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Montag, 16. März 2020 Die Rock-Ikone Auch wenn hier alle Kinos aufgrund des Coronavirus geschlossen bleiben – das Leben geht weiter. Und die Filme auch. SUZI Q (1:1.85, 5.1) OT: Suzi Q Verleih: Arsenal Land/Jahr: Australien 2019 Regie: Liam Firmager Darsteller: Suzi Quatro Kinostart: 04.06.2020
Eine junge Frau am Bass einer Rockband? So etwas gab es noch nie, als die aus Detroit stammende Suzi Quatro zum
ersten Mal die Bühne betrat. Sie war klein und zierlich, aber mit ihrer kräftigen, rauchigen Stimme und dem
extravaganten Lederoutfit wurde sie zum Vorbild einer ganzen Generation von Mädchen und Frauen. Und sie rockt
heute noch! In seinem Dokumentarfilm holt Filmemacher Liam Firmager nicht nur die mittlerweile 70jährige Suzi
Quatro vor die Kamera, sondern auch viele ihrer Wegbegleiter wie beispielsweise ihren Ex-Mann oder Rockgrößen wie
Alice Cooper, Debbie Harry oder Joan Jett. Aber auch ihre Schwestern kommen zu Wort und lassen so das Porträt einer
Frau entstehen, die es schon längst geschafft hat, der jedoch immer noch die Anerkennung durch ihre Schwestern fehlt.
Firmagers Exkurs durch fast 50 Jahre Rock- und Pop-Geschichte ist originell gestaltet, macht viel Spaß und präsentiert
Suzi Quatro als selbstbewusste, reflektierte, aber auch emotionale Frau, die ihren Traum immer konsequent verfolgte
und sich niemals unterkriegen ließ. Eine Doku, die nicht nur für Rock- und Musikfans von Interesse sein dürfte, sondern
auch perfekt zum sich stark ändernden Frauenbild in der heutigen Gesellschaft passt.
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Donnerstag, 12. März 2020 Eine Lektion fürs Leben Ausklang der Pressewoche mit einem wundervollen Kinderfilm MEINE WUNDERBAR SELTSAME WOCHE MIT TESS (1:2.00, 5.1) OT: Mijn Bijzonder Rare Week Met Tess / My Extraordinary Summer With Tess Verleih: farbfilm Land/Jahr: Niederlande, Deutschland 2019 Regie: Steven Wouterlood Darsteller: Sonny Coops van Utteren, Josephine Arendsen, Johannes Kienast Kinostart: 03.09.2020
Während des Urlaubs mit der Familie lernt der kleine Sam die 12jährige Tess kennen, einen wahren Wirbelwind und
auch irgendwie seltsam. Die beiden freunden sich an und Sam erfährt von Tess‘ Plan, die ihren Vater kennenlernen
möchte, der noch gar nicht weiß, dass er eine Tochter hat. Und genau dabei soll ihr Sam helfen. Ausgerechnet. Wo der
sich doch im Alleinsein üben wollte, damit er keine Probleme bekommt, wenn er als Letzter in der Familie stirbt. Doch
in diesem Sommer wird Sam eine wichtige Lektion für das Leben lernen... Routiniert inszeniert Steven Wouterlood
diesen wunderbaren Kinderfilm, der auf sehr einfühlsame Weise Verlustängste und Einsamkeit sowie Freundschaft
thematisiert. Dank seiner beiden großartigen Kinderdarsteller gelingt ihm das auf vorzügliche Weise, so dass der Film
nicht nur Kinder ansprechen dürfte, sondern Erwachsene ebenso. Sehr positiv fällt die Filmmusik von Franziska Henke
auf, die dem Film seine Seele gibt. Ein Kinotipp für alle, die es annehmen können.
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Mittwoch, 11. März 2020 Inside Fassbinder Zur Wochenmitte zierte mal wieder ein Biopic die Kinoleinwand ENFANT TERRIBLE (1:1.85, 5.1) Verleih: Weltkino Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Oskar Roehler Darsteller: Oliver Masucci, Katja Riemann, Hary Prinz Kinostart: 01.10.2020
1967 betritt der 22jährige Rainer Werner Fassbinder die Bühne des Antitheaters in München, wo er die Inszenierung an
sich reißt. Viel mehr als Theater aber reizt den jungen Mann, aus dessen Dunstkreis man sich nur schwer entziehen
kann, das Filmemachen. Im Verlauf nur weniger Jahre entwickelt er sich zum bedeutendsten Filmemacher Deutschlands.
Doch sein Privatleben ist ein wahrer Hexenkessel... Seine Filme wurden auf der ganzen Welt hoch geschätzt: mit nur 36
Jahren starb Rainer Werner Fassbinder vermutlich infolge zu hohen Drogenkonsums Anfang der 1980er-Jahre einsam in
seiner Wohnung. Regisseur Oskar Roehler versucht sich mit ENFANT TERRIBLE an einem längst überfällige Biopic
über den Ausnahmefilmemacher. Der Film zeigt die verschiedenen Stationen Fassbinders, von seiner Zeit als
Theaterregisseur in München bis hin zu seinem letzten Film QUERELLE. Und er zeigt die Person Fassbinder als einen
Menschen, der sich aufgrund seiner sadistischen Ader und der offenbar fehlenden Empathie für jene Menschen, die ihn
geliebt haben, selbst in eine Einsamkeit drängt, aus der ihn nur sein exzessiver Drogenkonsum herausreißen kann.
Roehlers Film ist unbequem und alles andere als schön und dürfte den ein oder anderen Bewunderer der
Fassbinderschen Filme möglicherweise erschrecken. Je mehr Anerkennung Fassbinder für seine Filme erhielt, desto
steiler ging es mit seinem Privatleben bergab. Mit 134 Minuten ist das Biopic unnötig lang geraten und dadurch nur
schwer zu ertragen.
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Dienstag, 10. März 2020 Warten auf die Männer Bestes britisches Kino machte aus dem heutigen Regentag einen Freudentag MRS. TAYLOR’S SINGING CLUB (1:2.35, 5.1) OT: Military Wives Verleih: Leonine Land/Jahr: Großbritannien 2019 Regie: Peter Cattaneo Darsteller: Kristin Scott Thomas, Sharon Horgan, Jason Flemyng Kinostart: 15.10.2020
Kate Taylor ist Offiziersgattin und lebt wie viele andere Soldatenfrauen in einer britischen Militärbasis. Während die
Männer zum gefährlichen Kriegseinsatz nach Afghanistan geschickt werden, soll sich Kate um die moralische
Unterstützung der zurückgelassenen Frauen kümmern. Jetzt sind Ideen gefragt: wie hält man Frauen bei Laune, die mit
der ständigen Angst leben, dass ihre Männer nicht mehr aus dem Kriegseinsatz zurückkehren? Vielleicht mit der
Gründung eines Chors? Zumindest scheint diese Idee Zuspruch zu finden – auch wenn der ein oder andere Ton kräftig
danebengeht... Peter Cattaneos auf wahren Ereignissen beruhender Film versteht sich in der Tradition bester britischer
Feelgood-Komödien wie KALENDER GIRLS oder GANZ ODER GAR NICHT. Ein handverlesenes Ensemble und
großartige Musik sorgen dafür, dass man freiwillig das eine oder andere Tränchen der Freude und auch der Trauer
heimlich im Kino vergießt. Zur Darstellerriege zählt insbesondere Kristin Scott Thomas, die mit ihrer natürlichen
Unnahbarkeit die Rolle der Kate perfekt ausfüllt. Der etwas unglückliche deutsche Verleihtitel, der vermutlich an
französische Erfolgskomödien anknüpfen möchte, sollte auf keinen Fall vom Kinobesuch abhalten. Meine ganz
persönliche Empfehlung als Date Movie im April.
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Montag, 09. März 2020 Die Frau aus dem Wasser Geheimnisvoll und mystisch begann die neue Woche UNDINE (1:1.85, 5.1) Verleih: Piffl Land/Jahr: Deutschland, Frankreich 2020 Regie: Christian Petzold Darsteller: Paula Beer, Franz Rogowski, Maryam Zaree, Jacob Matschenz, Anne Ratte-Polle Kinostart: 02.07.2020
Als Johannes seine Beziehung zu Undine wegen einer anderen Frau abbricht, bricht für sie eine Welt zusammen. Wenn
ihre Liebe verraten wird, so heisst es in den alten Märchen, muss Undine den untreuen Mann töten und wieder ins
Wasser zurückkehren aus dem sie gekommen war. Doch Undine wehrt sich gegen die Mythologie und stützt sich
stattdessen in eine neue Liebesbeziehung: Christoph, ein Industrietaucher. Doch der Fluch holt die Schöne wieder ein...
In seinem neuen Film rückt Regisseur Christian Petzold eine Gestalt aus einer alten Mythologie in den Fokus: Undine,
die Frau, die im Wald in einem See lebt und den Mann töten muss, der ihre Liebe verrät. Petzolds Film holt die
Geschichte in die Gegenwart und erzählt sie mit einer brillanten Paula Beer in der Titelrolle. Es ist eine Undine, die
sich von dem alten Fluch lösen möchte, aber von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Mit atmosphärischen Bildern
(Kamera: Hans Fromm) begibt sich der Film auf die Fährte des Genre-Kinos, gibt sich ihm aber (leider) nicht
vollkommen hin. Warum sich der Film in aller Ausführlichkeit den stadthistorischen Vorträgen von Undine widmet,
bleibt im Dunkeln. Zumindest ich habe dort keinen Bezug zur erzählten Geschichte gefunden. Filmmusik gibt es in
UNDINE nur in Form eines immer wiederkehrenden Klavierstücks von Johann Sebastian Bach, das weit entfernt von
jeglichem Genre-Score arbeitet, aber in seiner Wirkung zum tragischen Unterton der Erzählung passt.
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Freitag, 06. März 2020 Ein Mafioso packt aus Zum Ausklang einer vollen Pressewoche gab es heute wieder einen Film aus Bella Italia IL TRADITORE – ALS KRONZEUGE GEGEN DIE COSA NOSTRA (1:1.85, 5.1) OT: Il Traditore Verleih: Pandora Land/Jahr: Italien, Frankreich, Brasilien, Deutschland 2019 Regie: Marco Bellocchio Darsteller: Pierfrancesco Favino, Luigi Lo Cascio, Maria Fernanda Cândido Kinostart: 13.08.2020
Anfang der 1980er Jahre setzt sich der Sizilianer Tommaso Buscetta mit seiner Familie nach Rio de Janeiro ab.
Tommaso ist ein hohes Tier bei der Cosa Nostra, die zunehmend unter den Einfluss der brutalen Corleonesi gerät.
Während er in Rio dem süßen Nichtstun nachgeht, werden in der Heimat alle seine Verbündeten sowie
Familienmitglieder brutal umgebracht. Auch Tommaso selbst steht auf der Abschussliste. Doch die brasilianische
Polizei kommt der Organisation zuvor und liefert ihn an Italien aus. Dort lässt er sich auf einen Deal mit der
italienischen Justiz ein: packt er über die Mafia aus, erhält er im Gegenzug Garantien für seinen persönlichen Schutz und
den seiner Familie... In seinem epischen Film greift Regisseur Marco Bellocchio eine wahre Geschichte auf, in der zum
ersten Mal ein führendes Mafia-Mitglied Licht in das kriminelle Netzwerk brachte. Bellocchio konzentriert sich dabei
ganz auf die Hauptfigur, jenen charismatischen Buscetta, der eine Mafia bekämpfen möchte, deren Werte nicht mehr mit
den eigenen im Einklang steht. Neben den eiskalten Morden, die der Film zeigt, versteht sich Bellocchio aber auch
darauf, dem Ganzen eine gewisse Ironie abzugewinnen. So inszeniert er beispielsweise den großen Schauprozess gegen
gleich eine Handvoll prominenter Cosa-Nostra-Mitglieder als große Oper. Da werden die Angeklagten im Gerichtssaal
wie Tiere in Käfigen gehalten, während sich die Stimmung im Saal immer tumultartiger zuspitzt und die Tonspur diese
Farce auf typisch italienische Weise mit dem Gefangenenchor aus Guiseppe Verdis “Nabucco” lautstark kommentiert.
Überhaupt glänzt der Film mit einer Musik, die immer wieder den tragischen Stoff karikiert. Sie stammt aus der Feder
des inzwischen 74jährigen Nicola Piovani, neben Ennio Morricone eines der Urgesteine italienischer Filmmusik. Dass
der Regisseur aber auch durchaus die ungeheure Dramatik der Geschichte mit filmischen Mitteln auszudrücken versteht,
beweist jene Szene, in der der unerschrockene Richter Giovanni Falcone einem Attentat zum Opfer fällt. Hier zieht
Bellocchio alle Register moderner Bild- und Tontechnik, um dem Zuschauer die Schreckensherrschaft der Mafia
nahezubringen. Mit Pierfrancesco Favino in der Titelrolle hat der Film einen sehr charismatischen Hauptdarsteller
gefunden. Wunderbar vereint der Schauspieler mit einem perfekt “mafiösen” Äußeren den harten und den weichen Kern
des Tommaso Buscetta in seiner Figur. Nicht nur seiner Überlänge wegen reiht sich “Il Traditore” (auf Deutsch “Der
Verräter”) nahtlos in die Serie großer Mafia-Filme ein, denen Bellocchio bereits mit seiner Eröffnungsszene, einem
großen Fest mit Gesang und Tanz, huldigt.
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Donnerstag, 05. März 2020 Spirituell und physikalisch Mit zwei wahren Geschichten konfrontierten mich die heutigen Presse-Filme EINE GRÖSSERE WELT (1:1.85, 5.1) OT: Un Monde Plus Grand Verleih: MFA (Filmagentinnen) Land/Jahr: Frankreich, Belgien 2019 Regie: Fabienne Berthaud Darsteller: Cécile de France, Narantsetseg Dash, Tserendarizav Dashnyam, Ludivine Sagnier Kinostart: tba
Um den Tod ihres Mannes zu verkraften, stürzt sich die junge Französin Corine in ihre Arbeit. Als Tontechnikerin soll
sie in der tiefsten Mongolei für eine Dokumentation Gebete von Einheimischen aufnehmen. Als sie der Zeremonie einer
Schamanin beiwohnt, verfällt sie in eine Trance und hat Visionen. Die Schamanin erkennt Corines ungewöhnliche Gabe
sofort und rät ihr, sich zur Schamanin ausbilden zu lassen. Doch Corine verweigert sich und geht wieder nach
Frankreich zurück. Doch die Eindrücke ihrer spirituellen Reise lassen sie nicht mehr los... Gäbe es keine entsprechenden
Texttafeln am Ende des Films, würde man Fabienne Berthauds Film schnurstracks in die Fantasy/Horror-Ecke schieben.
Doch die Texttafeln erklären, dass die zur Schamanin gewordene Französin Corine die erste war, die dafür sorgte, dass
ihre Gabe wissenschaftlich untersucht wird. Sie gab damit den Anstoß für einen ganz neuen Wissenschaftszweig, der bis
heute auf dem Gebiet des Schamanismus forscht. Berthaud hat ihren Film überzeugend gestaltet. Kameraarbeit,
Tonmischung und Musik sorgen dafür, dass man als Zuschauer emotional durch den Film angesprochen wird. Die
wenigen inhaltlichen Schwächen lassen sich dadurch verschmerzen, so dass am Ende der positive Gesamteindruck
überwiegt.
MARIE CURIE – ELEMENTE DES LEBENS (1:2.35, DD 5.1) OT: Radioactive Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Großbritannien, Ungarn 2019 Regie: Marjane Satrapi Darsteller: Rosamund Pike, Sam Riley, Anya Taylor-Joy Kinostart: 16.07.2020
Auf dem Sterbebett lässt die Physikerin Marie Curie ihr aufregendes Leben noch einmal Revue passieren... Schon 2016
brachte Marie Noëlle-Sehr ihren Film MARIE CURIE in die Kinos, der das Leben der ersten Nobelpreisträgerin
schilderte. Jetzt wagt sich Marjane Satrapi an das Thema und zeigt mit Rosamund Pike in der Titelrolle das bewegte und
auch tragische Leben der genialen Wissenschaftlerin, die ihrer Zeit weit voraus war. Interessanterweise weisen beide
Filme eine inszenatorische Parallele auf. So wirkt der Handlungsstrang an einigen Stellen irgendwie abgehackt, so als
gelte es Zeit zu sparen und sich nicht in Details zu verlieren. Doch manchmal sind es gerade diese Details, die zu
erfahren interessant wären. So wird Curies Liebesbeziehung zu Paul Langevin, die sie nach dem Tode ihres Gatten
eingeht, überhaupt nicht vertieft – sie ist einfach plötzlich da. Interessant wird Satrapis Curie-Biopic dadurch, dass es
auch die negativen Auswirkungen ihrer wissenschaftlichen Entdeckungen thematisiert, z.B. die Hiroshima-Bombe.
Rosamund Pike ist eine gute Wahl für die Hauptrolle, trägt sie doch wie Marie Curie selbst eine gewisse Arroganz nach
außen. Wie schon das Biopic aus dem Jahre 2016 lässt auch der neue Film zu wünschen übrig. Beim dritten Mal wird’s
dann bestimmt richtig gut.
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Mittwoch, 04. März 2020 Politik und Oper Das heutige Presse-Doppel hatte zwei besonders schöne Dokumentationen für mich parat DIE UNBEUGSAMEN (1:1.85, 5.1) Verleih: Majestic (Paramount) Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Torsten Körner Kinostart: 26.08.2021
Torsten Körners Dokumentarfilm kommt genau zur richtigen Zeit. Denn die weltweite #Metoo-Debatte hat dafür
gesorgt, dass die Menschen endlich für Frauenrechte und –belange extrem sensibilisiert wurden. Gleichsam hat sie aber
auch aufgezeigt, dass hier längst noch nicht alles in trockenen Tüchern ist. Dass das Geschlecht darüber entscheidet, wer
wieviel für dieselbe Arbeit bekommt, ist einer der nach wie vor existierenden Skandale. Im Verlauf der vergangenen
Jahrzehnte aber haben Frauen schon extrem viel erreicht. Zum Beispiel sind sie in die Politik gegangen und mischen
(oder mischten) kräftig mit. Körner holt ein gutes Dutzend deutscher Politikerinnen vor seine Kamera und lässt die
inzwischen in Rente gegangenen Frauen davon erzählen, wie es war, als sie damals im Bundestag Einzug hielten. Es
sind teils unglaubliche Geschichten, die hier erzählt werden, die Körner aber dank guter Recherchearbeit mit
Bildmaterial belegen kann. Augenzwinkern flicht er dazu immer wieder kurze Ausschnitte aus Werbefilmen u.ä. ein, die
das damals “geltende” Frauenbild verdeutlichen und die Absurdität desselben herausarbeiten. Das sich das grundlegend
geändert hat, ist der Emanzipation der Frauen zu verdanken. Dass dies freilich nicht jedem Mann gefällt, versucht der
Film erst gar nicht zu verschweigen. Dass der Frauenanteil in der deutschen Politik inzwischen wieder zurückgeht, wie
der Film am Ende verrät, verheißt nichts Gutes. Den porträtierten Damen jedenfalls zollt Körners Film Respekt – und
das vollkommen zu recht. Körners Film ist gleichzeitig eine bestens unterhaltende und perfekt bebilderte Reise zurück in
der Zeit, die viele längst vergangene Ereignisse noch einmal Revue passieren lässt. Unbedingt sehenswert.
DAS HAUS DER GUTEN GEISTER (1:1.78, 5.1) Verleih: mindjazz Land/Jahr: Deutschland 2019 Regie: Marcus Richardt, Lillian Rosa Kinostart: 10.12.2020 (Stream)
Schon einmal war die Stuttgarter Oper Hauptdarsteller in einem Dokumentarfilm. DIE SINGENDE STADT aus dem
Jahre 2010 hieß der Film, in dem Vadim Jendreyko die Proben für eine moderne Version des “Parsifal” mit seiner
Kamera begleitete. Jetzt widmen sich Marcus Richardt und Lillian Rosa den Vorbereitungen zu Tschaikowskis “Pique
Dame” und damit der letzten Oper unter Federführung des scheidenden Intendanten und Regisseurs Jossi Wieler.
Unkommentiert nehmen uns die Filmemacher in den Mikrokosmos jener Staatsoper hinein, die bereits siebenmal die
von Kritikern weltweit verliehene Auszeichnung “Opernhaus des Jahres” erhielt. Warum das so ist, versuchen sie zu
ergründen, und lassen nicht nur Wieler zu Wort kommen, sondern auch andere seiner Mitstreiter. Dabei spannt der Film
den gesamten Bogen von der ersten Pressekonferenz, auf der das neue Projekt angekündigt wird, bis hin zum
Premierenabend und sorgt damit für Spannung von der ersten bis zur letzten Minute. Der Blick hinter die Kulissen ist
wahnsinnig interessant und wird von der Kamera brillant eingefangen. Auch wenn ich nach wie vor bekennender
Opernmuffel bin – diese Doku hat mich fasziniert.
Hinweis: auf Wunsch der Filmemacher habe ich dieses Video auf "Privat" gesetzt. Damit ist es nur noch durch Eingabe eines Passwortes abspielbar. Im Bedarfsfall kontaktieren Sie mich unter info@wolframhannemann.de |
Dienstag, 03. März 2020 Vom Regen in die Traufe Frisch von der Berlinale direkt in unsere Pressevorführung BERLIN ALEXANDERPLATZ (1:2.35, 5.1) Verleih: Entertainment One Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Burhan Qurbani Darsteller: Welket Bungué, Jella Haase, Albrecht Schuch, Joachim Król Kinostart: 16.07.2020
Mit einem Flüchtlingsboot kam er aus Afrika – jetzt ist er in Berlin gestrandet: Francis hat beschlossen, ein guter
Mensch zu werden. Dumm nur dass er auf den Falschen trifft. Denn der Drogendealer Reinhold, der ihn für kriminelle
Zwecke anheuert, ist alles andere als ein Menschenfreund. So beginnt für den jungen Afrikaner nur vermeintlich ein
gesellschaftlicher Aufstieg, der ihn jedoch in Wirklichkeit in ein immer tieferes Loch zieht... Regisseur Burhan Qurbani
wagt sich an eine Neuninterpretation des Erfolgsromans von Alfred Döblin aus dem Jahre 1929. Man könnte auch
sagen, Qurbani inszeniert “Berlin Alexanderplatz 2.0”. Aus der Hauptfigur des Romans, einem einfachen Lohnarbeiter
der 1920er Jahre, wird bei Qurbani ein dunkelhäutiger Flüchtling der Gegenwart. Als Francis durchlebt er wie die
Romanfigur Franz Biberkopf schlimme Zeiten, weil er sich mit dem Falschen einlässt – und das immer wieder von
Neuem. Qurbanis Film hat einen extrem depressiven Grundcharakter, der nur sehr schwer zu ertragen ist. Und das auf
einer Länger von 183 Minuten! Visuell überzeugend gestaltet und mit einem tollen Ensemble besetzt, eignet sich das
Werk ganz sicher nicht als gemütlicher Feierabendfilm, sondern eher für ein problembewusstes, diskussionsfreudiges
Publikum.
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Montag, 02. März 2020 Lolle zwischen den Männern und ein David gegen den Goliath Eröffnung einer vollen Pressewoche mit einem gemischten Doppel BERLIN, BERLIN – DER KINOFILM (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Franziska Meyer Price Darsteller: Felicitas Woll, Janina Uhse, Jan Sosniok, Matthias Klimsa, Detlev Buck, Armin Rohde, Christian Tramitz Kinostart: entfällt wegen Corona-Krise
Gerade als Lolle ihren Freund Hart heiraten möchte, platzt Sven in die Hochzeit und lässt diese platzen. Lolle ist
komplett durch den Wind und wird über Umwege von einem Richter zu Sozialstunden in einer Schule verdonnert. Dort
lern sie die junge Dana kennen. Nach einer durchzechten Partynacht in einem Club wacht Lolle mitten im Harz wieder
auf und hat nicht nur Problem mit der Polizei, sondern auch mit Dana, einem Drogenproduzenten, einer
Hippie-Kommune und ihren beiden Freunden, die sich auf die Suche nach ihr machen... Jetzt kommt also endlich die
erfolgreiche Vorabend-TV-Soap auf die ganz große Kinoleinwand und wirft bei Nicht-Kennern der TV-Serie eine
wichtige Frage auf: war denn die Serie genauso schlimm wie der Kinofilm? Gewiss: Regisseurin Franziska Meyer Price
zeigt, dass sie moderne Technik beherrscht. Oft teilt sich das CinemaScope-Bild im Rhythmus der Musik in Split-Screen
Collagen und verwandeln sich handelnde Figuren in Computeranimationsfiguren jeder Größe. Doch Technik macht
noch keinen Film. “Drehbuch, Drehbuch, Drehbuch!” warnte schon Altmeister Billy Wilder all jene, die meinten, sie
könnten einfach so mal kurz einen abendfüllenden Film abliefern. Die Handlung in BERLIN, BERLIN ist vollkommen
absurd (um nicht hanebüchen zu sagen) und nach einiger Zeit nervt das Dilemma der Hauptdarstellerin, sich zwischen
zwei Männern entscheiden zu müssen, einfach nur noch. Immerhin: dieses Problem löst das Drehbuch am Ende auf
originelle Weise. Natürlich möchte der Film einfach nur eine Komödie sein, doch tut er sich mit richtigen Lachern
ziemlich schwer. Da genügen die witzig gemeinten Kommentare der Hauptdarstellerin aus dem Off nicht – sie wirken
sehr berechnend, eben so, als würden sie in einem Drehbuch stehen. Wo ist die Zielgruppe für dieses überdrehte Stück
Kino? Für junges Publikum sind die Darsteller zu alt, für älteres Publikum zu jung. Etwa für die Fans der TV-Serie?
Vermutlich. Aber finden die den Weg ins Kino? Wohl kaum...
VERGIFTETE WAHRHEIT (1:2.35, DD 5.1) OT: Dark Waters Verleih: Tobis Land/Jahr: USA 2019 Regie: Todd Haynes Darsteller: Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins, Bill Pullman Kinostart: 08.10.2020
Eigentlich ist Rob Bilott Wirtschaftsanwalt, der als Partner in einer Kanzlei die Interessen von Konzernen wahrnehmen
soll. Doch als ihn ein um Hilfe suchender Bauer aus seiner Heimatstadt in West Virginia aufsucht, der die gegenüber
seiner Farm gelegene Mülldeponie des DuPont-Konzerns dafür verantwortlich macht, dass alle seine Kühe sterben,
nimmt er sich des Falles an. Noch weiß er nicht, dass ihn die Sache über mehrere Jahrzehnte in Atem halten wird und er
sich damit viele Feinde schaffen wird – nicht nur in der Konzernspitze, sondern auch bei den Beschäftigten... In seinem
Film greift Regisseur Todd Haynes den spektakulären Kampf eines Anwalts gegen den Chemie-Riesen DuPont auf, der
einem Kampf Davids gegen Goliath gleicht. Es ist die wahre Geschichte des Wirtschaftsanwalts Rob Bilott, der 1998
den Kampf gegen den Umweltsünder DuPont aufnahm und damit für viele seiner Mandanten, die durch das Gift des
Konzerns erkrankten, hohe Schadensersatzzahlungen erreichen konnte. Ein Prozess, der sich noch bis zum heutigen Tag
hinzieht und weitergeht. Mark Ruffalo spielt diese Galionsfigur, die sich unermüdlich und beharrlich für die Menschen
einsetzt, die durch den Konzern geschädigt wurden. Mit großem Understatement geht er seine Rolle an und verkörpert
den Unerschrockenen damit sehr überzeugend. Inszenatorisch bleibt der Film sehr nüchtern und gibt sich nur ganz
punktuell auch mal etwas reisserischer – ein Stil, der dem Anliegen des Films entgegenkommt. Der Fall DuPont steht
dabei stellvertretend für viele ähnlich gelagerte Fälle, in denen ein Chemie-Konzern seine Machtstrukturen dafür nutzt,
Umweltauflagen zu umgehen, um milliardenschwere Gewinne einzustreichen.
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Sonntag, 01. März 2020 Unsere Welt braucht wieder Magie Meinen Sonntagnachmittag habe ich in einem fast leeres Kinosaal verbracht ONWARD – KEINE HALBEN SACHEN (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Onward Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA 2020 Regie: Dan Scanlon Kinostart: 05.03.2020
Ian und Barley sind zwei ungleiche Brüder. Während der jüngere Ian noch voller Selbstzweifel steckt, ist der ältere
Barley ziemlich furchtlos. Beide wachsen bei ihrer alleinerziehenden Mom auf, der Vater ist schon vor langer Zeit
gestorben. Ihr kleines Häuschen steht inmitten eines Ortes, der einmal ein magischer Ort voller Wunder und Zauberei
war. Diese Zeiten sind jedoch längst vorbei. Als Ian jedoch zu seinem 16. Geburtstag den Zauberstab seines Vaters
geschenkt bekommt, beginnt für die beiden Brüder das größte Abenteuer ihres bisherigen Lebens... “Bringt wieder etwas
mehr Magie in Euer Leben!” – so die subtile Botschaft des neuesten Computeranimationsfilms aus dem Hause Pixar.
Die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die sich bei Abenteuer ihre Lebens bewähren müssen, steckt voller kleiner
Seitenhiebe auf unsere doch recht verkorkste Gesellschaft. Und wenn am Ende dann der kleine Bruder die Erkenntnis
hat, dass er all das, was er zu finden hoffte, eigentlich schon immer hatte, ist das eine sehr schöne Interpretation des
Sprichworts “Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah”. Kinder werden diese feine Meta-Ebene
vermutlich gar nicht wahrnehmen, weil ihnen der Film natürlich jede Menge Action und Spaß bietet, doch richtet sie
sich insbesondere an die Erwachsenen, die nickend zustimmen werden. Die technische Umsetzung des animierten Films
indes enttäuscht etwas, wirkt sie doch gegenüber anderen Pixar-Produktionen relativ plump.
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