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Donnerstag, 29. Dezember 2022 Das Leben und der Tod Mit einem wundervollen Kinoereignis durfte ich heute mein Kinojahr 2022 abschließen WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN (^1:2.35, 5.1 + 7.1) Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Deutschland 2022 Regie: Aron Lehmann Darsteller: Corinna Harfouch, Karl Markovics, Luna Wedler Kinostart: 29.12.2022
Eine kleine Dorfgemeinschaft irgendwo weitab vom Schuss. Hier kennt jeder jeden und jeder kennt die kleinen
Geheimnisse der anderen. Eines eint die Gemeinschaft: das Wissen, dass wann immer Oma Selma von einem Okapi
träumt, innerhalb von 24 Stunden jemand im Dorf sterben wird. Und gerade jetzt hat sie nach langer Zeit wieder ein
Okapi gesehen... Nach Filmen wie DIE LETZTE SAU oder DAS SCHÖNSTE MÄDCHEN DER WELT hat
Regisseur Aron Lehmann jetzt den Bestseller von Mariana Leky für die Kinoleinwand inszeniert. Die Geschichte um
eine kleine verschrobene Dorfgemeinschaft ist eine wunderschöne, wenn auch skurrile Ode an das Leben, zu dem eben
auch der Tod gehört, der allzu gerne ausgeklammert wird. Die auf verschiedenen Zeitebenen spielende Dramödie mit
ihren vielen wunder- wie sonderbaren Einfällen wird von einem tollen Ensemble getragen, dessen Charaktere
haufenweise Identifikationspotenziale liefert. Souverän inszeniert Lehmann mit allen Mitteln des modernen Kinos
(Sounddesign, VFX, Filmmusik, Kameraarbeit) diese Geschichte, die einerseits aus der Zeit gefallen scheint,
andererseits aber zu berühren versteht. Das liegt an der Wahrheit, die immer wieder zwischen den absurden Situationen
hervorblitzt, und die zeitlos ist. Ein bisschen Lachen, ein bisschen Schmunzeln und ein bisschen Weinen – Kino kann so
schön sein!
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Donnerstag, 15. Dezember 2022 Willkommen zurück auf Pandora Mein vermutlich letztes IMAX-Erlebnis in diesem Jahr AVATAR: THE WAY OF WATER (1:1.90 (IMAX) + 1:2.39, 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Avatar: The Way Of Water Verleih: Walt Disney Land/Jahr: USA 2022 Regie: James Cameron Darsteller: Zoe Saldana, Sam Worthington, Sigourney Weaver, Kate Winslet, Stephen Lang, Cliff Curtis, Joel Moore, CCH Pounder, Edie Falco, Jemaine Clement, Giovanni Ribisi Kinostart: 14.12.2022
Zehn Jahre sind vergangen, seit sich Jake Sully als Avatar dem auf dem Mond Pandora lebenden Naturstamm
angeschlossen hat und gemeinsam mit Neytiri eine Familie gründete. Die Sullys leben in Harmonie mit ihrer Umwelt
und den anderen Bewohnern. Als jedoch ein neuer Trupp von “Himmelsmenschen” in Pandora eindringt, um Sully
zurückzuholen, flieht Jake mit seiner Familie, um ihren Stamm nicht zu gefährden. Sie finden ein neues Zuhause bei
einem Stamm, dessen Element das Wasser ist. Doch auch dort werden sie aufgespürt... Da ist er nun, der Film, auf den
Fans 13 Jahre lang warten mussten und der jetzt das Kino aus der durch die Pandemie verursachten Krise retten soll.
Doch hat sich das Warten wirklich gelohnt? Was den kommerziellen Aspekt angeht vielleicht. Angesichts der
Knebelverträge, die der Disney-Konzern den Kinobetreibern anbietet, könnte das allerdings auch ein Schuss nach hinten
sein. Aber die kommerzielle Seite möchte ich hier nicht weiter vertiefen. Viel wichtiger ist die Frage, ob der Film in
künstlerischer Hinsicht überzeugt. Was die Technik angeht: ganz sicher. James Cameron und Chefkameramann Russell
Carpenter sowie die Vielzahl an Visual Effects Gurus haben ein atemberaubendes Pandora erschaffen – gleichermaßen
über und unter Wasser. Die Qualität der dreidimensionalen Bilder ist bestechend, insbesondere dank der erhöhten
Bildrate von 48 statt der üblichen 24 Bilder. Die höhere Bildrate kommt allerdings nur dann richtig zum Einsatz, wenn
viel Bewegung ins Spiel kommt. Bei ruhigen Bildern hingegen arbeitet man weiterhin mit 24 Bildern pro Sekunde (die
dann verdoppelt werden, um der erhöhten Bildrate zu genügen), um den gewohnten Kino-Look zu gewährleisten. Ein
Fgilm besteht ja aber nicht nur aus Technik, sondern benötigt auch eine Story. Und hier haben wir den Schwachpunkt
von Camerons Fortsetzungsfilm: es gibt sie praktisch nicht. Oder anders ausgedrückt: eine Story ist nur rudimentär
vorhanden, quasi als Leitfaden, um die visuellen Effekte zusammenzuführen. Leider gelingt es ohne eine packende Story
nicht, das Publikum an den Film zu fesseln. Vielmehr ist man damit beschäftigt, ständig auf die Uhr zu schauen. Denn
mit einer Spielzeit von über drei Stunden erschöpft einen der Film mit seinen überbordenden visuellen Effekte und der
vielen Action-Sequenzen. Wenn sich Cameron dann gegen Ende nochmals am Untergang der TITANIC versucht und
dazu noch Elemente aus ABYSS in die Waagschale wirft, wird klar, dass der Meisterregisseur offenbar schon vor
Jahren seinen Zenit erreicht hat. Sollte man sich den Film trotzdem im Kino anschauen? Ich meine: unbedingt. Denn was
hier visuell uns auch akustisch geboten wird, kann man nicht in den eigenen vier Wänden reproduzieren. Wer die
Möglichkeit hat, den Film in einem IMAX-Kino zu erleben, sollte davon Gebrauch machen.
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Montag, 12. Dezember 2022 Asiatisches Doppel Zum Jahresabschluss gab es heute gleich zwei Appetit machende Filme im wahrsten Sinne des Wortes DER GESCHMACK DER KLEINEN DINGE (1:2.35, 5.1) OT: Umami Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Frankreich, Japan 2022 Regie: Slony Sow Darsteller: Gérard Depardieu, Pierre Richard, Sandrine Bonnaire Kinostart: 09.02.2023
Ein von Familie und Beruf entfremdeter Sterne-Koch hat den Geschmack am Leben vollkommen verloren. In einer Hals
über Kopf Aktion macht er sich auf den Weg nach Japan, um das Geheimnis der fünften Geschmacksnote “Umami” zu
lüften... Schwergewicht Gérard Depardieu in einer Rolle, die ihm wahrhaftig auf den Leib geschrieben wurde: als
Sterne-Koch! Mühsam schleppt er sich durch das Leben auf der Suche nach etwas, was seinem Leben einen neuen Sinn
gibt. Wie die Zutaten eines großartigen Menüs laufen in Slony Sows kulinarischer Reise verschiedene Handlungsstränge
ganz allmählich zusammen und ergeben am Ende ein Festmahl der kleinen Dinge. Mein Tipp: direkt nach dem
Kinobesuch in ein gutes asiatisches Restaurant gehen!
DIE FRAU IM NEBEL (1:2.35, 5.1 + Atmos) OT: Heojil Kyolshim Verleih: Plaion Pictures (Studiocanal) Land/Jahr: Südkorea 2022 Regie: Park Chan-wook Darsteller: Go Kyung-pyo, Wei Tang, Park Hae-il Kinostart: 02.02.2023
Kommissar Jang soll den Tod eines Mannes untersuchen, der offenbar bei einer Bergtour in die Tiefe stürzte. Als er die
Frau des Toten, Seo-rae, kennenlernt, keimt in ihm der Verdacht, dass sie nachgeholfen haben könnte. Während der an
Insomnia leidende Jang die geheimnisvolle Frau observiert, wird er immer weiter in ihren Bann gezogen... Park
Chan-wook ist eine fest etablierte Größe im koreanischen Kino. Mit Filmen wir OLDBOY, LADY VENGEANCE
oder STOKER hat er sich einen Namen als Meister des Thrillers geschaffen. Mit seinem neuen Werk DIE FRAU IM
NEBEL kehrt er nach längerer Abstinenz vom Kino wieder auf die große Leinwand zurück. Es ist ein meisterhaft
fotografierter (Kim Ji-Yong), vielfach verschachtelter und epischer Thriller, wie man es vom koreanischen Kino
gewohnt ist. Bewusst führen seine kalten, ausladenden CinemaScope-Bilder den Zuschauer mehr als nur einmal in die
Irre, verwirren ihn und machen ihn dadurch rätselhaft und extrem spannend. Speziell westliches Publikum dürften auch
die Darsteller vor eine Herausforderung stellen, da auf den ersten Blick nicht immer klar zu erkennen ist, wer hier wer
ist. Aber vermutlich hat der Regisseur eine Darsteller ganz bewusst so ausgewählt, um damit eine weitere Rätselebene
einzuführen. Filmmusik (Cho Young-Wuk) und Sounddesign (in Dolby Atmos) machen die Tonspur des Films zu einem
echten Hinhörer. Ganz sicher werden nach dem Ende des Films Fragen offen bleiben. Aber das ist auch gut so. Denn
alles andere wäre trivial.
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Mittwoch, 07. Dezember 2022 Wenn aus Freunden Fremde werden Hin und wieder gibt es in den Pressevorführungen kleine Meisterwerke zu entdecken. Heute war es mal wieder soweit CLOSE (1:1.66, 5.1) OT: Close Verleih: Pandora Land/Jahr: Belgien, Niederlande, Frankreich 2022 Regie: Lukas Dhont Darsteller: Eden Dambrine, Igor Van Dessel, Gustav de Waele, Léa Drucker, Emilie Dequenne Kinostart: 26.01.2023
In den Schulferien toben Léo und Rémi durch die Felder, erfinden Abenteuergeschichten und schlafen im selben
Zimmer. Die beiden 13jährigen sind nicht nur beste, sondern allerbeste Freunde. Doch das neue Schuljahr bringt
Veränderungen mit sich. Die beiden Freunde beginnen ganz allmählich sich zu entfremden. Die für die beiden
vollkommen ungewohnte Situation gipfelt schließlich in einer Tragödie... Wie wild rennen die beiden Jungs durch
blühende Felder, die Kamera folgt parallel und bleibt ganz dicht bei den Protagonisten. Hier leuchtet die Leinwand noch
vor ungehemmter Lebensfreude! Frank van den Eedens Kameraarbeit zeugt nicht nur hier von großer Kunst, sondern
durch den ganzen Film. Großaufnahmen dominieren, kehren ganz bewusst die inneren Regungen der Darsteller förmlich
nach außen. Unterstützt von Valentin Hadjadj Score erzeugt Regisseur Lukas Dhont damit eine großartige Atmosphäre.
Jeder Blick, jede Geste ist hier wichtig. Dhont kann sich auf ein handverlesenes Ensemble verlassen. Insbesondere seine
beiden Jungstars Eden Dambrine und Igor Van Dessel sind absolut famos und überzeugen in ihren Rollen. Die
Geschichte über Freundschaft und was daraus entstehen kann ist unglaublich packend und berührend gleichzeitig. Nähe,
Distanz und Entfremdung waren schon lange nicht mehr so intensiv zu erleben. Ein Geheimtipp!
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Dienstag, 06. Dezember 2022 Eine arrangierte Ehe Einen Touch Bollywood gab es in der heutigen Pressevorführung WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT? (1:2.35, 5.1) OT: What’s Love Got To Do With It? Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Großbritannien 2022 Regie: Shekhar Kapur Darsteller: Lily James, Emma Thompson, Shazad Latif Kinostart: 23.02.2023
Als sich ihr Nachbar Kazim, ein Arzt mit pakistanischen Wurzeln, dazu entscheidet, in eine arrangierte Ehe
einzuwilligen, fällt Zoe aus allen Wolken. Die junge Dokumentarfilmemacherin ist schon seit ihrer Jugend mit Kazim
befreundet und kann nicht verstehen, dass er auf diese traditionelle Art und Weise die Frau fürs Leben finden möchte.
Zoe hat eine zündende Idee: sie möchte genau darüber eine Doku machen und reist mit Kazim und seinen Angehörigen
nach Lahore, wo die Hochzeit stattfinden soll... Shekhar Kapurs farbenprächtiger Film hat alle Ingredienzien für eine
Feelgood-Komödie: die Suche nach Mr. Right, ungelöste Familienkonflikte, arrangierte Hochzeiten usw. Dass der Film
trotzdem nicht richtig zündet, liegt vermutlich daran, dass das alles schon viel zu oft thematisiert wurde. Es dürfte
niemanden im Publikum geben, der oder die das Ende des Films schon nach 10 Minuten vorhersagen kann.
Überraschungen sind leider Fehlanzeige. Klar, so was muss auch mal sein, aber wir hatten es schon viel zu oft und dazu
auch noch besser. Emma Thompson in der Nebenrolle als überkandidelte Mutter zeigt ganz deutlich, dass diese Rolle
nichts für sie ist. Overacting würde man dazu sagen – aber im negativen Sinn. Immerhin hat Kapur mit Lily James und
Shazad Latif ein tolles Paar gefunden, mit dem na sich gerne identifiziert. Inszenatorisch bedient sich der Regisseur
einem Element, das Rob Reiner für HARRY & SALLY erfunden hat: vor laufender Kamera erzählen Paare, wie sie
sich gefunden haben. Waren es bei Reiner echte Paare, so sind es hier freilich “gespielte” Paare, die Lily James in ihrer
Rolle als Filmemacherin vor die Linse holt. Übrigens wird der Filmklassiker sogar erwähnt. WHAT’S LOVE GOT TO
DO WITH IT? ist eigentlich recht belanglos, fördert jedoch ein paar Warheiten über die Liebe zutage. Ganz umsonst ist
der Kinobesuch also nicht, sondern nur etwas enttäuschend.
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Sonntag, 04. Dezember 2022 Sonntags-Triple Alte Gewohnheiten kehren langsam wieder zurück: schon wieder drei Filme an einem Tag EMILY (1:2.35, 5.1) OT: Emily Verleih: Wild Bunch (Central) Land/Jahr: Großbritannien 2021 Regie: Frances O'Connor Darsteller: Emma Mackey, Fionn Whitehead, Elijah Wolf Kinostart: 24.11.2022
Emily ist eines von vier Kindern der Brontë-Familie. Der Vater, ein Pfarrer, führt ein strenges Regiment, die Mutter ist
schon verstorben. Emily gilt im Dorf als sonderbar, denn sie ist störrisch, ernst und sehr phantasievoll. Nur zu gern
denkt sie sich gemeinsam mit ihren beiden Schwestern Geschichten aus. Doch für solche “Spinnereien” ist kein Platz im
Haus des Vaters. Einzig Emilys Bruder kann sie verstehen, widersetzt er sich doch immer wieder seinem Vater. Als
Emily den Vikar William Weightman als Hauslehrer bekommt, wird sie unverhofft mit der Liebe konfrontiert. Die
jedoch steht unter keinem guten Stern... Schauspielerin Frances O’Connor versucht sich bei Ihrem Regiedebüt an einer
Interpretation der geheimnisvollen Geschichte von Emily Brontë, jener Autorin, die sich mit nur einem einzigen Buch in
den Literaturhimmel geschrieben hat, bevor sie im Alter von nur 30 Jahren verstarb: “Sturmhöhe”. So enthält O’Connors
Drehbuch viele fiktive Elemente, ist also alles andere als ein Biopic. Doch als Zuschauer ist man gewillt, sich von ihr
führen zu lassen und die Geschichte als wahr zu akzeptieren. Dank der großartigen Emma Mackey fällt das auch gar
nicht schwer. Sie verkörpert den rebellischen Freigeist Emily, die aus den familiären Zwängen heraus immer gute Miene
zum bösen Spiel machen muss, dies aber kaum noch aushalten kann. Es brodelt in ihr. Erst recht, als sie sich zum ersten
Mal verliebt, letztendlich aber – ebenfalls aus äußeren Zwängen heraus – von ihrer großen Liebe zurückgestoßen wird.
Diese deprimierenden Erfahrungen fließen in ihr Buch ein und erklären so den ungewöhnlich bitteren Charakter der
Geschichte. EMILY wurde an Originalschauplätzen gedreht und spiegelt in der reduzierten Lichtsetzung das damalige
Zeitalter wieder. Die hervorragende Filmmusik von Abel Korzeniowski interpretiert auf vortreffliche Weise das
Innenleben der Protagonistin. Auch wenn die Geschichte im vergangenen Jahrhundert spielt, so ist O’Connor ein sehr
moderner Film gelungen, der lange noch nach dem Ende nachhallt.
TRIANGLE OF SADNESS (1:2.35, 5.1) OT: Triangle Of Sadness Verleih: Alamode (Filmagentinnen) Land/Jahr: Schweden, Großbritannien, USA, Frankreich, Griechenland 2022 Regie: Ruben Östlund Darsteller: Harris Dickinson, Charlbi Dean Kriek, Woody Harrelson, Vicki Berlin, Dolly De Leon, Zlatko Buric, Iris Berben, Amanda Walker, Oliver Ford Davies, Henrik Dorsin, Jean-Christophe Folly, Sunnyi Melles Kinostart: 13.10.2022
Die Reise auf einem Kreuzfahrtschiff wird für die illustren Gäste und sowie die Besatzung zu einem Fiasko, als das
Schiff während eines Sturms kentert. Nur ein paar Überlebende können sich auf eine unbewohnte Insel retten. Dort dreht
sich die bislang geltende Hierarchie... Ruben Östlunds Film reiht sich nahtlos ein in eine Serie von überlangen Filmen,
die seit geraumer Zeit über die Kinos hereinbrechen. Mit zweieinhalb Stunden hat es Östlund hier wirklich übertrieben.
Eine Stunde weniger hätte es auch getan. Mit der skurrilen Geschichte, die sich in drei Kapitel gliedert, hält der
schwedische Regisseur wieder einmal unserer Gesellschaft den Spiegel vor. Im Mikrokosmos des luxuriösen
Kreuzfahrtschiffs treffen Arme auf Reiche, Arbeiter auf Unternehmer. Doch was nützt den Wohlhabenden ihr Geld,
wenn sie als Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel landen? Nur die Putzfrau ist jetzt noch in der Lage für Essen zu
sorgen und Feuer zu machen. Der letzte Teil von Östlunds Film erinnert an HERR DER FLIEGEN, der thematisch
ähnlich angesiedelt ist. Östlunds Film ist bitterböse Satire, angereichert mit Drama und Slapstick, aber eben “Over the
Top”.
VIOLENT NIGHT (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Violent Night Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2022 Regie: Tommy Wirkola Darsteller: David Harbour, John Leguizamo, Cam Gigandet Kinostart: 01.12.2022
Als eine Schar von Gangstern am Weihnachtsabend in die familiäre Weihnachtsfeier in einem streng abgeschirmtes
Familienanwesen platzt, um dort ihren größten Coup zu landen, gibt es nur noch Einen, der zu Hilfe eilen kann: der
Weihnachtsmann persönlich... Wer DEAD SNOW kennt, der kennt auch Tommy Wirkola. Mit diesem rabenschwarzen
Nazi-Zombie-Film hat er Splatter-Filmgeschichte geschrieben. Fans wissen also, was man von Wirkola erwarten kann.
Und sie werden vermutlich nicht ganz glücklich mit seiner Weihnachtsgeschichte sein. Denn die tendiert sehr in
Richtung Mainstream. Zwar gibt es natürlich jede Menge blutiger Einlagen, doch die sind längst nicht so entfesselt wie
in DEAD SNOW. Dennoch bietet VIOLENT NIGHT eine willkommene Abwechslung zu den üblichen
Weihnachtsfilmen. Man könnte fast sagen, dass es eine Art FSK 16-Version von KEVIN ALLEIN ZU HAUS ist.
Letzterer Film wird mehr als nur einmal zitiert, unter anderem in Dominic Lewis‘ Score, der an John Williams‘ Musik
angelehnt ist. Insgesamt kurzweilige Unterhaltung mit imposanter Tonspur und schöner Moral: “Leg Dich nicht mit
Santa an!”.
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Freitag, 02. Dezember 2022 Very British Mein heutiger Film erwies sich als eine Perle des Dokumentarfilms SEASIDE SPECIAL (1:1.85, 5.1) Verleih: farbfilm Land/Jahr: Deutschland, Belgien 2021 Regie: Jens Meurer Kinostart: 19.01.2023
Jedes Jahr stemmt eine Truppe von Amateuren eine Show im südenglischen Cromer in Norfolk. Drei Monate lang
stehen sie zweimal täglich auf der Bühne und finden jedes Mal ein begeistertes Publikum. Was es damit auf sich hat und
wie dieses Ensemble mit dem schwelenden Brexit umgeht, hat der Filmemacher Jens Meurer zum Thema eines
faszinierenden Dokumentarfilms gemacht. Mit diesem neuen Film bleibt Meurer der analogen Filmwelt treu. Drehte er
seinen vorhergehenden Film AN IMPOSSIBLE PROJECT noch auf 35mm, so entschied er sich dieses Mal für das
16mm-Format und ließ den Film im Kopierwerk auf 35mm aufblasen. Wie schon AN IMPOSSIBLE PROJECT wird
auch SEASIDE SPECIAL für die Kinoauswertung in 35mm herausgebracht. Dass der Film nicht digital aufgenommen
wurde, sondern auf Negativfilm, sieht man ihm sofort an. Er besitzt diese ganz eigentümliche Bildästhetik, die sich
grundlegend von jener einer Digitalproduktion unterscheidet. Die vielen Stimmungsbilder, die Meurers Kameramänner
in Cromer eingefangen haben, sind beeindruckend und sehr atmosphärisch. Aber auch die Protagonisten, die Meurer
immer wieder ins Bild rückt, sind beeindruckend und “very British”. Sie erzählen frei von der Leber weg wie sie wurden
was sie sind und wie sie zum bevorstehenden Brexit stehen. Das sind meist liebenswert schrullige Charaktere, die man
einfach liebhaben muss. SEASIDE SPECIAL macht unglaublich großen Spaß und auch große Lust, selnst einmal nach
Cromer zu reisen um das alles live zu erleben. Meurers Film ist unbedingt einen Kinobesuch wert.
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