Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Dienstag, 31. August 2021
Gruppentherapie
Nach ihrem Ausflug in OSTWIND-Pferdewelten kommt Regisseurin Katja von Garnier wieder zurück zu ihren BANDITS-Wurzeln

FLY (1:2.35, 5.1)
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Katja von Garnier
Darsteller: Svenja Jung, Ben Wichert, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz, Katja Riemann
Kinostart: 14.10.2021

Ein Resozialisierungsprogramm soll straffällig gewordenen jungen Menschen helfen, wieder gesellschaftsfähig zu werden. Dazu gehört auch Tanz, der unter Anleitung von Mentorin Ava den Zusammenhalt in der Gruppe stärken soll. Auch die 20jährige Bex nimmt daran teil – anfangs zwar widerwillig, aber dann mit steigender Begeisterung. Wird sie dadurch ihr Trauma überwinden, das sie in die Anstalt führte? - Katja von Garniers Film gehört in jene Kategorie von Filmen, deren oft fulminant akrobatische Tanzsequenzen durch eine dünne Story zusammengehalten werden soll. Das gelingt hier nur zum Teil, denn die Story ist einfach zu klischeehaft, um nicht sofort als Alibifunktion enttarnt zu werden. Doch lässt man die Geschichte einfach mal links liegen und konzentriert sich auf Tanz und Musik, so kommt hier wirklich Freude auf. Die Tänzer und auch Nicht-Tänzer bringen mit ihren Battle Dances das Kino zum Kochen. Wenn dann auch noch die Tonanlage im Kinosaal standhält, heisst es nur noch zurücklehnen und genießen. Leider entwickeln sich die Tanzsequenzen im Film nicht immer so überzeugend wie in jener Szene auf dem Amt, wo sich aus der dort vorherrschenden Geräuschkulisse Musik und Tanzbewegungen quasi wie von selbst ergeben. Mitunter leiden die Street Dance Sequenzen unter einem extrem hektischen Schnitt, der zwar das Wesen der Musik auf der Tonspur widerspiegelt, nicht aber die Tanzdarbietungen allein aus sich heraus wirken lässt. Trotz diesen Schwächen verdient der Film unbedingt Anerkennung, weil er mutig ist, seinen ganz eigenen künstlerischen Weg zu gehen.
Montag, 30. August 2021
Alterspubertät und ein sterbender Vater
Eine so prall gefüllte Pressewoche gab es gefühlt seit fünf Jahren nicht mehr. Eröffnet wurde sie mit einem Wechselbad der Gefühle

ES IST NUR EINE PHASE, HASE (1:2.35, 5.1)
Verleih: Majestic (Paramount)
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Florian Gallenberger
Darsteller: Christoph Maria Herbst, Christiane Paul, Jürgen Vogel
Kinostart: 14.10.2021

Alterspubertät – gibt es so etwas? Offenbar ja, wie Paul am eigenen Leib erfahren muss. Und nicht etwa, weil er sich ein Hilfsmittel rektal einführt. Sondern weil sich seine Frau einen Seitensprung gönnt, nachdem zwischen ihr und Paul schon lange Funkstille im Bett herrscht. Trennung auf Zeit ist angesagt. Doch wie verkraften das die drei Kinder? Das (Gefühls)Chaos ist vorprogrammiert... Schon wieder einer jener Filme, die sich mit dem Älterwerden und damit verbundenen Lebenskrisen auf amüsante Weise auseinandersetzen! Florian Gallenbergers Beitrag jedenfalls ist unbedingt zu lang geraten. Und schlägt dabei oft und gerne verbal unter die Gürtellinie – und manchmal auch bildhaft. Wer derben Humor mag, dem wird diese gut besetzte Komödie bestimmt gefallen. Wer mehr auf dezenteren Wortwitz steht, den dürfte Gallenbergers Film eher abschrecken – auch wenn viele tiefschürfende Weisheiten über Liebe, Sex und Alter vom Stapel gelassen werden.

NOWHERE SPECIAL (1:1.85, 5.1)
OT: Nowhere Special
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Italien, Rumänien, Großbritannien 2020
Regie: Uberto Pasolini
Darsteller: James Norton, Daniel Lamont
Kinostart: 07.10.2021

Der alleinerziehende Fensterputzer John weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Bevor er stirbt möchte er noch für seinen vierjährigen Sohn Michael passende Adoptiveltern finden... Mit dem einfühlsamen und herzerwärmenden MR. MAY UND DAS FLÜSTERN DER EWIGKEIT begeisterte Regisseur Uberto Pasolini 2013 viele Kinogänger. Sieben Jahre später nun meldet er sich mit einem neuen Film zurück, der ebenso einfühlsam ist. Er schildert die verzweifelte Suche des Vaters nach Adoptiveltern für seinen kleinen Sohn auf sehr subtile Weise. Es sind hier nicht die Worte, die zählen, sondern vielmehr Blicke und Gesten, die die Geschichte erzählen. Kameramann Marius Panduru liefert die schönen Bilder für diese Geschichte über Liebe, Leben und Tod, und blickt dabei oft durch Fensterscheiben hinein in die (vermeintlich glücklichen) Lebensräume, die sich dem Fensterputzer bei seiner Arbeit offenbaren. Andrew Simon McAllisters teils an Rachel Portman erinnernde Musik bildet das Gefühlsfundament von Pasolinis Film. Bemerkenswert bei der Besetzung ist der kleine Daniel Lamont, der seiner Rolle mehr als gerecht wird und zusammen mit James Norton ein vorbildliches Vater-Sohn-Gespann abgibt. Ein Film für die Seele.
Samstag, 28. August 2021
Zurück auf die Erde
Heute einmal mehr ein Nachsitztermin, nachdem sich der deutsche Filmverleih dazu entschlossen hat, diesen Film nicht der Stuttgarter Presse zu zeigen

TIDES (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland, Schweiz 2021
Regie: Tim Fehlbaum
Darsteller: Nora Arnezeder, Iain Glen, Sarah-Sofie Boussnina
Kinostart: 26.08.2021

Zwei Generationen nachdem sich die Menschheit auf den Planeten Kepler in Sicherheit gebracht hat, wird ein kleines Astronauten-Team zurück auf die Erde geschickt um zu untersuchen, ob diese wieder bewohnbar geworden ist. Astronautin Blake findet einen meist von Wasser überzogenen Planeten, auf dem sich Überlebende offenbar einen erbarmungslosen Überlebenskampf liefern... Dass sich Regisseur und Co-Autor Tim Fehlbaum gängiger Filmvorbilder bedient, steht außer Frage. Da werden Erinnerungen wach an Filme wie die MAD MAX-Trilogie, WATERWORLD oder sogar ALIENS. ES ist auch nichts Verwerfliches dabei, derlei Zitate in den eigenen Film einfließen zu lassen – solange es gut gemacht ist und die eigene Story damit bestens funktioniert. Also so wie dies bei TIDES der Fall ist. Von Anfang an zeigt Fehlbaum, dass er das Instrumentarium des Filmemachens hervorragend beherrscht. Das fängt bei der fulminanten, extrem präzisen Tonspur an, die ein wahres Fest für “Dolby Atmos”-Häuser bedeutet, und setzt sich fort bis hin zu der im CinemaScope-Format kadrierten, spektakulären Kameraarbeit von Markus Förderer. Fehlbaum liefert hier bestes Genre-Kino ab, das den Vergleich mit sehr viel höher budgetierten internationalen Großproduktionen nicht zu scheuen braucht. Wie schon HELL, mit dem Fehlbaum 2011 das deutsche Genre-Kino bereicherte, ist auch TIDES wieder ein apokalyptischer Endzeit-Thriller, der die aktuelle prekäre Lage der Menschheit aufgreift und sie in eine nahe Zukunft interpoliert. Getragen wird der Film von einer überzeugenden Hauptdarstellerin, der Genre-erprobten Nora Arnezeder. In der Rolle der Astronautin Blake zeigt sie sich als starke Frau, die in einer unwirtlichen Welt über sich hinauswächst. Auch wenn die Geschichte an einigen Stellen nicht unbedingt plausibel erscheint, so ist man durchaus gewillt, kleinere Drehbuchschwächen zu verzeihen angesichts der überzeugend souveränen Inszenierung. Jetzt kann man nur hoffen, dass bis Fehlbaums nächstem Film nicht wieder zehn Jahre vergehen!
Freitag, 27. August 2021
Wien mit einem Flair Jack the Ripper
Leider nur eine einzige Pressevorführung in dieser Woche, dafür aber eine ziemlich wuchtige

HINTERLAND (1:2.35, 5.1)
Verleih: SquareOne (Paramount)
Land/Jahr: Österreich, Luxemburg, Deutschland 2021
Regie: Stefan Ruzowitzky
Darsteller: Murathan Muslu, Liv Lisa Fries, Max von der Groeben
Kinostart: 07.10.2021

Wien nach dem ersten Weltkrieg. Gemeinsam mit einer Handvoll Gefährten kehrt der ehemalige Kriminalbeamte Peter Perg aus zweijähriger russischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimat zurück. Dort ist nichts mehr so wie es einmal war, die einstigen Soldaten stehen vor dem Nichts. Da erschüttert eine grauenvolle Mordserie die österreichische Hauptstadt, deren Opfer ausnahmslos Pergs alte Gefährten sind. Von den neuen Kriminalbeamten argwöhnisch als Hauptverdächtiger eingestuft, nimmt Perg die Suche nach dem Mörder auf... Mit HINTERLAND schuf Regisseur Stefan Ruzowitzky gemeinsam mit seinem Kameramann Benedict Neuenfels visuell starkes Kino. Seine surrealen, düsteren und oft in Schieflage gebrachten Bilder brennen sich geradezu ins Gedächtnis des Betrachters. Die depressive Grundstimmung der farbentsättigten ins Grünlich-Bläulich driftende Optik wird durch die wuchtige Orchestermusik von Kyan Bayani noch verstärkt. So erhält das historische Wien geradezu einen Touch Jack the Ripper. Wer Thriller mag, dem wird der Ausflug ins HINTERLAND ganz sicher gefallen.
Samstag, 14. August 2021
Auf Augenhöhe mit Schweinen
Ein Dokumentarfilm der ganz besonderen Art erwartete mich heute

GUNDA (1:1.85, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Gunda
Verleih: Filmwelt
Land/Jahr: Norwegen, USA 2020
Regie: Victor Kossakowski
Kinostart: 19.08.2021

Der seit 2002 in Berlin lebende Filmemacher Victor Kossakowski erzählt in seinem neuen Film die Geschichte des Hausschweins Gunda, seiner Ferkel und der anderen Nutztiere, mit denen es sich den Hof bei artgerechter Haltung teilt. Die Kamera bleibt dabei stets auf Augenhöhe mit den Tieren und reduziert ihre Bilder auf betörendes Schwarz-Weiß, womit eine Reduktion auf das Wesentliche erreicht wird. Statt eines Kommentars aus dem Off oder gar einer Filmmusik serviert Kossakowski einen naturgetreuen Klangteppich in Dolby Atmos, der jedes Grunzen, Fiepen oder Muhen in absoluter Klarheit in den Kinoraum transportiert und so den Zuschauer hautnah am Leben dieser Tiere teilhaben lässt. Der Filmemacher vermittelt viel Empathie für diese Lebewesen und führt vor Augen, was vielen noch nicht bewusst ist: auch Tiere haben Gefühle. Sein Film dürfte dazu führen, dass man sein Verhalten gegenüber diesen Wesen möglicherweise überdenkt und sie deswegen vielleicht sogar vom eigenen Speiseplan streicht. Um sich auf dieses Erlebnis richtig einlasssen zu können, sollte man den Film unbedingt auf großer Leinwand und mit bestechendem Ton im Kino anschauen. Die Begegnung mit Gunda wird den Blick auf Nutztiere nachhaltig verändern.

Donnerstag, 12. August 2021
Unterwasserwelten und Schimpftiraden
Heute habe ich mir mal wieder ein Double Feature gegönnt. Man muss sich ja langsam wieder in das nornale Kinoleben eingewöhnen

WONDERS OF THE SEA (1:2.35, 3D, 5.1)
OT: Wonders Of The Sea
Verleih: Kinostar
Land/Jahr: Großbritannien 2017
Regie: Jean-Michel Cousteau, Jean-Jacques Mantello
Kinostart: 07.10.2021

Die Taucher und Forscher Jean-Michel Cousteau und Jean-Jacques Mantello präsentieren mit extrem beeindruckenden Bildern den Mikrokosmos von Korallenriffen. Zum Greifen nah dank 3D-Technik werden selbst winzig kleine Unterwasserlebewesen wie der Weihnachtsbaumwurm ins CinemaScope-Format gerückt, ein wahres Feuerwerk an Farben entsteht. Einzig die Begrenzung durch die Bildwand wirkt etwas störend und man wünscht sich instinktiv, diese Bilderfluten im IMAX-Format erleben zu dürfen. Befremdlich dagegen der Versuch, dieser Naturdoku eine ökologische Botschaft abzuringen. Die Absicht ist zwar gut, doch wird das Anliegen nur halbherzig umgesetzt. Um an das Umweltbewusstsein der Zuschauer zu appellieren genügt es nicht, dass “Terminator” Arnold Schwarzenegger (Produzent des Films) ein paar beschwingt einleitende Wort in die Kamera spricht oder ganz am Ende des Films in reduzierter Bildgröße Umweltschäden angeprangert werden. Allein die Tatsache, dass die Tauchercrew mit einem riesigen, energiefressenden Boot die Unterwasser-Biotope belasten, führt die Absicht ad absurdum. Fazit: eine atemberaubend schöne Doku im Deckmäntelchen von Umweltschutz.

KAISERSCHMARRNDRAMA (1:1.85, 5.1)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2020
Regie: Ed Herzog
Darsteller: Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Lisa Maria Potthoff
Kinostart: 05.08.2021

Den Franz Eberhofer wächst mal wieder alles über den Kopf. Nicht nur sitzt sein bester Freund im Rollstuhl und quartiert sich bei ihm ein, auch seine Susi nervt mit dem Aussuchen der Kacheln für das neue Haus, das gerade auf dem Familiengrundstück gebaut wird. Das wiederum ist dem eben heimgekehrten Papa ein Dorn im Auge. Aber noch viel schlimmer: Hund Ludwig scheint depressiv zu sein! Wie gut dass genau jetzt wieder eine Leiche gefunden wird... Corona-bedingt mussten die Eberhofer-Fans ein ganzes Jahr auf den nunmehr siebten Teil der bayerischen Krimikomödien nach Rita Falk warten. Ob sich das Warten gelohnt hat? Schwer zu sagen. Ich für meinen Teil war vom KAISERSCHMARRNDRAMA etwas enttäuscht oder besser noch: gelangweilt. Da wird zwar wie üblich auf das Schlimmste in Bayerisch geflucht, der Eberhofer und seine Susi durchleben weiter ihre Beziehungsprobleme, die Freundschaft mit dem Birkenbergers Rudi wird wieder einmal vor eine Zerreißprobe gestellt...und so weiter, und so fort. Neues gibt es in diesem Mikrokosmos eigentlich gar nicht, alles läuft nach Schema ab. Aber vielleicht ist es genau das, was die Fans jetzt brauchen: eine Konstante anstelle von Überraschungen. Man möchte sich einfach auf Gewohntes verlassen können. Das freilich schafft Romanverfilmung Nummer Sieben perfekt. Wer allerdings bislang noch nie einen Eberhofer gesehen hat, dem dürfte der Einstieg in diese Gemeinde schwerfallen.
Montag, 09. August 2021
Reise in den Wahnsinn
Ganz starkes Kino gleich zu Beginn der Pressewoche

SCHACHNOVELLE (1:2.35, 5.1)
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: Deutschland 2020
Regie: Philipp Stölzl
Darsteller: Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr
Kinostart: 23.09.2021

Wien 1938: der Anschluss steht unmittelbar bevor. Bevor er von der Gesatapo verhaftet wird, gelingt es dem österreichischen Notar Josef Bartok, Vermögensverwalter des Adels, die Unterlagen über die verschiedenen Konten zu vernichten. Weil er sich weigert zu kooperieren, wird er im Hotel Metropole, dem Hauptquartier der Gestapo, einer Isolationshaft unterzogen. Wochen und Monate vergehen, in denen Bartok standhaft bleibt, jedoch macht sich zusehends Verzweiflung breit. Da gerät ihm durch Zufall ein Schachbuch in die Hände... Nach dem verunglückten ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK widmet sich Regisseur Philipp Stölzl einem dramatischen Stoff und verfilmt Stefan Zweigs Roman SCHACHNOVELLE, der 1960 unter der Regie von Gerd Oswald mit Curd Jürgens zum ersten Mal verfilmt wurde. Stölzl inszeniert seine Version als äußerst bedrückenden, manchmal surrealen Film, in dem Oliver Masucci zu Höchstform aufspielt. In der Rolle des Dr. Josef Bartok trägt er den gesamten Film. Hinzu kommt die brillante Kameraarbeit von Thomas W. Kiennast, die immer wieder mit erstaunlichen Perspektiven aufwartet und sich sogar nicht scheut, moderne Überwachungskameras zu simulieren, so als hätte man diese bereits im Jahr 1938 gehabt. Dunkle Farben herrschen vor, es gibt wenig Licht – diese Bilder sprechen eine deutliche Sprache. Auch die Tonebene des Films mit ihren oft überhöhten Geräuschen sowie einer exzellenten Filmmusik (Ingo Ludwig Frenzel) heben Stölzls Film deutlich von TV-Produktionen ab. Diese Reise in den Wahnsinn hat es aber in sich: zart Besaitete seien an dieser Stelle gewarnt. Die gezeigte Gewalt physischer und psychischer Art verkommt hier allerdings nicht zum Selbstzweck, sondern ist dramaturgisch bedingt. SCHACHNOVELLE sollte unbedingt in einem tontechnisch guten Kino auf großer Leinwand erlebt werden.
Dienstag, 03. August 2021
Ziemlich beste Freunde
Wieder einmal nur eine einzige Pressevorführung für die Stuttgarter Journalisten. Dank an den Salzgeber-Filmverleih, dass er an Stuttgart glaubt!

RÄUBERHÄNDE (1:1.85, 5.1)
Verleih: Salzgeber (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Ilker Çatak
Darsteller: Emil von Schönfels, Mekyas Mulugeta, Katharina Behrens
Kinostart: 02.09.2021

Janik kommt aus einem Vorzeige-Elternhaus, Samuel stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Dennoch sind die beiden beste Freunde und machen gerade ihr Abitur. In der gemeinsamen Gartenlaube schmieden sie Zukunftspläne: eine Reise in die Türkei, wo Samuels unbekannter Vater leben soll. Doch dann passiert etwas, das die Freundschaft auf eine harte Probe stellt... Regisseur Ilker Çatak, der mit ES WAR EINMAL INDIANERLAND und ES GILT DAS GESPROCHENE WORT von sich Reden machte, liefert jetzt mit RÄUBERHÄNDE die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Finn-Ole Heinrich. Darin geht es nicht nur um eine Freundschaft, sondern insbesondere auch um das Lebensgefühl, das man im Alter von 18 Jahren hat: Euphorie, Abenteuerlust und das Erkunden neuer Grenzen. Mit Emil von Schönfels und Mekyas Mulugeta in den Hauptrollen beweist Çatak einmal mehr sein großartiges Gespür für die richtige Besetzung. Diese beiden Jungs sind wirklich Janik und Samuel – da besteht kein Zweifel. Gemeinsam mit Kamerafrau Judith Kaufmann schafft Çatak keine Hochglanz-Reisekatalog-Bilder, sondern bleibt in Farbgebung und Kadrierung sehr nüchtern, wodurch sich eine gewisse Authentizität einstellt. Diese Bilder wirken real und nicht gekünstelt und unterstützen damit die Geschichte der Freundschaft, die in die Brüche zu gehen droht. Durch den Verzicht auf Filmmusik, also einen Score, wird dies noch verstärkt. Leider waren die Dialoge im Film akustisch nicht immer zu verstehen, was das Sehvergnügen etwas trübte. Insgesamt aber hinterlässt RÄUBERHÄNDE einen positiven Eindruck. Bleibt lediglich noch zu klären, was es mit dem Titel auf sich hat. Das erklärt der Autor in einem Interview wie folgt: ““Räuberhände” ist ein Kopfwort von Janik, ein Geheimwort, ein Geheimname für seinen besten Freund. Es beschreibt, wie Janik auf seinen Freund blickt, es beschreibt ihr Verhältnis.”

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