Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Sonntag, 31. Oktober 2021
Coming-of-Age und Transgender
Ein kurios anmutendes Doppel im Heimkino

LUCA (1:1.85, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Luca
Land/Jahr: USA 2021
Regie: Enrico Casarosa
Erstausstrahlung: 18.06.2021 (Disney+ (VoD))

Der kleine Luca ist ein Wasserwesen, das wie seine gesamte Verwandtschaft von den Bewohnern eines kleinen Mittelmeerstädtchens als Seeungeheuer angesehen werden. Eines Tages treibt ihn seine Neugier aus dem Wasser auf das Festland, wo er das Äußere eines Menschenjungen annimmt und auf Alberto trifft, ebenfalls einem Wasserwesen, das an Land menschlich wird. Die beiden werden beste Kumpels und träumen davon, gemeinsam eine Vespa zu besitzen... Mit viel Humor geht es in diesem Pixar-Film, der in Deutschland gar nicht erst ins Kino kam, um das Erwachsenwerden und dem Finden des eigenen Weges. Dass man dafür den inneren kleinen Feigling überwinden muss, zeigt Regisseur Enrico Casarosa sehr anschaulich: “Silenzio, Bruno!” sagt Luca immer wieder lauthals, wenn es brenzlig werden könnte. Gleichzeitig behandelt der Film auch Themen wie Freundschaft, Liebe, Eifersucht und das Anderssein. Alles wie immer angereichert mit vielen lustigen wie spannenden Einfällen, die den Film für die ganze Familie erschließen. Angesiedelt in den 1960er-Jahren in einem italienischen Dorf an der Mittelmeerküste – mit Bella Vita und allem, was dazugehört.

ZUHURS TÖCHTER (1:1.78, 5.1)
Verleih: Camino
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Laurentia Genske, Robin Humboldt
Kinostart: 04.11.2021

Dass ein gesellschaftlich heikles Thema (da nach wie vor tabuisiert) wie Transgender kein Problem westlicher Kulturen darstellt, sondern überall auf der Welt existiert, machen Laurentia Genske und Robin Humboldt in ihrem Dokumentarfilm eindringlich klar. Ihre transsexuellen Protagonisten entspringen einer syrischen Familie, die in einem Flüchtlingsheim nahe Stuttgart lebt. Lohan und Samar heissen sie, aufgewachsen als Jungs zusammen mit ihren anderen Geschwistern sowie ihrer Mutter Zuhur und deren Ehemann samt Zweitfrau. Über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet die Kamera das “Frau werden” der beiden Brüder, begleitet sie bei ihren nächtlichen Streifzügen durch die Club-Szene, bei ihren Arztbesuchen, mit ihren Freunden. Freimütig erzählen sie über die Probleme, die sie durch ihre Transsexualität ihrer Familie bereiten. Die Freiheit, die sie jetzt in Deutschland genießen, hätten sie in ihrer syrischen Heimat nie gehabt. Ganz im Gegenteil: ihr Vater erklärt, dass er seine Söhne dort hätte umbringen müssen, um Schande von seiner Familie abzuwehren. Zuhur möchte nur, dass ihre Kinder glücklich werden – auch wenn sie selbst mit der Situation alles andere als glücklich ist. Viel lieber hätte sie richtige Söhne gehabt, die ihr irgendwann einmal Enkelkinder schenken würden. Die Filmemacher*innen bleiben bei ihren Protagonisten bis zum Ende und begleiten sie sogar in den OP-Saal. Die Bilder bleiben stets nüchtern und sachlich und es gibt hier auch keine Filmmusik, die wertend hätte eingreifen können. Ob die beiden Brüder, die jetzt zu Schwestern geworden sind, am Ende tatsächlich glücklicher sind, könnte Thema einer sicher spannenden Fortsetzung dieser Langzeitbeobachtung werden.

Mittwoch, 27. Oktober 2021
Reizüberflutung
Heute mal wieder ein Nachsitztermin in einer regulären Kinovorstellung

THE FRENCH DISPATCH (1:1.37 & 1:2.35, 5.1)
OT: The French Dispatch
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: Deutschland, USA 2021
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Benicio Del Toro, Timothée Chalamet, Adrien Brody, Bill Murray
Kinostart: 21.10.2021

Eine Sammlung von Geschichten aus der letzten Ausgabe einer amerikanischen Zeitschrift, welche in einer fiktiven französischen Stadt im 20. Jahrhundert erscheint, wird zum Leben erweckt. - Wie meinte ein Kritikerkollege sinngemäß so schön: man möchte sein Blinzeln abstellen, um nicht Gefahr zu laufen, etwas zu verpassen. Wie recht er hat: Wes Anderson hat die Taktzahl seiner immer konsequent durchstrukturierten Filme deutlich erhöht! Ein wahres Fest für alle Sinne. Äußerst skurril und extrem amüsant zelebriert Anderson einmal mehr seinen Mikrokosmos, entwirft Tableaus, die einem beweglichen Bilderbuch entsprungen ein könnten, baut einen Gastauftritt nach dem anderen ein (ja, sogar Christoph Waltz hat eine Kleinstrolle!) und erweist sogar einem Filmgenie wie Jacques Tati die Ehre (man beachte jene lange Einstellung gleich zu Beginn des Films, in der ein Kellner ein Haus betritt – eine Referenz an MEIN ONKEL). Damit nicht genug: Anderson untertitelt Französisch gesprochene Dialoge nicht wie gewohnt am unteren Bildrand, sondern integriert sie in mikrokleiner Schrift direkt ins Bild. Da braucht es extrem gute Augen (oder eine Riesenbildwand), um das alles lesen zu können! Der aus mehreren Geschichten bestehende Film kommt einer Reizüberflutung gleich – im überaus positiven Sinn. Ein Film der dazu anregt ihn einige Male zu schauen, um auch wirklich alles zu entdecken was in seinen durchkomponierten Bildern steckt. In einem Wort: Kino!
Montag, 25. Oktober 2021
Ausverkauf
Traurig aber wahr: nur eine einzige Pressevorführung in dieser Woche

DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN (1:1.85, 5.1)
Verleih: Wild Bunch
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Katharina Marie Schubert
Darsteller: Corinna Harfouch, Birte Schnöink, Peter-René Lüdicke
Kinostart: 17.02.2022

Man schreibt das Jahr 1999. Ihren sechzigsten Geburtstag feiert Gudrun in genau jenem einstigen Kinderheim in einem Provinzstädtchen in der ehemaligen DDR, in dem sie aufgewachsen ist. Sogar ihre inzwischen erwachsene Tochter Lara kommt eigens aus Berlin angereist. Auch um zu erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist und den ihre Mutter immer verheimlichte. Die Feier wird zum Fiasko, als Gudrun erfährt, dass das Kinderheim in ein Nobelhotel umgewandelt werden soll... Der Filmtitel suggeriert, dass es sich hier um ein Märchen handeln könnte. Unterstrichen wird dies noch durch den Anfang des Films, in dem wir aus dem Off den vermeintlichen Beginn eines Märchens hören. Dass es sich hier vielmehr um eine Parabel handelt, wird am Ende des Films klar. Der Subtext von Katharina Marie Schuberts Drama wird auf die im Mittelpunkt stehende Familie projiziert: der Ausverkauf der DDR. Und das gelingt ganz famos. Vor allem Dank der guten Darsteller, allen voran Corinna Harfouch. Sie schlüpft hier wie bereits in LARA in eine unangenehme Frauenrolle – eine Mutter, die als Findelkind aufwuchs und so etwas wie Liebe und Nähe nie gelernt hat und dies an ihre eigene Tochter weitergibt. Schuberts Film funktioniert übrigens auch dann, wenn man die Metaebene ignoriert und sich einfach auf das Familiendrama einlässt, das sich auf der Leinwand entfaltet.
Samstag, 23. Oktober 2021
Mehr Schein als Sein
Heuet ausnahmsweise mal wieder eine Pressesichtung aus der Konserve

BORGA (1:2.35, 5.1)
Verleih: Across Nations (24 Bilder)
Land/Jahr: Deutschland, Ghana 2020
Regie: York-Fabian Raabe
Darsteller: Eugene Boateng, Christiane Paul, Adjetey Anang, Lydia Forson, Jude Arnold Kurankyi
Kinostart: 28.10.2021

Wenn Du es mal nach Deutschland geschafft hast, dann geht es nur noch nach oben – dann führst Du das Leben eines Borga! Das zumindest ist die Meinung der Brüder Kojo und Kofi, die auf einer Elektroschrott-Müllhalde in Ghanas Hauptstadt aufwachsen. 10 Jahre später kommt Kojo über Irrwege tatsächlich in Deutschland an. Doch sein Traum platzt schnell, als er merkt, dass er nicht mit offenen Armen empfangen wird. Um seiner Familie in der Heimat dennoch das Bild des Borga zu vermitteln, ist er bereit alles dafür zu tun... In seinem Drama BORGA zeichnet Regisseur York-Fabian Raabe auf sehr eindringliche Weise das Schicksal eines afrikanischen Flüchtlings nach, der sich wie Tausende seiner Landsleute in Deutschland ein besseres Leben erhofft, um so seine Familie in der Heimat finanziell unterstützen zu können. Eugene Boateng spielt ihn auf sehr überzeugende Weise. Ob am Boden zerstört oder voller Lebensfreude – Boateng deckt das gesamte Gefühlsspektrum seiner Figur ab, die zu spät erkennt, dass die Flucht nach Deutschland und das Leben als Borga die Familie in noch größere Schwierigkeiten gebracht hat. Unterstützt wird die Geschichte, die sich vermutlich tagtäglich hierzulande abspielt, durch eine gelungene Bildästhetik (Kamera: Tobias von dem Borne), die zwischen warmen Farben in Ghana und den kalten Farben in Deutschland pendelt. Auch wenn das Ende von BORGA ein wenig märchenhaft anmutet, ist der Film ein politisch relevanter Beitrag zur Flüchtlingskrise.

Sonntag, 17. Oktober 2021
Wie die Mutter, so die Tochter
Der Eröffnungsfilm des 35. Fantasy Filmfest bescherte mir einen blutigen Abend

GUNPOWDER MILKSHAKE (1:2.35, DD 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Gunpowder Milkshake
Verleih: Studiocanal
Land/Jahr: USA, Frankreich 2021
Regie: Navot Papushado
Darsteller: Karen Gillan, Lena Headey, Carla Gugino, Michelle Yeoh, Angela Bassett, Paul Giamatti, Chloe Coleman
Kinostart: 02.12.2021

Vor 15 Jahren ließ Auftragskillerin Scarlet ihre Tochter Sam einfach sitzen und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Jetzt arbeitet Sam selbst als Auftragskillerin für ein mysteriöses Konsortium und erledigt ihre Aufträge präzise wie ein Uhrwerk. Als sie jedoch bei einem Auftrag schwach wird und sich der kleinen Tochter ihres Opfers annimmt, dreht sich der Spieß um: plötzlich ist sie die Gejagte! Gut nur, dass ihre Mutter wie aus dem Nichts wieder auftaucht und Sam unter die Arme greift... Die Konzept ist zwar nicht neu, dafür aber hervorragend umgesetzt. Mit einem schwarzhumorigen und ziemlich blutigen Action-Thriller wandelt Regisseur Navot Papushado auf den Spuren von Quentin Tarantino und huldigt gleichzeitig insbesondere Luc Bessons LEON DER PROFI sowie vielen anderen Filmen, deren Versatzstücke immer wieder aufblitzen. GUNPOWDER MILKSHAKE ist – und daran lässt die Filmmusik von Frank Ilfman keinen Zweifel – im Grunde genommen ein Italo-Western der besonders blutigen Art (FSK ab 18!), transportiert in die Gegenwart, jedoch an einen nicht weiter definierten Ort. Retro ist das Zauberwort beim Produktionsdesign. Angefangen beim Diner, der Dreh- und Angelpunkt des Films ist, bis hin zur gigantischen Bibliothek, die irgendwie an HARRY POTTER erinnert. Die einzigartigen Neonfarben und die perfekte CinemaScope-Kadrierung zeugen vom Können des neuseeländischen Kameramanns Michael Seresin, der schon die Filme von Alan Parker meisterhaft fotografierte. In allen wichtigen Rollen mit Frauen besetzt, zelebriert GUNPOWDER MILKSHAKE echte Frauenpower, die die Herren der Schöpfung ziemlich alt aussehen lässt. Ein Damenquintett, das durchaus als Vervielfachung von Tarantinos “Bride” aus den KILL BILL Filmen betrachtet werden darf. Papushados Film richtet sich definitiv an Genre-Fans und hinterfragt weder die einfach gestrickte Handlung noch die Handlungsweise seiner Protagonist*innen. Er möchte nicht mehr sein als ein großer (derber) Spaß, den man am besten gemeinsam mit Freund*innen anschaut. Auch wenn der Film in seinen Style manchmal etwas zu selbstverliebt erscheint und hier und da ein bisschen zäh wirkt, kann man ihm das nicht wirklich übel nehmen. Dafür hat er einfach zu viele großartige Momente.
Mittwoch, 06. Oktober 2021
Ein Turm für die Liebe
Oder “Wie der Eiffelturm zu dem wurde, was er ist”

EIFFEL IN LOVE (1:2.35, 5.1 + Atmos)
OT: Eiffel
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Frankreich 2021
Regie: Martin Bourboulon
Darsteller: Romain Duris, Emma Mackey, Armande Boulanger
Kinostart: 18.11.2021

Der begabte Ingenieur Gustave Eiffel erhält von der französischen Regierung den Auftrag, etwas Spektakuläres für die Pariser Weltausstellung 1889 zu erschaffen – ein Projekt, an dem er eigentlich gar nicht interessiert ist. Viel lieber möchte er die Metro entwerfen. Doch als er dann durch Zufall seiner Jugendliebe Adrienne wieder begegnet, ändert sich schlagartig alles... Martin Bourboulons “frei nach wahren Begebenheiten” inszenierter Film mutet irgendwie seltsam an. Was ein interessantes Biopic hätte werden können, wird durch eine in Schieflage geratene Liebesgeschichte durchsetzt. Damit aber ist der Film weder Fisch noch Fleisch: der biographische Teil ist zu wenig und die Liebesgeschichte ist nicht emotional genug. So verlässt man den Kinosaal vollkommen ungerührt und hakt den Film gleich ab. Dabei hätte er durchaus Potenzial gehabt. Die visuellen Effekte sind ambitioniert, die Musik – wie könnte es bei Alexandre Desplat auch anders sein – gediegen, die Kameraarbeit mit ihren zumeist lichtschwachen Bildern der Kerzenbeleuchtung von damals angepasst. Leider wirken die Schauspieler alle etwas distanziert, lassen keine Nähe zu. Aber genau das wäre für einen Liebesfilm essentiell gewesen. Zu allem Unglück wählt der deutsche Filmverleiher dann auch noch einen Titel, der Erinnerungen an SHAKESPEARE IN LOVE weckt und damit große Erwartungen schürt. Schade darum.
Montag, 04. Oktober 2021
Ein dunkles Kapitel
Pressewochenauftakt mit harter Kost

GROSSE FREIHEIT (1:1.85, 5.1)
Verleih: Piffl
Land/Jahr: Österreich, Deutschland 2021
Regie: Sebastian Meise
Darsteller: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke
Kinostart: 18.11.2021

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wird Hans aufgrund seiner Homosexualität inhaftiert. Denn §175 des Strafgesetzbuches galt auch nach dem Krieg noch in der von den Nazis verschärften Fassung. Im Gefängnis lernt Hans den verurteilten Mörder Viktor kennen. Anfangs können sich die Männer nicht ausstehen. Doch im Laufe vieler Jahre, in denen Hans immer wieder als Wiederholungstäter verhaftet wird, entwickeln die beiden Männer eine Freundschaft voller Respekt und Empathie... So sehr ich den Schauspieler Georg Friedrich auch mag, doch in der Rolle des Viktor hatte ich extrem große Probleme, seinen vernuschelten österreichischen Dialekt zu verstehen. Da hätte es tatsächlich deutscher Untertitel bedurft – zumindest für mich. So sind mir leider einige eventuell wichtige Dialoge sozusagen durch die Lappen gegangen. Aber wie heisst es so schön: man muss lernen mit Lücken zu leben. Insgesamt erschien mir der auf drei Zeitebenen erzählte Film in sich schlüssig. Ein Film, in dem es um die Liebe geht - sozusagen mit umgekehrtem Vorzeichen. Gleichzeitig beleuchtet Regisseur Sebastian Meise in seinem düsteren und in kalte Farben getauchten Drama ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Der berüchtigte Paragraph 175, mit dem homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt wurden, begann erst im Jahre 1969 nach und nach zu bröckeln.
Sonntag, 03. Oktober 2021
Von Träumern und Aktivisten
Den Tag der Deutschen Einheit habe ich zum Tag des Dokumentarfilms umgewandelt

TRÄUM WEITER! SEHNSUCHT NACH VERÄNDERUNG (1:2.35, 5.1)
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Valentin Thurn
Kinostart: 30.09.2021

In seinem neuen Dokumentarfilm zeigt Filmemacher Valentin Thurn Menschen, die das sogenannte Hamsterrad bewusst verlassen haben, um ihre Träume zu verwirklichen: ein Designer, der von schwimmenden Inseln träumt, die er mit anderen zusammen aus Abfällen baut; ein Ex-Manager, der den “Cargolifter” entwickelte, um den Luftverkehr nachhaltig zu machen; zwei Frauen, die mit ihren Kindern nach Portugal auswanderten, um ihnen selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen; ein Musiker und Kulturagent, der sich auf die Reise zum Mars vorbereitet; ein Architekt, der Tiny Houses entwickelt und sie auf den Berliner Straßen aufstellt, um damit öffentliche Begegnungsorte zu schaffen. Thurn lässt seine Protagonisten meist aus dem Off über ihre Motivation, ihre Träume, ihre Lebensphilosophie erzählen, während seine Kamera ihnen bei ihren Projekten über die Schulter schaut. Sein Film bewertet dabei nicht, sondern gibt den Akteuren viel Raum sich zu erklären und liefert damit viele Impulse für das Publikum. Als wiederkehrendes Element zeigt Thurn eine Performance der Sandkünstlerin Kathrin Weißensee, deren Bilder die Träume symbolisieren. Diese sind ebenso inspirierend wie die Geschichten der Protagonisten. Das Fazit könnte lauten: träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!


DEAR FUTURE CHILDREN (1:1.78, 5.1)
Verleih: Camino
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Franz Böhm
Kinostart: 14.10.2021

Auch wenn sie auf drei verschiedenen Kontinenten leben – eines verbindet sie: Rayen, Hilda und Pepper sind Aktivistinnen. Während Rayen in ihrer Heimat Chile gegen das politische Regime kämpft und Pepper in Hongkong für Demokratie auf die Straße geht, versucht Hilda als Mitglied der “Fridays for Future”-Bewegung in Uganda auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Diese drei jungen Frauen Anfang/Mitte 20 stellt Franz Böhm in den Mittelpunkt seines ebenso mitreißenden wie bewegenden Dokumentarfilms. Die Protagonistinnen erzählen aus dem Off über ihre Beweggründe in vorderster Linie zu kämpfen. Alle drei wollen in ihrem Teil der Welt die Lebensbedingungen verbessern. Ein Ziel, das ihnen sehr viel abverlangt. Sie sprechen über ihre Selbstzweifel, über ihre Ängste und über die permanenten Gefahren, denen sie als Aktivistinnen ausgesetzt sind. Böhm porträtiert drei selbsbewusste junge Frauen, die nicht länger gewillt sind stillzuhalten, sondern selbst das Ruder in die Hand nehmen und mitgestalten wollen. Dabei sind insbesondere in Santiago in Chile sowie Hongkong Bilder entstanden, die auf krasse Weise deutlich machen, welchen Mut hier speziell Rayen und Pepper beweisen. Alle drei Frauen gehören zu jener Generation, deren Kinder einst davon profitieren werden, dass ihre Mütter aktiv geworden sind. So zumindest ihre Hoffnung. Erwähnenswert ist die Filmmusik von Hannes Bieber und Leonard Küßner, die der Doku ihr emotionales Gerüst verleiht.


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