Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Mittwoch, 30. Juli 2025
Mit Bibern auf Augenhöhe
Ein richtig netter Nachsitztermin

HUNDREDS OF BEAVERS (1:1.78, 5.1)
OT: Hundreds Of Beavers
Verleih: Lighthouse
Land/Jahr: USA 2022
Regie: Mike Cheslik
Darsteller: Ryland Brickson Cole Tews, Olivia Graves, Wes Tank, Doug Mancheski, Luis Rico
Kinostart: 13.02.2025

Bartträger Jack ist ein Pechvogel wie er im Buche steht. Nachdem seine Cider-Fabrik aufgrund seines übermäßigen Alkoholkonsums bis auf die Grundmauern abfackelt, findet sich der leicht dumpfbackige Jack mittellos und ohne Nahrung inmitten eines schneebedeckten Waldes wieder. Weder die Jagd auf Hasen noch anderes Getier mag so recht gelingen. Und dann sind da auch noch die emsigen Biber, die immer wieder seinen Weg kreuzen. Jack fasst einen Plan: er will Biber jagen und sie an einen kauzigen Gemischtwarenhändler verkaufen. Und mehr noch: für Hunderte von Bibern kann er dessen hübsche Tochter bekommen... Dass der Titelvorspann erst nach der Hälfte des Films auftaucht, ist bei Weitem nicht das einzig Außergewöhnliche an dem von Regisseur Mike Cheslik und seinem Hauptdarsteller und Drehbuchautor Rylan Brickson Cole Tews erschaffenen Werk, das sich nur schwerlich in ein Genre pressen lässt. In sattem Schwarzweiß und immer wieder gespickt mit typischen Zelluloid-Artefakten, verzichtet der Film komplett auf Dialoge und überlässt Geräuschen und Filmmusik die Bühne. Mit einem Sammelsurium von Stilmitteln, die von Live Action bis hin zu 2D Animationen reichen, spult der Film eine Geschichte ab, die hanebüchener und gleichzeitig witziger nicht sein könnte. Hier beweisen zwei Filmverrückte, dass ihre Phantasie keine Grenzen kennt und reißen damit das Publikum mit. Biber, Hasen, Pferde, Wölfe – in jedem der Tiere steckt mindestens ein Mensch, was nicht nur am aufrechten Gang abzulesen ist, sondern auch an der Körpergröße. Es wird geschlagen, zerrupft, gestoßen, gestochen bis zum Abwinken. Für Genre-Liebhaber gibt es natürlich auch Splatter-Einlagen, die sich allerdings auf das Ausnehmen von Stofftieren beschränken. HUNDREDS OF BEAVERS ist zudem übersät mit Running Gags, die zum Amüsement der Zuschauenden beitragen. Auch wenn der Film zum Ende hin etwas zu lang erscheint, rate ich dringend dazu, dieses nicht einordenbare Machwerk zu goutieren. Am besten in Gesellschaft und ausreichend Cider!

Donnerstag, 24. Juli 2025
Das Leben im Moment
Es lohnt sich doch noch ins Kino zu gehen!

THE LIFE OF CHUCK (1:1.85, 1:2.00, 1:2.35, 5.1 + Atmos)
OT: The Life Of Chuck
Verleih: Tobis
Land/Jahr: USA 2025
Regie: Mike Flanagan
Darsteller: Tom Hiddleston, Chiwetel Ejiofor, Karen Gillan, Mia Sara, Carl Lumbly, Benjamin Pajak, Jacob Tremblay, Mark Hamill
Kinostart: 24.07.2025

Eigentlich kaum zu glauben, dass es sich bei der Vorlage für diesen Film um eine Kurzgeschichte von Stephen King handelt, jenem Schriftsteller also, der insbesondere auf Horrorgeschichten spezialisiert ist. Ganz anders jedoch hier. Denn King liefert trotz des depressiven Endes eine durch und durch lebensbejahende Geschichte, fulminnat für die Leinwand umgesetzt von Mike Flanagan. Es geht um das Leben im Moment und darum, seinen Weg zu gehen, egal was andere darüber denken. Immer im Einklang mit sich selbst zu sein und das Leben in jedem Moment zu genießen. Denn es sind nur diese Momente, die wir haben. Niemand weiß, wann die Zeit gekommen ist, Abschied vom Leben zu nehmen. Darum gilt es jeden Moment intensiv zu leben. Und so beginnt der Film eigentlich zu recht mit dem Ende, betitelt als Kapitel 3 (und optisch auf CinemaScope kadriert). Und was für ein Ende! Da kollabiert die ganze Welt, ganze Länder verschwinden von der Erboberfläche. Angesichts solcher Katastrophen finden die Menschen plötzlich wieder zueinander, exemplarisch gezeigt an einem getrennt lebenden Paar. Gemeinsam schauen sie sich den Nachthimmel an und halten Händchen. Sterne verschwinden mit lautem Knall vom Firmament. Die Zeit scheint gekommen, um sdchnell noch Wichtiges zu sagen. Doch das ”Ich liebe Dich” von ihm wird jäh abgebrochen – mitten im Satz. Wie bei einem Filmriss bleibt der Kinosaal stockfinster. Erst nach einem ganzen Weilchen öffnet sich Kapitel 2 (im Format 1:2.00), das einen Tag im Leben des Buchhalters Chuck Krantz schildert. Einen ganz besonderen Tag. Mit Schlagzeug und Tanz. Ein Tag, der allen Beteiligten im Gedächtnis bleiben wird. Und der unglaublich viel Freude beim Zuschauen bereitet! Der Film kommt jetzt in Kapitel 1 an (im klassischen 1:1.85), in dem Kindheit und Jugend von Chuck geschildert werden und zeigt, wie er zu dem wurde was er ist. THE LIFE OF CHUCK ist ein Film der ebenso aufrüttelt wie zu Tränen rührt. Ein Film der zeigt, wie vergänglich das Leben ist. Und wie winzig und unbedeutend wir im Universum sind. Also haltet auch mal inne – und tanzt ein bisschen! Flanagans Film ist ein absoluter Geheimtipp!
Dienstag, 22. Juli 2025
Martialisches Äußeres - weicher Kern
Eine Musik-Doku lockte mich heute in die Pressevorführung

KREATOR – HATE & HOPE (1:2.35, 5.1 + Atmos)
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Deutschland 2025
Regie: Cordula Kablitz-Post
Kinostart: 04.09.2025

Nach außen hin wirken sie ziemlich martialisch, doch innen haben sie alle einen weichen Kern: die Jungs der Trash-Metal-Band ”Kreator”. Nach ihren Filmen über die ”Toten Hosen” und ”Scooter” rückt Filmemacherin Cordula Kablitz-Post in ihrer neuesten Musik-Doku dieser sehr erfolgreichen Band ganz dicht auf die Pelle. Und die (inzwischen alten) Herren scheinen das richtig zu genießen. Und die Hartgesottenen nehmen dabei kein Blatt vor den Mund – was immer wieder zu amüsanten Zitaten führt, mit denen sie die Zuschauenden ganz sicher auf ihre Seite ziehen werden. Kablitz-Post kitzelt alles aus der Truppe heraus – von ihren Anfängen im Ruhrpott bis hin zu aktuellen Touren in Japan und den USA. Und Nichtwissende erfahren im Detail, worum es eigentlich im Trash-Metal überhaupt geht. Wegbegleiter der Band kommen hier ebenso zu Wort wie langjährige Fans. Und natürlich darf auch die Musik selbst nicht fehlen: in CinemaScope und mit Dolby Atmos Sound holt der Film das Kinopublikum direkt auf die Bühne! Es wird laut. Aber genau so muss das auch sein. Wer noch nie mit Trash-Metal-Musik oder gar ”Kreator” in Berührung gekommen ist, dem empfiehlt sich der Film ebenso wie dem Hardcore-Trash-Metal-Fan. Am besten schaut Ihr Euch den Film gemeinsam an!
Donnerstag, 17. Juli 2025
Going Mainstream
Welcher Teufel hatte mich geritten, dass ich mich auf ein solches Double Feature eingelassen habe?

SUPERMAN (1:1.85, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Superman
Verleih: Warner Bros. Pictures Germany
Land/Jahr: USA, Kanada, Australien, Neuseeland 2025
Regie: James Gunn
Darsteller: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult
Kinostart: 10.07.2025

Bösewicht Lex Luthor will seinen Rivalen Superman mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vernichten. Eine beispiellose Materialschlacht beginnt... Was waren das noch für Zeiten, als Richard Donner 1978 mit seiner SUPERMAN Verfilmung neue Maßstäbe setzte! Da gab es neben überzeugenden Effekten auch noch eine Geschichte mit viel Emotionen. In seiner Neuauflage interessiert sich Regisseur James Gunn leider nur für visuelle Effekte und lässt die Story außen vor. Schade darum. Seine überbordenden Effekte überfordern die Zuschauenden und führen zur schnellen Ermüdung. Dialoge auf Fernsehfilmniveau tun den Rest, um das Publikum in den Schlaf zu wiegen. Aber Halt – da war doch noch was? Richtig – zum Schlafen kommt man erst gar nicht. Denn ständig sorgt die brachiale Tonspur dafür, dass die Subwoofer im Kinosaal vom Staub befreit werden und dies auch bleiben. Was mich freilich sehr gefreut hat. Da gab es aber noch einen Punkt, der mich persönlich gestört hat: das Bildformat. Denn im Flat-Format 1:1.85 wirkt der Film optisch wie eine TV-Produktion! Ich vermute, dass der Film im Hinblick darauf konzipiert wurde, in IMAX-Kinos möglichst die gesamte Bildwand zu füllen. Und das wäre im Scope-Format nicht möglich gewesen. Aber haken wir den Film einfach ab. Gesehen. Vergessen.

JURASSIC WORLD: DIE WIEDERGEBURT (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Jurassic World: Rebirth
Verleih: Universal Pictures International Germany
Land/Jahr: USA, Großbritannien, Malta, Indien, Taiwan 2025
Regie: Gareth Edwards
Darsteller: Scarlett Johansson, Mahershala Ali, Jonathan Bailey, Rupert Friend
Kinostart: 02.07.2025

Ein Trupp geldgieriger Menschen wagt sich über 30 Jahre nach Eröffnung des ersten Jurassic Parks wieder in das inzwischen als Sperrgebiet deklarierte Areal, um DNA-Proben von Sauriern zu entnehmen, die für die Pharma-Industrie von Nutzen sind. Unterwegs stoßen sie auf eine Familie, die mit einem Segelboot unterwegs ist. Gemeinsam müssen sie nun gegen die T-Rex und Co bestehen... Ein in die Länge gestrecktes Machwerk! Das Ganze hätte auch gut verpackt in einen Neunzigminüter gepasst. Dazu vollkommen unglaubhafte Figuren, allen voran Scarlett Johansson, der man die Söldnerin zu keiner Sekunde abnimmt. Die Handlung ist mit unzähligen Versatzstücken aus anderen Filmen gespickt (unter anderem lassen DER WEISSE HAI und ALIENS grüßen!), die Tonspur bleibt unter den Erwartungen und die Filmmusik recycelt John Williams’ Score aus dem allerersten JURASSIC PARK Film. Die Freigabe ab 12 Jahren mutet ziemlich gewagt an wenn man bedenkt, dass auch Sechsjährige (in Begleitung Erwachsener) den Film anschauen dürfen. Alles in allem ein ziemlich langweiliges Filmchen, das man nach Verlassen des Kinosaals sofort wieder vergessen hat. Und das ist auch gut so.
Dienstag, 08. Juli 2025
Tilda gibt nicht auf
Ene Romanverfilmung lockte mich heute in die einzige Pressevorführung der Woche

22 BAHNEN (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
Verleih: Constantin Film
Land/Jahr: Deutschland 2025
Regie: Mia Maariel Meyer
Darsteller: Luna Wedler, Zoë Baier, Jannis Niewöhner, Laura Tonke, Zoe Fürmann, Eleanor Reissa, Kosmas Schmidt, Ercan Karacayli
Kinostart: 04.09.2025

Jeden Tag schwimmt Studentin Tilda ihre 22 Bahnen im örtlichen Freibad. Denn das ist ihre einzige Auszeit, die ihr bleibt. Alles andere ist durchgetaktet. Der Job als Kassiererin im Supermarkt, die alkoholkranke Mutter und ihre kleine Schwester, um die sich liebevoll kümmert, verlangen ihr alles ab. Als sie plötzlich die Aussicht auf eine Promotion in Berlin hat, wirft sie das in eine schwere Krise: bleiben oder gehen? Und dann taucht da plötzlich der geheimnisvolle Viktor auf, der in Tilda ungeliebte Erinnerungen wachruft... Nach dem erfolgreichen Roman von Caroline Wahl hat jetzt Mia Maariel Meyer den Stoff für die große Kinoleinwand adaptiert. Mit Luna Wedler als Tilda und Zoë Baier als Ida beweist die Regisseurin das Gespür für die perfekte Besetzung. Auch wenn viel von dem was in diesem Jugend-Sozial-Drama passiert relativ klischeehaft wirkt, so hilft die Top-Besetzung darüber hinwegzusehen. Und Jannis Niewöhner brilliert als Viktor einmal mehr in einer mysteriösen, undurchsichtigen Rolle. Der Score von Dascha Dauenhauer trägt – im positiven Sinn - viel zur emotionalen Wirkung des Films bei. Von Tim Kuhn souverän in CinemaScope eingefangen, schaut man gerne auf die Leinwand und kann sich in die Figuren hineinversetzen. Und ja, es gibt natürlich auch ein Happy End. Das Kinoticket ist gut investiertes Geld.

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