Wolfram Hannemann | Talstr. 11 | D-70825 Korntal
| Germany | Phone: +49 (0) 711 838 06 49
| Fax: +49 (0) 711 8 38 05 18
e-mail: info (at) wolframhannemann.de |
|
|
Mittwoch, 30. März 2022 Nick Fuckiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing Cage! Nicolas Cage spielt Nicolas Cage. Das kann nur witzig werden! MASSIVE TALENT (1:2.35, 5.1 + Atmos) OT: The Unbearable Weight Of Massive Talent Verleih: Leonine Land/Jahr: USA 2022 Regie: Tom Gormican Darsteller: Nicolas Cage, Pedro Pascal, Tiffany Haddish Kinostart: 23.06.2022
Weil er massive Schulden hat, muss Schauspieler Nicolas Cage alles nehmen, was kommt. So auch den Ausflug zu
seinem größten Fan, einem Millionär mit Sitz auf Mallorca. Immerhin springt für Cage dabei eine Gage von einer
Million Dollar heraus. Was Cage allerdings nicht weiß: der Millionär wird vom CIA als Drogenbaron eingestuft und soll
ein Mädchen entführt haben. Ehe es sich Cage versieht, wird er vom CIA angeheuert, um vor Ort verdeckt zu ermitteln.
Aber für Cage gibt es nichts was er nicht kann... Einst hatte es Jean-Claude Van Damme in JCVD gemacht, jetzt ist
Nicolas Cage soweit: einen augenzwinkernden selbtsreflektierenden Film! Cage ist der Inbegriff eines gefallenen Stars.
Aufgrund seiner massiven Schulden ist er gezwungen, jede Rolle, die sich ihm bietet, anzunehmen. Da wundert es nicht,
dass Cage inzwischen in B- und C-Klasse Filmchen abgerutscht ist und er in Hollywood nicht mehr unbedingt als
seriöser Charakterdarsteller wahrgenommen wird. Zeit also den Kollegen in Hollywood mal zu zeigen, dass sie
unbedingt weiter mit Nick Fuckiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing Cage rechnen müssen! Tom Gormivan inszeniert Cage jetzt also in
einer tolldreisten Geschichte, in der der Hollywood-Mime sogar vom CIA angeheuert wird, um einen Drogendealer zu
stürzen. Es darf viel gelacht werden über diesen doch recht mutigen Schauspieler, der es offenbar nicht verlernt hat, über
sich selbst zu lachen. Gespickt mit unzähligen Referenzen auf Cages Gesamtwerk eröffnet sich dieser Film insbesondere
natürlich allen Nicolas Cage Fans und solchen, die es bisher noch nicht waren. Wenn ihn Gormican dann sogar auf sein
imaginiertes Selbst treffen lässt, das ihm die Leviten liest, macht das besonders viel Spaß. Leider driftet der Film zum
Ende hin in actionreiche Belanglosigkeiten, die den Film nicht weiterführen. Aber das ist verschmerzbar aufgrund des
ansonsten höchst amüsanten Werks.
|
Sonntag, 27. März 2022 Du bist nicht allein! Heute mal wieder ein Nachsitztermin im Heimkino DEAR EVAN HANSEN (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Dear Evan Hansen Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2021 Regie: Stephen Chbosky Darsteller: Ben Platt, Kaitlyn Dever, Julianne Moore, Amy Adams Kinostart: 28.10.2021
Schüler Evan Hansen leidet unter einer starken Sozialphobie, die er nur durch Tabletten im Griff hat. Der schüchterne
und introvertierte Evan schreibt als Therapie jeden Tag Briefe an sich selbst, um so die Ängste zu mildern. Eines Tages
greift der rebellische Connor einen dieser Briefe ab und behält ihn. Als Connor wenige Tage später Suizid begeht, wird
der Brief gefunden. Seine Eltern sind überzeugt, dass ihr Sohn mit Evan befreundet war. Evan lässt sich auf das Spiel
ein, auch weil er ein Auge auf Connors Schwester Zoe geworfen hat... “Du bist nicht allein!” – so lautet die Botschaft
dieses Musicals mit Songs des Gespanns Benj Pasek und Justin Paul, die schon THE GREATEST SHOWMAN zum
Erfolg verhalfen. Soziale Angststörung und Suizidgefährdung unter Schülern werden sehr einfühlsam thematisiert. Es
gibt hier keine grandiosen Tanzeinlagen, wie man von Feelgood-Musicals gewohnt ist. Die Inszenierung bleibt eher
schlicht, dafür aber sehr nahe bei den Figuren. Ben Platt absolviert eine exzellente Performance als Evan Hansen, dessen
verschlossene Gefühlswelt er durch sein Spiel perfekt nach außen gibt. Man kann sich wunderbar in ihn hineinversetzen
und versteht die Ängste, mit denen er sich tagtäglich herumschlagen muss. Anders als in anderen Musicals gibt sich hier
auch das Ende des Films: überraschend, aber nicht hoffnungslos. Allerdings sollte man ein Päckchen
Papiertaschentücher bei sich tragen, wenn man sich auf das von Stephen Chbosky inszenierte musikalische Drama
einlässt.
|
Freitag, 25. März 2022 Der Ausbrecherkönig und die Anwältin Mein heutiger Spielfilm thematisiert ein Stück Schweizer Geschichte BIS WIR TOT SIND ODER FREI (1:1.85, 5.1) OT: Stürm – Bis wir tot sind oder frei! Verleih: Port au Prince (24 Bilder) Land/Jahr: Schweiz 2020 Regie: Oliver Rihs Darsteller: Joel Basman, Marie Leuenberger, Jella Haase Kinostart: 31.03.2022
Barbara Hug hat ein ehrgeiziges Ziel: “Wir werden alles ändern. Alles.” – Die engagierte Rechtsanwältin nutzt den
Gerichtssaal als ihre Bühne, um das rückständige Justizsystem der Schweiz in den frühen 1980er Jahren zu korrigieren.
Eines Tages wendet sich der aus dem Gefängnis geflohene Walter Stürm an sie. Hug erkennt ihre Chance. Denn Stürm
wird in linken Kreisen zum Symbol für Freiheit und die Würde des Einzelnen. Mit ihm als Gallionsfigur könnte ihr Plan
klappen... In kalten, an Polaroid-Fotos erinnernden Bilder, erzählt Regisseur Oliver Rihs seine nach wahren
Begebenheiten inspirierten Geschichte. Mit Marie Leuenberger und Joel Basman hat Rihs eine perfekte Besetzung
gefunden. Sie die schwer kranke aber engagierte Rechtsanwältin, er der bedingungslosen Egoismus lebende
Ausbrecherkönig. Rihs lässt die rebellischen 1980er Jahre in der Schweiz mit stimmigem Zeitkolorit wieder auferstehen.
Eine Zeit, in der das reformierungsbedürftige Schweizer Justizsystem komplett umgekrempelt wurde. Seine zwei
Stunden Spielzeit merkt man dem Film kaum an, so spannend ist die Geschichte erzählt.
|
Donnerstag, 24. März 2022 Neues von der flotten Biene Als Wochenabschluss mal wieder ein Kinderfilm DIE BIENE MAJA – DAS GEHEIME KÖNIGREICH (1:1.85, 5.1) Verleih: Leonine Land/Jahr: Deutschland, Australien 2020 Regie: Alex Stadermann, Noel Cleary Kinostart: 05.05.2022
Der Frühling bricht an und Maja ist natürlich mal wieder die Erste, die den Bienenstock verlässt um in die Natur zu
fliegen. Natürlich muss ihr Freund Willi, der eigentlich nur schlafen möchte, sie begleiten. Da stoßen die Beiden auf
eine verletzte Ameise, die ein goldenes Ei bei sich führt. Das muss auf schnellstem Wege in die weit entfernte
Ameisenkolonie gebracht werden. Und weil es die Ameise nicht selbst tun kann, übernimmt Maja diese Aufgabe. Schon
bald müssen Maja und Willi feststellen, dass es auch die aggressiven Krachkäfer auf das Ei abgesehen haben... Auch der
dritte Kinofilm mit der unerschrockenen Biene Maja und ihrem ängstlichen Freund Willi hat pädagogisch wertvolle
Erkenntnisse im Gepäck. So werden Themen wie Freundschaft, um Verzeihung bitten, Vergebung gewähren und
Solidarität behandelt. Auch das Überwinden von Feindschaft zugunsten eines friedlichen Miteinanders wird
eindrucksvoll demonstriert. Alles wie immer hübsch verpackt und mit flotter Action sowie lustigen Details unterhaltsam
serviert. Mit 87 Minuten hat der Film dann auch die richtige Länge für seine Zielgruppe. Technisch gesehen steht der
computeranimierte Kinderfilm zwar hinter der amerikanischen Konkurrenz zurück, doch den kleinen Zuschauern wird
das nicht die gute Laune verderben. Herausstechendes Merkmal auch im dritten Teil ist die orchestrale Filmmusik von
Ute Engelhardt, die auf höchstem Niveau spielt. Besonders gelungen auch die Tonebene, die alle Möglichkeiten einer
5.1-Mischung gekonnt auskostet.
|
Mittwoch, 23. März 2022 Aus dem Leben eines Spitzels Heute lud Constantin Film zum neuen Film von Leander Haußmann ein STASIKOMÖDIE (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Leander Haußmann Darsteller: David Kross, Jörg Schüttauf, Antonia Bill, Deleila Piasko, Henry Hübchen, Matthias Mosbach, Christopher Nell, Karl Schaper, Eric Spiering, Margarita Broich, Tom Schilling, Detlev Buck, Steffi Kühnert, Uwe-Dag Berlin, Bernd Stegemann, Robert Stadlober, Alexander Scheer, Karsten Speck Kinostart: 19.05.2022
Auf Drängen seiner Familie lässt sich der bekannte Romanautor Ludger Fuchs seine Stasi-Akte aushändigen. Im
Freundes- und Familienkreis soll sie gemeinsam gelesen werden. Als darin jedoch ein zerrissener Brief mit sehr intimem
Inhalt auftaucht, wird es peinlich. Denn der Brief stammt nicht von Ludgers Ehefrau. Bevor die Situation so richtig
hochkocht, verlässt er freiwillig das Haus. Beim Spaziergang durch Berlin träumt sich Ludger zurück in jene Zeit, als er
als junger Mann zur Stasi kam... Darüber, ob Leander Haußmanns neuer Film tatsächlich eine Komödie ist, wie sein
Titel suggeriert, lässt ich streiten. Vieles von dem was parodiert oder durch den Kakao gezogen wird, fühlt sich nicht so
an und animiert das Lachen eher dazu im Halse stecken zu bleiben. Ich persönlich musste mich leider durch den Film
quälen, gut unterhalten fühlte ich mich nicht. Langeweile überwog und ich musste gegen die Müdigkeit ankämpfen.
Schade, denn ich hatte mich auf eine brillante Komödie mit vielen Lachern gefreut. Aber nicht immer werden Wünsche
erfüllt.
|
Sonntag, 20. März 2022 Ein Mörder ist an Bord Lange habe ich gewartet – gestern endlich konnte ich den Film in seiner 70mm-Fasung sehen TOD AUF DEM NIL (1:2.40, DD 5.1 + 7.1 + Atmos / auch 70mm mit 5.1 Datasat Audio) OT: Death On The Nile Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA 2021 Regie: Sir Kenneth Branagh Darsteller: Sir Kenneth Branagh, Gal Gadot, Armie Hammer Kinostart: 10.02.2022
Was für eine kleine Hochzeitsgesellschaft der High Society eine amüsante Dampferfahrt auf dem Nil hätte werden
sollen, gerät zu einem Alptraum, als eine der Damen einem Mord zum Opfer fällt. Wie gut, dass auch Meisterdetektiv
Hercule Poirot mit an Bord ist... Wieder schlüpft der große irische Shakespeare-Schauspieler Kenneth Branagh in die
Rolle des belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot, dessen hervorstechendstes Äußeres der üderdimensionale
Schnurrbart ist. Eine kleines Detail, für das Branagh bereits in MORD IM ORIENT EXPRESS harsche Kritik zuteil
wurde. Diese Kritik jedoch kontert er jetzt in bester Poirot-Manier, indem er seinem Film eine Exposition voranstellt, in
der deutlich wird, warum der Bart so ist wie er ist. Chapeau! Alles andere in der Neuverfilmung des Agatha Christie
Stoffes kennt man bereits hinlänglich aus der Verfilmung mit Peter Ustinov, die 1977 in die Kinos kam. Der kleine aber
feine Unterschied ist das Filmformat. War die von John Guillerman inszenierte Erstfassung trotz der reizvollen
Locations nur im klassischen “Flat”-Format (1:1.85) aufgenommen, schöpft Branagh wie bereits bei MORD IM
ORIENT EXPRESS aus dem Vollen: er ließ seine Version auf 65mm Negativfilm aufnehmen, um ihn dann in
ausgewählten Kinos mit 70mm Filmkopien vorführen zu können. Tatsächlich gelingt ihm durch das 1:2.40 Bildformat
den Kammerspielcharakter der Geschichte immer wieder aufzubrechen und den Film in ein recht opulentes Werk zu
verwandeln. Ich habe mit der Sichtung des Films ganz bewusst gewartet, bis ich ihn in meinem 70mm-Lieblingskino auf
großer gebogener Leinwand in einer perfekten Vorführung genießen zu können. Leider wurde meine Vorfreude getrübt.
Nicht etwa durch einen unzulängliche Vorführung, sondern durch eine 70mm-Kopie, die allem Anschein nach viel zu
dunkel kopiert wurde! Wie das geschehen konnte ist mir ein Rätsel. Nicht einmal die Außenaufnahmen mit ihren
Panorama-Einstellungen wirkten hier lebendig. Schade um den großen Aufwand. Aber lassen wir diese technischen
Details und wenden uns dem Film zu. Der ist handwerklich souverän inszeniert, kann aber der Story nichts Neues
abgewinnen. Wer mit Peter Ustinovs Nilfahrt zufrieden war und sie in guter Erinnerung hat, der dürfte von Branaghs
Neuauflage etwas enttäuscht sein. Wer die Fassung von 1977 nicht kennt, den dürfte Branaghs Krimirätsel spannend
unterhalten.
|
Dienstag, 15. März 2022 Auf der Suche Es geschieht viel zu selten, aber heute war es mal wieder soweit: ein kleines Meisterwerk hat sich mir offenbart! DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT (1:1.85, 5.1) OT: Verdens Verste Menneske Verleih: Koch Films (Studiocanal) Land/Jahr: Norwegen, Frankreich, Schweden, Dänemark, USA 2021 Regie: Joachim Trier Darsteller: Renate Reinsve, Maria Grazia Di Meo, Anders Danielsen Lie Kinostart: 02.06.2022
Julie ist eine attraktive junge Frau Anfang 30, die immer wieder von vorn beginnt. Ihre Bestimmung im Leben hat sie
einfach noch nicht gefunden. Medizinstudium oder doch lieber Psychologie? Fotografie oder Schreiben? Dann aber
doch erst einmal als Verkäuferin im Buchladen jobben. Mit Aksel, dem erfolgreichen Comic-Zeichner, der über 10
Jahre älter ist, beginnt sie eine Beziehung. Doch ist er tatsächlich der Richtige? Er will Kinder, sie vorerst keine.
Irgendwie rauft man sich zusammen. Bis Julie Eivind trifft – und sich bis über beide Ohren in ihn verliebt... Auch wenn
es der Name suggeriert: der in Dänemark geborene norwegische Filmemacher Joachim Trier ist mit seinem dänischen
Kollegen Lars von Trier nicht verwandt. Doch wie Letzterer macht auch der Norweger verdammt gute Filme. Sogar so
gut, dass sein aktueller Film momentan für den Auslands-Oscar nominiert ist. Und das zu recht. DER SCHLIMMSTE
MENSCH DER WELT ist eine Sternstunde des Kinos, das den Gang in den dunklen Kinosaal mehr als rechtfertigt.
Triers Figuren bieten unglaublich viel Identifikationspotenzial. So werden sich in Julie, Aksel und Eivind ganz sicher
viele Zuschauer wiedererkennen. Insbesondere in Julie, von Renate Reinsve phantastisch gespielt, jener Frau, die
offensichtlich ihr ganzes junges Leben auf der Suche nach dessen Sinn ist und darüberhinaus zu leben vergisst. Der in 12
Kapitel sowie einen Prolog und einen Epilog gegliederte Film hat grandiose Sequenzen zu bieten, aus denen
insbesondere jene hervorsticht, in der Julie mit dem Betätigen des Lichtschalters die ganze Welt um sie herum einfriert,
damit sie sich mit ihrer neuen Liebe Eivind ungestört treffen kann (Anmerkung: Menschen meines Jahrgangs werden
ganz bestimmt dabei an die australische TV-Serie BOOMERANG erinnert!). Neben den sorgfältig ausgewählten Songs
sorgt ganz besonders Ola Flottums Score auf der Tonspur für die richtigen Emotionen. Vorsicht: Taschentücher
bereithalten – es werden Tränen fließen. Und das ohne den ganzen pathetischen Kitsch. Triers Film ist pure Kinomagie
mit Tiefgang.
|
Mittwoch, 09. März 2022 Gerechtigkeit und Gruppentherapie Zwei brisante Themen standen heute auf meiner Filmagenda RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH (1:2.35, 5.1) Verleih: Pandora Land/Jahr: Deutschland, Frankreich 2022 Regie: Andreas Dresen Darsteller: Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmi Kirik, Sevda Polat Kinostart: 28.04.2022
Mutter Rabiye Kurnaz kann es kaum glauben: ihr Sohn Murat geriet auf Umwegen in das berüchtigte amerikanische
Foltergefängnis Guantanamo! Und sie erlebt einen Alptraum, als sie von einer Behörde zur nächsten geschickt wird und
überall nur abgeblockt wird. Bis sie auf den Rechtsanwalt Bernhard Docke trifft. Gemeinsam machen sich die beiden
auf bis nach Washington, um Murat Kurnaz frei zu bekommen. Es ist allerdings ein harter und steiniger Weg... Die
Stärke von Andreas Dresens auf wahren Begebenheiten beruhendem Film ist die Balance, mit der es ihm gelingt, Tragik
und Komik immer im Gleichgewicht zu halten und damit die Zuschauer nicht über Gebühr zu strapazieren. Denn die
Geschichte, die sein Film erzählt, ist alles andere als lustig und zeigt ganz deutlich, dass hier die Rechtsstaatlichkeit
einmal mehr komplett versagt hat. Mit Meltem Kaptan in der Rolle der Deutsch-Türkin Rabiye Kurnaz hat Dresen die
Idealbesetzung gefunden. Immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen und immer im falschen Moment auftauchend
kämpft sie als Mutter über viele Jahre für die Freilassung ihres offensichtlich unschuldigen ältesten Sohns. Ihren
Gegenpol, den hageren und immer Fahrrad fahrenden Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke, mimt Alexander Scheer
auf sehr überzeugende Weise. Ein Duo, das gemeinsam die Welt auf den Kopf stellt und letzten Endes als Sieger
hervorgehen. Man kommt hier sehr schnell von einem lachenden zu einem tränenden Auge. Und genau das ist es, was
Kino ausmacht: Emotionen, hervorgerufen durch eine wahre Geschichte.
THE CASE YOU (1:1.85, 51) Verleih: mindjazz Land/Jahr: Deutschland 2020 Regie: Alison Kuhn Kinostart: 10.03.2021
Mit ihrem formal ungewöhnlichen Dokumentarfilm rollt Filmemacherin Alison Kuhn ein Ereignis auf, das sie selbst
sowie viele andere junge Frauen teilweise traumatisiert hat. Es geht um ein Casting, das einige Jahre zurückliegt, an dem
ihre fünf Protagonistinnen und sie selbst teilgenommen haben und bei dem sie Opfer systematischer Übergriffe sexueller
und auch gewaltsamer Natur wurden. Auf der Theaterbühne der Filmuniversität Postdam-Babelsberg erschafft die
zwischenzeitlich ins Regiefach gewechselte Kuhn einen geschützten Raum für fünf junge Schauspielerinnen, die sich
gemeinsam an einer Bewältigung ihrer Erlebnisse versuchen. Mutig erzählen sie vor Kuhns Kamera, was sie beim
Casting erlebten und durchmachen mussten. Ihre Aussagen machen betroffen und wütend zugleich. Es entsteht ein klares
Bild davon, wie Machtmissbrauch in der Entertainmentbranche funktioniert. Der Film vermittelt durch eine Art
Gruppentherapie, was das Erlebte bis heute mit den jungen Frauen gemacht hat. Passend dazu liefert Dascha
Dauenhauer auf der Tonspur einen düsteren Score, der teils an zuschlagende Gefängnistüren erinnert. Kuhns Film ist ein
interessantes Experiment zur #metoo Debatte, das nachwirkt.
|
Freitag, 04. März 2022 Aus dem Ruder gelaufen Kurz vor dem Wochenende noch schnell eine deutsche Produktion begutachtet JGA: JASMIN. GINA. ANNA. (1:1.85, 5.1) Verleih: Leonine Land/Jahr: Deutschland 2021 Regie: Alireza Golafshan Darsteller: Luise Heyer, Taneshia Abt, Teresa Rizos Kinostart: 24.03.2022
Was ein Junggesellinnenabschied mit allem drum und dran hätte werden sollen, scheitert für die besten Freundinnen
Jasmin, Gina und Anna mit einer großen Enttäuschung: ihr Opfer macht nicht mit, weil sie bereits schwanger ist. Weil
die Flüge nach Ibiza nicht mehr stornierbar sind, beschließen die drei Girls, sich ihre Pläne durch eine fehlende Braut
nicht vermiesen zu lassen und machen sich auf in die Sonne. Dort angekommen stolpern die drei direkt in die Arme von
Jasmins Ex-Freund Tim, der selber seinen Junggesellenabschied feiert...Woran Alireza Golafshans Tragikomödie
besonders leidet ist die Tatsache, dass man sich mit den Figuren im Film nicht identifizieren kann. Zumindest gelang das
mir überhaupt nicht. Die Figuren sind zu überdreht und zu schrill, als dass sie mögen könnte. Damit ist die emotionale
Ebene des Films leider gleich Null. Bleibt noch Situationskomik und Witz. Und da kann der Film zumindest zeitweise
punkten. Wie etwa mit jener köstlichen Szene, in der ein Stripper auf Ibiza im Freien für die drei Junggesellinnen tanzt.
Oder der Einsatz hochkonzentrierter Kurkumapillen, die als Ecstasy herhalten müssen – mit phänomenaler Wirkung.
Insgesamt ist der aus dem Ruder gelaufene Junggesellinnenabschied zu lang geraten. Statt satter 118 Minuten hätten es
30 Minuten weniger auch getan.
|
Donnerstag, 03. März 2022 Sterbehilfe und Franzsein Endlich mal wieder ein Presse-Doppel – und damit ein Wechselbad der Gefühle ALLES IST GUTGEGANGEN (1:1.85, 5.1) OT: Tout S'est Bien Passé Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: Frankreich 2021 Regie: François Ozon Darsteller: Sophie Marceau, André Dussollier, Géraldine Pailhas, Hanna Schygulla, Charlotte Rampling Kinostart: 14.04.2022
Als Kind hat sie ihrem strengen Vater oft den Tod gewünscht, doch als er Emmanuèle nach einem Schlaganfall darum
bittet, dass sie ihm hilft sein Leben hinter sich zu lassen, hat sie Skrupel. Und ihre Schwester Pascale ist sogleich
eifersüchtig, dass Papa nicht sie darum gebeten hat. Um dem Vater seinen Sterbewunsch zu erfüllen, müssen die
Schwestern jetzt an einem Strang ziehen... Die französische Regie-Ikone François Ozon nimmt sich in seinem neuesten
Werk dem brisanten Thema Sterbehilfe an. Dabei schildert er insbesondere die Situation, mit der die Angehörigen
konfrontiert werden, und weniger die Situation des Betroffenen. Mit einer exzellenten Darsteller-Riege entfesselt er sein
Drama um Leben und Tod und wirft dabei Fragen auf, die sich zwangsläufig ergeben. Wie zum Beispiel: “Was würde
ich in einer solchen Situation tun?”. Mit emotionaler Wucht agieren insbesondere André Dussollier als der kantige Vater,
der sterben möchte, und Sophie Marceau, seine Lieblingstochter, die er um die Sterbehilfe bittet. Ozon verzichtet
bewusst auf Filmmusik, die Gefahr laufen würde zu Emotionalisieren. Einzig ein Klassikstück von Brahms erklingt hin
und wieder auf der Tonspur, das Lieblingsstück des Vaters wie man erfährt. Überhaupt dauert es ein ganzes Weilchen,
bis die teils desolaten Zustände in der alles andere als fröhlichen Familie Schicht um Schicht freigelegt werden, was dem
Film einen zweiten Spannungsbogen verleiht. Kein einfacher Film, doch dank der brillanten Darsteller glaubwürdig
umgesetzt.
GESCHICHTEN VOM FRANZ (1:1.85, 5.1) Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: Österreich, Deutschland 2022 Regie: Johannes Schmid Darsteller: Jossi Jantschitsch, Nora Reidinger, Leo Wacha Kinostart: 14.04.2022
Franz Fröstl hat ein großes Problem: der Neunjährige ist der Kleinste in seiner Klasse und damit ein gerne genommenes
Mobbingopfer. Wie gut dass er seine beste Freundin Gabi und seinen Klassenkameraden Eberhard hat, die voll zu ihm
stehen. Doch Franz möchte unbedingt im Klassenverband aufsteigen. In den Videos eines patriarchischen Lebenscouchs
findet er ein vermeintliches Vorbild. Durch sein neues Verhalten gewinnt er in seiner Klasse zwar an Ansehen, doch
vergrault er seine Gabi damit... Souverän hat Regisseur Johannes Schmid, seit BLÖDE MÜTZE auf gute Kinderfilme
programmiert, Christine Nöstlingers legendäre Buchreihe “Geschichten vom Franz” adäquat für die große Leinwand
umgesetzt. Mit seinem herzerfrischenden Jungtalent Jossi Jantschitsch verbildlicht er perfekt, was es heisst, ein Franz zu
sein. Seine Pennäler-Geschichte bietet dabei nicht nur hohes Identifikationspotenzial für die kleinen Zuschauer, sondern
ganz besonders auch für die Erwachsenen, die ihr Franzsein erfolgreich hinter sich gelassen haben. Da wird erzählt von
besten und von falschen Freund*innen und wie man diese voneinander unterscheiden kann. Um richtige und falsche
Vorbilder geht es und das alles für jede Altersstufe nachvollziehbar. Das alles ist stimmungsvoll angesiedelt im
gegenwärtigen Wien und dort ganz speziell in den charmanten Hinterhöfen, garniert mit etwas Wiener Schmäh und einer
auf den Punkt passgenau eingesetzten Filmmusik. “Passt scho”, würden die Einheimischen wohl dazu sagen. Recht
hamm’se!
|
Datenschutzerklärung All displayed Logos and Product Names may be ©, TM or ® by their respective rights holding companies. No infringement intended. |