszimmer oder unter einem Strommast, der gerade von der Umweltaktivistin gefällt wird. Dass Musik und Bilder immer zusammenpassen, erfordert eine exakt getimte Kameraarbeit. Und die ist hier einfach nur großartig (Bergsteinn Björgulfsson)! Erlingsson schickt seine Protagonistin (Halldóra Geirhardsdottir in einer Doppelrolle) wie eine Indianerin durch die Weiten Islands, ausgerüstet mit Pfeil und Bogen und flüchtend vor Hubschrauber und Drohnen, die sie aufspüren wollen. Eine Heldin, die gegen die drohende Zerstörung der Umwelt mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln ankämpft. In einem Kommentar des Regisseurs heisst es: “In Astrid Lindgrens Buch “Die Brüder Löwenherz” gibt es folgenden Dialog zwischen den beiden Brüdern: “Aber dann sagte Jonathan, dass es gewisse Dinge gibt, die man tun muss, selbst wenn sie schwierig oder auch gefährlich wären. “Aber warum?” fragte ich überrascht. “Weil man sonst nicht wirklich ein Mensch ist, sondern nur ein Fliegenschiss.” Dieser Film handelt von einer Frau, die sich bemüht, wirklich ein Mensch zu sein”.
Dienstag, 16. Oktober 2018
Verschwörung in der Stadt der Engel
Zurück vom Widescreen Weekend in Bradford ging es heute gleich wieder in ein Presse-Doppel

UNDER THE SILVER LAKE (1:2.35, 5.1)
OT: Under The Silver Lake
Verleih: Weltkino
Land/Jahr: USA 2018
Regie: David Robert Mitchell
Darsteller: Andrew Garfield, Riley Keough, Topher Grace
Kinostart: 06.12.2018

Sam ist ein junger Mann ohne Antrieb. In einer kleinen Wohnung in Los Angeles fristet er sein Dasein mit Nichtstun. Von seiner Veranda aus beobachtet mit dem Fernglas seine Nachbarinnen. Eine von ihnen, die wunderschöne Sarah, hat es ihm angetan. Tatsächlich kann er bei ihr landen und verbringt eine nacht mit ihr. Am nächsten Morgen jedoch ist die geheimnisvolle Schöne spurlos verschwunden. Sam macht sich auf die Suche nach ihr und wittert eine globale Verschwörung... Ein überlanger und mit vielen versteckten Referenzen zu anderen Filmen übersäter, komödienhafter Thriller. Regisseur David Robert Mitchell lädt den Zuschauer dazu ein, die in seinem Film versteckten Hinweise und Botschaften zu entdecken und versetzt ihn damit in dieselbe Lage wie seine Hauptfigur. Insgesamt nur bedingt empfehlenswert.

DOGMAN (1:2.35, 5.1)
OT: Dogman
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Italien 2018
Regie: Matteo Garrone
Darsteller: Marcello Fonte, Edoardo Pesce, Alida Baldari Calabria
Kinostart: 18.10.2018

“Dogman” heisst der Hundesalon, den Marcello in einem abgewrackten Städtchen an der Südküste Italiens betreibt. Mit Leib und Seele ist er bei seiner Arbeit und liebt seine kleine Tochter über alles. Er ist ein guter Mensch. Doch in einer Gegend, in der das Gesetz des Stärkeren gilt, muss er sich Zwängen beugen, die er nicht ändern kann. So wird er von dem brutalen und bulligen Simone, der das ganze Viertel tyrannisiert, als Drogenlieferant ausgenutzt. Als Marcello anstelle von Simone schließlich sogar ins Gefängnis muss, schmiedet er einen Plan, um sich aus den Fängen des Mafioso endgültig zu befreien... Über Matteo Garrones Film liegt eine große Tristesse. Alleine schon die Gegend, in der Marcello seinen Hundesalon betreibt, ist alles andere als einladend. Dieses Viertel hat ganz sicher schon bessere Zeiten gesehen. Nicolai Brüel fängt mit seiner Kamera diese Trostlosigkeit perfekt im Breitformat ein. Mit seinem Hauptdarsteller Marcello Fonte hat Garrone einen Glückgriff getan. Der kleine Italiener mit der krummen Nase und dem ganz großen Herz ist fester Bestandteil des Inventars dieser unwirtlichen Siedlung irgendwo an der Küste. Garrones Film versteht sich als Parabel über die desolate Lage im heutigen Italien. Seine Geschichte über einen guten Menschen, der unweigerlich dem Böen verfällt, ist fesselnd und berührend zugleich. Kein Wohlfühlkino, dafür aber authentisch.
Freitag, 12. Oktober 2018
Der Mondmann
Wenn man schon in Bradford ist, dann geht man natürlich auch ins IMAX

AUFBRUCH ZUM MOND (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos, Auro 11.1, DTS:X)
OT: First Man
Verleih: Universal
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Damien Chazelle
Darsteller: Ryan Gosling, Claire Foy, Pablo Schreiber
Kinostart: 08.11.2018

Am 20. Juli 1969 landet der erste Mensch auf dem Mond: Neil Armstrong mit der Apollo 11 Mission. Bis es soweit ist, müssen allerdings viele Rückschläge beruflicher und persönlicher Art überwunden werden... Eigentlich fängt AUFBRUCH ZUM MOND dort an wo DER STOFF, AUS DEM DIE HELDEN SIND aufhört. Ging es in Letzterem vor allem um die Anfänge der amerikanischen Raumfahrt, so konzentriert sich Damien Chazelle in seinem Film auf die Apollo-Mission und ihrer erfolgreichen Landung auf dem Mond. Im Mittelpunkt steht dabei das Leben von Neil Armstrong, dem ersten Mann im Mond. Ryan Gosling spielt ihn, Claire Foy die Frau an seiner Seite. Doch trotz eines schweren Schicksalsschlags, den die Armstrongs erlitten, will es dem Film nicht so recht gelingen, eine Verbindung zwischen Zuschauer und Filmfiguren aufzubauen. Was im Übrigen auch für die anderen Charaktere im Film gilt. Da gibt es nicht viele Emotionen, die Figuren wirken kühl und distanziert. Nur ein einiges Mal darf Claire Foy richtig aus sich herausgehen, nämlich dann, wenn sie ihrem Filmgatten erklärt, dass er sich vor seiner großen Mission persönlich von den Kindern verabschieden müsse. Da waren die Charaktere im STOFF von ganz anderem Kaliber – kernig, witzig, cool. Aber nicht nur schauspielerisch enttäuscht Chazelles Biopic – auch inszenatorisch ist der Film eher bieder. Bei Armstrongs erstem Aufenthalt im Orbit einen Walzer anklingen zu lassen, ist nicht sonderlich originell. Die Idee hatte Kubrick bereits. Die Kamera setzt auf verwackelte Bilder mit ständiger Suche nach dem richtigen Fokus. Vermutlich soll damit eine Art Authentizität vermittelt werden, doch spätestens auf der IMAX-Leinwand hört der Spaß auf: die Wackelkamera geht gehörig auf die Nerven. Einen Pluspunkt immerhin bekommt die Mondlandung selbst, bei der in IMAX-Kinos die Bildgröße nahezu verdoppelt wird und schon alleine dadurch beeindruckt. Gelungen ebenfalls das Sound Design, das insbesondere die Raketenstarts zum Erlebnis werden lässt. Justin Hurwitz‘ Score setzt nur punktuell musikalische Akzente. Fazit: AUFBRUCH ZUM MOND ist ein Biopic, das zu wenig hergibt, um verfilmenswert zu sein.
Dienstag, 09. Oktober 2018
Vier Mädels hauen auf den Putz
Die letzten beiden Pressevorführungen in dieser Woche – zumindest für mich. Denn danach geht es zum Widescreen Weekend nach Bradford!

DER AFFRONT (1:2.35, 5.1)
OT: L’Insulte
Verleih: Alpenrepublik (Filmperlen)
Land/Jahr: Libanon, Frankreich 2017
Regie: Ziad Doueiri
Darsteller: Kamel El Basha, Adel Karam, Camille Salameh
Kinostart: 25.10.2018

Ein libanesischer Automechaniker und ein palästinensischer Bauarbeiter geraten aufgrund einer Lapalie in Beirut heftig aneinander. Schnell kommt es zu einer folgenschweren Beleidigung, die beide Männer an ihre Grenzen bringt... In seinem packenden Film schildert Regisseur und Co-Autor Ziad Doueiri auf sehr realistische Weise, wie aus einem kleinen Affront innerhalb kurzer Zeit ein Krieg entstehen kann. Mit einem erstklassigen Ensemble besetzt zeigt der Film, wie aus einer einfachen Beleidigung eine das ganze Land einnehmende juristische Fehde wird. Starkes Arthouse-Kino aus dem Nahen Osten.

ASSASSINATION NATION (1:2.35, 5.1)
OT: Assassination Nation
Verleih: Universum Film
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Sam Levinson
Darsteller: Odessa Young, Hari Nef, Abra
Kinostart: 15.11.2018

Als sämtliche Handys und PCs in einer kleinen amerikanischen Stadt von einem Unbekannten gehackt werden, gelangen hochsensible Daten an die Öffentlichkeit: der Bürgermeister wird als Transvestit geoutet, der Schulleiter gerät in den Verdacht pädophil zu sein. Als das Gerücht verbreitet wird, dass Lily und ihre Mädelsclique hinter der Hackattacke stecken, beginnt für die jungen Mädchen ein knallharter Überlebenskampf... Mit einem Wiegenlied aus der Feder von Ennio Morricone, das für einen ganz anderen Film komponiert wurde, unterlegt Regisseur Sam Levinson (Sohn von Barry Levinson) die Eröffnungssequenz seines ungewöhnlichen Films, der ein Crossover zwischen CLUELESS und THE PURGE sein könnte. Mit einer fulminanten Tonspur, die Höhen und Tiefen bis zum Anschlag ausreizt, sowie einer Hochglanzoptik inklusive Split Screen und Plansequenzen im CinemaScope-Format, schildert er gekonnt, wie eine ganze Stadt in die Anarchie abdriftet. Die vier zu Unrecht dafür beschuldigten Mädchen setzen zum Gegenschlag an und wehren sich damit gegen die Heuchler und Moralapostel, die sich selbst nicht an die von ihnen aufgestellten Regeln halten. Diese bitterböse Gesellschaftskritik verpackt Levinson vor allem in der zweiten Hälfte seines Films in einen extrem blutigen Thriller. Dies und auch die Art und Weise, wie die Teenager über Sex kommunizieren, legt eine Freigabe erst ab 18 Jahren nahe. Ob es tatsächlich soweit kommt, wird sich spätestens zum deutschen Kinostart
Montag, 08. Oktober 2018
Liebe zwischen Klassen
Bollywood’sches Arthouse-Kino zum Wochenauftakt

DIE SCHNEIDERIN DER TRÄUME (1:1.85, 5.1)
OT: Sir
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Indien, Frankreich 2018
Regie: Rohena Gera
Darsteller: Tillotama Shome, Vivek Gomber
Kinostart: 20.12.2018

Damit ihre Schwester studieren kann, um einst ein besseres Leben führen zu können, verdingt sich Ratna als Dienstmagd bei einem wohlhabenden Single in Mumbai und schickt den größten Teil ihres Lohns nach Hause. Neben all den Demütigungen, die sie ertragen muss, hat Retna aber einen großen Traum: sie möchte Modedesignerin werden und nimmt dafür mit Erlaubnis ihres Herrn Unterrichtsstunden. Und der findet alsbald Gefallen an der jungen Frau und verliebt sich in sie... Rohena Geras zarte Liebesgeschichte ist eine Vertreterin des indischen Arthouse-Kinos. Wer hier Song & Dance erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden. Alle anderen jedoch dürfen sich auf einen berührenden, vollkommen unspektakulär inszenierten Film freuen, der durchaus unter die Haut geht. Mit seinen beiden extrem zurückhaltend agierenden Hauptdarstellern thematisiert Gera die indische Klassengesellschaft, in der es einem Tabubruch gleich kommt, wenn sich der reiche Herr in seine arme Dienstmagd verliebt. Keinem der Beiden gelingt es, aus den Konventionen auszubrechen – es bleibt bei einer einzigen zärtlichen Berührung. Doch am Ende gibt es zumindest noch einen Hoffnungsschimmer.

Sonntag, 07. Oktober 2018
Vom warmen Kalifornien ins Ewige Eis
Heute mal wieder Kino aus der Konserve

BABY DRIVER (1:2.35, DD 5.1 + Atmos)
OT Baby Driver
Verleih: Sony Pictures
Land/Jahr: Großbritannien, USA 2017
Regie: Edgar Wright
Darsteller: Ansel Elgort, Kevin Spacey, Lily James
Kinostart: 27.07.2017

Er nennt sich einfach nur Baby. Seit dem Unfalltod seiner Eltern leicht traumatisiert und mit Hörproblemen behaftet, verdient sich der junge Mann sein Geld als Fluchtfahrer bei Banküberfällen. Hier kann ihm keine anderer das Wasser reichen. Vorausgesetzt er hat die richtigen Tracks auf seinem iPod. Als er sich in die hübsche Kellnerin Debora verliebt und aus dem Job aussteigen möchte, fangen die eigentlichen Probleme erst an... Schicke Sonnenbrille, iPod in der Tasche, Kopfhörer in den Ohren, wortkarg, hochintelligent – in seiner Rolle als “Baby” ist Ansel Elgort die Coolness selbst. Doch wie er so sind auch alle anderen Figuren in diesem Action-Streifen nur Abziehbilder – Tiefe besitzen diese Charaktere leider nicht. Die wäre aber auch nur störend in einem Film wie diesem, der ganz auf Schauwerte setzt. Quietschende Reifen, schön lackierte Schlitten und stets die passende Playlist dazu. Und damit sich alles harmonisch ineinander fügt, gibt’s im Vorspann sogar einen extra Credit für Choreographie! Was am Ende von diesem Film ganz sicher im Gedächtnis bleiben wird ist seine Tonspur. Da werden nicht nur Schüsse im Takt der Musik abgefeuert, auch andere Geräusche ordnen sich dem Rhythmus der Musik unter und machen aus der Tonspur ein kleines Meisterwerk. Fazit: für Action-Fans und Ton-Fetischisten unverzichtbar.

PROJEKT: ANTARKTIS – DIE REISE UNSERES LEBENS (1:1.78, 5.1)
Verleih: 24 Bilder
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Tim David Müller-Zitzke, Michael Ginzburg, Dennis Vogt
Kinostart: 25.10.2018

Tim (24), Michael (29) und Dennis (25) haben es eigentlich satt, immer nur hören zu müssen, dass sie doch etwas Vernünftiges machen sollen. Die in der Medienbranche angesiedelten jungen Männer aus Bremerhaven wollen alles andere als vernünftig sein und gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: ihre Traumreise in die Antarktis soll gleichzeitig in einen Kinofilm münden. Und schon sind die drei Abenteurer auf dem Weg ins ewige Eis. Doch das ist leider mit allerlei Hindernissen verknüpft... Was eigentlich eine Dokumentation über die Antarktis und Königspinguine werden sollte, ist jetzt das Protokoll einer Reise ins Ungewisse. Seien es Probleme beim Zoll in Buenos Aires oder Probleme mit der witterungssensiblen Kameraausrüstung – die coolen Jungs haben aus der Not eine Tugend gemacht. Improvisieren ist angesagt bei eine solchen Unterfangen, das sie mit Sponsorengeldern finanziert haben. “Mach Dein Ding!” ist ihre Botschaft an die Zuschauer. Der Stil ihres Films wendet sich gezielt an Zuschauer im Alter der Filmemacher: ganz kurze Takes, viele Schnitte, SloMo und “Wuuusch!”. Ganz zu schweigen vom Jargon, in dem von GoPros und Gimball, Facebook und Co. die Rede ist. PROJEKT: ANTARKTIS schwimmt auf genau der Welle mit, die vom Publikumsliebling WEIT angestoßen wurde. Und wann kommt Ihr Ausflug ins Allgäu endlich ins Kino?

Mittwoch, 03. Oktober 2018
Kino für die Ohren
Der Tag der deutschen Einheit war für mich “Nachsitztag”

A STAR IS BORN (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: A Star Is Born
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Bradley Cooper
Darsteller: Bradley Cooper, Lady Gaga, Sam Elliott
Kinostart: 04.10.2018

In einer Drag-Bar lernt der Rockstar Jackson Maine die junge Amateursängerin Ally kennen und verliebt sich sofort in ihre Stimme. Er ermutigt Ally, ihr Talent nicht ungenutzt zu lassen und nimmt sie unter seine Fittiche. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Love Story. Doch während Ally dank Jacksons Unterstützung eine Bilderbuchkarriere absolviert, hat der alternde Rockstar mit Alkohol und Drogen zu kämpfen... Es ist die bereits vierte Verfilmung der Geschichte über einen alkoholsüchtigen Sänger, der einem jungen Talent zum Erfolg verhilft. Das Neue daran ist hier eigentlich nur die Besetzung. Bradley Cooper inszeniert sich hier selbst als jenen Künstler, der gegen seine inneren Dämonen ankämpfen muss. Und er macht das sehr überzeugend. Als Tüpfelchen auf dem “i” interpretiert er seine Songs sogar selbst. Ihm zur Seite steht Lady Gaga als der neue Stern am Himmel – eine Rolle, die man der flippigen Sängerin eigentlich gar nicht zugetraut hätte. Auch sie spielt durchaus überzeugend. Mit seinen 135 Minuten ist der Film leider etwas zu lang geraten, so mancher Dialog wirkt in die Länge gezogen. Die Geschichte selbst ist vorhersehbar und entwickelt keine echte Dynamik. Klarer Höhepunkt in Bradley Coopers Regie-Erstling sind die Konzerteinlagen, die dank einem wunderbar abgemischten Dolby Atmos Sound den Kinosaal in eine Bühne verwandeln! Fazit: sollte man sich definitiv in einem entsprechend ausgestatteten Kinosaal anhören.
Dienstag, 02. Oktober 2018
They will Rock You!
Ökologisch sinnvoll: die zwei einzigen Pressevorführungen in dieser Woche wurden als Double Feature im selben Kino angeboten

BOHEMIAN RHAPSODY (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Bohemian Rhapsody
Verleih: Fox
Land/Jahr: Großbritannien, USA 2018
Regie: Bryan Singer
Darsteller: Rami Malek, Joseph Mazzello, Ben Hardy, Mike Meyers, Gwilym Lee
Kinostart: 31.10.2018

Was für “Queen”-Fans absolutes Pflichtprogramm ist, dürfte aufgrund seiner sehr menschlichen Geschichte auch für andere Zuschauer von Interesse sein. Denn Bryan Singers Biopic ist das Porträt eines ungewöhnlichen, narzisstischen und extrem begabten Musikers, der anders war als alle anderen. Ein Künstler, der sich immer wieder seinen Dämonen stellen musste, speziell bei der Suche nach seiner eigenen Sexualität. Rami Malek spielt diese Ausnahmeerscheinung in Singers Film und liefert damit eine “Once in a Lifetime”-Performance ab! Malek ist sensationell. Er geht voll in seiner Rolle auf und lässt keinen Zweifel daran, dass er Freddie Mercury ist. Der Film zeigt die vielen Stationen in Mercurys Leben, von seinen Anfängen als Sohn pakistanischer Einwanderer bis hin zu dem bravourös inszenierten “Live Aid”-Konzert, bei dem “Queen” nach ihrer Trennung erstmals wieder gemeinsam auf der Bühne standen. Mit entfesselter Kamera und immersivem Ton (“Dolby Atmos”-Häuser sind hier besonders zu empfehlen!) bildet dieses in voller Länge ausgespielte Konzert den Höhepunkt in Singers Film und gleichzeitig das grandiose Finale.


BAD TIMES AT THE EL ROYALE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Bad Times At The El Royale
Verleih: Fox
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Drew Goddard
Darsteller: Jeff Bridges, Cynthia Erivo, Chris Hemsworth, Dakota Johnson
Kinostart: 11.10.2018

In dem sich über zwei Bundesstaaten erstreckenden Hotel “El Royale” checken unabhängig voneinander vier Gäste ein, die sich bald darauf schon in tödlichen Beziehungen zueinander wiederfinden. - Was haben ein graubärtiger Priester, eine farbige Sängerin, ein geschniegelter Staubsaugerverkäufer und ein weiblicher Hippie gemeinsam? Die Antwort darauf gibt uns Drew Goddard in dem von ihm geskripteten und inszenierten Thriller der etwas anderen Art. Mit exquisiter Farbfotografie im CinemaScope-Format (Kamera: Seamus McGarvey), einem schwelgerischen Produktionsdesign, dem mysteriösen Score von Michael Giacchino sowie nostalgisch angehauchter Jukebox-Musik versteht er sich bestens darauf, den Zuschauer neugierig zu machen. Gut platzierte Überraschungsmomente sowie eine nicht lineare Erzählweise lassen die 141 Filmminuten kurzweilig erscheinen, auch wenn man den ein oder anderen Dialog durchaus hätte kürzen können. Goddards Film erinnert an Tarantinos groß angelegtes Kammerspiel THE HATEFUL 8 (das auch in Kapitel eingeteilt ist), ist aber weitaus weniger blutrünstig, auch wenn es durchaus Tote und Verletzte gibt. Ein Kinotipp abseits gängigen Mainstreams.

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