Wolfram Hannemann
Filmkritiker / Freelance Journalist / Filmemacher

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Donnerstag, 30. Oktober 2025
Eine Familie muss sich wieder finden
Starkes europäisches Kino in der heutigen Pressevorführung

SENTIMENTAL VALUE (1:1.85, 5.1)
OT: Affeksjonsverdi
Verleih: Plaion Pictures
Land/Jahr: Norwegen, Frankreich, Dänemark, Deutschland 2025
Regie: Joachim Trier
Darsteller: Renate Reinsve, Stellan Skarsgård, Elle Fanning, Inga Ibsdotter Lilleaas
Kinostart: 04.12.2025

Als ihr Vater Gustav nach jahrelanger Funkstille plötzlich wieder auf der Gedenkfeier ihrer verstorbenen Mutter auftaucht, sind die Schwestern Agnes und Nora alles andere als begeistert. Die Beziehung zu ihrem Vater, einem erfolgreichen Filmregisseur, war schon immer extrem schwierig, hat er doch stets seine Arbeit über die Bedürfnisse seiner Familie gestellt. Und mehr noch: Gustav hat ein neues Drehbuch im Gepäck, dessen Hauptrolle er mit seiner Tochter Nora, einer professionellen Bühnenschauspielerin mit starkem Lampenfieber, besetzen möchte. Die Familiendynamiken geraten ins Rollen. Ist es bereits zu spät für einen Neuanfang? - Ein Haus als Symbol für eine Familie – mit dieser furiosen Eröffnung bereitet Regisseur Joachim Trier sein Publikum auf das vor, was er in den nächsten 133 Minuten erzählen wird. Es ist die Geschichte einer Familie, insbesondere die einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung. Trier unterfüttert diese immer wieder mit kurzen, sehr flott geschnittenen Rückblenden. Mal sind es die Kindheitserinnerungen des Vaters, mal jene seiner Töchter. Das greift alles wunderbar ineinander ohne je langweilig zu werden. Getragen wird Triers Film von einem echten Power-Ensemble. Neben Stellan Skarsgård, der alleine mit seinen Blicken Bände erzählen kann ohne zu reden, glänzt vor allem das weibliche Dreigespann: Renate Reinsve, Inga Ibsdotter Lilleaas und Elle Fanning. Letztere beweist in ihrer Rolle als Schaupielerin Rachel Kemp, dass sie eine oft weit unterschätzte Darstellerin ist. Wer anspruchsvolles Kino mit Tiefgang mag, sollte diesen Film auf keinen Fall verpassen. Noch ein kleiner Fun Fact für Filmmusik-Enthusiasten: Trier verwendet für die Musik seines Films u.a. Alex Norths Liebesthema aus SPARTACUS in einer Jazzversion.
Dienstag, 28. Oktober 2025
Eva will es wissen und Countdown zur Premiere
Einmal mehr ein gemischtes Doppel in der heutigen Pressevorführung

EIN LEBEN OHNE LIEBE IST MÖGLICH, ABER SINNLOS (1:2.35, 5.1)
OT: Mi Amiga Eva
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Spanien 2025
Regie: Cesc Gay
Darsteller: Nora Navas, Juan Diego Botto, Rodrigo de la Serna
Kinostart: 11.12.2025

Eva, verheiratet, zwei Kinder und kurz vor ihrem 50. Geburtstag, will es nochmal wissen: als sie bei einer Dienstreise nach Rom den Drehbuchautor Alex trifft, keimt in ihr der Wunsch auf, sich noch einmal richtig zu verlieben... Der Humor in Cesc Gays (Romantik)Komödie (?) weiß sich gut zu tarnen. Leider. Gays Film ist eine Art entschleunigtes Woody Allen’sches Liebesdrama von gefühlt zweieinhalb Stunden (bei gerade mal 100 Minuten Spielzeit), das den Wunsch einer 50jährigen Ehefrau thematisiert, sich noch einmal verlieben zu wollen. Aus diesem Thema hätte man durchaus etwas Amüsantes zum nachdenken machen können, doch genau das passiert eben nicht. Schade.

LA SCALA – DIE MACHT DES SCHICKSALS (1:2.35, 5.1)
OT: La Scala – La Force Du Destin / La Scala – La Forze Di Destino
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Frankreich 2025
Regie: Anissa Bonnefont
Kinostart: 18.12.2025

Nachdem es bereits zwei Dokumentarfilme über die Stuttgarter und einen weiteren über die Pariser Oper gibt, war es an der Zeit, auch einmal hinter die Kulissen des berühmtesten Opernhauses der Welt zu blicken: La Scala in Mailand. Dort feiert jedes Jahr genau am 07. Dezember eine neue Operninszenierung ihre glanzvolle Premiere. In diesem Fall ist es eine modernisierte Version von Verdis ”Die Macht des Schicksals”. Regisseurin Anissa Bonnefont hat dem bunten Treiben von Tag 1 bis zur Premiere mit ihrer agilen Kamera zugeschaut und ihren Dokumentarfilm als Countdown inszeniert, beginnend 75 Wochen vor der Premiere. Der Film bleibt stets beobachtend, es gibt weder Off-Kommentare noch Interviews. Stattdessen taucht die Kamera tief ein in alle Gewerke, beobachtet Proben der Künstler, die Arbeit der Szenenbildner, die Arbeit der Kostümabteilung usw. Entstanden ist daraus ein furios montierter Reigen an Bildern, die für sich selbst sprechen – eingefangen wie es sich für eine Oper gehört: in ausladendem CinemaScope. Passend dazu liefert Jack Bartman einen exzellenten Score, der manchmal sogar eine Symbiose mit der Verdi-Oper eingeht. Ein Dokumentarfilm, der die Zuschauenden von der ersten bis zur letzten Minute in Atem hält. Man fiebert wahrhaftig mit dem gesamten Ensemble mit und hofft, dass bis zum Premierenabend auch alles funktionieren wird. Meine Empfehlung für Dezember.
Samstag, 25. Oktober 2025
Born in the USA
Mal wieder ein Künstlerporträt auf der Leinwand

SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Springsteen: Deliver Me From Nowhere
Verleih: The Walt Disney Company Germany
Land/Jahr: USA 2025
Regie: Scott Cooper
Darsteller: Jeremy Allen White, Jeremy Strong, Paul Walter Hauser, Stephen Graham, Odessa Young, Gaby Hoffman, Marc Maron, David Krumholtz
Kinostart: 23.10.2025

Nach ersten Erfolgen als Rocksänger macht sich der junge Bruce Springsteen 1981 daran, ein neues Album zu konzipieren. Ein Prozess, während dem sich der Musiker mit den Geistern seiner Vergangenheit auseinandersetzen muss und fast daran scheitert... Regisseur Scott Cooper widmet sich in seinem Biopic einer Zeit in Bruce Springsteens Leben, als dieser sein Album ”Nebraska” konzipierte. Aufgenommen auf einem Vierspur-Recorder in Springsteens Schlafzimmer sollte ihm damit sein weltweiter Durchbruch gelingen. Der Film schildert den mühevollen Weg dorthin, auf dem sich Springsteen den Dämonen seiner Vergangenheit stellen musste und ganz allmählich in eine Depression abrutschte. Jeremy Allen White glänzt in der Rolle des ”Boss”, für die er auch alle Songs selbst aufnahm. Ihm zur Seite steht Jeremy Strong als sein Manager Jon Landau, der mit extrem viel Geduld und noch mehr Überzeugungskraft seinem Schützling beiseite steht. Beeindruckend auch Stephen Graham in der Rolle von Springsteens Vater, mysteriös, monströs, unberechenbar und depressiv. Musik spielt natürlich auch eine zentrale Rolle in Coopers Film, konzentriert sich aber mit wenigen Ausnahmen auf Springsteens Akustik-Album. Für Fans der Rocklegende ein Muss.
Freitag, 24. Oktober 2025
Der Schöpfer und seine Kreatur
Heute gab es Gothic Horor vom Feinsten

FRANKENSTEIN (1:1.85, 5.1 + Atmos)
OT: Frankenstein
Verleih: Netflix
Land/Jahr: Mexiko, USA 2025
Regie: Guillermo del Toro
Darsteller: Oscar Issac, Jacob Elordi, Christoph Waltz, Mia Goth
Kinostart: 23.10.2025

Dr. Victor Frankenstein ist ein fanatischer Arzt, der sich das Ziel gesetzt hat, den Tod zu bezwingen. In einem riesigen Labor kreiert er mittels Elektrizität und Leichenteilen ein Wesen, das anfängt zu leben... Guillermo del Toro hat sich dem berühmten Schauerroman von Mary Shelley gewidmet und bringt damit eine weitere Verfilmung des Frankenstein-Stoffes auf die Leinwand. Darin geht es um die Frage, wer das eigentliche Monster ist: die Kreatur, die aus Leichenteilen zusammengesetzt und zu ewigem Leben verdammt ist, oder ihr Schöpfer, der ebenso geniale wie gewissenlose Dr. Victor Frankenstein. Mit einem ebenso einfühlsamen wie auch bombastischen Score von Alexandre Desplat, einer fein abgestimmten Dolby Atmos Tonmischung, einer exquisiten Bildgestaltung durch Dan Laustsen und einer fulminanten Ausstattung ist del Toro eine atmosphärisch dichte Schauermär gelungen, die zwar vor einigen Härten keinen Halt macht, aber immer im Erträglichen bleibt. Der Erzählrhythmus unterscheidet sich wohltuend von anderen Horrorfilmen durch seinen Mut zur Langsamkeit. Bei all seinen tollen Bildern, die augenscheinlich auf die Auswertung in Kinos abzielt und nicht auf Streaming-Plattformen, stellte sich zumindest bei mir irgendwann aber der Eindruck ein, einen jener berühmten TV-Advents-Vierteiler zu sehen. Das lag wohl vor allem an der Struktur von del Toros Film, der in einen Prolog und zwei Kapitel unterteilt ist. Dabei ist Kapitel 1 aus der Sicht von Dr. Frankenstein erzählt, Kapitel 2 aus der Sicht seiner Kreatur.
Mittwoch, 22. Oktober 2025
Wieviel Klimt darf’s denn sein?
Eine äußerst vergnügliche Doku hielt mich heute morgen bei Laune

MANCHE MÖGEN’S FALSCH (1:2.35, 5.1)
Verleih: W-Film
Land/Jahr: Deutschland 2025
Regie: Stanislaw Mucha
Kinostart: 06.11.2025

Mi einem schelmischen Augenzwinkern begibt sich Regisseur Stanislaw Mucha in das Dorf Dafen nahe der chinesischen Metropole Shenzhen. Dafen gilt als die größte Fälscherwerkstatt der Welt. Tausende von Malern kopieren Tag und Nacht die alten Meister in Öl und verkaufen die Fälschungen dann in alle Herren Länder. Ob Van Gogh, Vermeer oder Rubljov – hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Die Maler selbst sehen ihre Arbeiten nicht als Fälschungen an, sondern als Kopien, mit denen sie den Originalen huldigen. Einigen dieser Künstler hat Mucha bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut und lässt sie davon erzählen, wie sie das wurden was sie sind. In kinogerechten Bildern im CinemaScope-Format (Kamera: Marcus Winterbauer) gibt der Film damit tiefe Einblicke in diesen Fälscher-Mikrokosmos und wirft ganz nebenbei die Frage auf, was eigentlich ein ”Original” ist. Denn so manche Kopie aus Dafen wurde von Experten als Original befunden. Und das wiederum spricht für die große Kunst der Kopierer. Ein vergnüglicher, kurzweiliger Dokumentarfilm.

Dienstag, 21. Oktober 2025
Ménage-à-Trois im Jenseits
Einzige Pressevorführung in dieser Woche: eine Romantikkomödie

ETERNITY (1:2.35, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: Eternity
Verleih: A24
Land/Jahr: USA 2025
Regie: David Freyne
Darsteller: Miles Teller, Elizabeth Olsen, Callum Turner, John Early, Olga Merediz, Da’Vine Joy Randolph
Kinostart: 04.12.2025

Hand aufs Herz, meine Damen: wenn Sie die Wahl hätten, den Rest der Ewigkeit mit dem Mann zu verbringen, mit dem Sie seit Jahrzehnten verheiratet sind, oder mit ihrem Jugendschwarm – wie würden Sie sich entscheiden? Vor genau diese Entscheidung wird Joan gestellt, als sie ins Jenseits kommt und plötzlich mit ihrem aktuellen Ehemann Larry sowie ihrem ersten Ehemann Luke, der viel zu früh im Krieg gefallen ist, konfrontiert wird. Jetzt soll sie sich entscheiden, mit wem von beiden sie die Ewigkeit verbringen möchte... In seiner romantischen Komödie geht Regisseur David Freyne der Frage nach, was eigentlich Liebe ist. Und er findet auch eine sehr schöne Antwort darauf. Das Jenseits als großer Bahnhof mit Hotelanbindung, in dem die Verstorbenen sich in aller Ruhe entscheiden können, welche Form von Ewigkeit sie gerne haben möchten, mutet natürlich etwas skurril an, doch als Zuschauer ist man gerne gewillt diese Visualisierung (inklusive sämtlicher Bürokratie-Ebenen) anzunehmen. Die Ménage-à-Trois der Darsteller spielt freilich hin und wieder recht amerikanisch auf, doch überwiegt der Romantikteil (bitte Taschentücher bereithalten). Ich persönlich fand den Film ein klein wenig zu lang (112 Minuten) und hätte mir ein offenes Ende gewünscht. Aber für offene Enden gibt der brave amerikanische Bürger keine Dollars aus und so kommt es halt wie es kommen muss. Trotz alledem eine Empfehlung für die besinnliche Vorweihnachtszeit.
Mittwoch, 08. Oktober 2025
Eine Stadt wird paranoid
Die letzte Pressevorführung vor dem nächsten Filmfestival

EDDINGTON (1:1.85, 5.1 + Atmos)
OT: Eddington
Verleih: Leonine Studios
Land/Jahr: USA, Großbritannien, Finnland 2025
Regie: Ari Aster
Darsteller: Joaquin Phoenix, Pedro Pascal, Emma Stone, Austin Butler
Kinostart: 20.11.2025

Die Kleinstadt Eddington irgendwo in den USA. Als Folge der Pandemie muss sich Sheriff Joe Cross um Einhaltung von Maskenpflicht und Mindestabstand kümmern. Doch in der Bevölkerung regt sich Widerstand, machen Verschwörungstheorien die Runde. Bald hat Cross, der das ehrgeizige Ziel hat, Bürgermeister zu werden, die Schnauze voll und greift zur Selbstjustiz... Die Pandemie ist also in den USA angekommen, sogar in dem kleinen Nest Eddington. Die daraus resultierende Paranoia und die damit einhergehende Überforderung der Gesetzeshüter inszeniert Ari Aster absolut gekonnt. Doch nach etwa einer halben Stunde kommt der Film ins Schwimmen. Da wird nicht mehr ganz klar, worauf Aster eigentlich abzielt. Vielleicht hat er einfach zuviel in seinen zweieinhalbstündigen Film hineingepackt. Da geht es dann plötzlich um Polizeigewalt, um ”Black Lives Matter”, um groß angelegte Missbrauchsfälle. Die agierenden Figuren werden oft nur fragmentarisch eingeführt, wie etwa Emma Stone, deren Talent hier einfach verschwendet wird. Joaquin Phoenix als Sheriff und Möchtegern-Bürgermeister läuft wie gewohnt zu Hochform auf, doch erschließt sich irgendwann seine Motivation für die Dinge, die er tut, nicht mehr ganz. Handwerklich lässt der Film keine Wünsche offen: starke Filmmusik (Bobby Krlic, Daniel Pemberton), gute Kameraführung (Darius Khondji), perfekter Schnitt (Lucian Johnston), exzellente Tonspur (Paul Hsu). Nur das Drehbuch (vom Regisseur selbst verfasst) gibt sich zunehmend kryptisch. Vielleicht muss man ein kleinstädtischer US-Bürger sein, um die Quintessenz aus dem ganzen Geschehen zu ziehen.
Dienstag, 07. Oktober 2025
Geschenkekoller und Auszeit
Ein Double Feature der gemischten Gefühle

DAS PERFEKTE GESCHENK (1:2.35, 5.1)
OT: Les Cadeaux
Verleih: Neue Visionen
Land/Jahr: Frankreich 2024
Regie: Raphaële Moussafir, Christophe Offenstein
Darsteller: Camille Lelouche, Chantal Lauby, Gérard Darmon
Kinostart: 13.11.2025

Wenn Charlotte etwas nicht leiden kann, dann sind es Geschenke. Doch ihre Liebsten lassen keine Gelegenheit aus, ihr immer wieder die peinlichsten Geschenke zukommen zu lassen, die nur darauf abzielen, ihr frustrierendes Liebesleben zu kommentieren... DAS PERFEKTE GESCHENK ist eine jener überstrapazierten französischen Komödien, in denen es um Familie, Beziehungen und natürlich Sex geht. Zugegeben: der Cast überzeugt (insbesondere natürlich in der Originalfassung!). Das Drehbuch hingegen hätte ruhig viel sarkastischer und zynischer sein dürfen. Man muss da irgendwie automatisch an Loriot denken und was er aus solch einer vertrakten Familiensituation gemacht hätte. Aber so ist es halt französisch: immer mit einem Lächeln und der Gewissheit, dass sich alle lieb haben. Eine Komödie für zwischendurch: ansehen, abhaken, vergessen.

YUNAN (1:1.78, 5.1)
Verleih: immergutefilme
Land/Jahr: Deutschland, Kanada, Italien, Palästinensiche Autonomiegebiete, Katar, Jordanien 2025
Regie: Ameer Fakher Eldin
Darsteller: Georges Khabbaz, Hanna Schygulla, Ali Suliman, Sibel Kekilli, Tom Wlaschiha
Kinostart: 13.11.2025

Munir ist aus dem Nahen Osten nach Hamburg ausgewandert und hat Mutter und Schwester zurückgelassen. Er verdingt sich als Schriftsteller, doch Atemprobleme lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Auf Anraten seines Arztes nimmt er sich eine Auszeit auf einer Hallig. Dort lernt er die alte Valeska kennen, die ihm bald einen Weg zu sich selbst weist... Bildgewaltig gibt sich Ameer Fakher Eldins entschleunigtes Drama. Bilder, die fürs Kino wie geschaffen sind, auch wenn der Film im TV-Format 16x9 ausgeliefert wird. Wenig Worte, umso mehr Gesten, Töne, Geräusche und Musik, die die Zuschauer in ihren Bann ziehen. Die 124 Minuten Spielzeit merkt man nicht. Eine tolle Farbdramaturgie macht die Unterscheidung zwischen der Wirklichkeit und den inneren Bildern deutlich. Georges Khabbaz glänzt als schweigsamer Munir, der mit der schmerzhaften Trennung von seiner Heimat ringt. Ein Film der nachhallt, auch wenn man schon lange den Kinosaal verlassen hat.
Sonntag, 05. Oktober 2025
Die letzte Schlacht
Nachdem ich mir den Film jetzt schon dreimal angesehen habe, wird es Zeit etwas darüber zu schreiben

ONE BATTLE AFTER ANOTHER (1:50 / 1:1.85 / 1:1.90 / 1:1.43, 5.1 + 7.1 + Atmos)
OT: One Battle After Another
Verleih: Warner Bros. Pictures Germany
Land/Jahr: USA 2025
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Benicio del Toro, Sean Penn, Regina Hall, Teyana Taylor, Chase Infiniti, Wood Harris, Alana Haim
Kinostart: 25.09.2025

Bob, ein abgehalfterter Ex-Revoluzzer, der schon seit 16 Jahren nicht mehr im Untergrundkampf wirkt, wird plötzlich mit dem Verschwindens seiner 16jährigen Tochter Willa konfrontiert. Dahinter steckt sein Ex-Feind Colonel Lockjaw, der seiner endlich habhaft werden möchte. Ob er will oder nicht muss Bob noch einmal in die Schlacht ziehen, wenn er seine Tochter retten will... Was Regisseur Paul Thomas Anderson hier auf die Leinwand bringt ist waschechtes Oscar-Material! Offensichtlich versteht er es hervorragend das Beste aus seinem Cast herauszuholen. So liefern nicht nur Leonardo DiCaprio und Newcomerin Chase Infiniti (der Name ist Programm!) oscarreife Leistungen ab, sondern insbesondere auch Sean Penn in der Rolle des Colonel Lockjaw, dessen Figur von Tragik und Komik gezeichnet ist. Komik ist in Andersons zynisch-sarkastischer Metapher auf das heutige Amerika ein wichtiges Element, das wunderbar neben den nervenzerfetzenden Sequenzen bestehen kann, die der Regisseur gemeinsam mit Kameramann Michael Bauman auf die Leinwand bringt. Unterstützt wird das gesamte Projekt durch den Score von Johnny Greenwood, Andersons Hauskomponist, der mit ungewöhnlichem Musikeinsatz für Nervosität und Spannung zugleich sorgt. Es dauert ein ganzes Weilchen bis man sich in Andersons Film zurechtfindet, da die ausgedehnte Intro im Zeitraffermodus geschnitten ist. Doch ist man dann endlich in seinen Mikrokosmos richtig eingetaucht, gibt es kein Zurück mehr. Mit der Länge von 161 Minuten hätte man sich zwar eine Pause gewünscht, doch die hätte ganz sicher den fulminanten Spannungsaufbau sabotiert. Anderson ließ seinen Film in VistaVision aufnehmen, einem in den 1950er Jahren entwickelten Prozess, bei dem ein 35mm Negativfilm horizontal durch die Kamera läuft und so ein Aufnahmenegativ belichtet, das 8 Perforationslöcher breit ist und damit wesentlich größer als bei herkömmlichem 35mm. Dadurch hatte Anderson die Möglichkeit, den Film in unterschiedlichen Bildformaten ohne Qualitätseinbußen in die Kinos zu bringen: in VistaVision-Projektion als 1:1.50, in IMAX 70mm und IMAX 4K with Laser als 1:1.43, in IMAX 2K with Xenon als 1:1.90, in 70mm und Standard-DCP als 1:1.85. Für das beste Bilderlebnis empfiehlt sich die IMAX 1:1.43 Version, für den besten Ton die ”Dolby Cinema” Variante. Aber ganz egal in welcher Auswertungsform man sich den Film anschaut: er lohnt sich in jedem Fall!

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