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Dienstag, 29. Oktober 2019 Familienbande Heute mal wieder bewegendes Arthouse-Kino vom Feinsten DIE SEHNSUCHT DER SCHWESTERN GUSMÄO (1:2.35, 5.1) OT: A Vida Invisível De Eurídice Gusmão Verleih: Piffl Land/Jahr: Brasilien 2019 Regie: Karim Aïnouz Darsteller: Fernanda Montenegro, Júlia Stockler, Carolina Duarte Kinostart: 26.12.2019
Rio de Janeiro 1950. Guida und Eurídice sind Schwestern im heiratsfähigen Alter und unzertrennlich. Während Eurídice
von einer Karriere als Konzertpianistin träumt, gibt sich Guida ganz der Liebe hin und brennt heimlich mit einem
Matrosen durch, den sie im Ausland heiratet. Sehr zum Missfallen ihres patriarchaischen Vaters. Als sie Monate später
verlassen und schwanger zurückkehrt, zeigt ihr der Vater nur die Tür. Den Kontakt zu ihrer Schwester unterbindet er
damit, dass er ihr erzählt, sie sei ans Konservatorium nach Wien gegangen. Ohne voneinander zu wissen, leben die
beiden Schwestern fortan in derselben Stadt. Jede kämpft für sich darum, ein eigenes, selbstbestimmtes Leben zu
führen... Eine äußerst bewegende Geschichte präsentiert Regisseur Karim Aïnouz in seinem fast zweieinhalbstündigen
Film. Inspiriert vom Roman “Die vielen Talente der Schwestern Gusmão” von Martha Batalha nimmt er den Zuschauer
mit in die frühen 1950er-Jahre nach Rio de Janeiro und schildert in eindringlichen Bildern und atmosphärischen Tönen
jene Zeit, in der Frauen als reine Gebärmaschinen sowie zuhause an Heim und Herd zur Verfügung stehen mussten. Eine
Auflehnung gegen die konservativen Werte wurde oft hart bestraft. Ein Schicksal, das den Protagonistinnen in Aïnouz‘
Film widerfährt: Guida wird vom Vater verstoßen, Eurídice kann sich nur schwer gegen ihren Mann durchsetzen, der sie
vom Klavierspiel abbringen möchte. Das Einzige, was den getrennten Schwestern noch Halt und Kraft im Leben gibt, ist
die stete Hoffnung, dass es der jeweils anderen Schwester besser geht und die Hoffnung, sie irgendwann wieder zu
sehen. Dass es sich bei den Banden zwischen Geschwistern um ganz besondere handelt, wurde schon in vielen Filmen
thematisiert, doch nicht unbedingt in der Eindringlichkeit wie hier. Großen Anteil daran haben die beiden
Hauptdarstellerinnen, die in ihren Rollen vollkommen aufgehen.
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Montag, 28. Oktober 2019 Äußerst skurril, sozusagen Wochenbeginn mit schrägem Humor DIE WACHE! (1:1.85, 5.1) OT: Au Poste! Verleih: Little Dream (24 Bilder) Land/Jahr: Frankreich 2018 Regie: Quentin Dupieux Darsteller: Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Anaïs Demoustier Kinostart: 12.12.2019
Ein anstrengendes nächtliches Verhör auf einer Polizeiwache. Hauptkommissar Buron glaubt den Beteuerungen von
Louis Fugain nicht, dass er die Leiche nur gefunden, nicht aber getötet hat. Buron ist absolut nervtötend in seiner Art ein
Verhör zu führen und Fugain leidet zusehends unter extremem Hunger. Als Buron wegen einer Nichtigkeit das Zimmer
verlassen muss, weist er seinen grenzdebilen Kollegen an, auf den Verdächtigen aufzupassen. Damit beginnen sich die
Ereignisse zu überschlagen... Da steht ein nur mit Unterhose bekleideter Mann auf einem Podest in einer Waldlichtung,
vor ihm ein Orchester. Der Halbnackte beginnt zu dirigieren. Zu den Filmtiteln ertönt jetzt klassische Musik. Nach Ende
des Vorspanns erscheint ein Polizeiauto auf der Lichtung – der Dirigent setzt zur Flucht an. Wenig später wird er von
Polizeibeamten aufs Revier gebracht. Soviel zur Ouvertüre des neuen Films von Quentin Dupieux, dessen Filme eines
gemeinsam haben: sie sind alle hochgradig skurril und absurd. Genau darin liegt auch ihr Reiz, sind sie doch für den
Zuschauer in keiner Weise vorhersehbar. Ein wichtiges Element also, das vielen zeitgenössischen Produktionen
abhanden gekommen scheint. Auch mit DIE WACHE! beweist Dupieux, dass man vor oder in seinen Filmen alles
andere als sicher sein kann. Denn auch hier dreht sich die Geschichte von einer Sekunde auf die andere in eine
vollkommen andere Richtung als erwartet. Allerdings merkt man seinem neuesten Film fast jede der nur 70 Minuten
Spielzeit an. Grund dafür ist die Zähigkeit, mit der er seine Story angeht. Die sinnentleerten Dialoge nehmen Überhand
und finden kein Ende. Was für Dupieuxs grandiose Schauspieler schon beim Dreh eine Herausforderung gewesen sein
dürfte, wird damit auch für den Zuschauer zu einer Herausforderung: nach spätestens der Hälfte des Films sehnt man
bereits das Ende herbei. Kein Film also für die große Masse, sondern eher für Insider, die sich auf derlei
Montypythonismus einlassen können.
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Dienstag, 22. Oktober 2019 Auf der Rennpiste Presseendspurt für diese Woche war bereits am Dienstag A RAINY DAY IN NEW YORK (1:2.00, 5.1) OT: A Rainy Day In New York Verleih: NFP (Filmwelt) Land/Jahr: USA 2019 Regie: Woody Allen Darsteller: Timothée Chalamet, Elle Fanning, Selena Gomez, Jude Law Kinostart: 05.12.2019
Weil seine Freundin Ashleigh im Auftrag ihrer Uni-Zeitschrift einen berühmten Filmregisseur in New York interviewen
soll, plant ihr Kommilitone Gatsby dort ein romantisches Wochenende mit ihr ein. Doch es kommt alles anders. Nicht
nur entwickelt sich das Interview mit dem Regisseur in eine ganz andere Richtung, auch trifft Gatsby die Schwester
seinen alten Flamme wieder und soll sie für eine Filmszene auch noch küssen... Vielleicht wäre das mal eine interessante
Wette bei “Wetten dass?”: nennen Sie anhand des Vor- oder Abspanns den Titel des dazugehörenden Woody Allen
Films. Denn seit gefühlten 40 Jahren kleidet der Filmemacher seine Werke in immer dieselbsn Vor- und Abspänne.
Freilich ändern sich die Namen, doch das Design bleibt immer dasselbe. Immerhin hat sich Allen tonmäßig von den
Monomischungen inzwischen verabschiedet und liefert – staun! – jetzt sogar 5.1. Aber genug dieser technischen Details.
Sein neues Werk fühlt sich ein bisschen so an, als hätte er diesen Film schon zwanzig Mal gemacht. Da spielt ein
gutgelauntes Darstellerensemble auf und liefert sich mit pointierten Dialogen einen perfekten Schlagabtausch, punktuell
garniert mit etwas Slapstick. Einmal mehr entpuppt sich Allens Film als eine kleine Liebeserklärung an “sein” New
York, das Kameramann Vittorio Storaro im seinem Lieblingsformat 1:2 in herbstlich leuchtende Farben taucht. Für
Woody Allen Fans ist der Film natürlich ein Pflichtbesuch, für andere dagegen nur eine Option.
LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Ford V Ferrari Verleih: Fox (Walt Disney) Land/Jahr: USA 2019 Regie: James Mangold Darsteller: Christian Bale, Matt Damon, Caitriona Balfe Kinostart: 14.11.2019
Als Autohersteller Ford beschließt, ins Renngeschäft einzusteigen, holt man sich den Rennwagenspezialisten Carroll
Shelby sowie den Rennfahrer Ken Miles an Bord. Gemeinsam mit einem Team von Ford sollen die beiden helfen,
Konkurrenten Ferrari aus dem Rennen zu werfen. Doch bis es so weit ist, müssen sich Shelby und Miles gegen viele
Unwägbarkeiten und Intrigen behaupten... Packend inszeniert James Mangold die wahre Geschichte hinter dem Sieg von
Ford über Ferrari im Rennen von Le Mans im Jahre 1966. Von seinen beiden Hauptdarstellern brilliert insbesondere
Christian Bale, der seiner Figur des Rennfahrers Ken Miles sogar etwas ähnlich sieht. Die Rennsequenzen sind in Bild
und Ton (Dolby Atmos!) atemberaubend umgesetzt und bieten denen in John Frankenheimers GRAND PRIX durchaus
Paroli. Dass der Film ganze 153 Minuten dauert, merkt man ihm überhaupt nicht an – so rasant vergeht die Zeit im
Kino. In gewisser Weise ähnelt Mangolds Film DER STOFF AUS DEM DIE HELDEN SIND, wenn es dort auch um
Testpiloten und die Anfänge der Raumfahrt geht. Doch bei vielen Situationen und Charaktere gibt es hier eine
Schnittmenge. LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE ist ein Film nicht nur für Auto-Fans.
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Montag, 21. Oktober 2019 Urgewalten und Geheimnisse Wochenauftakt mit bildgewaltiger Doku und starbesetztem Ensemblefilm AQUARELA (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Großbritannien, Deutschland, Dänemark, USA 2019 Regie: Victor Kossakowski Kinostart: 12.12.2019
Was am Ende von Victor Kossakowskis bildgewaltigem Film bleibt, ist absoluter Respekt vor dem Wasser! Immer
wieder fängt seine Kamera die Urgewalt dieses Elements ein. Ob als ewiges Eismeer, das ganze Auto verschluckt, oder
als mit lautem Getöse herabstürzende Eisberge. Ob als peitschender Regen eines Wirbelsturms (Hochachtung gebührt
jener Szene, in der die Kamera ohne Wackler oder Ruckler eine Straße entlang fährt, über der ein Orkan tobt!) oder als
tosendes Meer, durch das sich ein Segelboot quält. In fast jeder Einstellung seines Films ist die Urkraft des nassen
Elements zu spüren, das sich am Ende der filmischen Reise in Wolken verwandelt, die einem Regenbogen
entgegenziehen. AQUARELA reiht sich ein in Filme wie KOYAANISQATSI, BARAKA oder SAMSARA, die ohne
Kommentierung auskommen und den Zuschauer zum Staunen bringen.
DAS PERFEKTE GEHEIMNIS (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2019 Regie: Bora Dagtekin Darsteller: Elyas M'Barek, Karoline Herfurth, Florian David Fitz, Jella Haase, Frederick Lau, Jessica Schwarz, Wotan Wilke Möhring Kinostart: 31.10.2019
Ein Abendessen unter Freunden eskaliert, als man sich auf ein Spiel einigt: jeder muss sein Handy auf den Tisch legen
und jede eingehende Nachricht muss laut vorgelesen werden und jeder eingehende Anruf muss mit Lauthörmodus
beantwortet werden. So sollen jedwede Geheimnisse gelüftet werden... Inszenatorisch verwandt mit Filmperlen wie
DER GOTT DES GEMETZELS oder DER VORNAME gibt sich auch Bora Dagtekins Dramödie als eine Art
verfilmtes Theaterstück, im dem sich Freunde zu einem gemeinsamen Abendessen treffen, das alsbald zu eskalieren
droht. Inspiriert wurde das Drehbuch zum Film von einem anderen Film: dem erfolgreichen italienischen PERFETTI
SCONOSCIUT aus dem Jahre 2016, der hierzulande weder ins Kino noch ins Heimkino kam. Mit großem Staraufgebot
haben jetzt die FACK JU GÖHTE-Macher die deutsche Version für die große Kinoleinwand umgesetzt. Doch leider
ist das ganze etwas zu aufgesetzt, zu übertrieben und deswegen alles andere als lustig. Mit knapp zwei Stunden Laufzeit
überspannt der Film dabei deutlich den Bogen und konzentriert ich zudem auf eindeutig zweideutige Dialoge. Wer so
etwas aushalten kann, dem wird der Film gefallen.
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Donnerstag, 17. Oktober 2019 Helden mit grauen Haaren Die zweite und letzte Pressevorführung in dieser Woche bescherte ein Wiedersehen mit alten Bekannten TERMINATOR: DARK FATE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Terminator: Dark Fate Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA, China 2019 Regie: Tim Miller Darsteller: Linda Hamilton, Arnold Schwarzenegger, Gabriel Luna, Mackenzie Davis Kinostart: 24.10.2019
22 Jahre ist es her, seit ein Terminator Sarah Connors Sohn John getötet hat. Jetzt ist die junge Mexikanerin Dani das
Ziel eines neuen Terminators. Auch er kommt aus der Zukunft und soll die junge Frau eliminieren. Ihr zur Hilfe eilt
Grace, eine junge Hybridin, die von der Gegenseite aus der Zukunft geschickt wurde. Und so beginnt eine
schonungslose Verfolgungsjagd, bei der bald auch Sarah Connor kräftig mitmischt... Willkommen zur Seniorenausgabe
der TERMINATOR-Reihe! Linda Hamilton und Arnold Schwarzenegger schlüpfen für Tim Millers Action-Spektakel
noch einmal in die Rollen, die sie berühmt gemacht haben – mit dem Mut zu grauen Haaren! Das passt aber, sind doch
die Fans der ersten Stunde mit den Stars zusammen gealtert. Für jugendliche Neueinsteiger bietet der Film mit
Mackenzie Davis in der Rolle der Grace (mit feschem Kurzhaarschnitt!) sowie Natalia Reyes als Dani
Identifikationsfiguren und damit interessanterweise beides Frauen. Ansonsten begnügt sich der Film mit vielen
Versatzstücken vor allem aus dem bahnbrechenden zweiten Teil der Serie, was eingefleischte Fans etwas enttäuschen
wird. Originelle Ideen sind leider sehr rar gestreut. Wer allerdings auf atemlose Action abfährt, der ist in diesem Film
gut aufgehoben. Die visuellen Effekte (im Gegensatz zu damals heute fast schon “business as usual”) gepaart mit einem
bombastischen Dolby Atmos Sounderlebnis sorgen dafür, dass man die schwachen Drehbucheinfälle leichter
verschmerzen kann. Insgesamt eine Fortsetzung, die nicht notwendig gewesen wäre, mit der man jedoch einen
Stabwechsel im Franchise einläuten möchte. Dass auch noch die Problematik an der texanisch-mexikanischen Grenze in
die Handlung integriert wird, gibt dem Film zwar eine politische Note, die jedoch ziemlich aufgesetzt wirkt und
eigentlich keine weitere Bedutung hat. Extrem nervig: die deutsche Synchro, die insbesondere Linda Hamiltons Figur
der Sarah Connor zu einer Farce werden lässt. Wer die Möglichkeit hat, den Film im O-Ton anzuschauen, sollte davon
unbedingt Gebrauch machen.
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Mittwoch, 16. Oktober 2019 Von der Vergangenheit eingeholt Braves deutsches Kino zum Einstieg in die Kinowoche WAS GEWESEN WÄRE (1:1.85, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland 2019 Regie: Florian Koerner von Gustorf Darsteller: Christiane Paul, Ronald Zehrfeld, Sebastian Hülk Kinostart: 21.11.2019
Astrid und Paul, ein frisch verliebtes Paar Ende 40, machen ihren ersten gemeinsamen Urlaub in Budapest. Der Zufall
will es, dass ausgerechnet Astrids erste große Liebe Julius im selben Hotel abgestiegen ist. Sie hat ihn seit 30 Jahren
nicht mehr gesehen und wird jetzt mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Die Begegnung stellt die Beziehung von Astrid
und Paul auf eine harte Bewährungsprobe... Würden Sie jemanden sofort wiedererkennen, den Sie vor 30 Jahren nicht
mehr gesehen haben? Christiane Paul in der Rolle der Astrid kann’s – und das auf eine Distanz von geschätzt 50
Metern! Dieses kleine Detail, von dem der gesamte Film abhängt, lässt diesen sogleich als unglaubwürdig erscheinen.
Das wirkt ziemlich konstruiert und aufgesetzt, wie beispielsweise die Anspielungen auf die gegenwärtige ungarische
Politik, die das Drehbuch an einer Stelle des Films plötzlich einfließen lässt. Dabei geben Christiane Paul und Ronald
Zehrfeld ein wirklich sympathisches Liebespaar ab, das in Budapest vor seine erste Zerreißprobe gestellt wird. Weit
weniger sympathisch wirkt dagegen Astrids große Liebe Julius – ein Typ, dem man irgendwie alles zutraut. Florian
Koerner von Gustorfs Verfilmung des Romans von Gregor Sander, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet,
ist allenfalls Fernsehunterhaltung.
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Dienstag, 08. Oktober 2019 Schachspiel und Floßfahrt Heute lud der Tobis-Filmverleih zum Double Feature DAS WUNDER VON MARSEILLE (1:2.35, 5.1) OT: Fahim Verleih: Tobis Land/Jahr: Frankreich 2019 Regie: Pierre-François Martin-Laval Darsteller: Gérard Depardieu, Ahmed Assad, Isabelle Nanty Kinostart: 07.11.2019
Im Alter von acht Jahren kommt Fahim zusammen mit seinem Vater als Asylant von Bangladesch nach Paris. Seine
Mutter und die anderen Geschwister sollen nachgeholt werden, sobald der Vater Arbeit gefunden hat und der Asylantrag
genehmigt wird. Während dieser Zeit besucht Fahim, der bereits in seiner Heimat zu einem echten Schachtalent
geworden ist, die Schachschule des brummigen Sylvain. Der erkennt nach anfänglichen Schwierigkeiten das Talent des
Jungen und meldet ihn schließlich zu den Pariser Schachmeisterschaften an... Der auf einer wahren Geschichte
beruhende Film lässt einmal mehr Gérard Depardieu in der Rolle des Schachlehrers Sylvain zur Hochform auflaufen.
Neben ihm überzeugt vor allem auch Isabelle Nanty in der Rolle von Sylvains Sekretärin Mathilde. Besonders gelungen
ist auch die Besetzung der Kinderrollen, einer Horde von kleinen Schachspielern, die sich erst einmal zusammenraufen
müssen. Pierre-François Martin-Laval inszeniert seinen Film mit zurückhaltendem Pathos, räumt der Filmmusik nur
wenig Raum ein. So wirkt die Geschichte glaubwürdig. Anhand der wahren Geschichte des Schachchampions Fahim
bricht der Film eine Lanze für alle Asylanten, die alle ihre Chance verdient haben.
THE PEANUT BUTTER FALCON (1:2.35, 5.1) OT: The Peanut Butter Falcon Verleih: Tobis Land/Jahr: USA 2019 Regie: Tyler Nilson, Michael Schwartz Darsteller: Zack Gottsagen, Dakota Johnson, Shia LaBeouf Kinostart: 19.12.2019
Ihre Flucht verbindet sie: Zak, 22 und mit Down-Syndrome, büxt aus dem Altersheim aus, in de er untergebracht ist, und
Tyler, ein etwas zwielichtiger Typ, der von rachsüchtigen Fischern gejagt wird. Tylers gutes Herz lässt es nicht zu, Zak
alleine zu lassen und so schließen sich die beiden zusammen, um ihren Häschern zu entkommen. Unterwegs werden sie
von Eleanor aufgegabelt, der hübschen Betreuerin, die für Zaks Wohlbefinden zuständig ist. Per Floß machen sich die
Drei auf den Weg, um Zak an sein Ziel zu bringen: die legendäre Wrestlingschule von Salt Water Redneck... Der von
Tyler Nilson und Michael Schwartz inszenierte Film ist eines der schönsten Road Movies der letzten Zeit. Nicht nur
dass eine der Hauptrollen mit einem am Down-Syndrome leidenden Darsteller besetzt wurde, auch geht er bei der sich
anbahnenden Liebesgeschichte zwischen Tyler und Eleanor sehr behutsam vor. Shia LaBeouf mimt Tyler hervorragend,
Zack Gottsagen als Zak steht dem in nichts nach. Tyler findet in Zak Ersatz für seinen verstorbenen Bruder und Zak
findet in Tyler einen echten Freund und Förderer. Wunderschöne Floßromantik gibt es noch obendrein dazu. Ein wenig
märchenhaft mutet der Film zwar an, doch ist es genau dieses Stilelement, das berührt. Empfehlenswertes Kino für alle
Altersklassen.
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Montag, 07. Oktober 2019 Ein Killer jagt sich selbst Kaum zurück vom 70mm-Festival in Karlsruhe ging es auch gleich wieder ins Kino GEMINI MAN (1:1.85, 3D HFR, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Gemini Man Verleih: Paramount Land/Jahr: USA, China 2019 Regie: Ang Lee Darsteller: Will Smith, Mary Elizabeth Winstead, Clive Owen Kinostart: 03.10.2019
Henry Brogan tötet im Auftrag der Regierung, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Seine Ziele sind jeweils
Staatsfeinde. Just als er sich nach seinem letzten Auftragsmord zur Ruhe setzen möchte, stellt er fest, dass sein letztes
Opfer alles andere als ein Feind des Volkes war und sieht sich einer Verschwörung ausgesetzt. Als dann auch noch ein
junger Auftragskiller auf ihn angesetzt wird, wird es für Brogan richtig brenzlig. Und mehr noch: der junge Killer sieht
ihm extrem ähnlich... Ang Lees Actionfilm entwickelt derart langsam, dass man schon nach kurzer Zeit die Lust verliert
weiterzuschauen. Dem Film fehlt es leider an richtigem Pep. Was die visuellen Effekte angeht, fragt man sich
unweigerlich, warum so viel Aufwand in die Verjüngung von Will Smith gesteckt wurde, wo doch das Ergebnis so
aussieht, als hätte ein ihm etwas ähnlich sehender Schauspieler die Rolle der jüngeren Ausgabe des Killers übernommen.
Was die Bildästhetik angeht: durch die Verwendung von 60 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde erscheint das
3D-Bild zwar sehr hell und scharf, doch hinterlässt es einen extrem sterilen Eindruck und kann noch am ehesten mit
einem Video verglichen werden. Ich persönlich fand das ziemlich enttäuschend, zumal ich vor ein paar Jahren Douglas
Trumbulls Demo-Film für das 3D HFR Verfahren gesehen hatte, wonach ich total begeistert war. Aber das lag wohl
hauptsächlich daran, dass es sich dabei um einen Kurzfilm handelte, der die Vorzüge des neuen Systems hervorhob.
Einen kompletten Spielfilm in dieser Technik zu realisieren ist eben eine ganz andere Geschichte. Im Fall von GEMINI
MAN drängt sich zudem die Frage auf, warum gerade dieser Film dreidimensional verwirklicht wurde, denn das 3D ist
hier mehr als flüssig – überflüssig!
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Samstag, 05. Oktober 2019 Setz ein Grinsen auf! Das 70mm Festival in der Karlsruher Schauburg überraschte seine Gäste mit einem besonderen Schmankerl im 70mm-Format JOKER (1:1.85, auch in 70mm, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Joker Verleih: Warner Land/Jahr: USA 2019 Regie: Todd Phillips Darsteller: Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz Kinostart: 10.10.2019
Das Leben in Gotham meint es nicht leicht mit Arthur Fleck. Nicht nur, dass er sich mit schlecht bezahlten
Gelegenheitsjobs herumschlagen muss und von ständigen Lachausbrüchen heimgesucht wird, sondern weil er auch noch
seine kranke Mutter an der Backe hat. Eigentlich möchte er Stand Up Comedian sein, doch die Chance dazu erhält er
nie. Als er schließlich in der U-Bahn im Clownskostüm drei nervende Hipster erschießt, gibt dies seinem Leben neuen
Auftrieb: der Vulkan steht kurz vor der Explosion... Mit dem von Todd Phillips als Sozialdrama inszenierten Film dürfte
DC Comics erstmals der Sprung ins Arthouse-Kino gelingen. Die Vorgeschichte zur BATMAN-Saga hat gewisse
Ähnlichkeiten zu Martin Scorseses TAXI DRIVER, in dem auch ein Mann zu krassen Maßnahmen greift, um gegen das
Establishment Front zu machen. Dem kongenial von Joaquin Phoenix gespielten Joker gelingt hier gleich eine ganze
Revolution – die Unterschicht erhebt sich gegen die abgeschotteten Reichen der Stadt. Zu dem von Phillips mit Verve
inszenierten Film liefert die isländische Komponistin Hildur Guðnadóttir einen Score, der sich gewaschen hat: brutal,
dämonisch, aufwühlend. Zart Besaitete sollten einen Bogen um den Film machen – nicht nur der wirklich brutalen
Szenen wegen, sondern auch wegen der psychischen Gewalt, die den ganzen Film dominiert.
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Dienstag, 01. Oktober 2019 Stille Helden Ja ist denn schon wieder Wochenende? Pressetechnisch schon. Leider. ALLES AUSSER GEWÖHNLICH (1:2.35, 5.1) OT: Hors Normes Verleih: Prokino (Studiocanal) Land/Jahr: Frankreich 2019 Regie: Olivier Nakache, Eric Toledano Darsteller: Vincent Cassel, Reda Kateb, Lyna Khoudri Kinostart: 05.12.2019
Die Welt der Behinderten besser machen – mit dieser Prämisse gehen Bruno und Malik Tag für Tag ans Werk und
kümmern sich um autistische Jugendliche. Ihre Organisation gibt es schon seit 15 Jahren und ist oft für viele
Angehörige und Eltern die letzte Rettung. Doch sie ist nicht angemeldet. Nur so ist es den Helfern möglich, ihre
Dienstleistung überhaupt anzubieten. Als Inspektoren der Gesundheitsbehörde auftauchen und alles unter die Lupe
nehmen, wächst der ohnehin schon hohe Druck nochmals... Überfallartig steigt das Regie-Duo Olivier Nakache und Eric
Toledano, die Macher von ZIEMLICH BESTE FREUNDE, in seinen neuen Film ein. Ohne Vorbereitung zeigt die
Kamera den fast schon brutalen Alltag von Vincent Cassel als Bruno und Reda Kateb als Malik, die sich unermüdlich
um das Wohl der ihnen anvertrauten autistischen Jugendlichen kümmern. Die Beiden sind stille Helden in einer Welt,
in der immer alles nur mit Genehmigungen gemacht werden darf. Mit ihrer Organisation setzen sie aber genau dort an,
wo Behörden wie etwa das Gesundheitsministerium bislang versagen. Sie kümmern sich um die Jugendlichen, die im
Räderwerk der Behörden unterzugehen drohen; um die, die niemand haben möchte; um die, die ständig abgeschoben
werden. Diese stillen Helden gibt es tatsächlich und Nakache und Toledano kennen sie schon seit über zwanzig Jahren –
seit jener Zeit, in der die beiden Filmemacher in deren ungenehmigter Organisation selbst sozial engagiert waren. Dass
ihr Film sehr authentisch wirkt, liegt vor allem daran, dass sie viele der Rollen mit Laien besetzt haben. Wie etwa
Joseph, der von Benjamin Lesieur, einem echten Autisten, gespielt wird, und der im Verlauf des Films einen
Wandlungsprozess durchmacht. ALLES AU?ER GEWÖHNLICH ist weit entfernt von einem RAIN MAN, dafür aber
umso ehrlicher. Bruno ist Jude, Malik Moslem. Beides wird im Film ganz nebenbei eingestreut, aber nicht weiter
thematisiert. Weil es in diesem Umfeld gar nicht von Belang ist. Hier ziehen alle an einem Strang mit dem obersten Ziel,
den autistischen Jugendlichen das Leben angenehmer zu machen. Natürlich gibt es auch Rückschläge, doch lassen sich
Bruno und Malik nicht erschüttern. Filmmusik wird nur sehr reduziert eingesetzt, wirkt aber dort, wo sie ertönt, umso
mehr. “Die Umstände sind hart, aber die Poesie, die Bewegung und die Musik gewinnen die Oberhand”, kommentiert
Nackache jene Szene ziemlich am Ende des Films, in der die Autisten eine Tanz-Performance aufführen.
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