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Donnerstag, 23. Februar 2023 Voll auf die Fresse Zwar die einzige Pressevorführung in dieser Woche, doch dafür hat sie sich gelohnt SONNE UND BETON (1:1.85, 5.1) Verleih: Constantin Film Land/Jahr: Deutschland 2023 Regie: David Wnendt Darsteller: Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Heßling, Aaron Maldonado-Morales, Luvre47, Jörg Hartmann, Lucio101, Wael Alkhatib Kinostart: 02.03.2023
Berlin-Gropiusstadt. Es ist der unerträgliche Sommer des Jahres 2003. Die Schüler Lukas, Ginound Julius
geraten beim Kauf von etwas Gras zwischen rivalisierende Gangs. Lukas wird verprügelt und soll binnen 24
Stunden 500 Euro Schutzgeld zahlen. Doch woher das Geld nehmen? Da kommt die befreiende Idee: die
Freunde wollen ie nagelneuen Computer ihrer Schule klauen und verticken. Ein guter Plan. Zumindest
anfangs... Frei nach dem Motto ”Du hast keine Chance, also nutze sie” versuchen vier Freunde in den
Betonschluchten irgendwie zu überleben. Gewalt regiert hier nicht nur auf der Straße, sondern auch zuhause.
Ohne Drogen halten das die Jungs kaum aus. David Wnendt, der sich mit Filmen wie KRIEGERIN und
FEUCHTGEBIETE einen Namen gemacht hat, hat jetzt den Bestseller von Felix Lobrecht für die
Kinoleinwand inszeniert. Mit einem tollen, unverbrauchten Cast, raffinierten Kameraperspektiven und einer
pumpenden Tonspur bringt er den sozialen Brennpunkt Berlin-Gropiusstadt hautnah dem Publikum näher.
Der gewaltbetonte Film ist dabei alles andere als Wohlfühlkino, sondern wird dominiert von
Perspektivlosigkeit. Alle wollen hier raus, aber keiner schafft es. Egal an welcher Position der Hackordnung
man ist, es gibt immer auf die Fresse. Kein leichtes Thema, kein leichter Film, dafür fulminantes deutsches
Kino.
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Mittwoch, 08. Februar 2023 In einer regnerischen Nacht Ein Krimi mit dem berühmtesten Kommissar Frankreichs stand heute auf dem Spielplan MAIGRET (1:2.35, 5.1) OT: Maigret Verleih: Plaion Pictures Land/Jahr: Frankreich 2022 Regie: Patrice Leconte Darsteller: Gérard Depardieu, Jade Labeste, Mélanie Bernier, Aurore Clément Kinostart: 30.03.2023
Der Mord an einer unbekannten Minderjährigen in einer regnerischen Nacht in Paris ruft Kriminalkommissar
Maigret auf den Plan... Bereits 1989 widmete ich der französische Regisseur Patrice Leconte der Verfilmung
eines Romans von Georges Simenon und schoss sich damit in den cineastischen Himmel: DIE
VERLOBUNG DES MONSIEUR HIRE. Filme wie DER MANN DER FRISEUSE und DAS PARFUM VON
YVONNE festigten seinen Ruf einer der besten Filmemacher Frankreichs zu sein. Mit MAIGRET verfilmte
Lecone nun wieder einen Roman von Georges Simenon, jetzt mit Simenons berühmtester Figur, die Gérard
Depardieu nun verkörpert – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der schwergewichtige Schauspieler zeigt
einen sehr langsam agierenden, depressiv wirkenden Kriminalkommissar, der mit seiner Gesundheit und
seinem Körper nicht gerade zimperlich umgeht. Was es damit auf sich hat, woher diese Schwermut kommt,
erfährt man im Laufe des Films. Denn sein neuer Fall beschäftigt ihn nicht nur beruflich, sondern auch privat.
Da werden alte Wunden wieder aufgerissen. Depardieu passt vorzüglich in diese Rolle und in die Zeit, in der
der Film spielt. Dunkle, kontrastarme CinemaScope-Bilder dominieren die Optik des Films und ergeben
zusammen mit der Musik aus der Feder von Bruno Coulais die beängstigend wirkende Stimmung des Films.
Inszeniert ist das alles ohne großes Spektakel und geradlinig, wie man es von Thrillrn eigentlich gar nicht
mehr gewohnt ist. Damit ist Lecontes MAIGRET-Verfilmung eine willkommene und nur 89 Minuten dauernde
Abwechslung zu den überstilisierten und kompliziert verflochtenen Krimis der letzten Zeit.
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Montag, 06. Januar 2023 Malen mit Papageien Zur Wocheneinstimmung ein Künstlerporträt DANIEL RICHTER (1:2.35, 5.1) Verleih: Weltkino Land/Jahr: Deutschland 2022 Regie: Pepe Danquart Kinostart: 02.02.2023
Oscar-Preisträger Pepe Danquart widmet sich in seinem Dokumentarfilm einem Star der zeitgenössischen
Kunstszene: der Deutsche Daniel Richter. Danquart ist hautnah dabei, wenn Richter in seihem Atelier
großflächige, knallbunte und abstrakte Gemälde entwirft, bearbeitet, korrigiert, wegstellt. Er zeigt ihn in
seinem Element, wenn er mal bei Techno-, mal bei Reggae-Rythmen, aber stets in Begleitung seiner
Papageien seiner Kunst nachgeht. Dass Richter zu einem der teuersten Maler Deutschlands zählt, zeigen
kurze Ausflüge in Auktionshäuser, in denen seine Bilder versteigert werden. Frei von der Leber weg erzählt
Richter über seine Bilder, seine Absicht, seine Inspiration und warum überhaupt jemand einen Film über ihn
macht. Der Künstler erweist sich dabei als sehr bodenständig, keinesfalls vergeistigt oder gar abgehoben,
was ihn extrem sympathisch erscheinen lässt. Auch Weggefährten Richters kommen zu Wort, wie etwa der
Künstler Jonathan Meese, der vor laufender Kamera eine sehr lustige One-Man-Show abzieht und dabei ein
Porträt Richters sowie ein Selbstporträt auf Leinwand kleckst; oder der Sammler Dr. Harald Falckenberg, der
seine private Richter-Sammlung präsentiert und sich dabei an einer Interpretation der Werke versucht; oder
der dänische Kunstmaler Tal R, der das Phänomen Richter detailreich analysiert. Im CinemaScope-Format
ist Danquarts Künstler-Porträt ein echter Hingucker – geschaffen für die große Kinoleinwand. Ein bisschen
schade ist, dass man von Richters Biographie wenig erfährt und auch sein Privatleben nahezu ausgespart
wird. Für Kunstinteressierte trotzdem eine Empfehlung.
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Freitag, 03. Februar 2023 Woody Allen auf französisch Eine leichtfüßige Komödie aus Frankreich zum Wochenausklang TAGEBUCH EINER PARISER AFFÄRE (1:2.35, 5.1) OT: Chronique D’Une Liaison Passagère Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Frankreich 2022 Regie: Emmanuel Mouret Darsteller: Sandrine Kiberlain, Vincent Macaigne, Georgia Scalliet, Maxence Tual Kinostart: 23.03.2023
Charlotte und Simon haben eine Affäre. Er ein Familienvater und Sie eine unabhängige Mutter, treffen sich
nur für Sex. Gefühle will man gar nicht erst aufkommen lassen, ondern nur den körperlichen Bedürfnissen
frönen. Was zunächst ganz gut funktioniert, entwickelt sich aber zumindest für den extrem unsicheren Simon
zu einer großen Leidenschaft, die über das Körperliche hinausgeht... Wüsste man es nicht besser würde
man meinen, dass es sich um einen neuen Film von Woody Allen handelt. Denn wie der so lässt auch
Emmanuel Mouret seine Protagonisten unendlich viel über Liebe, Beziehungen und Fremdgehen sprechen
und hat mit Darsteller Vincent Macaigne gar eine typisch Allen’sche Figur. Zwar mit Bart, aber genauso
verunsichert wie Unglücksrabe Woody himself. Das TAGEBUCH EINER PARISER AFFÄRE ist im Grunde
genommen eigentlich ein Theaterstück, denn Schauwerte hat der Film so gut wie keine zu bieten. Dafür eben
Dialog-Duelle bis zum Abwinken. Das ist anfangs noch ganz vergnüglich, wird aber auf Dauer etwas
ermüdend.
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Donnerstag, 02. Februar 2023 Mit dem Baby auf Roadtrip Der japanische Regisseur von ”Shoplifters” hat einen neuen Film abgeliefert – und den gab es heute in der Pressevorführung zu sehen BROKER – FAMILIE GESUCHT (1:1.85, 5.1) OT: Beurokeo Verleih: Plaion Pictures Land/Jahr: Südkorea 2022 Regie: Hirokazu Kore-eda Darsteller: Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona Kinostart: 16.03.2023
Die Freunde Sang-hyun und Dong-soo haben ein prima Geschäftsmodell für sich entwickelt: die beiden holen
Babys aus der Babyklappe heraus und verkaufen sie an gut betuchte Paare, die das Herz am rechten Fleck
haben. Als sie das Baby der jungen So-young auf diese Weise abgreifen, sind die beiden ziemlich
überrascht, als die Mutter plötzlich vor ihnen steht und bei der Wahl der Adoptiveltern ein Wörtchen mitrden
will. Gemeinsam macht sich das Trio mit dem Baby auf den Weg, nicht wissend, dass ihjnen bereits die
Polizei auf den Fersen ist... Der Film demonstriert auf sehr schöne und berührende Weise, dass man nicht
unbedingt blutsverwandt sein muss, um als Familie zu bestehen. Dazu tragen insbesondere die
sympatischen Charaktere bei, die sich in Hirokazu Kore-edas Film auf einem spontanen Roadtrip
zusammenraufen müssen, um ein geminsames Ziel zu erreichen. Dass sich im Laufe des Trips die
Sichtweise auf die Dinge, die jeder in dem zusammengewürfelten Haufen hat, grundlegend ändert, ist ein
sehr willkommenes Ergebnis. Für die menschliche Wärme, die der Film ausstrahlt, bedarf es keiner
inszenatorischen Klimmzüge. So erzählt Hirokazu Kore-edas seinen Film ohne großen Aufwand und linear
und überlässt ihn ganz seinem eigenen Fluss. Herzerwärmendes, gefühlvolles Kino.
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Mittwoch, 01. Februar 2023 Von Schuld und Unschuld Heute gab es etwas verstörende und sehr bedrückende Filmkost DER ZEUGE (1:2.35, 5.1) Verleih: Neue Visionen Land/Jahr: Deutschland 2022 Regie: Bernd Michael Lade Darsteller: Bernd Michael Lade, Maria Simon, Thomas Schuch, Katrin Schwingel Kinostart: 02.03.2023
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs sagt Carl Schrade vor einem Gericht der Alliierten als Kronzeuge der
Anklage aus. Schrade war jahrelanger Häftling der KZs Buchenwald, Lichtenburg, Esterwegen und
Flössenburg. Auf der Anklagebank sitzen seine Peiniger von einst... Regisseur und Hauptdarsteller Bernd
Michael Lade hat seinen kammerspielartigen Film nach realen Gerichtsprotokollen inszeniert, die die
Vernichtungsmaschinerie der Nazis mitsamt grauenvoller Details ans Tageslicht bringt. Dabei sorgt eine
Farb- sowie Tondramaturgie dafür, dass die beiden parallel montierten Handlungsstränge (die Aussage des
Zeugen und die Aussagen der Angeklagten) deutlich voneinander abgegrenzt werden. Ungewöhnlich ist das
gewählte CinemaScope-Format für diesen Film, der zu fast einhundert Prozent aus Close Ups besteht.
Sperrig wirkt die Tatsache, dass jeder gesprochene Satz von Englisch nach Deutsch oder umgekehrt
übersetzt wird, so wie dies in den Protokollen zu finden war. Dadurch wird der Film tatsächlich doppelt so
lang – statt 45 Minuten dauert er ganze 90 Minuten. Als Zuschauer kann man sich dem dialogbasierten Film
trotzdem nur schwer entziehen, machen doch gerade diese Dialoge – oder besser: Monologe – sehr
betroffen. Lades Film ist eine Art anschaulicher Geschichtsunterricht, der das Unfassbare fassbar macht. Ein
schonungsloser, unbequemer und sehr direkter Film über Schuld und Unschuld im Nazi-Regime.
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