Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Samstag, 25. Juni 2022
Do You Want To Fly?
Es gibt nichts Besseres als an einem heissen Sommertag in einem gut klimatisiertes Kino zu sitzen

ELVIS (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Elvis
Verleih: Warner
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Baz Luhrmann
Darsteller: Austin Butler, Olivia DeJonge, Tom Hanks
Kinostart: 23.06.2022

Ende der 1950er Jahre trifft der Schausteller “Colonel” Tom Parker in der amerikanischen Provinz auf den jungen Elvis Presley, der gerade dabei ist, von sich als Sänger Reden zu machen – dank seines Hüftschwungs, der ganze Horden von Mädchen aus dem Häuschen bringt! Parker nimmt den Ahnungslosen als Manager unter seine Fittiche und sorgt dafür, dass Elvis bald in ganz Amerika bekannt ist. Doch die damals geltenden Moralvorstellungen konservativer Amerikaner gehen nicht d’accor mit Elvis‘ Auftritten. Parker drängt Elvis dazu, sein Image und auch seine Musik zu ändern, um den Moralaposteln zu gefallen. Der junge Sänger spielt das Spiel zunächst mit, doch nicht lange. Ein Bruch mit seinem Manager rückt in greifbare Nähe... “Do you want to fly?”, fragt Parker seinen Schützling ziemlich am Anfang. “Ja!” ist die Antwort. Und es ist fühlt sich fast so an, als würde Baz Luhrmann diese Frage an sein Publikum richten. Denn mit seinem dramatischen Biopic ELVIS liefert der Ausnahmeregisseur ein audiovisuelles Spektakel, das den Zuschauer nicht nur fordert, sondern ihn auch von Anfang bis Ende in seinen Bann zieht. Oder besser: ihn fliegen lässt! Eine Bild- und Ton-Wucht höchster Güte. Und im Mittelpunkt eine Power-Performance, die sich gewaschen hat. Austin Butler schlüpft – im wahrsten Sinne des Wortes – mit Haut und Haaren in die Rolle des Elvis Presley. Butler ist Presly. Oder ist es umgekehrt? Ein sicherer Oscar-Anwärter! Ihm zur Seite brilliert auch Tom Hanks mit aufgequollenem Gesicht und Körper als der extrem schmierige “Colonel” Tom Parker, der sein Opfer Elvis nach Strich und Faden ausnimmt, um seine Spielschulden bezahlen zu können. Die vielen visuellen Einfälle, die oft angewandte Split Screen Technik und natürlich die Songs von Entertainer Elvis, die in seiner Las Vegas Show ihren Höhepunkt (und gleichzeitig den psychischen und physischen Tiefpunkt des Menschen Elvis Presley) erreicht, generieren so manchen Gänsehautmoment. ELVIS ist Kinomagie pur. Unbedingt in einem guten Kino anschauen – eine Schuhschachtel tut es für diesen Film definitiv nicht!
Dienstag, 21. Juni 2022
Ein Pechvogel mausert sich zum Helden
Unterhaltung für Kids heute in der Pressevorführung

ALFONS ZITTERBACKE – ENDLICH KLASSENFAHRT! (1:1.85, 5.1)
Verleih: X Verleih (Warner)
Land/Jahr: Deutschland 2022
Regie: Mark Schlichter
Darsteller: Luis Vorbach, Leopold Schill, Lisa Moell, Leni Deschner, Ron Antony Renzenbrink, Jonas Heinrich, Arved Kuhnardt, Alexandra Maria Lara, Sam Riley, Thorsten Merten, Haley Louise Jones, Anna Thalbach, Luna Marie Maxeiner, Gojko Mitic
Kinostart: 07.07.2022

Dass Unglücksrabe Alfons auf der lang herbeigesehnten Klassenfahrt nicht seinen eigenen Koffer dabei hat, sondern den von seiner etwas durchgeknallten Mutter, ist erst der Anfang einer langen Reihe von unglücklichen Umständen. Doch Alfons steckt das alles weg, hat er doch nur noch Augen für Leonie, seine neue Klassenkameradin. Blöd nur, dass er sich auf eine unmoralische Wette mit seinem Erzfeind Nico einlässt... Ein bisschen Alfons Zitterbacke steckt wohl in jedem von uns. Oder zumindest steckte – während unserer Schulzeit. So fällt es uns Älteren nicht sonderlich schwer, sich ein wenig mit dem Pechvogel Alfons zu identifizieren. Die Zielgruppe des Films, also die 8 bis 12jährigen, könnte sich allerdings damit etwas schwer tun. Denn wer will in dem Alter schon so sein wie Alfons? Zumindest bietet der Film für Teens ganz passable Unterhaltung - es passiert ständig etwas. Und der Lehrer kriegt sein Fett weg! Ganz am Ende gar gibt es eine dramatische Rettungsaktion in schwindelerregender Höhe, bei der sich unser Alfons dann endlich zu einem wahren Helden mausern wird. Nicht nur das – er wird auch eine Seelenverwandte finden. Für das erwachsene Publikum bietet der von Mark Schlichter inszenierte Film immerhin einen Gastauftritte von Gojko Mitic. Allerdings wird man davon – wie auch vom Rest des Films – sicher nicht viel im Gedächtnis behalten. Unterhaltung die nicht weh tut.
Montag, 20. Juni 2022
Ein Star büxt aus
Heute lud Constantin zur Pressevorführung des neuen Films mit Elyas M’Barek ein

LIEBESDINGS (1:2.35, 5.1 +Atmos)
Verleih: Constantin
Land/Jahr: Deutschland 2022
Regie: Anika Decker
Darsteller: Elyas M'Barek, Lucie Heinze, Peri Baumeister, Linda Pöppel, Maren Kroymann, Alexandra Maria Lara, Denis Moschitto, Paul Zichner, Anna Thalbach, Anton Weil, Jochen Schropp, Lucas Reiber, Rick Kavanian
Kinostart: 07.07.2022

Marvin Bosch ist Deutschlands größter Filmstar – und hat den ganzen Rummel einfach satt. Als er bei einer Premiere ausbüxt und sich in ein feministisches Theater verirrt, lernt er deren Leiterin Frieda kennen. Seine Managerin sieht die Chance, ihren von der Presse angegriffenen Schützling eine zeitlang vor der Öffentlichkeit zu verstecken – in Friedas Wohnung. Dabei kommen sich der Filmstar und die nie um Worte verlegende Theaterfrau näher... Man hat den Eindruck, dass die Filmindustrie momentan kein anderes Thema mehr kennt als Diversität und Gendern. So werden diese Themen in der Möchtegern-Komödie LIEBESDINGS leider ziemlich überstrapaziert. Wenn man etwas mit der Holzhammermethode verkaufen will, bewirkt es meist das Gegenteil. Und Möchtegern-Komödie deshalb, weil sich das Drehbuch nicht entscheiden kann oder es vielleicht auch gar nicht möchte, ob dieses LIEBESDINGS nun eine Komödie oder ein Drama sein möchte. Für eine Komödie fehlt es an richtigen Lachern. Da genügt es einfach nicht, wenn man das Sich Erbrechen bis ins letzte auskostet oder das Wort “Klitoris” unendlich oft wiederholt. Und für ein Drama fehlt es an echten Konflikten. Was bleibt ist ein sich synthetisch anfühlender Film, der alleine auf die Fangemeinde eines Elyas M’Barek zählt. Und jede Wette: diese Rechnung geht auf. Leider.

Sonntag, 19. Juni 2022
Bis zur Unendlichkeit und weiter
Nach einer schweißtreibenden Fahrradtour heute mal wieder im klimatisierten Kinosaal

LIGHTYEAR (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Lightyear
Verleih: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Angus MacLane
Kinostart: 16.06.2022

Der Space Ranger Buzz Lightyear erhält eine brenzlige Aufgabe: um seine Besatzung von einem lebensfeindlichen Planeten zu retten, muss er den zerstörten Hyperschallantrieb seines Raumschiffes durch unzählige Testflüge wieder neu erfinden – mit dem unschönen Nebeneffekt, dass er selber langsamer altert als seine Besatzung... Eine Schrifttafel gleich zu Beginn des Films erklärt den Zuschauern, dass sie jetzt den Film zu sehen bekommen, der den kleinen Andy aus TOY STORY dazu verleitete, sich die Spielfigur des Buzz Lightyear zu kaufen. Was bei Angus MacLanes computeranimiertem Spielfilm sofort auffällt, ist das Fehlen jener Leichtigkeit und Verspieltheit, mit der Filme aus dem Hause Pixar so bekannt wurden. Vielmehr mutet LIGHTYEAR wie ein waschechter SciFi-Film an. Nur noch gelegentlich blinzelt der TOY STORY Humor auf. Und last but not least hat jetzt das Thema Diversität und Gendern auch Pixar (oder besser: Disney) erreicht; Lightyears Vorgesetzte ist nicht nur lesbisch, sonder auch dunkelhäutig. Das wirkt dann schon ziemlich dick aufgetragen. Um auch die kleinsten Zuschauer*innen bei Laune zu halten, hat man Lightyear eine Roboter-Katze zur Seite gestellt, die immer dann ihr “Miau” loslässt, wenn man vergeblich nach einem besseren Gag sucht. Insgesamt enttäuscht LIGHTYEAR leider mehr als er unterhält. Noch enttäuschender aber die Tatsache, dass man sich bei Disney offensichtlich gegen eine Auswertung des Films in deutschen IMAX-Häusern entschieden hat, wo doch etwa 40 Minuten des Films eigens für das vollformatige IMAX mit 1:1.44 AR generiert wurden. Als Pluspunkt im Film ist zweifelsohne der Score von Michael Giacchino zu werten, der mit großem Orchester und Chor echtes Hollywood-Kino herbeizaubert.

Montag, 13. Juni 2022
Zwischen zwei Welten
Am Montagabend habe ich mir einen beeindruckenden Dokumentarfilm gegönnt

MEIN FREMDES LAND (1:2.35, 5.1)
Verleih: Arsenal
Land/Jahr: Deutschland 2021
Regie: Johannes Preuß, Marius Brüning
Kinostart: 23.06.2022

Mit MEIN FREMDES LAND haben die Regisseure Johannes Preuß und Marius Brüning einen äußerst bewegenden Dokumentarfilm geschaffen, in dem es um die eigene Identität geht. Als einjähriges Baby wurde der kleine Manuel aus Bolivien von einer deutschen Familie adoptiert. Im Alter von 31 Jahren macht er sich schließlich auf die Suche nach seinen Wurzeln und reist nach Bolivien, um seine leibliche Mutter zu finden. Eine Reise, die Manuel komplett entwurzelt und ihn zwischen zwei Welten hängen lassen wird. Der Film zeigt auf eindringliche, was es bedeutet, wenn man weder Heimat noch Mutter kennt und in welche Gewissenskonflikte es Menschen stürzen kann. Nicht nur die Landschaftsbilder beeindrucken in diesem Film, sondern auch die sehr intimen und zu Tränen rührenden Momente, in denen die Kamera ganz dicht bei den Personen bleibt. Es gibt in diesem Film weder ein Happy End noch irgendein anderes Ende. Vielmehr entlässt er seine Zuschauer aus dem Kinosaal mit demselben aufwühlenden Gefühl, das auch seinen Protagonisten umtreibt. Chapeau!

Donnerstag, 02. Juni 2022
Böse Geschichten aus der Heimat
Ein Animationsfilm der etwas anderen Art beschäftigte uns heute in der Pressevorführung

WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN (1:1.85, 5.1)
Verleih: Pandora
Land/Jahr: Österreich, Deutschland 2021
Regie: Marcus H. Rosenmüller, Santiago Lopez
Kinostart: 07.07.2022

Im erzkatholischen Hinterland der Alpenrepublik in den 1960er-Jahren will sich ein künstlerisch begabter Schüler aus der Enge seines Elternhauses und der spießigen Gemeinde loslösen. Mit seinen meist frivolen Zeichnungen macht er sich zwar bei den Mitschülern beliebt, erzürnt aber die Gemüter der Erwachsenen. Als er sich ausgerechnet in ein Zigeunermädchen verguckt, eskaliert die Situation... Mit ROTZBUB (wie der Film in Österreich betitelt ist) gibt Filmemacher Marcus H. Rosenmüller seinen Einstand beim Animationsfilm. Und was für einen Einstand! Mit Computeranimation auf höchstem Niveau hält sein Film der Gesellschaft einen Spiegel vor und entlarvt Kleinbürgertum und Rassismus auf konsequente Art und Weise – auch wenn es die frühen 1960er-Jahre sind, in denen der Film angesiedelt ist. Die überzeichneten Figuren geraten zu Karikaturen, die manchmal ganz lieb, meist aber ganz schön böse sind. Anarchischer Witz steht hier im Mittelpunkt der von dem 2016 verstorbenen österreichischen Karikaturisten, Grafiker und Cartoonisten Manfred Deix und seinem Figurenkosmos inspirierten Geschichte. Entstanden ist ein Animationsfilm, der sich insbesondere an erwachsenes Publikum wendet. Derb im Geschmack, aber sehr unterhaltsam im Abgang.

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