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Donnerstag, 24. September 2020 Ich sehe was was Du nicht siehst Nachsitztermin im zur Zeit einzig sicheren Ort: dem Heimkino. DER UNSICHTBARE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: The Invisible Man Verleih: Universal Land/Jahr: USA, Australien 2020 Regie: Leigh Whannell Darsteller: Elisabeth Moss, Oliver Jackson-Cohen, Aldis Hodge Kinostart: 27.02.2020
In letzter Sekunde gelingt Cecilia die Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann Adrian. In ihrem Unterschlupf bei einem
alten Freund erhält sie die Nachricht, dass Adrian tot ist. Cecilia zweifelt daran. Umso mehr, als sich seltsame Dinge im
Haus ereignen. Kann es sein, dass sich Adrian ganz in ihrer Nähe aufhält, ohne dass sie ihn sehen kann? Cecilias
Befürchtungen sollen sich alsbald als begründet erweisen... Mit seinem Drehbuch zum Horrorschocker SAW hat er
Genregeschichte geschrieben. Jetzt versucht sich Leigh Whannell an einem alten Bekannten aus den Archiven der
Universal Studios: dem Unsichtbaren. Whannell gewinnt dem Klassiker auch tatsächlich eine neue Sichtweise ab:
häusliche Gewalt ist sein Thema. Solide inszeniert er seinen Thriller, der von hohem Production Value zeugt und viel
auf Atmosphäre setzt. Hier und da werden “Jump Scares” gut platziert, bestens unterstützt vom gelungenen Dolby
Atmos Sounddesign und der beängstigenden Filmmusik von Benjamin Wallfisch. In der Hauptrolle des Thrillers glänzt
Elisabeth Moss, die sich hervorragend darauf versteht, eine zutiefst verängstigte Frau zu mimen. Auch wenn hier und da
die Logik etwas innehält, vermag der Film gut zu unterhalten. Zumindest jene, die sich gerne und viel Gruseln lassen.
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Montag, 21. September 2020 Der Stab in zarter Hand Das heutige Biopic passt zur aktuellen #metoo Debatte DIE DIRIGENTIN (1:2.35, 5.1) OT: De Dirigent / The Conductor Verleih: Der Filmverleih Land/Jahr: Niederlande, Belgien 2018 Regie: Maria Peters Darsteller: Christanne de Bruijn, Benjamin Wainwright, Scott Turner Schofield Kinostart: 24.09.2020
1923 in New York. Die junge und hübsche Holländerin Willy hat einen großen Traum: das Dirigieren zu erlernen. Doch
Musik ist in jener Zeit eine absolute Männerdomäne und so muss sich die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Willy
nicht nur mit lausigen Jobs herumplagen, sondern auch noch gegen die Vorurteile der Musiker ankämpfen. In dem
Nachclubbesitzer Robin Jones findet die verzweifelte Willy nicht nur einen fairen Arbeitgeber, sondern auch einen
loyalen Freund. Der aus reichem Hause stammende Musikproduzent Frank Thomson vermittelt ihr schließlich einen
Studienplatz am Konservatorium und die beiden gehen einen Liebesbeziehung ein. Als Willy sich dazu entschließt, in
Berlin bei Karl Muck eine Dirigentenausbildung zu beginnen, muss sie sich zwischen Frank und ihrem Traum
entscheiden... Mit DIE DIRIGENTIN verfilmte Regisseurin Maria Peters ihren eigenen Roman über das Leben der
Antonia Brico (ehemals Willy), die als erste Dirigentin in die Geschichte einging. In ihrem üppig ausgestatteten Film im
CinemaScope-Format zeichnet sie nun das beschwerliche Leben jener Frau nach, die nie aufgegeben hat, ihrem großen
Traum zu folgen. “Entweder wirst Du als Musiker geboren oder nicht. Mit dem Geschlecht hat das überhaupt nichts zu
tun!”, sagte Brico einmal angesichts der vielen Hürden, die ihr als Frau in den 1920er-Jahren in den Weg gelegt wurden,
als sie sich dazu entschloss Dirigentin zu werden. Vieles von dem, was Brico erleiden musste, gilt auch heute noch
genauso. Echte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist leider immer noch keine Realität. Peters Film ist
sehr bewegend - vielleicht an mancher Stelle sogar etwas zu sehr – und glänzt mit einer spielfreudigen jungen
Hauptdarstellerin: Christanne de Bruijn. Sie mimt die passionierte Musikerin aus der Unterschicht als intelligente junge
Frau, die zwar nicht auf den Mund gefallen, aber dennoch sehr zerbrechlich ist. In der Rolle ihres Mentors und besten
Freundes Robin ist Scott Turner Schofield zu sehen, der hier darstellerisch absolut brilliert. Trotz seiner 137 Minuten
vermag der Film von Anfang bis Ende zu fesseln und so verzeiht man der Inszenierung durchaus seine
“Hollywood-Kniffe”.
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Mittwoch, 16. September 2020 Freie Liebe im Heiligen Land Heute mal wieder ein Nachsitz-Termin KISS ME KOSHER (1:2.35, 5.1) Verleih: X Verleih Land/Jahr: Deutschland, Israel 2020 Regie: Shirel Peleg Darsteller: Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli Kinostart: 10.09.2020
Mit Maria aus Deutschland scheint die quirlige Israelitin Shira endlich die Frau fürs Leben gefunden zu haben. Doch
ihrer strengen jüdischen Großmutter Berta gefällt das gar nicht – sind doch alle Deutschen auch Nazis! Als dann auch
noch Marias Eltern zu Besuch ins Heilige Land kommen, ist das Chaos vorprogrammiert... Mit KISS ME KOSHER
präsentiert die israelische Regisseurin Shirel Peleg ihre Version einer Screwball-Komödie und gibt damit gleichzeitig ihr
Leinwanddebüt. Da geht es nicht mehr um die Liebesquerelen eines Hetero-Paares, wie man das aus amerikanischen
Vorbildern gewohnt ist, sondern um eine lesbische Beziehung, die Höhen und Tiefen unterworfen wird. Peleg gebührt
schon dafür Lob, dass sie diese Beziehung als etwas vollkommen Normales inszeniert – fast so, als hätte es nie etwas
anderes gegeben. Und das auch noch in einem Land wie Israel, dem Zwei-Völker-Staat, der von strengen religiösen
Konventionen geprägt ist. Dass nun auch noch die Nazi-Vergangenheit der Deutschen thematisiert wird, ist dann aber
etwas zuviel des Guten. Peleg versucht zwar, daraus komödiantisches Kapital zu schlagen, doch es will ihr nicht so recht
gelingen. Aber vermutlich wird ihr Film in Israel mit ganz anderen Augen betrachtet. Immer wieder hat der Film mit
einem falschen Timing zu kämpfen, das Dialog-Pointen sang- und klanglos verpuffen lässt. Das wirkt oft so, als wären
hier absichtlich längere Pausen integriert, damit das Publikum auch die Chance erhält, lange und laut zu lachen.
Zumindest bei mir hat das leider nicht gewirkt. Zumindest das Darstellerensemble scheint großen Spaß gehabt zu haben.
Die Lebensfreude der beiden Hauptdarstellerinnen schwappt durchaus auf das Publikum über. Da es bei einer richtigen
Screwball-Comedy auch an Gefühl nicht fehlen darf, lieferte Filmmusikkomponistin Jasmin Reuter den perfekten Score,
der die ganze Bandbreite zwischen pulsierenden Bollywood-Rhythmen und emotionalen Streichklängen abdeckt.
Möglicherweise lag es auch einfach an der ziemlich sterilen deutschen Synchronfassung, die den im Original
mehrsprachig inszenierten Film seines Witzes beraubt.
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Montag, 07. September 2020 Wo kommt unser Geld her? Mit zwei beeindruckenden Dokumentarfilmen startete ich in die neue Woche OECONOMIA (1:1.85, 5.1) Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Carmen Losmann Kinostart: 15.10.2020
Wie funktioniert eigentlich unser Wirtschaftssystem und wo kommt das Geld her? Wer macht das Geld? Die Banken?
Es sind eigentlich ganz einfache Fragen, die Filmemacherin Carmen Losmann in ihrem neuen Dokumentarfilm an den
Anfang stellt. Mit Hilfe von klugen Köpfen oder solchen, die sich dafür halten, sucht Losmann nach ebenso einfachen
Antworten. Dass sie damit in den Führungsetagen von Bankhäusern nicht immer willkommen ist, macht sie zum
genialen Stilmittel ihrer filmischen Recherche. Wenn also die Banker nicht bereit sind, vor der Kamera zu sprechen,
lässt sie einfach ihre telefonischen Recherchen von Profis nachsprechen – anhand von Tonaufnahmen oder aus der
Erinnerung heraus. Dass ihre simplen Fragen so manchen ihrer Gesprächspartner, die sich ja beruflich mit der ganzen
Thematik tagein und tagaus beschäftigen, große Fragezeichen in die Augen treiben, erstaunt dann doch ziemlich.
Immerhin sind es diese Manager, die unser Wirtschaftssystem angeblich am Laufen halten. Müssen wir uns Sorgen
machen? Losmanns Film bezieht dazu eindeutig Stellung: definitiv ja! Dass es im wahren Leben nicht so zugeht wie auf
einem Monopoly-Spielbrett, lässt die Filmemacherin von einer Runde illustrer Sachverständiger erklären, die sie an
einem Tisch in einer großen Mall platziert und eben jenes Spiel spielen lässt. OECONOMIA besticht nicht nur durch
seine klaren inhaltlichen Botschaften, sondern auch durch seine Bilder (Kamera: Dirk Lütter), die durch ihre
Farbgebung extrem kalt wirken und aus Chefetagen ziemlich unwirtliche Orte machen. Die Filmmusik von Peter Rösner
tut ein Übriges, um diesen Eindruck zu intensivieren. Losmanns Film erinnert damit in gewisser Weise den künstlichen
Welten, die Jacques Tati in PLAYTIME so herrlich persiflierte. Nur mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass hier
alles echt ist. Als Zuschauer wird man den Kinosaal mit einem sehr unangenehmen Gefühl verlassen. Und das ist gut
so.
BODY OF TRUTH (1:1.85, 5.1) Verleih: Filmwelt Land/Jahr: Deutschland, Schweiz 2019 Regie: Evelyn Schels Darsteller: Sigalit Landau, Marina Abramovic, Katharina Sieverding, Shirin Neshat Kinostart: 10.09.2020
Was haben die zeitgenössischen Künstlerinnen Sigalit Landau, Marina Abramovic, Katharina Sieverding und Shirin Neshat gemeinsam? Sie alle nutzen ihren eigenen Körper, um ihr künstlerisches Anliegen unters Volk zu bringen. Ob
als Performance, Installation, Film oder Fotografie. Regisseurin Evelyn Schels porträtiert vier mutige Frauen, die sich
ganz ihrer Kunst verschrieben haben. Freimütig erzählen die Künstlerinnen wie sie aufgewachsen sind, aus welchem
Elternhaus sie stammen und wie sie zu dem wurden was sie sind. Dabei wird natürlich auch ihren Kunstwerken viel
Platz eingeräumt. Man erfährt, was sie gemacht haben und kann ihnen teilweise sogar bei ihrer Arbeit über die Schulter
schauen und wird Zeuge des Entstehungsprozesses einiger Kunstwerke. “Der Körper lügt niemals”, sagt Marina
Abramovic, deren freizügige und schmerzhafte Performances sehr radikal sind, aber damit ihre Botschaft
unmissverständlich nach außen kommunizieren. BODY OF TRUTH ist ein ungewöhnlicher Dokumentarfilm über vier
ungewöhnliche Frauen. Ein Film, deren Protagonistinnen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
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Mittwoch, 02. September 2020 Good Girl, Bad Guy – Again! Die einzige Pressevorführung in dieser Woche konfrontierte mich mit einer Fortsetzungsgeschichte AFTER TRUTH (1:2.35, 5.1) OT: After We Collided Verleih: Constantin Land/Jahr: USA 2020 Regie: Roger Kumble Darsteller: Josephine Langford, Hero Fiennes Tiffin, Dylan Sprouse Kinostart: 03.09.2020
Nachdem sich Tessa und Hardin getrennt haben, tritt Tessa eine Praktikantenstelle in einem aufstrebenden Verlag an.
Ausgerechnet in jenem Verlag, in dem auch Hardin schon gejobbt hat. Und so kommt eins zum anderen: ehe sie es sich
versehen, liegen die beiden wieder zusammen im Bett. Doch Ungemach macht sich auf den Weg, das labile Glück der
beiden Liebenden auf harte Proben zu stellen... Teil 2 der verhängnisvollen Liebesgeschichte zwischen Tessa und
Hardin, die im vergangenen Jahr mit AFTER PASSION ihren Beginn nahm, setzt genau einen Monat nach Ende des
ersten Teils an. Ob das Drehbuch versucht, die Zeit zwischen zwei Kopulationsszenen irgendwie zu überbrücken oder
die Story durch den Einschub von Kopulationsszenen interessanter zu gestalten, wird man sicherlich nie erfahren. Eines
aber ist sicher: der Konsum dieses Filmchens ist eine Verschwendung wertvoller Lebenszeit. Die Handlung ist mehr als
hanebüchen. Man stelle sich nur einmal vor: da wird eine Praktikantin an ihrem ersten Arbeitstag vollkommen neu
eingekleidet und aufgestylt (merke: ohne Unterwäsche!), wird mit Kollegen in einen Edel-Club geschickt und hat dort
nichts weiter zu tun als zu trinken und zu tanzen. Klingt wie ein Märchen? Ist es auch. In Roger Kumbles Film jedoch
soll dies die Realität widerspiegeln. Sorry Kids, aber so einfach geht es da draußen in der Welt nicht zu! Immerhin: was
die Erotik angeht, so hat die sich im zweiten Teil dieser Schmonzette deutlich weiterentwickelt. Aber weil es halt ein
amerikanischer Film ist, hat man nach wie vor mit Prüderie zu kämpfen. Unverkrampfte Erotik geht anders. So aber
versucht sich das Werk an 50 SHADES OF GREY, natürlich ohne die Sadomaso-Ingredienzien. Und die Darsteller?
Die passen irgendwie nicht zu ihren Rollen. Vielleicht am ehesten noch Josephine Langford als Naivchen Tessa. Doch
Hero Fiennes Tiffin ist viel zu soft, um als harter Kerl durchzugehen – daran ändern auch seine vielen Tattoos nichts.
Bei Sichtung eines solchen Werkes fragt man sich instinktiv, wo wohl die Zielgruppe zu finden ist, die es zu würdigen
weiß. Teens können es kaum sein, da die heutzutage schon ganz Anderes gewohnt sind. Egal – falls Ihr Euch doch in
diesen Film verirren solltet, dann sagt bitte nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt. Wie gesagt: es geht von Eurer Lebenszeit
ab.
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