Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Freitag, 31. März 2023
Film-Welt
Den heutigen Film hab eich mir ganz bewusst ausgesucht und wurde nicht enttäuscht

THE ORDINARIES (1:2.35, 5.1)
Verleih: Port au Prince Pictures
Land/Jahr: Deutschland 2022
Regie: Sophie Linnenbaum
Darsteller: Fine Sendel, Sira-Anna Faal, Jule Böwe, Noah Tinwa, Denise M’Baye, Pasquale Aleardi
Kinostart: 30.03.2023

Vorhang auf für eine Welt, die ein riesiges Film-Set darstellt. Wer hier Hauptdarsteller ist, hat es geschafft. Nebendarsteller stehen in der strengen Hierarchie weiter unten. Auf der untersten Stufe sind die Outtakes, ein Sammlesurium an Filmfehlern, der Abschaum der Gesellschaft. Paula und ihre Mutter gehören zu den Nebendarstellern. Doch Paula hat Ambitionen und besucht die Hauptdarstellerschule, um sich hochzuarbeiten. Schließlich, so erzählt ihre Mutter immer, war ihr Vater ein ganz besonderer Hauptdarsteller, der beim großen Aufstand getötet wurde. Doch Paula hat immer wieder Probleme mit ihren Gefühlen, die stets eine atonale Filmmusik hervorbringen. Und dann erfährt sie auch noch, dass die Geschichten um ihren Vater nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Sie beginnt zu recherchieren... Sophie Linnenbaums metaphorische Gesellschaftskritik mit SciFi-Anstrich dürfte das Originellste sein, was dem deutschen Film in jüngster Zeit widerfahren ist! Ganz sicher von einem Werk wie Terry Gilliams BRAZIL inspiriert, entfacht die junge Filmemacherin in ihrem Diplomfilm ein wahrhaftiges Feuerwerk an zündenden (Film)Ideen und beweist aufs Vortrefflichste, dass sie die Stellschrauben sämtlicher Gewerke eines Films optimal beherrscht. Set Design (Max-Josef Schöborn), Sound Design (Nicolas Voß), Kameraarbeit (Valentin Selmke), Farbgebung und die orchestrale Filmmusik (Fabian Zeidler) zeugen von einer großen Begeisterung und Liebe für das Medium Film. Mit einem ganzen Füllhorn an In-Jokes dürfte der Film insbesondere Filmfans gefallen. Alle Anderen könnten damit etwas überfordert sein. Einziges Manko ist die Spiellänge des Films. Mit 120 Minuten hat er noch nicht ganz das richtige Timing erreicht. ”Kill Your Darlings” heisst der Zauberspruch, den Linnenbaum noch nicht ganz konsequent umgesetzt hat. Nichtsdestotrotz iat das vorhandene Potenzial deutlich zu erkennen. THE ORDINARIES ist filmaffinen Menschen uneingeschränkt zu empfehlen.
Donnerstag, 30. März 2023
Die Überlebens-Künstlerin
Eine beeindruckende Doku zog mich heute in ihren Bann

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED (1:1.78, 5.1)
OT: All The Beauty And The Bloodshed
Verleih: Plaion Pictures
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Laura Poitras
Kinostart: 25.05.2023

In ihrem mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm porträtiert Filmemacherin Laura Poitras die renommierte amerikanische Künstlerin Nan Goldin. Dabei steht nicht ihr künstlerisches Schaffen im Mittelpunkt des Films, sondern ihr Kampf gegen die Pharmadynastie Sackler, die maßgeblich für die extrem hohe Anzahl an Todesfällen der Opioid-Epidemie verwantwortlich ist. In Interviews, die oft nur aus dem Off zu hören sind, erzählt Goldin ihre Lebensgeschichte. Dabei gibt sie sich extem offen und verschweigt auch intime Details nicht, macht keinen Hehl aus ihrer sexuellen Orientierung. Anhang unzähliger Fotos, die Golin im Laufe vieler Jahrzehnte aufgenommen hat, sowie historischem Filmmaterial, entwirft Laura Poitras ein komplett anderes Bild des ”American Way of Life”, nämlich das einer sehr dynamischen Underground-Bewegung, in der sich Künstler und Künstlerinnen hemmungslos ausprobieren konnten. Sex, Drugs and Photographs. Eingestreut werden Ausschnitte aus 35mm Dia-Schauen, die Golin während dieser wilden Zeit geschaffen hat. Goldin erweist sich als regelrechte Überlebens-Künstlerin, die sich auch trotz widriger Umstände nie unterkriegen lässt. Ein Schlüsselerlebnis war die Einnahme eines Schmerzmittels nach einer Operation, das Goldin süchtig machte. Doch sie schafft den Ausstieg und setzt all ihre Kraft ein für den Kampf gegen die Sacklers, deren Pharmakonzern das Schmerzmittel millionenfach verkauft, wissend um seine verherende Wirkung. Mit spektakulären Aktionen in den großen Kunstmuseen der Welt, die auch ihre Fotografien präsentieren, gelingt es ihr schließlich, den Namen Sackler, der in diesen Museen immer wieder als Leihgeber plakatiert wird, zu verbannen. Mit Nan Goldin zeigt Laura Poitras eine mutige, starke Frau und ein echtes Vorbild. Goldins fesselnde Geschichte macht Mut. Ein sehenswerter Dokumentarfilm, der den Blick der Zuschauenden erweitert – und das ohne jegliche Drogen.
Donnerstag, 16. März 2023
Er frisst sich zu Tode
Schwere Kost wurde uns in der heutigen Pressevorführung serviert.

THE WHALE (1:1.37, 5.1 + Atmos)
OT: The Whale
Verleih: Plaion Pictures
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Darren Aronofsky
Darsteller: Brendan Fraser, Sadie Sink, Ty Simpkins, Hong Chau, Samantha Morton
Kinostart: 27.04.2023

Einst hat Charlie seine Frau und die achtjährige Tochter für eienn anderen Mann verlassen. Doch das Schicksal hat ihm seine große Liebe genommen. Um sich über den Schmerz zu trösten, hört Charlie nicht mehr auf zu essen. Über 200 Kilogramm bringt er auf die Waage, kann sich kaum noch bewegen geschweigedenn laufen. Charlie vegetiert. Plötzlich steht seine inzwischen 18jährige Tochter vor ihm, rebellisch, fordernd. Werden sich die beiden aussöhnen können? - Schon der zweite Film in dieser Woche, der auf das albekannte Stummfilmbildformat setzt. 1:1.37 scheint das neue CinemaScope zu sein. Fehlt noch der Ruf der Kinoindustrie nach kleineren Leinwänden... Aber das nur ganz nebenbei. Kommen wir zu THE WHALE, dem neuesten Werk von Ausnahme-Regisseur Darren Aronofsky, der sich spätestens mit REQUIEM FOR A DREAM auf ewige Zeiten in unser cineastisches Gedächtnis gebrannt hat. Auch sein neuer Film ist alles andere als bequem – und schön anzuschauen erst recht nicht. Aronofsky hat hier ein Theaterstück von Samuel D. Hunter für die Leinwand adapiert und es im extrem beengenden 4:3 Bildformat als Kammerspiel inszeniert. Dreh- und Angelpunkt ist sein Protagonist Brendan Fraser, der in der Rolle des übergewichtigen Charlie im wahrsten Sinne des Wortes über sich hinauswächst und dafür von der Academy mit einem Oscar bedacht wurde. Zu recht. Wenn er im perfekt sitzenden Fat Suit steckt, ist seine Figur ebenso tragisch wie ekelig. Eine gebrochene Existenz, bereit den letzten Schritt zu gehen. Doch Charlie kann erst loslassen, wenn er sich einer bestimmten Sache sicher sein kann. Und die wird im Laufe der wenigen Tage, die der Film festhält, verhandelt. Die Filmmusik von Rob Simonsen sorgt am Ende dafür, dass kein Auge im Kinosaal trocken bleiben wird. Und das ist nicht abwertend gemeint. THE WHALE (der Titel ist mehrdeutig, bezieht sich also nicht nur auf das Äußere des Protagonisten) wird ganz sicher auch noch lange nach Ende des Films in den Köpfen der Zuschauenden präsent bleiben.
Mittwoch, 15. März 2023
Einer für Alle – Alle für Einen
Einen Mantel- und Degenfilm hatten wir schon lange nicht mehr in der Presse

DIE DREI MUSKETIERE – D’ARTAGNAN (1:2.35, 5.1 + Atmos)
OT: Les Trois Mousquetaires: D’Artagnan
Verleih: Constantin Film
Land/Jahr: Frankreich 2023
Regie: Martin Bourboulon
Darsteller: François Civil, Vincent Cassel, Romain Duris, Pio Marmaï, Eva Green, Louis Garrel, Vicky Krieps, Lyna Khoudri, Jacob Fortune-Lloyd
Kinostart: 13.04.2023

Auf Wunsch seines Vaters macht sich der junge D’Artagnan auf den Weg nach Paris, um am Hofe des Königs ein Musketier zu werden. Gemeinsam mit seinen drei Gefährten, den Musketieren Athos, Aramis und Porthos, wird er schon bald in eine Intrige gegen den König verwickelt... Wie oft der berühmte Alexandre Dumas Stoff bereits verfilmt wurde, lässt sich inzwischen wohl nicht mehr an einer Hand abzählen. Was sich ins cineastische Gedächtnis gebrannt hat sind zu einen die Verfilmung mit Gene Kelly und zum anderen der Zweiteiler von Richard Lester. Beide Verfilmungen haben das, was Martin Bourboulons Neuinterpretation fehlt: farbkräftige, helle Bilder. Der Franzose setzt dagegen auf dunkle, blassfarbene Bilder. Fast so, als wäre das 17. Jahrhundert von Dunkelheit dominiert worden. Ergänzend dazu gibt es dann auch noch düstere Filmmusik (vorbei sind die Zeiten, in denen einem Michel Legrand mit großem Orchester und mitreissenden Themen die musikalische Ausgestaltung überlassen wurde). Die hinlänglich bekannte Handlung wurde für die Neuverfilmung hier und da leicht variiert, was sicher von Vorteil ist, wenn man mit dem Wissen um die älteren Verfilmungen die neue Fassung anschaut. Nichts auszusetzen gibt es indes an der Besetzung sowie der Ausstattung dieses Mantel- und Degen-Films, in dem auffallend viel geschossen wird! Der Film endet mit einem echten Cliffhanger und bereitet damit gleich auf den zweiten Teil vor, der zur Weihnachtszeit in die Kinos kommen soll.
Montag, 13. März 2023
Eine Geschichte von Schuld und Sühne
Die Pressewoche startete mit keinem leichten Film

DER FUCHS (1:1.37, 5.1)
Verleih: Alamode
Land/Jahr: Deutschland, Österreich 2021
Regie: Adrian Goiginger
Darsteller: Simon Morzé, Karl Markovics, Karola Niederhuber, Adriane Gradziel
Kinostart: 13.04.2023

Österreich in den 1920er Jahren. Aufgrund ihrer großen Armut übergibt die Bergbauernfamilie Streitberger ihren jüngsten Sohn Franz als Knecht in die Obhut eines Großbauern. Franz verzeiht seinem Vater diese Entscheidung nicht, auch als er mit Erreichen der Volljährigkeit aus der Knechtschaft entlassen wird. Der in sich gekehrte Franz schließt sich dem Bundesheer an und wird Motorradkurier an der Westfront. Just als das Heer den Angriff gegen Frankreich startet, findet Franz einen verletzten Fuchswelpen und nimmt sich seiner an... 2017 erzählte der österreichische Filmemacher Adrian Goiginger die Geschichte seiner Kindheit, in deren Mittelpunkt eine drogenabhängige Mutter stand. Mit seinem neuen Film DER FUCHS arbeitet sich Goiginger weiter an seiner Familiengeschichte ab. Jetzt geht er ein ganzes Stück zurück in der Zeit und erzählt die düstere Geschichte seines Großvaters, die zum größten Teil während des Zweiten Weltkriegs an der Westfront angesiedelt ist. Doch es ist kein Kriegsfilm im eigentlichen Sinn. Goiginger erzählt vielmehr eine Geschichte von Schuld und Sühne, die sich zwischen seinem Großvater und dessen Vater zugetragen hat. Im beengenden Stummfilmformat kadriert und mit farbentsättigten Bildern befüllt wird der Film von einer depressiven Grundstimmung dominiert, die nur ganz selten aufgebrochen wird. Nämlich immer dann, wenn Franz wenige glückliche Momente mit seinem Fuchs-Welpen genießt. Sein Fuchs gibt ihm Halt in der dunklen Kriegszeit und er tut alles für ihn, damit der Vierbeiner glücklich ist. Damit projiziert Franz seine eigene Sehnsucht nach einem Vater, der ihn liebt, auf diesen Welpen. Doch die Kriegswirren werden dafür sorgen, dass Franz ganz ungewollt in dieselbe Situation gerät wie sein Vater, als der seinen Sohn weggegeben hat. Kein einfacher Stoff, kein einfacher Film und keine einfache Zeit, in der der Film in die bundesdeutschen Kinos kommt.

Samstag, 11. März 2023
Wo die Spielbergs Fabelman heissen
Nachsitztermin im Kino

DIE FABELMANS (1:1.85, 5.1 + 7.1)
OT: The Fabelmans
Verleih: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Gabriel LaBelle, Michelle Williams, Paul Dano, Seth Rogen
Kinostart: 09.03.2023

In einer Grußbotschaft zu Beginn des Films richtet sich Regisseur und Drehbuchautor direkt an sein Publikum und bedankt sich dafür, dass sie die Mühe auf sich genommen haben, seinen Film tatsächlich in einem Kino anzuschauen. Es sei gleichzeitig sein bisher persönlichster Film, erklärt der Meister-Regisseur weiter. Die Widmumng im Abspann spricht Bände: sie ist an seine Eltern gerichtet. Im autobiographisch angehauchten Film werden aus den Spielbergs die Fabelmans, eine mehrköpfige jüdische Familie, deren Oberhaupt ein genialer Ingenieur ist. Seine Frau ist die Künstlerin in der Familie, die eine Karriere als Konzertpianistin aufgegebgen hat, um Frau und Mutter zu sein. Doch scheint es gerade ihre künstlerische Ader zu sein, die der kleine Sam geerbt hat. Anfang der 1950er-Jahre nehmen Mama und Papa den zukünftigen Star-Regisseur zum ersten Mal mit ins Kino – in Cecil B. DeMilles THE GREATEST SHOW ON EARTH. Auch wenn Papa seinem Sam vor Beginn des Films exkat erklärt, wie die bewegten Bilder im Kino zustande kommen, wird dieses erste Erlebnis mit dem Medium Film für Sam zum Trauma. Die im Film gezeigte Sequenz eines Zugunglücks geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und er versucht sich unbewusst an einer Selbtstherapie, indem er das Unglück mit der Spielzeugeisenbahn nachstellt und es mit der 8mm-Kamera seines Vaters filmt. Der Film folgt jetzt dem weiteren Werdegang von Sam und Familie Fabelman, die immer wieder umziehen muss, weil es der Job des Vaters verlangt. Die Leidenschaft für Film, die Sam nach und nach entwickelt, mündet schließlich in eigene Projekte, die er gemeinsam mit seinen Freunden stemmt und in der Aula seiner Schule erfolgreich aufführt. Interessantes Detail dabei: da seine Filme ohne Ton auskommen müssen, da dies viel zu teuer gewesen wäre, unterlegt Sam seinen Filme mit orchestraler Filmmusik, die er von einem Tonband live zuspielt. Da gibt es dann unter anderem Scores von Alfred Newman zu hören, die aus DAS WAR DER WILDE WESTEN oder DER HAUPTMANN VON KASTILIEN stammen. Details wie diese sind es, die den Film für Filmfans sehenswert machen. Auch die inszenierten Dreharbeiten, bei denen Sam beispielsweise einen ausgedienten Kinderwagen als Dolly einsetzt, lassen das Herz eines Filmfans sicherlich höher schlagen. Wenn Sam nach vielen Auf und Abs am Ende des Films schließlich im Büro von John Ford landet (perfekt parodiert von David Lynch), der dem Möchtegern-Filmemacher den wohl wertvollsten Ratschlag gibt, weiß man: dieser junge Mann wird eine beispiellose Karriere als Filmemacher hinlegen. Dass dies allerdings auch mit großen Opfern einhergehen wird, macht Spielberg in seinem Film unmissverständlich klar. Denn um den Seelenfrieden mit der Familie ist es nicht gerade gut bestellt. Was besonders auffällt: ganz entgegen seinen anderen Filmen vernchlässigt Spielberg in dieser Autobiographie die emotionale Ebene. Keine schluchzenden Geigen, kein großes Orchester, keine Tränen. Wer sich – wie ich – vom Trailer des Films leiten lässt, wird einen komplett anderen Film erwarten. Ich für meinen Teil hatte auf einen Film, wie ihn der Trailer verspricht, gehofft und wurde daher leider enttäuscht. Nichtsdestotrotz empfehle ich Spielbergs neuestes Werk insbesondere Filmfans.
Freitag, 10. März 2023
Im Pollunder auf Spurensuche
Die heutige Pressevorführung richtete sich vor allem an Fans von Olaf Schubert und seinem sächischen Humor

OLAF JAGGER (1:1.85, 5.1)
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Deutschland 2022
Regie: Heike Fink
Darsteller: Olaf Schubert, Franz-Jürgen Zigelski, Ursula-Rosamaria Gottert
Kinostart: 06.04.2023

Investigativer Dokumentarfilm, in dem sich Comedian Olaf Schubert nach einem senationellen Fund im Nachlass seiner Mutter auf Spurensuche begibt: ein Interview, das seine Mutter als Moderatorin eines DDR-Rundfunksenders mit Mick Jagger von den Rolling Stones geführt hat – und das lange vor dem Mauerfall im westdeutschen Münster! Im Laufe seiner Recherchen – stets begleitet von einem Filmteam – verdichten sich die Hinweise darauf, dass Schubert gar der Sohn von Mick Jagger sein könnte. Was wiederum sein Talent für Auftritte erklären könnte. Heike Finks Doku ist feilich gar keine Doku, sondern eine sogenannte Mockumentary, also eine fiktive Dokumentation, in deren Mittelpunkt das komödiantische Talent des EX-DDRler Olaf Schubert steht. Mit viel Handkamera, groben Schnitten und einem Haufen DDR-Romantik reist Barde Olaf mit Pollunder bekleidet durch das ganze Land, um das Rätsel über seine wahre Identität zu lösen. Das ist mithin nur mäßig amüsant, verzichtet Schubert doch fast gänzlich auf seine gewohnten One-Liner mit Sachsen-Akzent. Der knapp 90 Minuten dauernde Film fühlt sich leider länger an, was Schubert vermutlich auch bei echten Fans Minuspunkte einbringen dürfte. Der gefakten Doku hätte es ganz sicher besser zu Gesicht gestanden, wenn man das gesamte Projekt bierernst inszeniert hätte.
Mittwoch, 08. März 2023
Eine Dirigentin stürzt ab
Es hat mich mal wieder ins Kino gezogen

TÁR (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Tár
Verleih: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Todd Field
Darsteller: Cate Blanchett, Noémie Merlant, Nina Hoss, Sophie Kauer, Julian Glover, Allan Corduner, Mark Strong
Kinostart: 02.03.2023

Lydia Tár steht im Zenit ihres Lebens. Als Chef-Dirigentin hat sie die Berliner Philharmoniker unter sich und will zur Krönung ihrer Arbeit Mahlers fünfte Sinfonie einspielen – ein Wagnis, das für Tár zunehmnd zu einer Bedrohung ihres Lebens ausufert... 2006 brachte Regisseur Todd Field sein exzellentes Drama LITTLE CHILDREN in die Kinos. Seither war Field von der Bildfläche verschwunden – zumindest was das Kino angeht. 16 Jahre später kehrt er nun mit einem neuen Film ins Kino zurück. Und der ist ganz auf seine Hauptdarstellerin Cate Blanchett zugeschnitten. Ihre Power-Performance könnte ihr in der Tat einen Oscar bescheren. In seinem überlangen Film beleuchtet Field die Musikindustrie, die er als knallhartes Business zeigt. So hart, dass sich seine Protagonistin an ihr zugrunde richtet. Denn bist Du erst einmal ganz oben, dann kann es nur noch bergab gehen. Ihr Erfolg steigt Star-Dirigentin Lydia Tár zu Kopf, sie gibt sich arrogant, eckt immer wieder an. Auch ihr Privatleben ist alles andere als einfach. Sie ist mit einer Frau verheiratet, die zudem ihre erste Geigerin im Orchester ist, und sie hat eine kleine Tochter. Die Proben zur Einspielung der fünften Sinfonie von Mahler verlangen alles von ihr ab. In seinen besten Momenten zeigt Field seine von kleinsten Geräuschen geplagte Protagonistin als zunehmend paranoid. Hier muss die extrem subtile Tonspur des Films erwähnt werden, der es gelingt, Társ Hochsensibilität in Sachen Geräusche adäquat und für den Zuschauer nachvollziehbar umzusetzen. Trotz dieser lobenswerten Umsetzung bleibt TÀR leider unter den Erwartungen. Es wird unheimlich viel geredet, fast so als wäre es ein Theaterstück. Zumindest erging mir das so. Sehr löblich empfand ich als Filmmusikfan der ersten Stunde, dass Lydia Tár in einer Sequenz des Films Jerry Goldsmith und seine Partitur zu PLANET DER AFFEN erwähnt. Einfach wunderbar, dass solche Dialoge inzwischen Einzug in die Drehbücher halten. Insgesamt kein schlechter Film, aber mit 158 Minuten Laufzeit einfach viel zu lang.

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