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Donnerstag, 27. April 2023 Eine Holzpuppe lebt Endlich konnte ich Guillermo Del Toros Puppentrickfilm in der Qualität genießen, die dem Film gebührt GUILLERMO DEL TOROS PINOCCHIO (1:1.85, 5.1 + Atmos) OT: Guillermo Del Toro’s Pinocchio Verleih: Netflix International Land/Jahr: USA, Mexiko 2022 Regie: Guillermo Del Toro, Mark Gustafson Kinostart: 24.11.2022
Italien in den 1930er Jahren. Weil er durch den Zweiten Weltkrieg seinen Sohn verloren hat, schnitzt sich der
alte Schreiner Geppetto eine Holzpuppe, die ihn ersetzen soll. Durch einen Geist mit Leben erfüllt, gerät die
Pinocchio genannte Holzpuppe zur Sensation in Geppettos Dorf. Alsbald aber nimmt der brutale und
gemeine Schausteller Graf Volpe die lebende Holzpuppe unter seine Fittiche... Man spürt in jeder Einstellung
des per Stop-Motion animierten Films die Liebe, die hier in jedes kleinste Detail des Films geflossen ist. Zu
Recht hat die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences dieses kleine Meisterwerk mit einem Oscar für
den besten Animationsfilm bedacht. Das emotionale Gerüst des Films liefert einmal mehr Alexandre Desplat
mit seiner Musik, die sich speziell in der ”Dolby Atmos”-Fassung unglaublich räumlich ausbreiten kann.
Überhaupt verfügt der Film über eine sehr hörenswerte ”Dolby Atmos”-Tonmischung, die das immersive
Tonformat vorzüglich nutzt um die Geschichte voranzubringen. Del Toros düstere Neuinterpretation des
Klasikers ”Pinocchio” richtet sich dabei weniger an Kinder als vielmehr an ein erwachsenes Publikum,
behandelt er doch auch brisante Themen wie Faschismus. Ein aufwühlendes, großartiges Filmerlebnis!
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Samstag, 22. April 2023 Film im Kino und Kino im Film Ins Kino gehen um einen Film über ein Kino zu sehen – das hat was. EMPIRE OF LIGHT (1:2.35, 5.1) OT: Empire Of Light Verleih: Walt Disney Studio Motion Pictures GmbH Land/Jahr: Großbritannien, USA 2022 Regie: Sam Mendes Darsteller: Olivia Colman, Micheal Ward, Tom Brooke, Tanya Moodie, Hannah Onslow, Crystal Clarke, Toby Jones und Colin Firth Kinostart: 20.04.2023
Südengland 1981. Auch wenn es unweit des Meeres liegt, so hat das Empire-Kino schon weitaus bessere
Tage gesehen. Sein Personal ist ein wahres Sammelsurium an desillusionierten Menschen. Zu ihnen gehört
Hilary, die mit psychischen Problemen zu kämpfen hat und ihrem Chef sexuelle Dienste leisten muss. Als der
junge Schwarze Stephen zur Truppe hinzukommt, beginnt Hilary wieder aufzublühen. Zwischen den beiden
entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte, die jedoch schon bald vor große Herausforderungen gestellt
wird... Wer Kino mag, wird diesen Film lieben! Sam Mendes und sein Kameramann Roger Deakins
verstehen es perfekt, die ganz besondere Stimmung eines Lichtspielhauses Anfang der 1980er-Jahre in
Südengland einzufangen. Hier ist sehr viel Liebe zum Kino zu spüren, insbesondere dann, wenn Toby Jones
als alter Filmvorführer seinem jungen Kollegen demonstriert, was eine Überblendung ist oder ihm zeigt, dass
das Licht durch Kohlebogenlampen erzeugt wird. Und Jones’ philosophische Betrachtung der
Filmgeschwindigkeit sorgt für einen echten Gänsehautmoment. Doch Mendes inszeniert dieses Kino nicht
zum reinen Selbstzweck, sondern nutzt es als Mikrokosmos, in dem er die unterschiedlichsten Menschen
sich begegnen lässt. Ein Sammelsurium an Menschen, von denn jeder sein Päckchen zu tragen hat und es
zumindest für die Dauer einer Filmvorführung ablegen kann. Die im Mittelpunkt von Mendes’ Film stehende
Liebesgeschichte zwischen der unter Schizophrenie leidenden Duty Managerin Hilary und ihrem ständig mit
rassistischen Anfeindungen konfrontierten Kollegen Stephen mag nicht so recht überzeugen. Hier fehlt der
berühmte Funke, der überspringt. Indes gibt es an der Besetzung nichts zu meckern. Olivia Coleman
überzeugt als psychisch angeknackste Hilary ebenso wie Micheal Ward als verhinderter Student Stephen.
Zur Überraschung präsentiert sich Colin Firth als Kino-Manager mal in einer sehr negativen Rolle, die er
jedoch auch mit Bravour absolviert. Der Score von den Oscar-Preisträgern Trent Reznor und Atticus Ross
schafft in perfekter Weise eine weitere emotionale Ebene für diese gelungene Hommage an eine Zeit, die
wohl nie wieder kommen wird.
INFINITY POOL (1:1.78, 5.1) OT: Infinity Pool Verleih: Universal Pictures Germany. Land/Jahr: Kanada, Ungarn, Frankreich 2023 Regie: Brandon Cronenberg Darsteller: Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman Kinostart: 20.04.2023
James und Em wollen ein paar schöne, unbeschwerte Tage in einem hermetisch abgeriegelten Ferienresort
verbringen. Das Verlassen des Resorts ist strengstens untersagt. Doch die verführerische Gabi und ihr
Partner überreden das Paar zu einer Spritztour – mit tödlichen Folgen: James überfährt unabsichtlich einen
Einheimischen. Die Polizei nimmt ihn und Em fest und stellt sie vor eine folgenschwere Entscheidung, die ihr
Leben von Grund auf ändern wird... Brandon Cronenberg wandelt einmal mehr auf den Spuren seines
berühmten Vaters David und liefert mit INFINITY POOL seinen Beitrag zum sogenannten ”Body Horror”. Die
Geschichte ist dabei von ihrer Idee her ganz nett, geht es doch darum, immer wieder als Double seiner selbst
in die Welt zu kommen. Da kann man dann so richtig die Sau rauslassen – auch gegen sein anderes Ich.
Denn schlimmstenfalls wird man getötet, doch wacht in einem neuen duplizierten Körper wieder auf. Was am
Film weit mehr stört – zumindest mich - ist seine Machart. Denn aufgrund der Musik sowie der oft irrwitzigen
Kameraführung fühlt man sich sofort wieder in die Zeit der 1970er- und 1980er-Jahre zurückkatapultiert.
Jene Zeit also, in der sich David Cronenberg als Meister des Body Horrors etablierte und in der haufenweise
Low Budget Ableger auf den Zug aufzuspringen versuchten. Dabei hatte ich tatsächlich gedacht, dass wir
solch skurrile Zeiten längst hinter uns gelassen haben. Seine FSK 18-Freigabe hat der Film durchaus
verdient – und sicher nicht nur wegen der teils expliziten Sex-Einlagen. Aber mal ganz ehrlich: wäre der Film
mit einer 16er-Freigabe durchgekommen, würde ihn wohl niemand anschauen wollen.
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Donnerstag, 20. April 2023 Tango gefällig? Eine Tragikomödie lockte mich heute in die Pressevorführung ADIÓS BUENOS AIRES (1:2.35, 5.1) Verleih: Alpenrepublik Land/Jahr: Deutschland, Argentinien 2022 Regie: German Kral Darsteller: Diego Cremonesi, Marina Bellati, Manuel Vicente, Rafael Spregelburd, Carlos Portaluppi, Regina Lamm Kinostart: 11.05.2023
Argentinien im Jahre 2001. Es herrscht eine schwere Wirtschaftskrise, die Währung ist im Fallen. Julio, ein
passionierter Bandoneon-Spieler in einer kleinen Musikertruppe, hat die Schnauze voll. Er will nach
Deutschland auswandern. Seiner minderjährigen Tochter gefällt das ebenso wenig wie seinen
Musikerkollegen. Doch Julios Plan steht fest. Meint er zumindest. Denn als er die temperamentvolle
Taxi-Fahrerin Mariela bei einem Unfall kennenlernt, beginnt sein Plan allmählich zu bröckeln... Mit Tango
kennt sich Regisseur German Kral bestens aus. Schon in seinem 2015 veröffentlichten Dokumentarfilm EIN
LETZTER TANGO war er beherrschendes Thema. Jetzt meldet sich der gebürtige Argentinier Kral mit einem
Spielfilm zurück, in dessen Mittelpunkt einmal mehr der Tango steht. Also jene melancholische wie
leidenschaftliche Musik, die sein Land geprägt hat. Um den Tango herum inszeniert Kral eine
Liebesgeschichte, der leider die richtige Leidenschaft fehlt. Gleichzeitig thematisiert er die Zerrissenheit, die
man spürt, wenn man sein Land liebt, es aber aufgrund gesellschaftlicher und politischer Probleme eigentlich
verlassen möchte. In der Rolle des Julio führt Diego Cremonesi diese Zerrissenheit deutlich vor Augen. Dazu
passt die Tango-Musik ganz hervorragend und es sind dann gerade diese Szenen, in denen der Tango
zelebriert wird, die Kral souverän in Szene setzt. Alles andere zündet nicht so richtig. Am Ende bleibt dann
immerhin noch die Erkenntnis, dass man für das, was man liebt, kämpfen muss – selbst wenn dieser Kampf
aussichtlos ist.
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Montag, 17. April 2023 Über Generationen traumatisiert Ein sehr eindringlicher Dokumentarfilm stand heute auf meinem Terminkalender LIEBE ANGST (1:1.78, 5.1) Verleih: Real Fiction Land/Jahr: Deutschland 2022 Regie: Sandra Prechtel
Lores Wohnung gleicht einer Rumpelkammer. Bergeweise stehen Körbe und Schachteln voller Papier in
jedem Zimmer. Es sind handschriftliche Notizen, Briefe oder abgeschriebene Artikel aus der Zeitung, die
Lore archiviert und katalogisiert. Lore hat den Shoa überlebt. Mit sechs Jahren wurde sie von ihrer Mutter auf
einem Dachboden versteckt, bevor ihre Mutter ins KZ deportiert wurde, wo sie ermordet wurde. Seit vielen
Jahrzehnten ist Lore selbst Mutter. Ihre Tochter Kim arbeitet als Mezzosopranistin, ihr Sohn Tom hat sich das
Leben genommen. Noch nie hat Lore über ihre Vergangenheit gesprochen, blieb ihr Leben lang traumatisiert.
Kim leidet darunter sehr, entwickelte Angstpsychosen. Jetzt will sie ihre Mutter zur Rede stellen, ihre
verschüttete Vergangenheit ausgraben, um sich selbst zu therapieren. Filmemacherin Sandra Prechtel
begleitet diesen sehr intimen Prozess mit ihrer Kamera. Sie ist dabei, wenn Mutter und Tochter in
Erinnerungen graben oder sich streiten. Es ist ein langer, extrem schwieriger Prozess und oft schmerzhafter
Prozess, dem man hier als Zuschauer beiwohnt. Mit einer erstklassigen Kameraarbeit (Susanne Schüle) und
einer unheilschwangeren Filmmusik (Reinhold Heil) gelingt ein eindringlicher Dokumentarfilm über das
Erinnern und Verdrängen und den fortwährenden Ablösungsprozess.
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Montag, 10. April 2023 Eine schöne Fahrt Eine gelungene Ostermontagsmatinée IM TAXI MIT MADELEINE (1:2.35, 5.1) OT: Une Belle Course Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Frankreich 2022 Regie: Christian Carion Darsteller: Line Renaud, Dany Boon, Alice Isaaz Kinostart: 13.04.2023
Charles, ein Parisr Taxifahrer in Geldnöten, soll eine alte Dame ganz ans andere Ende der Stadt in ein
Seniorenheim bringen. Ein einfacher, recht langweiliger Job, aber immerhin gut bezahlt. Doch Madeleine, so
der Name seines Fahrgasts, hat ganz anders im Sinn. Denn bevor sie im Seniorenheim eincheckt, möchte
sie noch einmal jene Orte in Paris sehen, die für ihr Leben von großer Bedutung waren. Während Charles
widerwillig auf ihre Wünsche eingeht, erzählt ihr Madeleine ihre Lebensgeschichte... Dany Boon als genervter
und leicht myrrischer Taxifahrer und Line Renaud als sein würdevoller Fahrgast geben in Christian Carions
Film ein ganz besonderes Paar ab. Die Distanz, die Charles anfänglich noch aufrecht zu halten versucht,
versteht Madeleine nach und nach abzubauen. Ihre Offenheit, mit der sie über ihr Leben spricht, ermutigt ihn
schließlich auch über seine Probleme zu sprechen. Und was könnte es besseres geben, als seine Probleme
mit Fremden zu teilen. Der Fortgang der Geschichte hält nicht viele Überraschungen parat und das Ende ist
abzusehen. Dass der mit einem langsamen Erzählfluss trotzdem bei Laune hält, liegt an den guten
Darstellern und der warmherzigen Story, die er erzählt. Besonderes Augenmerk verdient Philipp Rombis
Score, der immer wieder seinem großen Kollegen Bernard Herrmann huldigt. Nicht nur erinnert sein extrem
ruhiges Trompetenmotiv an Herrmanns Hauptthema aus TAXI DRIVER, sondern insbesondere auch die
musikalische Ausgestaltung jener Sequenz, in der es um häusliche Gewalt geht, an die Werke Herrmanns
für Alfred Hitchcock. Die Vermutung liegt nahe, dass die Rohschnittfassung des Films mit Herrmanns Musik
unterlegt war.
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Sonntag, 02. April 2023 Das schreckliche Gesicht des Krieges Sonntagsausflug in die Karlsruher Schauburg IM WESTEN NICHTS NEUES (1:2.35, 5.1 + Atmos) Verleih: Netflix International Land/Jahr: Deutschland 2022 Regie: Edward Berger Darsteller: Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Daniel Brühl, Aaron Hilmer, Devid Striesow Kinostart: 29.09.2022
Norddeutschland im Jahre 1917: Der junge Paul und seine besten Freunde können es kaum erwarten,
endlich als Soldaten ins Feld ziehen zu dürfen und gemeinsam Paris einzunehmen. Die anfängliche Euphorie
weicht jedoch sehr schnell der brutalen Realität an der Westfront... Edward Bergers Neuverfilmung des
Romans von Ericha Maria Remarque ähnelt in Bild- und Tongestaltung sehr Sam Mendes’ 1917.
Farbentsättigte, ja fast schon schwarz-weiße Bilder zeigen die ungeschminkte Wahrheit über die Kämpfe an
der Westfront im Ersten Weltkrieg. Hautnah werden den Zuschauern die Schrecken dieses Krieges
vermittelt, der gleichzeitig stellvertretend für alle anderen Kriege steht. Immer wieder schickt Berger seine
jungen Protagonisten in die verschlammten Schützengräben und lässt sie Angst, Tod und Verzweiflung
durchleben. Man fühlt mit den jungen Männern, die hier keine Menschen mehr sind, sondern nur Material, da
sman dem erklärten Feind entgegenhält. Die fast zweieinhalb Stunden Spielzeit machen sich nicht
bemerkbar, zu sehr ist man mit den Charakteren und ihrem Schicksal verbunden. Ich habe mir den Film ganz
bewusst in der 35mm-Fassung angeschaut, die in der Karlsruher Schauburg zum Einsatz kam, hatte ich mir
doch eine Qualitätssteigerung gegenüber der digitalen Fassung erhofft. Das Hoffen war leider vergebens,
den die Bildqualität der 35mm-Kopie war alles andere als zufriedenstellend.Insbesondere die Bildschärfe ließ
sehr zu wünschen übrig. Und wohl gemerkt: das war kein Problem der Vorführung, sondern der
mangelhaften Kopierung.
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