Wolfram Hannemann | Talstr. 11 | D-70825 Korntal
| Germany | Phone: +49 (0) 711 838 06 49
| Fax: +49 (0) 711 8 38 05 18
e-mail: info (at) wolframhannemann.de |
|
|
Dienstag, 27. Juni 2023 Präzise durchstrukturiertes Kino Darf’s was Normales sein oder ein Film von Wes Anderson? Ich entschied mich heute für Letzteres. ASTEROID CITY (1:1.37 & 1:2.35, 5.1 + 7.1) OT: Asteroid City Verleih: Universal Land/Jahr: USA 2023 Regie: Wes Anderson Darsteller: Tom Hanks, Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Ed Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Rupert Friend, Maya Hawke, Steve Carell, Margot Robbie, Matt Dillon, Hong Chau, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Rita Wilson Kinostart: 15.06.2023
Asteroid liegt irgendwo im amerikanischen Niemandsland mitten in der Wüste. Ab und zu verirren sich
Touristen hierher und bestaunen den Asteroiden, der hier gefunden wurde. Stammgäste sind die Junior
Stargazer, die hier ihr Jahrestreffen abhalten. Zu ihen gesellt sich dieses Mal ein weiterer Gast. Einer von
sehr weit her... Würde eine KI das Drehbuch schreiben und den Film auch noch Visualisieren, so würde der
Film vermutlich genauso aussehen wie ein Film von Wes Anderson. Wie in allen anderen seiner Filme, so
sind auch hier wieder die Dialoge und die Kameraeinstellungen samt ihrer Parallelfahrten mit
mathematischer Präzision angelegt. Gefühle werden nicht gezeigt, sondern in irrwitzig schnellen, meist
emotionslos vorgetragenen Dialogen abgearbeitet. Das visuelle Konzept des in Kapitel und Szenen
unterteilten Films wechselt nicht nur zwischen Scharzweiß und kontrastarmen Pastellfarben, sondern auch
zwischen klassischem 4:3-Bildformat und CinemaScope. Die Darstellerriege wirkt wie ein Who-is-Who des
zeitgenössichen Hollywoods. Angesichts der präzisen Struktur des Films tritt die Story in den Hintergrund. Da
geht es um einen Theaterautor, der ein neues Stück schreibt, das dann sogleich in ausladendem
CinemaScope inszeniert wird. Am Ende bleibt der ein oder andere Schmunzler und noch mehr
Achselzucken. Anstrengend war’s, aber auch irgendwie komplett anders. Wes Anderson eben.
|
Donnerstag, 22. Juni 2023 Ewige Liebe Die heutige Pressevorführung zielte auf den Romantiker in mir PAST LIVES – IN EINEM ANDEREN LEBEN (1:1.85, 5.1) OT: Past Lives Verleih: Studiocanal Land/Jahr: Südkorea, USA 2023 Regie: Celine Song Darsteller: Greta Lee, Teo Yoo, John Magaro Kinostart: 10.08.2023
Nora und Hae Sung sind beide 12 Jahre alt und unzertrennlich. Bis Noras Familie sich entscheidet, von
Südkorea nach Toronto auszuwandern. Die beiden verlieren sich aus den Augen, bis Hae Sung nach 12
Jahren beschließt, Nora im Internet aufzuspüren. In ihren Online-Telefonaten flammt ihre Freundschaft
wieder auf. Doch es soll noch weitere 12 Jahre dauern, bis sich die beiden... Mit PAST LIVES – IN EINEM
ANDEREN LEBEN gibt die in New York lebenede Schriftstellerin Celine Song ihr Debüt als Drehbuchautorin
und Regisseurin. Ihr autobiographisch angehauchter Liebesfilm erzählt von einer Liebe, die allem Anschein
nach vorbestimmt ist bzw. vorbestimmt war. Behutsam inszeniert sie die Geschichte ihrer beiden
Protagonisten, die einen Zeitraum von 24 Jahren umfasst – oder sogar einen noch größeren zeitlichen
Rahmen, denn die Liebe zwischen Nora und Hae Sung hat ihren Ursprung vielleicht in einem anderen, längst
vergangenen Leben. Wem es im wahren Leben schon einmal ähnlich erging, der oder die wird sich in Songs
Film wiederfinden. Verklärte Bilder mit zarter Farbgebung sowie eine feinfühlige Filmmusik tragen zum
Gelingen des Films bei, der Fragen nach Liebe, Schicksal und den Entscheidungen, die ein Leben
ausmachen, verhandelt. Ein Film für RomantikerInnen und solche, die es werden wollen.
|
Montag, 12. Juni 2023 In meinem Element Endlich mal wieder ein Triple geschafft! GET UP (1:2.35, 5.1) Verleih: Constantin Film Land/Jahr: Deutschland 2023 Regie: Lea Becker Darsteller: Lisa Mantler, Lena Mantler, Sinje Irslinger, Jobel Mokonzi, Anton Kappler, Florence Kasumba Kinostart: 29.06.2023
Alex und Lina sind zwar Zwillingsschwestern, doch grundverschieden. Lina hat das Ai mit Bravour geschafft
und Ausicht auf ein Praktikum in London, während Alex durchs Abi gerauscht ist und momentan nicht weiter
weiß. Was die beiden verbindet ist ihre Leidenschaft fürs Skateboardfahren. Zusammen mit der forschen
Ewa und der Anfängerin Nia möchten die Schwestern als Team an einem Skateboard-Wettbewerb
teilnehmen. Doch dafür müssen einige Hürden genommen werden... Nach bewährtem Muster entwickelt
Regisseurin Lea Becker ihren Girls-Power-Film. Will heisen: Überraschungen oder spektakuläre Wendungen
sieht das Drehbuch nicht vor. Dafür trumpft der Film aber mit einer großen Portion Energie auf, die die
Fan-Gemeinde der Influencerinnen Lisa und Lena Mantler mitreißen dürfte. Wie inzwischen üblich, so
werden auch in GET UP zeitgemäße Beziehungskonstrukte ingeflochten. Hier ist es eine lesbische
Beziehung zwischen einem weißen und einem schwarzen Mädchen, die quasi gleich zwei Fliegen mit einer
Klappe erschlägt. Im Film wird dies als vollkommen normal dargestellt, so als wäre es noch nie anders
gewesen. Mit dem Zielpublikum der 14- bis 25-jährigen im Visier funktioniert das bestimmt, ältere Semester
werden sich mit der neuen Normalität noch etwas schwer tun. Verhandelt werden im Film Themen wie
Freundschaft, Geschwisterkonflikte (hier speziell die bei Zwillingen) und die Abnabelung von den Eltern, die
zwar immer nur das Beste für Ihre Kinder wollen, aber nie danach fragen, was die Kinder eigentlich wollen.
Zudem bricht GET UP eine Lanze für Mädels, die genauso gut oder vielleicht sogar besser Skaten können
wie Jungs. Letztere spielen in Beckers Film nur eine Nebenrolle. Und das ist erfrischend wohltuend.
Anmerkung: leider wurde uns der Film in der heutigen Pressevorführung in einer nicht finalen Fassung
gezeigt.
ELEMENTAL (1:1.85, 5.1 + 7.1 + Atmos) OT: Elemental Verleih: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany Land/Jahr: USA 2023 Regie: Peter Sohn Kinostart: 22.06.2023
Das Feuerwesen Ember komt mit ihren Eltern nach Element-City, wo sie ein neues Leben aufbauen wollen.
Embers Vater eröffnet die ”Feuerstelle”, ein Bistro für Feuerwesen, und Ember kann s kaum erwarten, bis sie
eines Tages den Laden führen darf. Doch das feurige Mädchen verliert sehr leicht die Beherrschung und
explodiert immer wieder im wahrsten Sinne des Wortes. Da lernt sie den coolen Wade kennen, ein
Wasserwesen, das ihr zeigt, wie einfach man Spaß haben kann. Aus Feundscahft wird bald Zuneigung. Aber
es ist kompliziert. Denn die beiden Ungleichen können sich nicht berühren, ohne dass sie dem anderen
Schaden zufügen... Wie heisst es doch so schön in der Liebe: Gegensätze ziehen sich an. Und wie könnte
man das besser visualisieren als mit einer Liebesgeschichte zwischen einem Feuer-Mädchen und einem
Wasser-Jungen! In dem unter ederführung von Peter Sohn entstandenen neuen Pixar-Animationsabenteuer
werden diese Elemente aufs Vergnüglichste entfesselt. Es ist fast so, als hätte eine typische Bollywood-Story
Einzug in die perfekt animierte Welt gehalten. Knallbunt präsentieren sich die Elemente in Element-City, jener
Stadt mit unendlich vielen Gassen und wunderbaren Bauten. Hier muss Feuermädchen Ember zu sich selbst
finden, muss erkennen, dass sie sich von den Erwartungen, die ihre Eltern an sie haben, lösen muss, um ein
selbstbestimmtes Leben beginnen zu können. Wasserjunge Wade reisst sie aus ihrem Trott und hilft ihr mit
seinem Witz und unendlich viel Liebe, ihren goldenen Käfig zu verlassen. Es ist eine zu Tränen rührende
Geschichte, die viel über das Wesen der Liebe zu erzählen hat. Eine Liebe, die Feuer und Wasser nicht
gegenseitig auslöscht, sondern die zwei Wesen sich miteinander verschmelzen lässt. Diese Meta-Ebene
richtet sich vor allem an das erwachsene Publikum, doch ist dafür gesorgt, dass auch Kinder ihren Spaß in
Elemnt-City und den quirrligen und lustigen Elemnten haben.
SIEBEN WINTER IN TEHERAN (1:1.78, 5.1) Verleih: Little Dream Pictures Land/Jahr: Deutschland 2023 Regie: Steffi Niederzoll Kinostart: 14.09.2023
In ihrem Film dokumentiert Filmemacherin Steffi Niederzoll auf sehr eindringliche Weise den Fall der jungen
Iranerin Reyhaneh Jabbari, die im Jahre 2014 nach sieben Jahren im Gefängnis im Alter von 27 Jahren in
Teheran hingerichtet wurde. Dabei war sie alles andere als schuldig: sie hatte sich gegen ihre
Vergewaltigung gewehrt und den Täter erstochen. Doch Reyhanehs Fall wird schnell zum Politikum, war
doch ein ranghohes Mitglied des iranischen Geheimdienstes involviert. Der Gerichtsprozess verkommt zur
Farce, als der ordentliche Richter durch einen Reginetreuen ersetzt wurde. Im Gefängnis erleidet die junge
Frau Höllenqualen, während ihre Famille alle Hebel in Bewegung setzt, um die Schwester und Tochter zu
retten. Der Fall Reyhaneh, der für weltweites Entsetzen sorgte, ist dabei nur eines von zahllosen Beispielen,
wie die Rechte von Frauen vom iranischen Regime missachtet werden. Steffi Niederzoll montiert ihren Film
aus aktuellen Interviews mit der Familie und ehemaligen Gefängnisgenossinnen Reyhanehs sowie einer
Menge an Handy-Aufnahmen, die aus dem Iran unter Todesgefahr herausgeschmuggelt wurden. Zudem
lässt sie Briefe von Reyhaneh aus dem Off vorlesen, in der sie ihre Erlebnisse schildert und ihre
Überzeugungen darlegt. Niederzolls Doku vermittelt dabei tiefe Einblicke in das Rechtssystem des Iran, das
von westlichen Werten weit entfernt ist. Ein Film, der zugleich zutiefts traurig und wahnsinnig wütend macht.
|
Dienstag, 06. Juni 2023 Das eiskalte Händchen Horrorfilme werden uns in den Pressevorführungen leider nur extrem selten gezeigt. Heute war eine Ausnahme TALK TO ME (1:2.35,5.1) OT: Talk To Me Verleih: Capelight Pictures Land/Jahr: Australien 2022 Regie: Danny Philippou, Michael Philippou Darsteller: Sophie Wilde, Miranda Otto, Alexandra Jensen, Joe Bird Kinostart: 27.07.2023
Eine Gruppe von Teenagern gerät in den Besitz einer lebensgroßen Hand aus Keramik, die angeblich eien
Brücke ins Jenseits schlagen kann. Was anfangs noch ein Heidenspaß ist, wird schon sehr bald zum
blutigen Ernst... Inzwischen ist es fast schon eine gute alte Tradition, dass sich Geschwister bei hrem
Einstieg ins Filmgeschäft die Regie bei einem Horrorfilm teilen. Hier sind es Danny und Michael Philippou, die
mit TALK TO ME auf bewährten Pfaden wandeln und den Zuschauern ihre Version einer Achterbahnfahrt
liefern. Allerdings sind insbesondere Genre-Fans seit dem fulminanten SMILE von solchen
Achterbahnfahrten ziemlich verwöhnt. Mit dem Ergebnis, dass TALK TO ME eigentlich nicht mehr als solide
B-Ware liefert. Dabei ist der Film souverän inszeniert und zieht alle Register moderner Tontechnik. Alleine
die Story vermag nicht ganz zu packen. Sie liefert hier und da einen spannenden Moment, läuft aber im
letzten Drittel dann etwas aus dem Ruder. Um die Fans zu beglücken, verzichten die Philippou-Brüder
natürlich nicht auf Brutalitäten und lassen das Blut literweise strömen. Es ist sehr scahde, dass die
Filmemacher auf derartige Effekte setzen, um ihren Horror zu versprühen anstatt sich wirkliche Gedanken
zun einem perfekten Spanungsaufbau zu machen. Für ungeübte Zuschauer im Horrorfach gibt es freilich ein
paar ”Scare Jumps”, die erfahrene Horrorfans nicht aus der Reserve locken. Erstere werden also mit dem
Film mehr Freude haben als Letztere.
|
Montag, 05. Juni 2023 Ein starkes Mädchen In meinem heutigen Double Feature schloss ich Bekanntschaft mit einer toughen jungen Frau und lernte die Zustände in einem Flüchtlingslager kennen RODEO (1:2.35, 5.1) OT: Rodéo Verleih: Plaion Pictures Land/Jahr: Frankreich 2022 Regie: Lola Quivoron Darsteller: Julie Ledru, Yannis Lafki, Antonia Buresi Kinostart: 13.07.2023
Ein echtes Lächeln hat sie nur, wenn sie ein PS-starkes Motorrad zwischen ihren Beinen hat und bis zum
Anschlag beschleunigen kann. Dann ist Julie pure Energie. Und grenzenlos frei. Geld hat sie keines, braucht
es auch nicht, wie sie selbst betont. Mit ihrem gestohlenen Motorrad versucht sie bei den illegalen
”Rodeo”-Motorradtreffs zu punkten. So gerät sie an die harten Jungs, deren Leben sich um waghalsige
Stunts und irre Mutproben dreht. Und das Klauen von Motorrädern. Julie gerät immer tiefer in die Fänge einer
gefährlichen Parallelgesellschaft... Endlich gibt es auf der Leinwand mal wieder eine Protagonistin, die
genauso hart ausgibt wie sie rangenommen wird: Julie Ledru. Mit ihrer karibikgebräunten Haut und den
langen schwarzen Locken repräsentiert sie genau jenen Typ von Frau, um die man sich keine Sorgen
machen muss. Die Hübsche weiß ganz genau was sie tut, kennt ihre Ziele und weiß, wie man sie erreicht.
Um sie herum inszeniert Lola Quivoron einen PS-starken Mikrokosmos, überlagert das Dröhnen der Motoren
mit einem basslastigen, weiträumigen Soundtrack. Ihre Kamera bleibt oft auf den Gesichtern ihrer sehr agilen
Darstellerriege und der Schnitt legt ein gewaltiges Tempo vor. Optisch und akustisch wird hier der
begrenzende Rahmen der Leinwand gesprengt und reißt den Zuschauer mit in das Geschehen hinein.
Quivorons Film fesselt bis zur letzten Minute und liefert damit den Beweis, dass das Kino noch längst nicht
jede Geschichte erzählt hat.
PICKNICK IN MORIA – BLUE RED DEPORT (1:1.78, 5.1) Verleih: Farbfilm Verleih Land/Jahr: Deutschland 2022 Regie: Linda Luþytë Kinostart: 08.06.2023
Einst war das Auffanglager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos für 2500 Flüchtlinge gedacht, doch
inzwischen leben dort 13000 Asylsuchende. Europa weigert sich seit 2020 weitere Geflüchtete aufzunehmen.
Die Zustände im überfüllten Lager sind prekär und menschenunwürdig. Die litauische Filmemacherin Linda
Luþytë hat sich für ihren Dokumentarfilm das Schicksal des afghanischen Künstlers Talibshah Hosini
herausgepickt, der jetzt seit acht Mon aten mit seiner Frau und den drei Kindern in Moria lebt. Um allen
Geflüchteten eine Stimme zu geben und die Missstände im Lager sowie der undurchschaubaren
Asylprozedur aufzuzeigen, entschloss sich Hosini, einen Spielfilm darüber zu machen. Mit einfachsten Mitteln
und unter Mithilfe anderer Flüchtlinge arbeitet er an seinem Projekt. Luþytës Kamera beobachtet ihn dabei
unkommentiert, lässt ihn und andere Flüchtlinge offen über die Situation sprechen. Dabei wird schnell klar,
dass die unerträgliche Situation langsam aber sicher die Nerven aller blank liegen lässt. Verzweifkung und
Wut bricht sich immer wieder Bahn, doch die Arbeit am Film gibt Hosini und seinen Mitstreitern auch immer
wieder Halt. Luþytës Film ist bedrückend und macht den Zuschauenden fassungslos. Unglaublich, was hier
mitten in Europa passiert. Die Politik hat versagt, die Menschen bleiben auf der Strecke. Immerhin gelingt
es de Künstler, seinen Film zu vollenden und ihn im Lager zu zeigen. Man ist sich einig, dass Hosini damit
den Nagel auf den Kopf trifft. Bleibt zu hoffen, dass sein Film ”Picknick in Moria” den Weg in die Filmfestivals
finden wird.
|
Datenschutzerklärung All displayed Logos and Product Names may be ©, TM or ® by their respective rights holding companies. No infringement intended. |